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Beschluss vom 25. November 2015, II R 50/13

Beitrittsaufforderung an das BMF: Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG

BFH II. Senat

UmwG § 1 Abs 1 Nr 1, UmwG § 1 Abs 1 Nr 2, UmwG § 1 Abs 1 Nr 3, AEUV Art 107 Abs 1, FGO § 122 Abs 2, GrEStG § 1 Abs 1 Nr 3, UmwG § 123 Abs 1, UmwG § 123 Abs 2 Nr 2, UmwG § 123 Abs 3 Nr 3, UmwG § 123 Abs 2 Nr 1, UmwG § 123 Abs 3 Nr 1, UmwG § 124, GrEStG § 6a S 3, AEUV Art 108 Abs 3, GrEStG § 6a S 4, UStG § 2, GrEStG § 6a S 1 Halbs 1

vorgehend FG Münster, 14. November 2013, Az: 8 K 1507/11 GrE

Leitsätze

1. NV: Das BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten und zu der Frage, ob die Anwendung des § 6a GrEStG voraussetzt, dass der herrschende Rechtsträger ein Unternehmen i.S. des § 2 UStG ist, sowie zum möglichen Beihilfecharakter des § 6a GrEStG Stellung zu nehmen.

2. NV: Das BMF soll ferner zum Verhältnis von § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG, nach deren Wortlaut § 6a GrEStG auf Umwandlungsvorgänge, bei denen ein Rechtsträger untergeht oder neu entsteht (Verschmelzung, Aufspaltung, Abspaltung oder Vermögensausgliederung zur Neugründung), nicht anwendbar ist, zu § 6a Satz 1 GrEStG, der durch die Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UmwG auch diese Umwandlungsvorgänge in den Anwendungsbereich der Vorschrift einbezieht, sowie zum möglichen Beihilfecharakter des § 6a GrEStG Stellung nehmen.

Tenor

Das Bundesministerium der Finanzen wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten.

Tatbestand

  1. I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Einzelkauffrau mit dem Rechtsformzusatz "eingetragene Kauffrau". Sie war seit 2002 Alleingesellschafterin der grundbesitzenden A-GmbH.

  2. Durch Verschmelzungsvertrag vom 26. August 2010 übertrug die A-GmbH ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme auf die Klägerin. Die Verschmelzung wurde am 14. September 2010 in das Handelsregister eingetragen.

  3. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte gegen die Klägerin auf der Grundlage der gesondert festgestellten Grundbesitzwerte durch Bescheid vom 1. März 2011 Grunderwerbsteuer in Höhe von 5.197 € fest. Der Einspruch, mit dem die Klägerin die Steuerbefreiung nach § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes in der hier maßgebenden Fassung (GrEStG) geltend machte, blieb erfolglos. Während des Klageverfahrens setzte das FA die Grunderwerbsteuer durch Bescheid vom 19. Juli 2012 auf 7.105 € herauf.

  4. Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die Befreiungsvoraussetzungen des § 6a GrEStG nicht als erfüllt an, weil die Klägerin im Verhältnis zur A-GmbH kein herrschendes Unternehmen sei. Die Anteile an der A-GmbH hätten nicht zum Betriebsvermögen des Einzelunternehmens der Klägerin, sondern zu deren Privatvermögen gehört. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 306 veröffentlicht.

  5. Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 6a GrEStG. Dessen Voraussetzungen seien in ihrer Person erfüllt.

  6. Das FA erklärte durch während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 27. November 2014 die Festsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung für vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist.

  7. Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 25. März 2011 sowie die Grunderwerbsteuerbescheide vom 1. März 2011, 19. Juli 2012 und 27. November 2014 aufzuheben.

  8. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Aufforderung zum Beitritt beruht auf § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung. Das vorliegende Revisionsverfahren betrifft die Auslegung des § 6a GrEStG und damit eine auf Bundesrecht beruhende Abgabe sowie eine Rechtsstreitigkeit über Bundesrecht. Die Auslegung des § 6a GrEStG weist Schwierigkeiten von solchem Gewicht auf, dass dem Senat die Beitrittsaufforderung als sachgerecht erscheint. Außerdem ergeben sich unionsrechtliche Fragestellungen.

  2. 1. Der Übergang des Eigentums an inländischen Grundstücken unterliegt, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf, gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, weil das Eigentum an den Grundstücken der A-GmbH als übertragendem Rechtsträger aufgrund deren Verschmelzung auf die übernehmende Klägerin kraft Gesetzes übergegangen ist. Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme geht das Eigentum an den zum Vermögen des übertragenden Rechtsträgers gehörenden Grundstücken nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) kraft Gesetzes auf den übernehmenden Rechtsträger über (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 9. April 2008 II R 32/06, BFH/NV 2008, 1526; vom 7. März 2012 II B 90/11, BFH/NV 2012, 998). Im Streitfall waren hiernach die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG erfüllt.

  3. 2. Im anhängigen Verfahren ist zu entscheiden, ob für diese Rechtsvorgänge die Steuer nach § 6a GrEStG nicht zu erheben ist. Insoweit ist fraglich, ob in der Person der Klägerin die Voraussetzungen eines herrschenden Unternehmens i.S. des § 6a Satz 3 GrEStG erfüllt sind (dazu nachfolgend a) und ob die Voraussetzungen der Nachbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG vorliegen (dazu nachfolgend b).

  4. a) Nach § 6a Satz 1 Halbsatz 1 GrEStG wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a oder 3 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i.S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UmwG die Steuer nicht erhoben. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG betrifft die Verschmelzung, § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG die Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung und § 1 Abs. 1 Nr. 3 UmwG die Vermögensübertragung.

  5. Die Nichterhebung der Steuer gemäß § 6a Satz 1 Halbsatz 1 GrEStG setzt nach dem Wortlaut des § 6a Satz 3 GrEStG voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Der Begriff des Unternehmens ist in § 6a GrEStG nicht definiert. Es bedarf daher der Klärung, nach welchen Grundsätzen dieser Begriff zu bestimmen ist.

  6. aa) Nach überwiegender Auffassung muss das herrschende Unternehmen Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sein (so z.B. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19. Juni 2012, BStBl I 2012, 662, Tz. 2.2 Abs. 1 Satz 2; Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 6a Rz 53; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 6a Rz 11; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 6a Rz 43, jeweils m.w.N.). Unternehmer ist danach, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt und nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig ist (§ 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ‑‑UStG‑‑). Dabei wird unterschiedlich beurteilt, ob der herrschende Gesellschafter lediglich allgemein Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sein muss (so Tz. 2.2 Abs. 1 Satz 2 der Erlasse in BStBl I 2012, 662; Hofmann, a.a.O., § 6a Rz 11) oder ob ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der unternehmerischen Tätigkeit und der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung bestehen muss, so dass die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft dem unternehmerischen Bereich des herrschenden Unternehmens zugeordnet werden kann (so Viskorf in Boruttau, a.a.O., § 6a Rz 57; Pahlke, a.a.O., § 6a Rz 44; Weilbach, Grunderwerbsteuergesetz, Stand 10. Juni 2015, § 6a Rz 28).

  7. bb) Gegen die Bestimmung des herrschenden Unternehmens nach umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben wird der im Wortlaut des § 6a GrEStG fehlende Verweis auf § 2 UStG angeführt (z.B. Behrens, Die Unternehmensbesteuerung 2010, 845, 846, und Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2012, 2149, 2152; Schaflitzl/Götz, Der Betrieb 2011, 374).

  8. cc) Zweifel an der Maßgeblichkeit des umsatzsteuerrechtlichen Unternehmensbegriffs könnten sich auch aus der Zielrichtung des § 6a GrEStG ergeben, dessen Auslegung sich am Verschonungszweck dieser Regelung auszurichten hat (zum Zweck der Regelung vgl. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, BTDrucks 17/147, S. 10). Es erscheint beispielsweise fraglich, welche sachlichen Gründe es rechtfertigen könnten, dass bei der Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf eine andere (ein Rechtsvorgang, der gemäß Tz. 5 Abs. 1 Satz 3 und Beispiel 1 zu Tz. 5 der Erlasse in BStBl I 2012, 662, nach § 6a GrEStG begünstigt sein kann) die Grunderwerbsteuer gegen den übernehmenden Rechtsträger nur deshalb festzusetzen ist, weil der Alleingesellschafter beider Tochtergesellschaften nicht Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn ist. Dass das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, Umstrukturierungen von Unternehmen zu erleichtern und Wachstumshemmnisse zu beseitigen, eine solche Unterscheidung, die auch zu einem Eingriff in den Wettbewerb führen kann, begründen könnte, ist jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar.

  9. dd) Aus der zur Auslegung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vertretenen Auffassung, wonach herrschendes Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift jeder Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sein kann und diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, wenn die Anteile am erwerbenden Unternehmen zum Privatvermögen einer natürlichen Person gehören (BFH-Urteil vom 20. März 1974 II R 185/66, BFHE 113, 306, BStBl II 1974, 769; ebenso z.B. Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz 1052; Hofmann, a.a.O., § 1 Rz 176), können keine Rückschlüsse für die Auslegung desselben Begriffs in § 6a GrEStG gezogen werden. Dem BFH-Urteil in BFHE 113, 306, BStBl II 1974, 769 lag die Fassung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes vom 29. März 1940 ‑‑GrEStG 1940‑‑ (RGBl I 1940, 585) zugrunde. Von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1940 wurden nur "Unternehmen im Sinn des § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes" erfasst. Auf eine entsprechende gesetzliche Anknüpfung des Unternehmensbegriffs an das UStG in der seit dem 1. Januar 1983 geltenden Neufassung des § 1 Abs. 3 GrEStG hat der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich verzichtet (vgl. Gesetzesentwurf zum Grunderwerbsteuergesetz, BTDrucks 9/251, S. 16).

  10. ee) Aus der Definition des abhängigen Unternehmens in § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG lässt sich ebenfalls nicht herleiten, dass § 6a GrEStG nur auf Unternehmen im Sinne des UStG Anwendung findet. Die Vorschrift definiert, unter welchen Voraussetzungen eine juristische Person als abhängig i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG gilt. Danach gilt eine juristische Person, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist, als abhängiges Unternehmen. Der Wortlaut des § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG knüpft zwar an § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG an. Dies rechtfertigt es, bei der Auslegung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG die für § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG geltenden Grundsätze heranzuziehen (vgl. Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz 1058). § 6a Satz 4 GrEStG definiert die Abhängigkeit von Gesellschaften jedoch anders als § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG und gilt zudem nicht nur für juristische Personen, sondern auch für Personengesellschaften. Danach gilt eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor und nach dem Rechtsvorgang mittelbar oder unmittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist, als abhängig. Auf das Bestehen einer Organschaft kommt es nicht an. Das spricht dafür, den Begriff des abhängigen Unternehmens in § 6a GrEStG anders auszulegen als in § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG. Dabei wird auch zu beachten sein, dass es sich bei § 1 Abs. 3 GrEStG um einen steuerbegründenden Tatbestand und bei § 6a GrEStG um eine Steuerbegünstigung handelt.

  11. b) Das zum Beitritt aufgeforderte Bundesministerium der Finanzen (BMF) wird weiterhin um Stellungnahme gebeten, ob ‑‑unabhängig von der vorstehend aufgeworfenen Problematik des in § 6a GrEStG verwendeten Unternehmensbegriffs‑‑ die Voraussetzungen der Nachbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG erfüllt sein können, wenn eine grundbesitzende Kapitalgesellschaft durch Aufnahme auf eine natürliche Person verschmolzen wird und innerhalb der Nachbehaltensfrist lediglich ein einziger Rechtsträger verbleibt.

  12. aa) Umwandlungsvorgänge, bei denen eine an dem Vorgang beteiligte Gesellschaft erlischt oder neu entsteht, fallen nach dem Wortlaut des § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG nicht in den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG, weil eine solche Gesellschaft die in § 6a Satz 4 GrEStG bestimmten Voraussetzungen der Abhängigkeit nicht erfüllen kann und somit entgegen den Anforderungen des § 6a Satz 3 GrEStG an dem Umwandlungsvorgang auch (mindestens) eine Gesellschaft beteiligt ist, die nicht von dem herrschenden Unternehmen "abhängig" ist.

  13. Nach dem Wortlaut des § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG sind somit sämtliche Verschmelzungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2 ff. UmwG), die Aufspaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 1 UmwG), die Abspaltung und die Ausgliederung von Vermögen zur Neugründung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2, §§ 124 ff. UmwG) sowie die Vermögensübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, §§ 174 ff. UmwG), wenn sie zur Auflösung des übertragenden Rechtsträgers führt, nicht nach § 6a GrEStG begünstigt. § 6a GrEStG hätte bei der wortlautgetreuen Auslegung und Anwendung des § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG demgemäß nur einen sehr eng begrenzten Anwendungsbereich. Dem Grunde nach begünstigungsfähig wären im Wesentlichen nur die Abspaltung und die Ausgliederung von Vermögen zur Aufnahme durch Übertragung des abgespaltenen oder ausgegliederten Vermögensteils oder der abgespaltenen oder ausgegliederten Vermögensteile jeweils als Gesamtheit auf einen bestehenden oder mehrere bestehende Rechtsträger (§ 123 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 UmwG).

  14. bb) Es stellt sich daher die Frage, ob der Gesetzgeber entgegen den Regelungen in § 6a Satz 1 Halbsatz 1 GrEStG den Anwendungsbereich dieser Vorschrift durch § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG derart weitgehend einschränken wollte und ob bei einem so engen Anwendungsbereich der Steuerbegünstigung die vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgten Ziele erreicht werden können. Nach dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags (BTDrucks 17/147, S. 10) sollten Grundstücksübergänge u.a. im Rahmen von Umstrukturierungen bei Umwandlungsvorgängen grunderwerbsteuerrechtlich begünstigt werden, wenn es sich um einen Rechtsvorgang i.S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UmwG handle. Der Finanzausschuss führte weiter aus, die Begünstigungswirkung müsse den Begünstigungsadressaten möglichst gleichmäßig zugutekommen. Sie dürfe nicht von Zufälligkeiten abhängen und daher willkürlich eintreten, sondern müsse sich direkt aus der der Begünstigungsnorm zugrunde liegenden Entlastungsentscheidung ableiten lassen. Aus diesem Grunde würden zu einem Rechtsträgerwechsel am Grundstück im Sinne des GrEStG führende Umwandlungsvorgänge zur Beseitigung von Wachstumshemmnissen begünstigt. Die Erfassung aller derartigen Vorgänge diene der gebotenen gleichmäßigen Wirkung der Begünstigung. Allerdings werde die Begünstigung auf Konzernsachverhalte beschränkt, um sicherzustellen, dass die Begünstigung zielgenau wirke und nicht zu einem ungewollten Mitnahmeeffekt führe. Dem dienten die flankierenden Eingrenzungen durch die in § 6a Satz 4 GrEStG normierte Vor- und Nachbehaltensfrist.

  15. cc) Die Finanzverwaltung stellt in den Erlassen in BStBl I 2012, 662 maßgeblich auf das im Wortlaut des § 6a GrEStG nicht vorgesehene Merkmal des "Verbundes" ab, der nach Tz 2.1 Abs. 2 der Erlasse für den jeweiligen Umwandlungsvorgang zu bestimmen ist und aus dem herrschenden Unternehmen und der oder den am Umwandlungsvorgang beteiligten abhängigen Gesellschaft(en) sowie den dieses Beteiligungsverhältnis vermittelnden abhängigen Gesellschaften besteht. Umwandlungsvorgänge, durch die der Verbund begründet oder beendet wird, sind nach Tz. 2.1 Abs. 3 Satz 1 der Erlasse nicht nach § 6a GrEStG begünstigt. Demgemäß sind nach Tz. 2.1 Abs. 3 Sätze 2 und 3 der Erlasse Ausgliederungen oder Abspaltungen zur Neugründung aus einem herrschenden Unternehmen sowie die Verschmelzung der letzten am Umwandlungsvorgang beteiligten abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen nicht begünstigt, da durch diese Umwandlungsvorgänge der Verbund erst begründet oder beendet wird. Dies gilt nach den in Tz. 2.1 der Erlasse enthaltenen Beispielen auch dann, wenn die Muttergesellschaft, auf die die Tochtergesellschaft verschmolzen wird, zu mindestens 95 % an einer weiteren Gesellschaft beteiligt ist oder die Tochtergesellschaft ihrerseits zu mindestens 95 % an einer Gesellschaft beteiligt war, die ihrerseits die Anforderungen an eine abhängige Gesellschaft der Muttergesellschaft gemäß § 6 Satz 4 GrEStG erfüllt.

  16. Begünstigt kann demgegenüber nach Tz. 5 Abs. 1 Satz 3 und Beispiel 1 zu Tz. 5 der Erlasse die Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf eine andere sein. Erforderlich ist dabei, dass bei beiden Tochtergesellschaften die Vorbehaltensfrist von fünf Jahren (Tz. 4 der Erlasse) eingehalten war und die übernehmende abhängige Gesellschaft fünf Jahre fortbesteht und an ihr die Mindestbeteiligung von 95 % bestehen bleibt. Dass die übertragende Gesellschaft bei der Umwandlung erlischt und somit nicht die Anforderungen des § 6a Satz 4 GrEStG an eine abhängige Gesellschaft erfüllt, ist nach Tz. 5 Abs. 1 Satz 3 der Erlasse unschädlich. Bei dieser Erlassregelung handelt es sich ersichtlich um eine durch die Finanzverwaltung zugelassene Ausnahme vom Wortlaut des § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG. Im Übrigen soll hinsichtlich der Vorbehaltensfrist jede Veränderung der Art der Beteiligung (z.B. vollständige oder teilweise Verkürzung oder Verlängerung der Beteiligungskette) unschädlich sein. Voraussetzung ist nur, dass die erforderliche Mindestbeteiligung des im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs durch Umwandlung bestimmten herrschenden Unternehmens von 95 % erhalten bleibt (Tz. 4 letzter Absatz der Erlasse). Es stellt sich die Frage, ob und aus welchen Gründen eine Verkürzung oder Verlängerung der Beteiligungskette nicht auch für die Nachbehaltensfrist unschädlich sein soll.

  17. Weitere Ausnahmen vom Wortlaut des § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG sehen die Erlasse in BStBl I 2012, 662 nicht mehr vor. Die in Tz. 5 Abs. 1 der Gleich lautenden Ländererlasse vom 1. Dezember 2010 (BStBl I 2010, 1321) enthaltene Regelung, wonach die Nachbehaltensfrist bei der Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen ausnahmsweise nicht eingehalten werden muss, hat die Finanzverwaltung in den Erlassen in BStBl I 2012, 662 nicht aufgenommen, ohne dass dem eine Gesetzesänderung zugrunde liegt.

  18. dd) Zu der angesprochenen Problematik hat sich bisher noch keine einheitliche Ansicht herausgebildet, und zwar weder in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. einerseits Urteil des FG München vom 23. Juli 2014  4 K 1304/13, EFG 2014, 1703, rechtskräftig, und andererseits Urteil des FG Düsseldorf vom 7. Mai 2014  7 K 281/14 GE, EFG 2014, 1424, m. Anm. Fumi, Revision eingelegt, Az. des BFH: II R 36/14) noch im Schrifttum (vgl. einerseits Hofmann, a.a.O., § 6a Rz 17; Pahlke, a.a.O., § 6a Rz 39; Schanko, Der Konzern 2013, 122, 124, und Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2011, 152; andererseits Viskorf, a.a.O., § 6a Rz 93; Weilbach, GrEStG, Stand 10. Juni 2015, § 6a Rz 36; Teiche, Betriebs-Berater ‑‑BB‑‑ 2012, 2659, 2665 f.; Jorde/Trinkaus, Die Unternehmensbesteuerung 2012, 649, 654; Behrens, DStR 2012, 2149, 2050 ff.; Wischott/ Schönweiß/Graessner, Neue Wirtschafts-Briefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht 2013, 780, 790; Mensching/Tyarks, BB 2010, 87, 91; Schaflitzl/Stadler, Der Betrieb 2010, 185, 188).

  19. c) Das BMF wird um Stellungnahme gebeten, wie aus seiner Sicht unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an Steuergesetze, die auch der Finanzausschuss in BTDrucks 17/147, S. 10 angesprochen hat, der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG abzugrenzen ist.

  20. 3. In unionsrechtlicher Hinsicht wird zudem zu prüfen sein, ob es sich bei § 6a GrEStG um eine neu eingeführte Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union handelt.

  21. Das BMF wird daher gebeten mitzuteilen, ob ein beihilferechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt wurde und welches Ergebnis dieses ggf. hatte, oder andernfalls zu der Frage des Vorliegens einer Beihilfe Stellung zu nehmen.

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