BFH III. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2, FGO § 116 Abs 3 S 3, EStG § 4 Abs 5 S 1 Nr 6 S 3 Halbs 1, EStG § 6 Abs 1 Nr 4 S 2, EStG § 8 Abs 2 S 2, EStG § 8 Abs 2 S 3, EStG § 9 Abs 1 S 3 Nr 4, UStG § 3 Abs 9a Nr 1
vorgehend FG Münster, 23. Juli 2014, Az: 6 K 4357/12 F
Leitsätze
1. NV: Werden Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte mit einem zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kfz zurückgelegt, das pauschal mit der sog. 1 %-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG besteuert wird, ist für diese Wegstrecken nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG eine Gewinnzurechnung in Höhe des dort genannten Unterschiedsbetrags vorzunehmen, die neben die mit der 1 %-Regelung besteuerte Privatnutzung des Kfz tritt .
2. NV: Insoweit ist kein erneuter Klärungsbedarf durch das BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 XI R 36/12 (BFHE 246, 250, BStBl II 2015, 43) entstanden, wonach die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Kfz für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte nicht nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen ist .
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 24. Juli 2014 6 K 4357/12 F wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind als Gesellschafter einer Rechtsanwaltssozietät freiberuflich tätig. Die Sozietät ermittelte für das Jahr 2009 (Streitjahr) ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (EStG) durch Einnahmenüberschussrechnung. Beide Kläger nutzten im Streitjahr jeweils ein zu mehr als 50 % betrieblich genutztes Kfz sowohl für Privatfahrten als auch für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte. Aus der vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2011 ergibt sich, dass die Bruttolistenpreise für die genannten Kfz 50.920 € und 43.270 € betragen haben. Die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Betriebsstätte belief sich beim Kläger zu 1 auf 6 km, beim Kläger zu 2 auf 10 km.
Die Sozietät erklärte für das Streitjahr Betriebseinnahmen aus der privaten Nutzung beider Kfz für private Fahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte in Höhe von 13.959 €. Daneben machte sie als abziehbare Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte einen Betrag von 2.657 € geltend (beim Kläger zu 1: 0,03 % x 50.920 € x 6 km x 12 Monate = 1.100 €; beim Kläger zu 2: 0,03 % x 43.270 € x 10 km x 12 Monate = 1.557 €).
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte dem insoweit nicht, als er im Gewinnfeststellungsbescheid für 2009 die erklärten Betriebsausgaben für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte in Höhe von 2.657 € wieder dem Gewinn hinzurechnete, weil diese Kosten bereits in den laufenden Kfz-Kosten enthalten seien. Für diese Wegstrecken ließ das FA nur die jeweilige Entfernungspauschale ‑‑beim Kläger zu 1 in Höhe von 378 € (= 6 km x 210 Arbeitstage x 0,30 €) und beim Kläger zu 2 in Höhe von 630 € (= 10 km x 210 Arbeitstage x 0,30 €)‑‑ gewinnmindernd zum Abzug zu. Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2011) und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte im Wesentlichen aus, das FA habe zu Recht für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte lediglich die jeweilige Entfernungspauschale gewinnmindernd berücksichtigt.
Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) sowie zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sofern die Kläger die geltend gemachten Zulassungsgründe in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form dargelegt haben, liegen sie nicht vor.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 18. März 2015 III B 43/14, BFH/NV 2015, 978, Rz 7, m.w.N.). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es u.a., wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 18. März 2010 X B 124/09, BFH/NV 2010, 1278, Rz 6 f.).
b) Im Streitfall lässt sich die aufgeworfene Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten.
aa) Die Kläger erachten die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob aus dem BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 XI R 36/12 (BFHE 246, 250, BStBl II 2015, 43) für das Einkommensteuerrecht zu folgern sei, dass bei einem Kfz des notwendigen Betriebsvermögens, dessen Privatnutzung mit der sog. 1 %-Regelung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG besteuert werde, für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte kein zusätzlicher Wert angesetzt werden dürfe. Der BFH habe in dem genannten Urteil entschieden, dass die Verwendung eines dem Unternehmer zugeordneten Kfz für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte nicht für Zwecke erfolge, die außerhalb des Unternehmens lägen, und mithin nicht als unentgeltliche Wertabgabe i.S. des § 3 Abs. 9a Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) der Umsatzbesteuerung unterliege. Die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte müssten in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehbar sein.
bb) Im Streitfall ist die aufgeworfene Rechtsfrage dahingehend zu beantworten, dass für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte eine Gewinnzurechnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG in Höhe des dort genannten Unterschiedsbetrags zu erfolgen hat, die neben die mit der 1 %-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG besteuerte Privatnutzung des Kfz tritt.
Der Gesetzgeber hat bei Steuerpflichtigen, die Gewinneinkünfte erzielen, die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte dem betrieblichen Bereich zugeordnet (vgl. Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1402; Blümich/ Ehmcke, § 6 Rz 1013k; Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 4 Rz 1721; Seifert in Korn, § 4 EStG Rz 1036), den Betriebsausgabenabzug hierfür allerdings nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG begrenzt. Werden die genannten Fahrten ‑‑wie im Streitfall‑‑ mit einem zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kfz zurückgelegt, das pauschal mit der sog. 1 %-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG besteuert wird, greift § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG ein. Danach dürfen derartige Aufwendungen den Gewinn in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 % des inländischen Listenpreises i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG des Kfz im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ergebenden Betrag nicht mindern; die Betriebsausgabenkürzung wird daher durch eine entsprechende Gewinnzurechnung erreicht. Der Zweck dieser Regelung besteht darin, dass für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte jedenfalls nicht mehr als die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG pro Entfernungskilometer zu berücksichtigenden Beträge abgezogen werden können (BFH-Urteile vom 12. Juni 2002 XI R 55/01, BFHE 199, 342, BStBl II 2002, 751; vom 22. September 2010 VI R 57/09, BFHE 231, 139, BStBl II 2011, 359, Rz 15). Diese Gewinnzurechnung tritt gesondert neben die mit der 1 %-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG besteuerte Privatnutzung des Kfz.
Damit werden im Ergebnis Steuerpflichtige, die Gewinneinkünfte erzielen, ebenso behandelt wie Steuerpflichtige, die Überschusseinkünfte beziehen (vgl. dazu auch Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Aufl., § 4 Rz 581; Seifert in Korn, § 4 EStG Rz 1036.7). Dem § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG entspricht bei Arbeitnehmern, die einen Dienstwagen auch für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen und als Werbungskosten die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG abziehen, die Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG, wonach sich der nach der 1 %-Regelung ermittelte Wert (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG) im Grundsatz für jeden Kalendermonat um 0,03 % des Listenpreises i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erhöht.
cc) Ein erneuter Klärungsbedarf ist durch das von den Klägern angeführte BFH-Urteil in BFHE 246, 250, BStBl II 2015, 43 nicht entstanden.
In diesem Urteil hat der BFH ‑‑wie von den Klägern zutreffend ausgeführt‑‑ entschieden, dass die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Kfz für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte nicht für Zwecke erfolgt, die außerhalb des Unternehmens liegen, und mithin nicht als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen ist. Er führte ‑‑verkürzt dargestellt‑‑ aus, dass sich die Frage, ob ein Unternehmer einen dem Unternehmen zugeordneten Gegenstand i.S. des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG für außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke verwendet, aus der Sicht des Unternehmens bzw. des Unternehmers beurteilt (BFH-Urteil in BFHE 246, 250, BStBl II 2015, 43, Rz 27). Diese spezifische umsatzsteuerrechtliche Betrachtung lässt sich nicht auf das Einkommensteuerrecht übertragen, zumal das Einkommensteuerrecht die aufgeworfene Rechtsfrage ausdrücklich in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG regelt (dazu oben bb). Hinzu kommt, dass nach dem Einkommensteuerrecht Selbständige und Arbeitnehmer beim Abzug der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebs-/Arbeitsstätte gleich behandelt werden sollen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 231, 139, BStBl II 2011, 359, Rz 18; Senatsurteil vom 23. Oktober 2014 III R 19/13, BFHE 248, 1, BStBl II 2015, 323, Rz 15).
2. Ebenso ist die Revision nicht wegen der unter 1. aufgeworfenen Rechtsfrage zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.
Dieser Zulassungsgrund stellt einen Spezialfall der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO dar und setzt daher ebenfalls die Darlegung und das Vorliegen einer klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage voraus (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 24. Juli 2014 III B 28/13, BFH/NV 2014, 1741, Rz 17, m.w.N.). Hieran fehlt es (dazu oben 1.).
3. Soweit die Kläger die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) begehren, ist dieser Zulassungsgrund nicht hinreichend dargelegt.
a) Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten, genau bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen. Außerdem muss sich aus der Beschwerdebegründung ergeben, dass dem Streitfall ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt wie der Divergenzentscheidung und es sich um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 6. Februar 2014 II B 129/13, BFH/NV 2014, 708, Rz 15, m.w.N.).
b) An solchen Darlegungen fehlt es. Die Kläger tragen insoweit lediglich vor, es könne nicht sein, dass der gleiche Sachverhalt für den Bereich der Umsatzbesteuerung anders entschieden werde wie für den Bereich der Einkommensbesteuerung. Es fehlt aber jeglicher Vortrag dazu, warum es sich um eine identische Rechtsfrage handeln soll, obwohl sich die Behandlung der in Rede stehenden Aufwendungen im Einkommensteuerrecht und Umsatzsteuerrecht nach ganz unterschiedlich formulierten Normen ‑‑einerseits § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 Halbsatz 1 EStG, andererseits § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG‑‑ beurteilt.
4. Soweit die Kläger auch die materielle Fehlerhaftigkeit des FG-Urteils geltend machen, lässt sich hiermit ‑‑selbst wenn dem so wäre‑‑ die Zulassung der Revision im Allgemeinen nicht rechtfertigen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 18. November 2013 III B 45/12, BFH/NV 2014, 342, Rz 10, m.w.N.).
5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.