BFH IX. Senat
EStG § 9 Abs 1 S 1, EStG § 9 Abs 1 S 2, EStG § 21 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 22 Nr 2, EStG § 23 Abs 1 S 1 Nr 1, AO § 39 Abs 2 Nr 1, FGO § 118 Abs 2, FGO § 136 Abs 1, BGB § 346 Abs 1, BGB § 873 Abs 1, BGB § 925 Abs 1, EStG VZ 2005 , EStG VZ 2006 , EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 6
vorgehend FG Münster, 17. Dezember 2013, Az: 10 K 257/10 E,F
Leitsätze
1. NV: Fallen Aufwendungen schon an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird .
2. NV: Die (tatsächlich durchgeführte) Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts (§ 346 Abs. 1 BGB) stellt kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar. Dies gilt erst recht, wenn die Rückabwicklung trotz eines titulierten Anspruchs nicht durchgeführt wird .
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 18. Dezember 2013 10 K 257/10 E,F sowie der Einkommensteuerbescheid für 2006 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2003, auf den 31. Dezember 2004, auf den 31. Dezember 2005 und auf den 31. Dezember 2006, datierend vom 21. bzw. 28. Oktober 2008, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2009 mit der Maßgabe geändert, dass der Ansatz von Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften aus der Veräußerung der "Flurstücke 1 und 2" unterbleibt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Klageverfahrens haben der Kläger zu 5 % und der Beklagte zu 95 % zu tragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger zu 17 % und der Beklagte zu 83 % zu tragen.
Tatbestand
I. Zwischen den Beteiligten ist im Revisionsverfahren noch streitig, in welcher Höhe der Kläger und Revisionskläger (Kläger) in den Jahren 2005 und 2006 vorab entstandene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen kann und ob der Kläger aus der Veräußerung von zwei Grundstücken ("Flurstücke 1 und 2") Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat.
1. Der Kläger erwarb in den 1970er Jahren ein Zweifamilienhaus, das er teilweise vermietete und teilweise zu eigenen Wohnzwecken nutzte. Ab dem Jahr 1999 begann er, das Objekt zu einem Mehrfamilienhaus mit sieben Wohneinheiten umzubauen. Ab dem Jahr 2000 verzögerte sich die Fertigstellung des Bauvorhabens durch die Insolvenz des beauftragten Bauunternehmers. Im Jahre 2006 wurde der Bau auf Betreiben eines Nachbarn bauordnungsrechtlich stillgelegt. Im Zuge einer von dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) im Jahr 2008 durchgeführten Außenprüfung wurde festgestellt, dass sich das Gebäude noch immer im Rohbauzustand befand; der Kläger lebte zu diesem Zeitpunkt im Keller in dem einzigen beheizbaren Raum des Gebäudes. 2009 wurde über das Objekt die Zwangsverwaltung angeordnet; es wurde 2011 zwangsversteigert.
Das FA erkannte die vom Kläger in den Streitjahren 2003 bis 2006 geltend gemachten ‑‑und ursprünglich bei der Einkommensteuerveranlagung antragsgemäß berücksichtigten‑‑ Aufwendungen für den Umbau des Mehrfamilienhauses nach Durchführung der Außenprüfung nicht mehr als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung an. Es vertrat insoweit die Auffassung, dass dem Kläger hinsichtlich des betreffenden Objekts die erforderliche Überschusserzielungsabsicht fehle, da nicht erkennbar sei, ob und wann das Objekt einer einkommensteuerrechtlich relevanten Nutzung zugeführt und dadurch ein Totalüberschuss erwirtschaftet werden könne.
2. Im Jahr 1981 erwarb der Kläger durch notariell beurkundeten Tauschvertrag zwei unbebaute Grundstücke von der Stadt X. Wegen anderweitiger Streitigkeiten mit dem Veräußerer erklärte der Kläger im Jahr 1990 den Rücktritt vom Tauschvertrag. Im Zuge eines vom Kläger angestrengten Klageverfahrens wurde die Stadt X durch Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) vom 14. März 1994 zur Rückgewähr der vom Kläger empfangenen Gegenleistung Zug um Zug gegen Rückübertragung der beiden Grundstücke verurteilt. Unter dem 25. April 1994 schlossen der Kläger und die Stadt X eine privatschriftliche Vereinbarung, nach deren Ziffer 1 sich die Stadt X verpflichtete, keine Revision gegen das Urteil des OLG einzulegen, und nach deren Ziffern 3 und 3.1 die Stadt X unverzüglich mit dem Kläger Verhandlungen aufnehmen sollte mit dem Ziel, dass der Kläger die maßgeblichen Grundstücke behalten dürfe. Mit notariell beurkundeter "Abwicklungsvereinbarung" vom 16. September 1997 vereinbarten der Kläger und die Stadt X "zur endgültigen Abwicklung" des Tauschvertrages u.a., dass der Kläger Eigentümer der maßgeblichen Grundstücke bleiben sollte und zusätzlich zum bereits geleisteten Kaufpreis einen Wertausgleich hinzuzahlen müsse.
Mit notariell beurkundeten Verträgen vom 9. April 2003 und 4. August 2003 veräußerte der Kläger den überwiegenden Teil der durch den Tauschvertrag erworbenen Grundstücksflächen. Das FA vertrat insoweit die Auffassung, dass dem Kläger aus der Veräußerung der Grundstücke Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) zugeflossen seien. Die maßgeblichen Grundstücke seien erst durch die Abwicklungsvereinbarung im Jahr 1997 i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG "angeschafft" worden. Denn der Kläger habe durch den Rücktritt vom Tauschvertrag das wirtschaftliche Eigentum an den Grundstücken wieder verloren; erst durch die Abwicklungsvereinbarung sei die schuldrechtliche Verpflichtung des Klägers zur Rückübertragung der Grundstücke entfallen. Danach liege zwischen der "Anschaffung" im Jahr 1997 und der notariell beurkundeten Veräußerung im Jahr 2003 ein Zeitraum, der die Veräußerungsfrist von zehn Jahren unterschreite.
3. Dementsprechend änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 2006 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2003, auf den 31. Dezember 2004, auf den 31. Dezember 2005 und auf den 31. Dezember 2006 und setzte in den Streitjahren zum einen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften an und berücksichtigte zum anderen die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse aus dem Umbau des Mehrfamilienhauses nicht mehr. Die hiergegen gerichteten Einsprüche des Klägers hatten in den in diesem Verfahren noch streitigen Punkten keinen Erfolg.
4. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Das FG vertrat die Auffassung, dass der Kläger auch in den Streitjahren 2003 bis 2006 grundsätzlich die Absicht gehabt habe, Einkünfte aus einer künftigen Vermietung des noch im Umbau befindlichen Mehrfamilienhauses zu erzielen. Allerdings ging das FG bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles davon aus, dass der Kläger nicht die gesamte Wohnfläche des Mehrfamilienhauses fremden Wohnzwecken habe zuführen wollen, sondern dass er weiterhin in dem Objekt wohnen werde und daher einen ‑‑schätzweise‑‑ mit 60 qm Wohnfläche bemessenen Bereich künftig zu eigenen Wohnzwecken habe nutzen wollen. Aufwendungen, die der Kläger auf den in Zukunft der Selbstnutzung dienenden Bereich getätigt habe, könne er nicht als vorab entstandene Werbungskosten geltend machen. Im Übrigen vertrat das FG die Auffassung, dass der Kläger durch die notariell beurkundete Veräußerung der beiden Grundstücke im Jahr 2003 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt habe. Zwar habe der Kläger auf Grundlage des Tauschvertrages im Jahr 1981 das zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentum an den Grundstücken erworben; er habe indes das wirtschaftliche Eigentum an diesen Grundstücken durch seine Rücktrittserklärung, deren Wirksamkeit durch das Urteil des OLG im Jahr 1994 bestätigt worden sei, wieder verloren. Der Tauschvertrag sei in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden, so dass der Kläger zur Rückgewähr der Grundstücke an den Verkäufer verpflichtet gewesen sei. Unbeschadet des Umstandes, dass der Kläger die Grundstücke im Ergebnis habe behalten wollen, liege die endgültige Anschaffung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erst in der notariell beurkundeten Abwicklungsvereinbarung vom 16. September 1997, mit der die Verpflichtung des Klägers zur Rückgewähr der Grundstücke entfallen sei und er sich zur Zahlung eines Wertausgleichs verpflichtet habe. Der gesamte Gewinn aus den Veräußerungen sei auch steuerbar, da die frühere, lediglich zwei Jahre umfassende Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG im Zeitpunkt der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) noch nicht abgelaufen gewesen sei. Allerdings sei die Höhe der erzielten Veräußerungsgewinne um die vom Kläger nicht im einzelnen nachgewiesenen Anschaffungsnebenkosten (Notarkosten; Grundbuchkosten; Grunderwerbsteuer) zu mindern; diese Kosten seien mit 5 % der Anschaffungskosten für das jeweilige Grundstück zu schätzen.
5. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er vertritt die Auffassung, dass eine Minderung der vorab entstandenen Werbungskosten um einen Anteil für die künftig beabsichtigte teilweise Selbstnutzung des Mehrfamilienhauses nicht zulässig sei. Er habe im Streitzeitraum einen Kellerraum im Anwesen bewohnt, der allenfalls eine Größe von 12 qm gehabt habe. Hinsichtlich der Veräußerung der Grundstücksflächen weist der Kläger darauf hin, dass er im Jahr 1981 zivilrechtlicher Eigentümer der im Jahr 2003 veräußerten Flächen geworden und während des gesamten, vorstehend genannten Zeitraums als solcher im Grundbuch eingetragen gewesen sei. Er habe auch nicht, wovon das FA ausgehe, zwischenzeitlich das wirtschaftliche Eigentum an den Grundstücken verloren. Insbesondere führe die Rücktrittserklärung nicht dazu, dass das wirtschaftliche Eigentum vor der (vollständig) vollzogenen Durchführung des Rückabwicklungsverhältnisses, welche auch die Rückgewähr der Gegenleistung Zug um Zug gegen die Rückgewähr des Eigentums an den Grundstücken umfasse, an den Verkäufer zurückfalle. Jedenfalls aber habe er mit dem Verkäufer schon im April 1994 und mithin vor Rechtskraft der Entscheidung des OLG formwirksam vereinbart, dass er die maßgeblichen Grundstücke behalten dürfe.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil des FG Münster vom 18. Dezember 2013 10 K 257/10 E,F aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2006 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2003, auf den 31. Dezember 2004, auf den 31. Dezember 2005 und auf den 31. Dezember 2006, datierend vom 21. bzw. 28. Oktober 2008, sämtlich in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2009, dahin zu ändern, dass die geltend gemachten vorab entstandenen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärungsgemäß berücksichtigt und keine Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften angesetzt werden.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Stattgabe der Klage, soweit das FG den Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften unbeanstandet gelassen hat; im Übrigen war die Klage abzuweisen.
1. Die Entscheidung des FG, die vom Kläger geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse aus dem Umbau des Mehrfamilienhauses dem Grunde nach bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, jedoch um einen der Selbstbenutzung vorbehaltenen Anteil zu kürzen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen mit der beabsichtigten Vermietung eines (leerstehenden) Wohngrundstücks an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Die Berücksichtigung von Aufwand als (vorab entstandene) Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht aufgegeben hat. Das FG entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ob im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen vorliegt; es ist bei seiner tatrichterlichen Würdigung nicht an starre Regeln für das Gewichten einzelner Umstände gebunden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 13. Januar 2015 IX R 46/13, BFH/NV 2015, 668, m.w.N.).
b) Nach diesen Maßstäben hat das FG die grundsätzliche Berücksichtigung der Werbungskostenüberschüsse in den Streitjahren zu Recht bejaht. Denn nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass er sich ‑‑wenngleich erfolglos‑‑ jedenfalls in den Streitjahren nach Kräften bemüht habe, den Fortgang der Umbauarbeiten voranzutreiben, um eine erneute Nutzung des ‑‑bereits früher teilweise vermieteten‑‑ Objekts zu fremden Wohnzwecken zu erreichen.
Soweit das FG andererseits aus den sonstigen von ihm festgestellten Umständen nicht die Überzeugung gewinnen konnte, dass der Kläger in den Streitjahren endgültig zur Vermietung der gesamten Wohnfläche des Mehrfamilienhauses entschlossen gewesen sei, ist dies nach dem eingeschränkten Maßstab revisionsrechtlicher Kontrolle ebenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere begegnet es keinen Bedenken, wenn das FG aufgrund der früheren (anteiligen) Nutzung des Mehrfamilienhauses zu Wohnzwecken des Klägers den Schluss zieht, dass dieser ‑‑mangels anderweitiger Alternativen‑‑ auch künftig einen für eine alleinstehende Person mit 60 qm ausreichend bemessenen Wohnbereich selbst werde nutzen wollen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger während des Umbaus einen Kellerraum im Anwesen bewohnt hat, welcher lediglich eine Nutzfläche von 12 qm aufwies.
2. Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt der Veräußerung der maßgeblichen Grundstücke die Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG von zehn Jahren noch nicht abgelaufen war.
a) Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken oder ihnen gleichgestellten Rechten nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Es handelt sich hierbei um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichung mit der Anschaffung des Wirtschaftsgutes beginnt und mit dessen Veräußerung endet.
Als Anschaffung und Veräußerung werden im Regelfall der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes auf eine andere Person aufgefasst. Darüber hinaus können aber auch andere marktoffenbare Vorgänge als Veräußerung i.S. von § 23 Abs. 1 EStG zu beurteilen sein (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 2006 IX R 47/04, BFHE 214, 267, BStBl II 2007, 162, m.w.N. mit Beispielen). Demgegenüber liegt eine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht vor, wenn sich das ursprüngliche Anschaffungsgeschäft lediglich in ein Abwicklungsverhältnis verwandelt. Denn die Herausgabe des zuvor angeschafften Wirtschaftsgutes stellt hierbei keinen gesonderten marktoffenbaren Vorgang, sondern nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung dar (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 17. November 2005 III ZR 350/04, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2006, 723; BFH-Urteil in BFHE 214, 267, BStBl II 2007, 162).
b) Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend, in dem der obligatorische (Kauf-)Vertrag abgeschlossen wird; allerdings kann auch schon vor Abschluss eines notariell beurkundeten Kaufvertrages wirtschaftlich der Vollzug eines Erwerbs gegeben sein. Dies setzt voraus, dass dem Erwerber bereits zu diesem früheren Zeitpunkt wirtschaftliches Eigentum an dem Objekt ‑‑bei Grundstücken regelmäßig durch Übergang von Gefahr, Nutzen und Lasten‑‑ übertragen wird (z.B. BFH-Urteil vom 8. April 2003 IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171, m.w.N.).
c) Bei Anwendung dieser Grundsätze hält die Vorentscheidung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand; das FG hat den Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften aus der Veräußerung der "Flurstücke 1 und 2" zu Unrecht für zutreffend erachtet.
Der Kläger hat die maßgeblichen Grundstücke durch die schuldrechtlichen Vereinbarungen im Grundstückstauschvertrag und durch die Eintragung als (zivilrechtlicher) Eigentümer im Grundbuch im Jahr 1981 erworben (§§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ‑‑BGB‑‑). In steuerrechtlicher Hinsicht liegt bereits in dem Abschluss des obligatorischen Grundstückstauschvertrages eine "Anschaffung" der genannten Wirtschaftsgüter i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Mit der Abgabe seiner Rücktrittserklärung im Jahr 1990 hat sich das ursprüngliche, auf die Verschaffung des Eigentums an den Grundstücken gerichtete (und insoweit auch in vollem Umfang vollzogene) Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis verwandelt (§ 346 Abs. 1 BGB). Der Rücktritt betrifft ‑‑in zivilrechtlicher Hinsicht‑‑ nur das schuldrechtliche Verpflichtungsverhältnis; demgegenüber bleiben zur Erfüllung schuldrechtlicher Verpflichtungen vorgenommene (dingliche) Verfügungen in Kraft und müssen durch gegenläufige Verfügungen rückabgewickelt werden. In steuerrechtlicher Hinsicht folgt hieraus, dass mit der (tatsächlich durchgeführten) Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts kein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwirklicht wird; denn die Herausgabe des zuvor angeschafften Wirtschaftsgutes ist keine Veräußerung im Sinne der genannten Vorschrift (s. BFH-Urteil in BFHE 214, 267, BStBl II 2007, 162; BGH-Urteil in HFR 2006, 723). Dies gilt erst recht, wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ die Rückabwicklung trotz eines titulierten Anspruchs nicht durchgeführt wird. Danach hat der Kläger die im Jahr 1981 angeschafften Grundstücke durch die Abgabe seiner Rücktrittserklärung im Jahr 1990 nicht wieder an den ursprünglichen Verkäufer (zurück-)veräußert.
Das FG hat daneben keinerlei Feststellungen dahin getroffen, dass der Kläger in zeitlichem Zusammenhang mit der Abgabe seiner Rücktrittserklärung dem Veräußerer auf andere Weise das (wirtschaftliche) Eigentum an den maßgeblichen Grundstücksflächen verschafft hat. Der Kläger war weiterhin als Eigentümer im Grundbuch eingetragen; ein vorzeitiger Übergang von Besitz, Gefahr sowie Nutzungen und Lasten auf die Stadt X ‑‑als ursprünglicher Veräußerer‑‑ ist vom FG nicht festgestellt und nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Veräußerer zwischenzeitlich auf andere Weise wieder die tatsächliche Herrschaft über die Grundstücke erlangt und in einer Weise ausgeübt hat, dass er den Kläger ‑‑als zivilrechtlichen Eigentümer‑‑ von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen konnte (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung).
Vor diesem Hintergrund bleibt für die Annahme, der Kläger habe die maßgeblichen Grundstücke im Zuge der Abwicklungsvereinbarung vom 16. September 1997 ("erneut" bzw. "endgültig") angeschafft, kein Raum. Vielmehr verbleibt es dabei, dass die für den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG maßgebliche Anschaffung der streitgegenständlichen Grundstücke im Jahr 1981 stattgefunden hat. Aus dem Umstand, dass der Kläger aus anderen Gründen bereit war, im Zuge der Abwicklungsvereinbarung für diese Grundstücke einen Wertausgleich zu übernehmen, der steuerrechtlich zu nachträglichen Anschaffungskosten geführt hat, ergibt sich nichts anderes. Soweit der Kläger Teilflächen aus den genannten Grundstücken im Jahr 2003 weiterveräußerte, liegt danach kein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor; denn zwischen Anschaffung und Veräußerung liegt ein Zeitraum von mehr als zehn Jahren.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.