BFH X. Senat
EStG § 89 Abs 1, EStG § 90 Abs 4 S 1, EStG § 92, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, EStG § 89 Abs 1, EStG § 90 Abs 4 S 1, EStG § 92
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 03. Dezember 2014, Az: 10 K 10266/13
Leitsätze
1. NV: Der Zulageantrag nach § 89 Abs. 1 EStG und der Festsetzungsantrag nach § 90 Abs. 4 Satz 1 EStG sind zwei verschiedene Anträge.
2. NV: Der Zulageantrag umfasst oder ersetzt den Festsetzungsantrag nicht.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. Dezember 2014 10 K 10266/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat im Jahre 2005 einen § 5 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes entsprechenden Altersvorsorgevertrag abgeschlossen. Auf entsprechende Anregung der Anbieterin bevollmächtigte sie diese nach § 89 Abs. 1a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), jährlich die Zulage zu beantragen. So geschah es. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin, die Deutsche Rentenversicherung Bund (Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen ‑‑ZfA‑‑) erteilte daraufhin für die Streitjahre die Bescheinigungen nach § 92 EStG, deren letzte auf den 14. März 2011 datiert.
Im August 2012 teilte die Klägerin der Anbieterin mit, ihr stünden für die Streitjahre Kinderzulagen für zwei Kinder zu. Die Anbieterin leitete das Schreiben der ZfA zu. Die ZfA fasste es als Antrag auf förmliche Festsetzung auf und lehnte diese ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat ausgeführt, der Antrag auf förmliche Festsetzung sei entgegen § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht binnen Jahresfrist nach Erteilung der Bescheinigung nach § 92 EStG gestellt. Anders als die Klägerin meine, enthalte die der Anbieterin erteilte Ermächtigung nach § 89 Abs. 1a EStG nicht zugleich einen Antrag auf förmliche Festsetzung nach § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG. Wäre dies der Fall, wären die gesonderten Regelungen über die förmliche Festsetzung überflüssig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei für die Jahre 2005 bis 2008 schon wegen Versäumung der Jahresfrist des § 110 Abs. 3 der Abgabenordnung, für das Jahr 2009 mangels Wiedereinsetzungsgründen nicht zu gewähren. Die behauptete Unkenntnis des Antragserfordernisses genüge nicht, da die entsprechende Belehrung in der Bescheinigung nach § 92 EStG eindeutig sei.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie ein Bedürfnis nach Fortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 FGO mit folgenden Fragen geltend:
1. Ist, wenn bei der Gewährung der Altersvorsorgezulage in der Bescheinigung nach § 92 EStG die Kinderzulage nicht beschieden wurde, der Antrag auf Gewährung der Kinderzulage im Dauerzulagenantrag beinhaltet und als noch nicht beschieden anzusehen, wobei die Bescheidung ohne Fristaspekte nachholbar ist oder bedarf es hierzu eines expliziten Antrags auf förmliche Festsetzung i.S. des § 90 Abs. 4 EStG?
2. Beinhaltet der Antrag auf Zulage mittels der Dauerzulageantragsbevollmächtigung i.S. des § 89 Abs. 1a EStG zugleich auch den Antrag auf förmliche Festsetzung i.S. von § 90 Abs. 4 EStG?
Diese bisher höchstrichterlich ungeklärten Fragen seien nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz heraus zu beantworten. Wenn eine Kinderzulage bei der Festsetzung der Zulage nicht berücksichtigt worden sei, sei fraglich, ob dann eigens ein Antrag nach § 90 Abs. 4 EStG gestellt werden müsse oder ob dieser nicht bereits in dem ursprünglichen Antrag nach § 89 EStG enthalten sei, so dass die ZfA hierüber unabhängig von einer Frist noch entscheiden könne.
Die ZfA hält die Rechtslage angesichts des Gesetzes für eindeutig und etwaige Fragen durch das Senatsurteil vom 22. Oktober 2014 X R 18/14 (BFHE 247, 312, BStBl II 2015, 371), welches das dreistufige Verfahren der Zulagegewährung im Einzelnen erläutert habe, für geklärt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist ‑‑zumindest‑‑ unbegründet.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, so dass auch die Rechtsfortbildungsrevision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 FGO, die ein Spezialfall der Grundsatzrevision ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25. August 2010 X B 149/09, BFH/NV 2011, 266), nicht in Betracht kommt.
a) Grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (vgl. Senatsbeschluss vom 24. März 2015 X B 127/14, BFH/NV 2015, 809). Sie ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie eindeutig so zu beantworten ist wie das FG es getan hat (vgl. Senatsbeschluss vom 22. April 2015 X B 156/14, www.bundesfinanzhof.de/entscheidungen, Datum der Veröffentlichung: 10. Juni 2015).
Die beiden in der Sache fast identischen Rechtsfragen sind nach Lage des Gesetzes eindeutig so zu beantworten, wie das FG es getan hat.
b) Das EStG sieht für die Entscheidung über den Zulageanspruch folgendes Verfahren vor:
Der Zulageberechtigte stellt zunächst nach § 89 Abs. 1 EStG einen Antrag auf Zulage. Damit kann er nach § 89 Abs. 1a EStG auch den Anbieter bevollmächtigen. Dann ermittelt die ZfA auf Grund der ihr vorliegenden Daten nach § 90 Abs. 1 Satz 1 EStG die Höhe eines Zulageanspruchs. Sie veranlasst nach § 90 Abs. 2 Satz 1 EStG die Auszahlung der Zulage, und zwar nach § 90 Abs. 2 Satz 2 EStG zunächst ohne gesonderten Zulagenbescheid. Allerdings teilt die ZfA dem Anbieter nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung der steuerlichen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zur Altersvorsorge und zum Rentenbezugsmitteilungsverfahren sowie zum weiteren Datenaustausch mit der zentralen Stelle (Altersvorsorge-Durchführungsverordnung ‑‑AltvDV‑‑) in der Fassung vom 28. Februar 2005 (BGBl I 2005, 487) das Ermittlungsergebnis nach § 90 Abs. 1 Satz 1 EStG mit. Diese Mitteilung steht nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AltvDV unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, der nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AltvDV mit Zugang der weiteren Mitteilung über die Auszahlung der Zulage entfällt. Der Anbieter seinerseits erteilt dem Zulageberechtigten eine Bescheinigung nach § 92 EStG, aus der sich einzelne Informationen über die Zulage ergeben. Nach § 90 Abs. 4 Satz 1 EStG erfolgt erst auf besonderen Antrag des Zulageberechtigten eine Festsetzung der Zulage. Dieser Antrag wiederum ist nach § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG innerhalb eines Jahres seit Erteilung der Bescheinigung nach § 92 EStG zu stellen (vgl. im Einzelnen zur Verfahrensstruktur Senatsurteil in BFHE 247, 312, BStBl II 2015, 371, unter II.1.d aa (1)).
c) Angesichts dieser Regelungen ist für die Überlegungen der Klägerin kein Raum. Es ist gleichgültig, ob ein Antrag nach § 89 EStG einen Antrag auch auf Festsetzung einer Kinderzulage allgemein enthält oder im konkreten Fall enthielt. Mit Mitteilung und Auszahlung der Zulage nach § 90 Abs. 1, 2 EStG hat die ZfA eine Entscheidung über die Höhe der Zulage getroffen, die, wie § 12 Abs. 2 Satz 2 AltvDV zeigt, grundsätzlich der Bestandskraft fähig ist. Eine Überprüfung auf deren Richtigkeit kann der Zulageberechtigte nur noch im Verfahren nach § 90 Abs. 4 EStG bewirken. Einen anderen Zweck kann der Antrag auf Festsetzung der Zulage nach der Konzeption des Gesetzes schlechterdings nicht haben. Wäre es möglich, dass auch nach Mitteilung und Auszahlung der Zulage ein noch offener und nicht beschiedener Antrag nach § 89 EStG existierte, der folglich ohne zeitliche Begrenzung beschieden werden könnte, so wäre sowohl der Antrag nach § 90 Abs. 4 Satz l EStG als auch insbesondere die Frist des § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG überflüssig. Aus demselben Grunde kann der Antrag nach § 89 Abs. 1a EStG nicht gleichzeitig den Antrag nach § 90 Abs. 4 EStG enthalten. Eine Auslegung des Gesetzes, mit der eine bestimmte Vorschrift bedeutungslos wird, ist keine zutreffende Auslegung.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.