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Beschluss vom 05. Juni 2015, VII B 181/14

Widerruf der Bestellung als Steuerberater - Vermutung des Vermögensverfalls - Feststellungslast

BFH VII. Senat

GG Art 3 Abs 1, FGO § 115 Abs 2, StBerG § 46 Abs 2 Nr 4

vorgehend Hessisches Finanzgericht , 29. September 2014, Az: 13 K 472/14

Leitsätze

1. NV: Die Darlegungs- und Feststellungslast, dass trotz des nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG zu vermutenden Vermögensverfalls die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind, obliegt dem vom Widerruf seiner Bestellung betroffenen Steuerberater .

2. NV: Wenn über das Vermögen des Steuerberaters das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist oder Eintragungen im Schuldnerverzeichnis vorliegen, braucht das FG zur Bestätigung der Entscheidung der Steuerberaterkammer eine konkrete Gefährdung von Mandanteninteressen nicht nachzuweisen .

3. NV: Der Vermutung des Vermögensverfalls steht nicht entgegen, dass im Insolvenzverfahren bisherige Mandanten des Steuerberaters keine Forderungen angemeldet haben .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 30. September 2014  13 K 472/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

  1. I. Mit Bescheid vom 3. Februar 2014 widerrief die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) die Bestellung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) als Steuerberater, da aufgrund dessen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis von einem Vermögensverfall auszugehen sei, der vom Kläger nicht widerlegt worden sei. Zudem bestehe keine Berufshaftpflichtversicherung.

  2. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, aufgrund der Vielzahl der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis sei der Vermögensverfall des Klägers zu vermuten, der seine Vermögenssituation nicht hinreichend dargelegt habe. Vermeintlich bestehende Forderungen gegenüber ehemaligen und aktuellen Mandanten seien nur behauptet worden. Aus dem der Steuerberaterkammer vorgelegten Insolvenzplan gehe hervor, dass der Kläger selbst nicht davon ausgehe, seine Verbindlichkeiten bedienen zu können. Zur Gefährdung von Mandanteninteressen habe der Kläger keine Angaben gemacht. Allein die Tatsache, dass der Kläger erhebliche Rückstände hinsichtlich Lohnsteuer und Umsatzsteuer gehabt habe, zeigte, dass er in einer Krisensituation auf ihm wirtschaftlich nicht zustehende Gelder zugegriffen habe.

  3. Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision, wobei er keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgeführten Zulassungsgründe ausdrücklich benennt. Er macht geltend, das FG habe übersehen, dass die Interessen der Rechtssuchenden trotz des Vermögensverfalls nicht gefährdet seien. Das FG sei nur auf die Außenstände eingegangen. Unberücksichtigt habe es gelassen, dass er keinen Zugriff auf vereinnahmte Fremdgelder habe und dass die Interessen der Rechtssuchenden durch einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie durch die Möglichkeit geschützt seien, in der Wohlverhaltensphase ‑‑in der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Insolvenzgläubiger unzulässig seien‑‑ aus laufenden Einnahmen Schulden zu tilgen. Wie der Bundesgerichtshof entschieden habe, könne bei Vergleichs- und Ratenzahlungsvereinbarungen von einem Vermögensverfall nicht mehr ausgegangen werden. Dies treffe auch im Fall der Ankündigung der Restschuldbefreiung zu. Aufgrund der Kontrolle des Sachwalters und der Pfändungssperre sei im Streitfall von einer Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse auszugehen. Es bestünden keine Indizien für eine Beeinträchtigung von Belangen der Mandanten. Aufgrund der nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) bestehenden Berufsfreiheit dürfe ihm die Gefährdung von Mandanteninteressen nicht einfach unterstellt werden. Der Widerruf der Bestellung sei unverhältnismäßig. Schließlich liege eine fehlerhafte Rechtsanwendung infolge einer nicht verfassungskonformen Auslegung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) vor. Für eine Schlechterstellung der Steuerberater gegenüber anderen Berufsgruppen, die ebenfalls Fremdgelder verwalten, bestünden keine hinreichenden Gründe. Nach § 12 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) könne eine Registrierung eines Dienstleisters nur versagt werden, wenn die Vermögensverhältnisse ungeordnet seien. Ausweislich der Gesetzesbegründung genüge eine private Überschuldung nicht, um die wirtschaftliche Unzuverlässigkeit zu begründen. Daraus folge, dass nur eine konkrete Gefährdung von Mandanteninteressen zum Widerruf der Bestellung als Steuerberater führen könne. Insoweit sei § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG verfassungskonform auszulegen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die ‑‑ohne Bezugnahme auf § 115 Abs. 2 FGO‑‑ geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

  2. 1. Soweit sich der Kläger darauf beruft, das FG habe trotz der Vermutung gesetzeskonformen Verhaltens und trotz konsolidierter wirtschaftlicher Verhältnisse sowie der Beschränkung auf eine rein beratende Tätigkeit ohne Verwaltung von Fremdgeldern die Gefährdung von Mandanteninteressen nicht dargetan, rügt er im Kern seines Vorbringens eine Verkennung der Beweislastverteilung sowie eine rechtsfehlerhafte Auslegung und Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG und damit die Verletzung materiellen Rechts. Dieses Vorbringen kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2013 VII B 94/13, BFH/NV 2014, 697, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.). Denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile umfassend zu gewährleisten (Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 VII B 57/11, BFH/NV 2012, 1623).

  3. Im Übrigen erfordert der sog. Entlastungsbeweis gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG einen substantiierten und glaubhaften Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird (Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2000, 741; Senatsbeschluss vom 4. März 2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). Die Darlegungs- und Feststellungslast für den gesetzlichen Ausnahmetatbestand obliegt dem vom Widerruf seiner Bestellung betroffenen Steuerberater (Senatsbeschluss vom 18. November 2008 VII B 119/08, BFH/NV 2009, 614, m.w.N.). Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass das FG eine konkrete Gefährdung von Mandanteninteressen nicht darzulegen braucht. Entgegen der Behauptung des Klägers hat sich das FG in diesem Zusammenhang nicht darauf beschränkt, auf die Außenstände des Klägers einzugehen. Vielmehr hat es darauf hingewiesen, dass die erheblichen Rückstände hinsichtlich der Lohnsteuer und Umsatzsteuer einen Zugriff des Klägers auf diesem nicht zustehende Gelder belegten und dass der Kläger die Vermutung der Gefährdung von Mandanteninteressen nicht widerlegt habe. Der beschließende Senat hat mehrfach entschieden, dass eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht verneint werden kann, wenn festgestellt worden ist, dass der Steuerberater in geschäftlichen oder eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich an gesetzliche Vorgaben nicht hält.

  4. 2. Soweit der Beschwerde die Frage entnommen werden könnte, ob die Bestellung als Steuerberater auch dann widerrufen werden kann, wenn unter den Gläubigern im Insolvenzverfahren keine "mandatsbezogenen" Forderungen bestehen, besteht keine Klärungsbedürftigkeit, weil sich die Beantwortung dieser Frage ohne Weiteres aus dem Gesetz ergibt. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist der Vermögensverfall, bei dessen Vorliegen die Bestellung zu widerrufen ist, zu vermuten, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet ist. Der Vermögensverfall ist nicht deshalb zu verneinen, weil im Insolvenzverfahren bisherige Mandanten des Steuerberaters keine Forderungen angemeldet haben, denn auf die Art der Insolvenzgläubiger stellt das Gesetz insoweit nicht ab (Senatsbeschluss in BFH/NV 2009, 614). Im Übrigen wäre die Frage im Streitfall auch nicht entscheidungserheblich, denn der Kläger hat lediglich angekündigt, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen zu wollen, und der Steuerberaterkammer den Entwurf eines Insolvenzplans vorgelegt. Im Übrigen wäre die Aussicht, am Ende eines Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung zu erlangen, nicht geeignet, die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgelöste gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen (Senatsbeschluss vom 20. April 2010 VII B 235/09, BFH/NV 2010, 1496).

  5. 3. Hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund der vermeintlichen Schlechterstellung von Steuerberatern im Vergleich zu den nach § 10 RDG registrierten Personen, bei denen nach § 12 RDG von ungeordneten Vermögensverhältnissen auszugehen ist, fehlt es an einer hinreichenden Darlegung des Verfassungsverstoßes. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte rechtliche Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 26. September 2002 VII B 270/01, BFH/NV 2003, 480, und vom 3. April 2001 VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht, denn sie setzt sich mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Ausprägung des Gleichheitssatzes und zur Einschränkung der Berufsfreiheit bei rechts- bzw. steuerberatenden Berufen nicht einmal ansatzweise auseinander. Das Zitat nur eines BVerfG-Urteils, das die allgemeine Aussage belegen soll, dass eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt, wenn eine ungleiche Behandlung ansonsten vergleichbarer Personen nicht gerechtfertigt ist, reicht jedenfalls zur hinreichenden Darlegung des behaupteten Verfassungsverstoßes nicht aus.

  6. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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