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Urteil vom 21. Oktober 2014, I R 1/13

Verschmelzung einer GmbH auf eine Personengesellschaft - Keine Beschwer durch Feststellung eines zu hohen Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer

BFH I. Senat

UmwG § 2 Nr 1, UmwStG § 4 Abs 1, UmwStG § 4 Abs 2 S 2, EStG § 10d, FGO § 40 Abs 2

vorgehend FG Düsseldorf, 02. Dezember 2012, Az: 6 K 1883/10 F

Leitsätze

NV: Nach einer Verschmelzung einer GmbH auf eine Personengesellschaft sind weder die übertragende noch die aufnehmende Gesellschaft (als "Drittbetroffene") dadurch beschwert, dass das Finanzamt im Rahmen der Schlussbesteuerung der GmbH einen aus deren Sicht zu hohen Verlustabzug zur Körperschaftsteuer festgestellt hat (hier: aufgrund Nichtanerkennung eines aktivierten selbst geschaffenen Firmenwerts).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 2012  6 K 1883/10 F aufgehoben.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

  1. I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist Rechtsnachfolgerin der G-KG. Die G-KG war alleinige Anteilseignerin der E-GmbH.

  2. Mit notariellem Vertrag vom 29. August 2001 wurde die E-GmbH im Rahmen einer Verschmelzung durch Aufnahme nach § 2 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes ohne Gewährung von neuen Gesellschaftsrechten auf die G-KG verschmolzen. Ausweislich des Verschmelzungsvertrags übernahm die G-KG das Vermögen der E-GmbH im Innenverhältnis mit Wirkung vom 1. Januar 2001  0:00 Uhr. Die Verschmelzung sollte handelsrechtlich unter Fortführung der Buchwerte der E-GmbH erfolgen.

  3. In ihrer Körperschaftsteuererklärung für 2000 erklärte die E-GmbH eine Korrektur nach § 60 Abs. 2 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung zur Anpassung der Handelsbilanz an die steuerlich maßgebenden Wertansätze in Höhe von 2.082.711 DM. Damit erfasste sie den Ansatz eines Geschäfts- und Firmenwertes zu einem Zwischenwert. Sie erstellte eine entsprechende steuerliche Schlussbilanz auf den 31. Dezember 2000.

  4. Bei der G-KG als Rechtsnachfolgerin der E-GmbH wurde für das Jahr 2000 eine Außenprüfung durchgeführt, die u.a. zu dem Ergebnis kam, dass die E-GmbH in 2001 (Streitjahr) noch für eine juristische Sekunde existiert habe und deshalb der Übertragungsgewinn/-verlust erst im Veranlagungszeitraum 2001 zu erfassen sei. Das seinerzeit zuständige Finanzamt (FA) W schloss sich dem an und erließ entsprechende körperschaftsteuerliche Bescheide. Die dagegen erhobene Klage wurde mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf (vom 9. März 2010  6 K 3322/07 F, juris) abgewiesen.

  5. Die Klägerin beantragte sodann, im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Veranlagung der E-GmbH für das Streitjahr den in der Steuererklärung 2000 dargelegten Zwischenwertansatz eines selbst geschaffenen Firmenwertes in Höhe von 2.082.711 DM in der steuerlichen Übertragungsbilanz zu berücksichtigen. Das FA W kam dem nicht nach, weil seiner Auffassung nach die Bestimmung des § 3 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 (UmwStG 1995) kein Ansatz-, sondern nur ein Bewertungswahlrecht normiere und selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter daher gemäß § 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1997 (EStG 1997) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 (KStG 1999) in der steuerlichen Übertragungsbilanz nicht angesetzt werden dürften. Es setzte dementsprechend gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der G-KG die Körperschaftsteuer der E-GmbH für das Streitjahr auf 0 DM und stellte den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2001 auf 2.532.792 DM fest. Außerdem stellte das FA W mit Bescheid über die gesonderte Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 gemäß § 36 KStG 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) ‑‑KStG 1999 n.F.‑‑ das EK 40 auf ./. 7.487 DM, das EK 02 auf ./. 2.532.762 DM und das EK 04 auf 609.919 DM fest. Das steuerliche Einlagekonto gemäß § 27 KStG 1999 n.F. stellte es zum 31. Dezember 2001 auf 609.919 DM fest und erließ außerdem auf denselben Stichtag einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Teilen des Nennkapitals gemäß § 28 KStG 1999 n.F.

  6. Die gegen diese Bescheide ‑‑mit Ausnahme des Bescheids über die Festsetzung der Körperschaftsteuer‑‑ erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG hat die Bescheide dahin geändert, dass der von der Klägerin angesetzte Geschäfts- und Firmenwert berücksichtigt wird (FG Düsseldorf, Urteil vom 3. Dezember 2012  6 K 1883/10 F, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 337).

  7. Gegen das FG-Urteil richtet sich die ‑‑vom FG zugelassene‑‑ Revision, mit der das FA W die Verletzung materiellen Rechts gerügt hat.

  8. Während des Revisionsverfahrens ist das FA W mit dem Finanzamt O zum Finanzamt X (FA) fusioniert, dem nunmehrigen Beklagten und Revisionskläger.

  9. Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  10. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Revision ist im Ergebnis begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage als unzulässig. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert. Es fehlt ihr daher an der gemäß § 40 Abs. 2 FGO für die Erhebung der Anfechtungsklage erforderlichen Klagebefugnis.

  2. 1. Die Klägerin macht mit der Klage geltend, der (Schluss-)Besteuerung der E-GmbH für das Streitjahr habe ein um den Betrag des aktivierten Firmenwertes von 2.082.711 DM höheres Aktivvermögen zugrunde gelegt werden müssen. Hätte sie mit diesem Einwand in der Sache Erfolg, wäre die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer für das Streitjahr entsprechend zu erhöhen und würde sich dementsprechend der vom FA W auf 2.532.762 DM festgesetzte verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2001 entsprechend verringern. Mithin macht die Klägerin mit ihrer Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid geltend, der verbleibende Verlustabzug sei zu hoch festgesetzt worden.

  3. Durch einen zu hoch festgestellten Verlustabzug würden die Rechte der Klägerin als (mittelbare) Rechtsnachfolgerin der E-GmbH indessen nicht verletzt. Der Senat verweist insoweit auf sein Urteil vom 23. Oktober 2013 I R 55/12 (BFH/NV 2014, 903). Die dortigen Erwägungen zur Klage gegen die Feststellung eines aus Sicht des Klägers zu hohen Spendenabzugs gelten sinngemäß auch für die Verlustfeststellung. Im Übrigen war die Höhe des zum 31. Dezember 2001 festgestellten verbleibenden Verlustabzugs für die Besteuerung der E-GmbH nicht mehr von Bedeutung, weil die Gesellschaft im Zuge der Verschmelzung aufgelöst worden ist und deshalb eine Verrechnung des festgestellten Verlusts mit späteren Gewinnen ausgeschlossen war.

  4. Auch in ihrer Position als Rechtsnachfolgerin der G-KG würde die Klägerin durch die Feststellung eines unzutreffenden verbleibenden Verlustabzugs der E-GmbH auf den 31. Dezember 2001 nicht in ihren Rechten verletzt. Im Zuge der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft (E-GmbH) auf eine Personengesellschaft (G-KG) geht gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 ein verbleibender Verlustabzug nach § 10d EStG 1997 nicht auf die übernehmende Personengesellschaft über. Für die Besteuerung der G-KG war deshalb die Höhe des festgestellten Verlustabzugs der E-GmbH nicht von Belang.

  5. 2. Entgegen der Auffassung des FG lässt sich eine mögliche Rechtsverletzung der Klägerin nicht auf eine "Drittbetroffenheit" in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin der G-KG infolge deren Bindung als übernehmende Personengesellschaft an die Werte der Schlussbilanz der übertragenden E-GmbH gemäß § 4 Abs. 1 UmwStG 1995 stützen. Die Bindung des Einbringenden gemäß § 4 Abs. 1 UmwStG 1995 ist "nur" eine materiell-rechtliche (Senatsurteile vom 19. Dezember 2012 I R 5/12, BFH/NV 2013, 743, und vom 6. Juni 2013 I R 36/12, BFH/NV 2014, 74). Eine verfahrensrechtliche Verknüpfung im Wege eines Grundlagenbescheids (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) bei der übertragenden Gesellschaft besteht hingegen nicht: Mit der Verlustfeststellung bei der übernehmenden Gesellschaft wird (ebenso wenig wie mit der Festsetzung der Körperschaftsteuer, s. Senatsurteile in BFH/NV 2013, 743, und in BFH/NV 2014, 74) festgestellt oder unterstellt, in welcher Weise die übertragende Gesellschaft ihr Ansatzwahlrecht ausgeübt hat; es wird dort nur auf der Grundlage des tatsächlich erfolgten Ansatzes (insoweit als unselbständige Besteuerungsgrundlage i.S. des § 157 Abs. 2 Alternative 1 AO) die Höhe des verbleibenden Verlustabzugs festgestellt. Die G-KG war und die Klägerin ist verfahrensrechtlich nicht gehindert, sich im Rahmen der Gewinnermittlung auf die Aktivierung des immateriellen Wirtschaftsguts in der Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft zu berufen und diese Werte bilanziell fortzuschreiben bzw. im Wege der Absetzung für Abnutzung einkünftemindernd zu berücksichtigen. Erkennt das FA dies wiederum nicht an, steht es der Klägerin frei, die diesbezüglichen Bescheide gerichtlich überprüfen zu lassen. Eine Rechtsschutzlücke besteht nicht.

  6. Insofern unterscheidet sich die Sachlage des Streitfalls von der Situation des Einbringenden bei einer Sacheinlage nach § 20 UmwStG 1995, der gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 1995 zur Ermittlung des Veräußerungspreises und der Anschaffungskosten an die Wertansätze für das eingebrachte Vermögen gebunden ist, die der Besteuerung des aufnehmenden Unternehmens zugrunde gelegt worden sind. Infolge dieser Bindung ist dem Einbringenden nach der Rechtsprechung des Senats zur Vermeidung einer Rechtsschutzlücke ein Drittanfechtungsrecht gegen den Körperschaftsteuerbescheid der aufnehmenden Gesellschaft zuzubilligen, mit dem er geltend machen kann, die der Steuerfestsetzung der aufnehmenden Gesellschaft zu Grunde gelegten Werte des eingebrachten Vermögens seien zu hoch (Senatsurteile vom 8. Juni 2011 I R 79/10, BFHE 234, 101, BStBl II 2012, 421, und vom 25. April 2012 I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649).

  7. 3. Im Hinblick auf die Feststellungsbescheide nach § 27, § 28 und § 36 KStG 1999 n.F. ist eine Beschwer der Klägerin ebenfalls nicht ersichtlich. Soweit es sich nicht ohnehin um gemäß § 351 Abs. 2 AO nicht selbständig anfechtbare Folgebescheide zur Körperschaftsteuerfestsetzung handelt (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 2 KStG 1999 n.F. i.V.m. § 47 Abs. 2 KStG 1999, sowie Senatsurteil vom 12. Oktober 2010 I R 99/09, BFH/NV 2011, 650), ist nicht zu ersehen, dass die Klägerin durch die getroffenen Feststellungen verfahrensrechtlich daran gehindert wäre, die ihrer Auffassung nach zu Recht vorgenommene Aktivierung des Firmenwertes in der Schlussbilanz der E-GmbH bei der G-KG bilanziell fortzuschreiben.

  8. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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