BFH VI. Senat
EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr 1, EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst c, EStG § 62 Abs 1, EStG § 63 Abs 1 S 2, FGO § 76 Abs 1 S 2, FGO § 76 Abs 1 S 3, SGB 3 § 37 Abs 3 S 4, SGB 3 § 38 Abs 3, SGB 3 § 38 Abs 4, SGB 3 § 119 Abs 1, EStG VZ 2010
vorgehend FG Münster, 04. März 2013, Az: 13 K 2572/11 Kg, AO
Leitsätze
1. Der Registrierung als Ausbildungsuchender kommt für den Anspruch auf Kindergeld keine (echte) Tatbestandswirkung zu. Sie gilt deshalb als Indiz für das Bemühen des Kindes um einen Ausbildungsplatz auch dann nach Maßgabe des § 38 Abs. 4 SGB III n.F. fort, wenn die Agentur für Arbeit nach der ‑‑auch formlos möglichen‑‑ Meldung des Kindes die Registrierung ohne Grund wieder löscht .
2. Die Meldung als Ausbildungsuchender ist nach § 38 Abs. 4 SGB III n.F. nicht mehr auf drei Monate beschränkt. Die Ausbildungsvermittlung ist nach § 38 Abs. 4 SGB III n.F. durchzuführen, bis die Ausbildungssuche in Ausbildung, schulische Bildung oder Arbeit mündet oder sich die Vermittlung anderweitig erledigt oder solange der Ausbildungsuchende dies verlangt. Die Agentur für Arbeit kann die Vermittlung einstellen, wenn der Ausbildungsuchende die ihm nach § 38 Abs. 2 SGB III n.F., der Eingliederungsvereinbarung oder dem Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III n.F. obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben .
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 5. März 2013 13 K 2572/11 Kg, AO aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezog für ihren im Juni 1989 geborenen Sohn J Kindergeld.
J brach im Februar 2010 seine Schulausbildung nach der Klasse 12 ab. Nach der Dokumentation der Agentur für Arbeit war J bereits zum 13. Juli 2009 aus der Berufsberatung abgemeldet worden.
In einer "Mitteilung über ein Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz" teilte die Klägerin der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) mit, J suche seit dem 23. Februar 2010 einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz für eine betriebliche Ausbildung. Er sei bei der Agentur für Arbeit registriert.
Die Agentur für Arbeit richtete ein Schreiben vom 22. Februar 2010 an J, mit dem sie J bat, um ihn "umfassend und gut beraten zu können", einen Fragebogen (Arbeitspaket U25 – Beratungsbogen) möglichst vollständig ausgefüllt bis zum 8. März 2010 zurückzusenden. Die Terminvergabe erfolge erst nach Eingang des Fragebogens. Für den Fall, dass J vorrangig an der Unterstützung bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle interessiert sei, empfahl die Agentur für Arbeit außerdem, zur Beratung den Entwurf einer Bewerbung (Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse usw.) mitzubringen.
Ausweislich der Dokumentation der Agentur für Arbeit (Ausdruck vom 2. August 2010) erfolgte der letzte Kontakt von J zur Berufsberatung am 29. März 2010. Im Übrigen war in der Dokumentation der Agentur für Arbeit für den Zeitraum 1. März 2010 bis 21. Oktober 2010 "Zeit ohne Nachweis" vermerkt.
Die Familienkasse hob mit Bescheid vom 20. Oktober 2010 die Kindergeldfestsetzung zu Gunsten der Klägerin für J gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab März 2010 auf und forderte das für den Zeitraum März bis Juli 2010 gezahlte Kindergeld in Höhe von 944 € gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung zurück.
Die Klägerin legte gegen den vorgenannten Bescheid Einspruch ein. J sei aufgrund eines Systemfehlers bei der Agentur für Arbeit nicht als ausbildungsplatzsuchend verzeichnet gewesen.
J meldete sich am 22. Oktober 2010 bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsuchend. Mit Bescheid vom 20. Juni 2011 setzte die Familienkasse daraufhin zu Gunsten der Klägerin für J Kindergeld von Oktober 2010 bis April 2011 fest.
Den Einspruch der Klägerin wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2011 als unbegründet zurück. J sei im Streitzeitraum (März bis September 2010) weder arbeit- noch ausbildungsuchend gewesen. Eigene Bemühungen von J um einen Ausbildungsplatz habe die Klägerin nicht nachgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1012 veröffentlichten Gründen ab. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass J für den Streitzeitraum vor Vollendung seines 21. Lebensjahres bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend registriert gewesen sei. Unerheblich sei, ob die Registrierung ggf. versehentlich unterblieben sei. J könne auch nicht als ausbildungsuchendes Kind berücksichtigt werden, da er im Streitzeitraum nicht als Bewerber um einen Ausbildungsplatz registriert gewesen sei. Auch insoweit komme es nicht darauf an, ob die Registrierung ggf. versehentlich unterblieben sei. Eigene Bemühungen von J um einen Ausbildungsplatz habe die Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt und nachgewiesen.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragt,
das Urteil des FG Münster vom 5. März 2013 13 K 2572/11 Kg, AO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.Die Familienkasse beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Der Senat kann auf der Grundlage der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend prüfen, ob J, der innerhalb des Streitzeitraums im Juni 2010 das 21. Lebensjahr vollendet hatte, als Kind i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG oder i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen ist.
1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.
a) Zur Erfüllung des letztgenannten Tatbestandsmerkmals genügt die Meldung als Arbeitsuchender; die übrigen Merkmale der Arbeitslosigkeit i.S. des § 119 Abs. 1 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) ‑‑in der bis 31. März 2012 und so auch im Streitfall geltenden Fassung‑‑ wie Eigenbemühungen und Verfügbarkeit brauchen nicht nachgewiesen zu werden. Vielmehr unterstellt das Gesetz typisierend, dass die Voraussetzungen der §§ 118 ff. SGB III ‑‑in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung‑‑ vorliegen (Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 26. Juli 2012 III R 70/10, BFH/NV 2012, 1971, und vom 19. Juni 2008 III R 68/05, BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008).
b) Nach § 38 SGB III in der im Streitzeitraum maßgebenden n.F. gelten für die An- und Abmeldung als Arbeitsuchender folgende Grundsätze:
Der Registrierung des Kindes bei der Agentur für Arbeit kommt ebenso wie dem Ende der Registrierung (Abmeldung) keine (echte) Tatbestandswirkung zu. Entscheidend ist vielmehr die nach Maßgabe des § 38 SGB III n.F. tatsächlich zu beurteilende Meldesituation (BFH-Urteile vom 10. April 2014 III R 37/12, BFH/NV 2014, 1726; vom 26. Juli 2012 VI R 98/10, BFHE 238, 126, BStBl II 2013, 443, und in BFH/NV 2012, 1971).
Als Arbeitsuchender gemeldet ist, wer gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzeigt (BFH-Urteil in BFHE 238, 126, BStBl II 2013, 443; ebenso Urteile des Bundessozialgerichts vom 7. Oktober 2004 B 11 AL 23/04 R, BSGE 93, 209, und vom 19. Januar 2005 B 11a/11 AL 41/04 R, juris).
Da keine ausdrückliche steuerliche Regelung besteht, wann dieser durch die Meldung begründete Status entfällt, sind für das Kindergeld die Vorschriften des Sozialrechts, hier insbesondere § 38 SGB III, heranzuziehen (BFH-Urteil in BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008, unter II.2.b). § 38 Abs. 3 SGB III n.F. beschränkt die Pflicht zur Vermittlung des Arbeitsuchenden ‑‑im Gegensatz zu § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III a.F. (dazu BFH-Urteil in BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008, unter II.2.b)‑‑ nicht mehr auf drei Monate; sie besteht grundsätzlich unbefristet fort (BFH-Urteile vom 10. April 2014 III R 19/12, BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29, und vom 26. August 2014 XI R 1/13, BFH/NV 2015, 15; Gagel/Winkler, SGB III, § 38 Rz 58). Allerdings kann die Agentur für Arbeit gegenüber dem Arbeitsuchenden, der ‑‑wie J‑‑ nicht unter § 38 Abs. 3 Satz 1 SGB III n.F. fällt (u.a. Nichtleistungsbezieher), die Vermittlung gemäß § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. einstellen, wenn dieser die ihm nach § 38 Abs. 2 SGB III n.F., der Eingliederungsvereinbarung oder dem Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III n.F. obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Für diesen Fall sieht § 38 Abs. 3 Satz 3 SGB III n.F. als neue "Sanktion" den Ausschluss von der Vermittlung für zwölf Wochen vor (sog. Vermittlungssperre; BFH-Urteil in BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29; Gagel/Winkler, a.a.O., § 38 Rz 60).
2. Für ein über 18 Jahre altes Kind, das ‑‑wie J im Streitzeitraum‑‑ das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG außerdem ein Anspruch auf Kindergeld u.a. dann, wenn das Kind eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
a) Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (BFH-Urteile vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005; vom 22. September 2011 III R 30/08, BFHE 235, 327, BStBl II 2012, 411, und vom 26. August 2014 XI R 14/12, BFH/NV 2015, 322). Dabei ist das Bemühen um einen Ausbildungsplatz glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegen zu wirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (BFH-Urteile in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, unter II.1.b, und in BFHE 235, 327, BStBl II 2012, 411). Nachgewiesen werden kann das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz z.B. durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist (BFH-Urteile in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, m.w.N., und in BFHE 235, 327, BStBl II 2012, 411).
Auch der Registrierung als Ausbildungsuchender kommt ‑‑ebenso wie der Registrierung als Arbeitsuchender‑‑ allerdings keine (echte) Tatbestandswirkung zu. Sie gilt deshalb als Indiz für das Bemühen des Kindes um einen Ausbildungsplatz auch dann nach Maßgabe des § 38 Abs. 4 SGB III n.F. fort, wenn die Agentur für Arbeit nach der ‑‑auch formlos möglichen‑‑ Meldung des Kindes die Registrierung ohne Grund wieder löscht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 235, 327, BStBl II 2012, 411, und vom 17. Juli 2008 III R 95/07, BFH/NV 2009, 367).
b) Die Meldung als Ausbildungsuchender ist nach § 38 Abs. 4 SGB III n.F. ‑‑ebenso wie die Meldung als Arbeitsuchender‑‑ nicht mehr auf drei Monate beschränkt (ebenso Jüttner, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl., § 38 Rz 89). Die Ausbildungsvermittlung ist nach § 38 Abs. 4 SGB III n.F. vielmehr durchzuführen, bis die oder "der Ausbildungsuchende in Ausbildung, schulische Bildung oder Arbeit einmündet oder sich die Vermittlung anderweitig erledigt" (§ 38 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III n.F.) oder "solange die oder der Ausbildungsuchende dies verlangt" (§ 38 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III n.F.). Allerdings kann die Agentur für Arbeit auch gegenüber dem Ausbildungsuchenden die Vermittlung gemäß § 38 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. einstellen, wenn dieser die ihm nach § 38 Abs. 2 SGB III n.F., der Eingliederungsvereinbarung oder dem Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III n.F. obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben.
Soweit der BFH in dem Urteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005 entschieden hat, das ausbildungsuchende Kind müsse zumindest alle drei Monate gegenüber der Ausbildungsvermittlung sein Interesse an einer weiteren Vermittlung von Ausbildungsstellen kundtun, ist diese Rechtsprechung noch zu § 38 SGB III a.F. ergangen und durch die gesetzliche Neuregelung des § 38 SGB III n.F., die im vorliegenden Fall anzuwenden ist, für den Streitzeitraum überholt. § 38 Abs. 4 SGB III a.F. sah ‑‑wie oben dargelegt wurde‑‑ eine Einstellung der Arbeitsvermittlung nach drei Monaten vor. Zwar ordnete § 38 Abs. 3 SGB III a.F. für Ausbildungsuchende ‑‑anders als § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III a.F. für Arbeitsuchende‑‑ die Einstellung der Vermittlung durch Zeitablauf nicht ausdrücklich an. Dennoch war wegen des offensichtlichen Zeitbezugs der Regelung zu vermuten, dass das Kind an der Vermittlung eines Ausbildungsplatzes nicht mehr interessiert sei, wenn es sich nach Aufforderung oder für einen längeren Zeitraum nicht mehr beim Arbeitsamt gemeldet hatte. Da § 38 SGB III n.F. selbst für die Arbeitsvermittlung die Einstellung durch bloßen Zeitablauf ausdrücklich nicht mehr vorsieht (dazu BFH-Urteil in BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29), gibt es auch für die Ausbildungsvermittlung nach der gesetzlichen Neuregelung keinen "offensichtlichen Zeitbezug" mehr, der die Vermutung rechtfertigen könnte, dass das Kind an der Vermittlung eines Ausbildungsplatzes nach Ablauf von drei Monaten seit seiner Meldung als Ausbildungsuchender nicht mehr interessiert sei. Der bloße Zeitablauf führt nach § 38 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 SGB III n.F. auch nicht dazu, dass sich die Vermittlung automatisch anderweitig erledigt. Diese Regelung erfasst als Auffangtatbestand die Fälle, in denen der Suchende die Dienstleistung der Ausbildungsvermittlung nicht mehr in Anspruch nimmt oder die Suche nach einer Ausbildung einstellt (Jüttner, in: Mutschler/Schmidt- De Caluwe/Coseriu, a.a.O., § 38 Rz 87).
3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass für die Berücksichtigung des Kindes J als ein solches ohne Beschäftigung die Registrierung als arbeitslos bei der Agentur für Arbeit maßgeblich sei. Ausgehend hiervon hat das FG die Berücksichtigung des Kindes J gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG unzutreffend allein deshalb abgelehnt, weil J nicht bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend registriert war. Ebenso hat das FG rechtsfehlerhaft entschieden, dass J mangels Registrierung bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit als Bewerber für einen Ausbildungsplatz nicht gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG als Kind zu berücksichtigen sei.
a) Maßgeblich ist nach den oben dargelegten Grundsätzen demgegenüber vielmehr, ob J für den Streitzeitraum bis einschließlich Juni 2010 bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend oder für den Streitzeitraum bis September 2010 als ausbildungsuchend gemeldet war. Hierzu hat das FG ‑‑nach seiner materiellen Auffassung zu Recht‑‑ keine Feststellungen getroffen. Dies hat das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Es wird dabei zu der Frage, ob sich J ‑‑wie von der Klägerin vorgetragen wurde‑‑ im Februar 2010 arbeit- bzw. ausbildungsuchend gemeldet hat, insbesondere den von der Klägerin bereits im ersten Rechtsgang angebotenen Zeugenbeweis durch Vernehmung des Kindes J und des als Zeugen benannten Herrn X zu erheben haben. Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Meldung als arbeit- bzw. ausbildungsuchend zu stellen sind, hat das FG im zweiten Rechtsgang die oben dargelegten Maßstäbe zugrunde zu legen.
b) Sofern das FG zu der Feststellung gelangen sollte, dass sich J bei der Agentur für Arbeit im Februar 2010 arbeit- bzw. ausbildungsuchend gemeldet hat, wird das FG des Weiteren festzustellen haben, ob der Status des J als Arbeit- oder Ausbildungsuchender gemäß § 38 Abs. 3, Abs. 4 SGB III n.F. durchgehend bestanden hat oder im Laufe des Streitzeitraums wieder entfallen ist.
Zwar sind derzeit keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Agentur für Arbeit im Streitzeitraum eine auf § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. (ggf. i.V.m. § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III n.F. für die Ausbildungsvermittlung) gestützte (wirksame) Einstellungsverfügung gegenüber J erlassen hat (zur Einstellungsverfügung als denkbarer Erlöschensgrund für die Berücksichtigung des Kindes als arbeitsuchend, s. BFH-Urteil in BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29, Rz 25). Das FG wird aber insbesondere auch zu untersuchen haben, ob J eine ihm obliegende Pflicht, auf welche § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. für die Arbeitsuche und § 38 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. für die Ausbildungsuche Bezug nehmen, nicht erfüllt hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (dazu BFH-Urteil in BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29, Rz 14). Das FG wird in diesem Zusammenhang insbesondere der Frage nachzugehen haben, ob J seine Pflicht, der Agentur für Arbeit die für eine Vermittlung erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, dadurch verletzt haben könnte, dass er das von der Agentur für Arbeit mit Schreiben vom 22. Februar 2010 angeforderte "Arbeitspaket U25 – Beratungsbogen" möglicherweise nicht (fristgerecht) eingereicht hat, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund vorlag. Ob J das "Arbeitspaket U25 – Beratungsbogen" ‑‑wie von der Klägerin im ersten Rechtsgang behauptet wurde‑‑ fristgerecht zurückgesandt hat, hat das FG ‑‑von seinem Rechtsstandpunkt zu Recht‑‑ bisher ebenfalls offengelassen.
c) Auch in Bezug auf die von der Klägerin im ersten Rechtsgang vorgetragenen eigenen Bemühungen des Kindes J um einen Ausbildungsplatz wird das FG im zweiten Rechtsgang ‑‑wie von der Klägerin beantragt‑‑ das Kind J als Zeuge zu vernehmen haben, falls es hierauf nach den gemäß II.3.a und b vom FG zu treffenden Feststellungen noch ankommen sollte. Entgegen der Ansicht des FG handelte es sich bei dem Beweisantrag der Klägerin in dem Schriftsatz vom 27. Februar 2012 nicht um einen unsubstantiierten Beweisermittlungsantrag.
Allerdings ist das FG nicht verpflichtet, unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen (BFH-Beschlüsse vom 7. November 2012 I B 172/11, BFH/NV 2013, 561, und vom 18. November 2013 III B 45/12, BFH/NV 2014, 342). In welchem Maße eine solche Substantiierung zu fordern ist, hängt von der im Einzelfall bestehenden Mitwirkungspflicht des Beteiligten ab (BFH-Beschluss vom 12. März 2014 XI B 97/13, BFH/NV 2014, 1062). Dabei stehen der zumutbare Inhalt und die Intensität der richterlichen Ermittlungen notwendigerweise im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten, die gemäß § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO eine Pflicht zur Förderung des finanzgerichtlichen Verfahrens haben. Zu berücksichtigen ist deshalb auch, ob die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, dem Wissens- und Einflussbereich des Beteiligten (Beweisführers) zuzurechnen sind (BFH-Beschlüsse vom 28. Juni 2006 V B 199/05, BFH/NV 2006, 2098, und vom 3. April 2008 I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445). Unsubstantiiert ist z.B. ein Beweisantrag, der keine beweisbedürftigen Tatsachen benennt (BFH-Beschluss vom 3. August 2005 I B 9/05, BFH/NV 2005, 2227), nicht erkennen lässt, welche entscheidungserheblichen Tatsachen bezeugt werden sollen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. April 2004 XI B 229/02, BFH/NV 2004, 980), oder die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnet, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2007 VI B 118/04, BFHE 216, 409, BStBl II 2007, 538), der das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf einzelne konkrete Tatsachen nicht genau angibt (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2007 I B 134/07, BFH/NV 2008, 736) oder so unbestimmt ist, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann und es sich deshalb um einen Beweisermittlungs- oder -ausforschungsantrag handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 2. März 2006 XI B 79/05, BFH/NV 2006, 1132).
Nach diesen Maßstäben war der Beweisantrag der Klägerin ‑‑entgegen der Auffassung des FG‑‑ ordnungsgemäß gestellt. Die Klägerin hatte die Behauptung aufgestellt, dass sich das Kind J im Streitzeitraum bei sechs bestimmten, mit vollem Namen und Anschriften konkret bezeichneten Unternehmen persönlich und bei weiteren drei, ebenfalls konkret bezeichneten Unternehmen schriftlich um einen Ausbildungsplatz beworben hatte. Für diese Behauptung hatte die Klägerin das Kind J als Zeuge benannt. Damit hatte die Klägerin die entscheidungserheblichen Tatsachen, die J bezeugen sollte, hinreichend bezeichnet. Einer weiteren Substantiierung bedurfte der Beweisantrag unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht. Insbesondere war der Beweisantrag nicht deshalb unbestimmt, weil die Klägerin keine schriftlichen Bewerbungsunterlagen mehr vorlegen und sie auch die genauen Daten der persönlichen oder schriftlichen Bewerbungen nicht mehr angeben konnte. Im Übrigen belegen die vom FG selbst angestellten Ermittlungen durch Anschreiben der von der Klägerin genannten Betriebe und die dort vom FG gestellte Frage zur (angeblichen) Ausbildungsuche des J, dass die Klägerin das Beweisthema, zu dem J als Zeuge gehört werden sollte, für das FG hinreichend substantiiert hatte.
Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. Oktober 2013 III B 56/13, BFH/NV 2014, 62; vom 5. November 2013 VI B 86/13, BFH/NV 2014, 360, und vom 29. Juni 2011 X B 242/10, BFH/NV 2011, 1715). Keiner dieser Ausnahmegründe lag hinsichtlich des im Streitfall gestellten Beweisantrags vor. Der Klägervertreter hat den Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung wiederholt und die Nichterhebung des angebotenen Beweises ausweislich des Sitzungsprotokolls gerügt. Das Beweismittel war nach dem insoweit maßgeblichen materiellen Rechtsstandpunkt des FG (hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 14. Januar 2011 III B 96/09, BFH/NV 2011, 788) auch nicht unerheblich.
4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.