BFH VII. Senat
BranntwMonG § 132 Abs 1 Nr 1, BranntwMonG § 152 Abs 1 Nr 1, EWGRL 83/92 Art 27 Abs 1 Buchst d, EGRL 83/2001 Art 1 Nr 2, AMG § 2
vorgehend FG Düsseldorf, 01. April 2014, Az: 4 K 4752/12 VBr
Leitsätze
1. Der Ausschluss als Arzneimittel zugelassener reiner Alkohol-Wasser-Mischungen in § 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F. und § 152 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG verstößt gegen Art. 27 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 92/83/EWG .
2. Ein Anspruch, den zur Herstellung solcher Arzneimittel verwendeten Branntwein von der Steuer zu befreien, ergibt sich aus einer unmittelbaren Anwendung des Art. 27 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 92/83/EWG .
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 2. April 2014 4 K 4752/12 VBr insoweit aufgehoben, als es sich auf die Herstellung des unter der Zulassungsnummer 1.999.99.99 als Arzneimittel zugelassenen Ethanols 70 % (V/V) bezieht, das an ... geliefert worden ist.
Insoweit wird auch der Steuerbescheid vom 29. Februar 2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. November 2012 aufgehoben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat das Hauptzollamt zu tragen.
Die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 18 % und das Hauptzollamt zu 82 %.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) stellt homöopatische Arzneimittel und Arzneiträger her und veräußert diese. Seit 1993 besitzt sie eine Erlaubnis nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über das Branntweinmonopol (BranntwMonG a.F.) in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2150), Branntwein unvergällt zu beziehen und zur Herstellung von Arzneimitteln i.S. des § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) zu verwenden. Im Zeitraum vom 1. Dezember 2009 bis zum 30. November 2010 bezog sie unversteuerten und unvergällten Branntwein, den sie für die Herstellung einer Alkohol-Wasser-Mischung (15 % m/m) als Arzneiträger verwendete; diese Mischung gab sie zur Weiterverarbeitung zu homöopathischen Arzneimitteln an eine GmbH & Co. KG ab. Weiterhin verwendete sie einen Teil des bezogenen Branntweins für die Herstellung einer Alkohol-Wasser-Mischung (70 % V/V), die sie einem Unternehmer (K) lieferte, der das Produkt als Desinfektionsmittel vertrieb. Diese Alkohol-Wasser-Mischung war als Arzneimittel für Zwecke der Kühlung zugelassen. Schließlich setzte die Klägerin einen anderen Teil des unvergällten Branntweins zur Herstellung einer Alkohol-Wasser-Mischung (70 % vol) ein, mit der sie die Konfektionierungsanlage spülte.
Auf der Grundlage des Berichts einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) die Auffassung, dass in allen drei Fällen die Branntweinsteuer entstanden sei. Die an die GmbH & Co. KG abgegebenen Erzeugnisse seien nicht von der Erlaubnis erfasst gewesen, weil es sich dabei nicht um Arzneimittel gehandelt habe. Hinsichtlich des an K abgegebenen Branntweins liege eine zweckwidrige Verwendung vor und der zu Reinigungszwecken verwendete Branntwein habe nur in vergällter Form verwendet werden dürfen. Demgemäß setzte das HZA gegenüber der Klägerin die geschuldete Branntweinsteuer fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, bei der zur Belieferung der GmbH & Co. KG bestimmten Alkohol-Wasser-Mischung habe es sich nicht um ein Arzneimittel, sondern lediglich um einen Arzneihilfsstoff gehandelt, weshalb aufgrund der zweckwidrigen Verwendung die Steuer nach § 139 Abs. 2 Satz 1 BranntwMonG a.F. bzw. gemäß § 153 Abs. 3 Satz 1 BranntwMonG entstanden sei. Nach diesen Vorschriften sei die Branntweinsteuer auch hinsichtlich der an K abgegebenen Alkohol-Wasser-Mischung entstanden. Zwar handele es sich bei diesem Erzeugnis um ein Arzneimittel nach § 2 Abs. 4 Satz 1 AMG, doch seien reine Alkohol-Wasser-Mischungen von der Steuerbefreiung für Arzneimittel ausdrücklich ausgenommen. Da die Erlaubnis auf die Ausnahmeregelung in § 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F. verweise, sei es unerheblich, dass das Erzeugnis in der Erlaubnis selbst nicht genannt sei. An der Unionsrechtskonformität dieser Regelung bestünden keine Zweifel, weil es den Mitgliedstaaten nach Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 92/83/EWG (Alkoholstrukturrichtlinie) des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ‑‑ABlEG‑‑ Nr. L 316/21) freistehe, zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung der in dieser Bestimmung aufgeführten Steuerbefreiungen sowie zur Verhinderung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch Bedingungen festzulegen. Der Ausschluss reiner Alkohol-Wasser-Mischungen, der das effektivste Mittel zur Zielerreichung sei, diene der Missbrauchsprävention (BTDrucks 12/3432, S. 79). Schließlich werde die Verwendung unvergällten Branntweins zu Reinigungszwecken von der Verwendererlaubnis nicht erfasst, weshalb auch in diesem Fall eine zweckwidrige Verwendung vorliege.
Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin lediglich gegen die Besteuerung der Alkohol-Wasser-Mischung, die sie als Arzneimittel an K abgegeben hat. Sie ist der Auffassung, der Ausschluss reiner Alkohol-Wasser-Mischungen von der nach Art. 27 Abs. 1 Buchst. d Alkoholstrukturrichtlinie zu gewährenden Befreiung verstoße gegen die unionsrechtlichen Vorgaben. Zur Begegnung einer Missbrauchsgefahr könnten die Mitgliedstaaten zwar Bedingungen festlegen, diese dürften jedoch nicht zu einer Versagung der Steuerbefreiung für bestimmte Erzeugnisse führen, die Arzneimittel seien. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) dürften sich solche Bedingungen in keiner Weise auf den Inhalt der vorgesehenen Steuerbefreiungen erstrecken. Das vom FG in Bezug genommene Urteil des EuGH vom 7. Dezember 2000 C-482/98 (Slg. 2000, I-10861) beziehe sich auf die in Art. 27 Abs. 1 Buchst. a und b Alkoholstrukturrichtlinie festgelegten Befreiungen und sei deshalb auf den Streitfall nicht anwendbar. Soweit die Mitgliedstaaten für die Steuerbefreiung Bedingungen festlegen könnten, müssten konkrete, objektive und nachprüfbare Anhaltspunkte für eine Missbrauchsgefahr vorliegen. Eine pauschale Missbrauchsvermutung sei unzulässig. Unabhängig davon sei die Versagung der Steuerbefreiung für reine Alkohol-Wasser-Mischungen kein erforderliches Mittel zur Missbrauchsvermeidung. Statt eine originäre Steuerbefreiung zu gewähren, hätte der Gesetzgeber auch ein Entlastungsverfahren einführen können. Andere trinkbare und stark alkoholhaltige Arzneimittel seien nicht von der Steuerbefreiung ausgenommen. Darüber hinaus seien die von ihr vertriebenen Alkohol-Wasser-Mischungen für Krankenhäuser und Apotheken bestimmt und äußerlich als Arzneimittel aufgemacht, so dass ein Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten nicht vorliege. Da eine richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Bestimmungen nicht möglich sei, müsse die Befreiung in unmittelbarer Anwendung des Art. 27 Abs. 1 Buchst. d Alkoholstrukturrichtlinie gewährt werden. Schließlich sei die Ausnahme von Alkohol-Wasser-Mischungen nicht Inhalt der Erlaubnis geworden, so dass der Branntwein zweckgerecht verwendet worden sei.
Das HZA schließt sich im Wesentlichen der Auffassung des FG an. Entgegen der Auffassung der Revision sei Art. 27 Abs. 1 Alkoholstrukturrichtlinie richtlinienkonform in das nationale Verbrauchsteuerrecht umgesetzt worden. Die entsprechenden Vorschriften habe die Europäische Kommission trotz Mitteilung des Gesetzes unbeanstandet gelassen. Bei reinen Alkohol-Wasser-Mischungen sei die Missbrauchsgefahr evident, so dass es sich nicht bloß um eine Vermutung handele. Es sei den Mitgliedstaaten unbenommen, Steuerflucht, Steuerhinterziehung und Steuermissbrauch durch geeignete Maßnahmen, wie z.B. durch den Ausschluss eines bestimmten Erzeugnisses von der Steuerbefreiung, zu bekämpfen. Auch ohne ausdrückliche Erwähnung in der Erlaubnis sei der Ausschluss reiner Alkohol-Wasser-Mischungen zum Inhalt der Erlaubnis geworden, zumal § 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F. in der Anlage 1 zum Erlaubnisschein ausdrücklich zitiert worden sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt in Bezug auf die an K abgegebenen Erzeugnisse zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die geltend gemachte Steuerbefreiung für den zur Herstellung der als Arzneimittel zugelassenen Alkohol-Wasser-Mischung verwendeten unvergällten Branntwein aus Art. 27 Abs. 1 Buchst. d Alkoholstrukturrichtlinie zu.
1. Nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F. und § 152 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG sind Erzeugnisse (Branntwein sowie branntweinhaltige Waren) von der Steuer befreit, wenn sie zur Herstellung von Arzneimitteln durch dazu nach Arzneimittelrecht Befugte verwendet werden. Von dieser Befreiung ausdrücklich ausgenommen sind reine Alkohol-Wasser-Mischungen. Unstreitig handelt es sich bei der von der Klägerin hergestellten Alkohol-Wasser-Mischung (70 % V/V) um ein Arzneimittel i.S. des § 2 Abs. 4 Satz 1 AMG. Danach gilt ein Mittel als Arzneimittel, solange es nach dem AMG als Arzneimittel zugelassen oder registriert oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder Registrierung freigestellt ist. Im Streitfall besitzt das von der Klägerin hergestellte und unter der Bezeichnung Ethanol 70 % (V/V) vertriebene Erzeugnis eine Zulassung als Arzneimittel. Es ist zum Auftragen auf die Haut und zur Bereitung von Kühlumschlägen bestimmt. Da es sich jedoch um eine reine Alkohol-Wasser-Mischung handelt, ist es von der in § 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F. und § 152 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG festgelegten Steuerbefreiung für Arzneimittel ausgeschlossen.
2. Der Ausschluss reiner Alkohol-Wasser-Mischungen aus dem Kreis der zu begünstigenden Arzneimittel verstößt jedoch gegen die Vorgaben des Unionsrechts.
a) Nach Art. 27 Abs. 1 Buchst. d Alkoholstrukturrichtlinie besteht eine obligatorische Steuerbefreiung für die von dieser Bestimmung erfassten Erzeugnisse, zu denen nach Art. 19 Abs. 1 und Art. 20 Alkoholstrukturrichtlinie auch Ethylalkohol gehört, wenn diese zur Herstellung von Arzneimitteln im Sinne der Richtlinie 65/65/EWG (RL 65/65/EWG) des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABlEG Nr. 22, 369/65) verwendet werden. Inzwischen ist die RL 65/65/EWG durch die Richtlinie 2001/83/EG (RL 2001/83/EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABlEG Nr. L 311/67) ersetzt worden. Nach Art. 128 RL 2001/83/EG gelten Bezugnahmen auf die aufgehobene RL 65/65/EWG als Bezugnahmen auf die RL 2001/83/EG. Als Arzneimittel werden in Art. 1 Nr. 2 dieser Richtlinie alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen erfasst, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bezeichnet werden oder dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden.
Im Streitfall handelt es sich bei dem von der Klägerin hergestellten Erzeugnis, das zur Bereitung von Kühlumschlägen verwendet wird, um ein solches, das die Voraussetzungen des Art. 1 Nr. 2 RL 2001/83/EG erfüllt und auch in Deutschland unter Zuteilung einer entsprechenden Zulassungsnummer als Arzneimittel zugelassen ist. Daraus folgt, dass der zur Herstellung dieses Arzneimittels verwendete Ethylalkohol zwingend von der harmonisierten Verbrauchsteuer zu befreien ist.
b) Der in § 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F. und § 152 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG normierte Ausschluss der Steuerbefreiung für reine Alkohol-Wasser-Mischungen lässt sich nicht durch die Ermächtigung in Art. 27 Abs. 1 Alkoholstrukturrichtlinie legitimieren, nach der die Mitgliedstaaten die von dem Rechtsakt erfassten Erzeugnisse von der harmonisierten Verbrauchsteuer nach Maßgabe von Bedingungen befreien, die sie zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung solcher Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen.
aa) Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind die Mitgliedstaaten lediglich dazu berechtigt, die näheren Bedingungen, d.h. die Voraussetzungen bzw. Verfahrensmodalitäten, bei deren Beachtung die Steuerbefreiung zu gewähren ist, festzulegen. Entgegen der Auffassung des HZA kann dieser Regelung jedoch nicht entnommen werden, dass es in das Belieben der Mitgliedstaaten gestellt ist, einzelne Arzneimittel von der Befreiung auszunehmen und damit den Anwendungsbereich des Art. 27 Abs. 1 Alkoholstrukturrichtlinie seinem Umfang nach zu beschränken. Auf dieses Verständnis deutet die Regelung in Art. 27 Abs. 5 Alkoholstrukturrichtlinie hin, nach dem es dem in Art. 24 der Richtlinie Nr. 92/12/EWG (RL 92/12/EWG) des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABlEG Nr. L 76/1) genannten Verbrauchsteuerausschuss vorbehalten ist, auf entsprechenden Antrag eines Mitgliedstaats in bestimmten Fällen denaturiertem Alkohol die Steuerbefreiung zu versagen. In diesen Fällen hängt die Steuerbefreiung nicht von der konkreten Verwendung des verbrauchsteuerpflichtigen Alkohols, sondern von dessen Vergällung nach den Vorschriften eines Mitgliedstaats ab. Nur für diejenigen Erzeugnisse, für die aufgrund ihrer Denaturierung eine verwendungsunabhängige Begünstigung vorgesehen ist, besteht die Möglichkeit eines Ausschlusses von der Befreiung. Eine solche Möglichkeit besteht für andere Erzeugnisse, wie z.B. für Arzneimittel, hingegen nicht. Bei diesen Erzeugnissen können die Mitgliedstaaten einem Missbrauch nur durch die Festlegung von Bedingungen ‑‑z.B. durch die Einführung eines nach Art. 27 Abs. 6 Alkoholstrukturrichtlinie ausdrücklich vorgesehenen Entlastungsverfahrens‑‑ begegnen. Diese dürfen jedoch nicht dazu führen, dass eine Steuerbefreiung von vornherein ausgeschlossen ist.
bb) Für dieses Rechtsverständnis sprechen auch die Ausführungen des EuGH zum national-rechtlichen Ausschluss unionsrechtlich festgelegter obligatorischer Mehrwertsteuer- und Energiesteuerbefreiungen. Zwar können die zur Mehrwertsteuer ergangenen Entscheidungen des EuGH nicht ohne Weiteres auf das Verbrauchsteuerrecht übertragen werden, doch sind ihnen Aussagen zu den allgemeinen Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit zu entnehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in Art. 27 Abs. 1 Alkoholstrukturrichtlinie normierte Ermächtigung den Regelungen in Art. 14 Abs. 1 und Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (77/388/EWG) nachgebildet ist, die die Steuerbefreiungen in Fällen der Einfuhr und der innergemeinschaftlichen Lieferung betreffen. Hinsichtlich der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen ist der EuGH-Entscheidung (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04 ‑‑Teleos‑‑, Slg. 2007, I-7797, m.w.N.) zu entnehmen, dass die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten erlassen können, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht so eingesetzt werden dürfen, dass sie im Ergebnis die Steuerbefreiung verhindern.
In Bezug auf die in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABlEU Nr. L 283/51) festgelegten obligatorischen Energiesteuerbefreiungen hat der EuGH unter Hinweis auf die zur Mehrwertsteuer ergangenen Entscheidungen ausgeführt, dass die Unbedingtheit einer Verpflichtung zur Steuerbefreiung nach ständiger Rechtsprechung keineswegs dadurch in Frage gestellt wird, dass den Mitgliedstaaten in einem ersten Satzteil wie dem in Art. 14 Abs. 1 EnergieStRL ein Gestaltungsspielraum eingeräumt wird, wonach die Befreiungen von den Mitgliedstaaten "unter den Voraussetzungen gewährt werden, die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Missbrauch festlegen" (EuGH-Urteil vom 17. Juli 2008 C-226/07 -Flughafen Köln/Bonn-, Slg. 2008, I-5999, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2008, 270). Die Rechtsprechung, die zur Versagung einer Steuerbefreiung durch Versäumnisse bei der frist- und ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien ergangen ist, lässt sich auf den Fall übertragen, in dem ein Mitgliedstaat eine obligatorische Befreiung durch eine entsprechende Anordnung in den gesetzlichen Bestimmungen von vornherein nicht gewährt. Denn auch in diesem Fall wird die Unbedingtheit einer Verpflichtung zur Steuerbefreiung missachtet.
cc) Aus den dargestellten Grundsätzen folgt, dass Deutschland dadurch gegen seine Verpflichtung aus Art. 27 Abs. 1 Buchst. d Alkoholstrukturrichtlinie verstoßen hat, dass es als Arzneimittel zugelassene reine Alkohol-Wasser-Mischungen von der nach geltendem Unionsrecht zwingend zu gewährenden Befreiung ausgenommen hat. Dabei ist entgegen der Auffassung des HZA unbeachtlich, dass die Europäische Kommission nach Übersendung des BranntwMonG zur Erfüllung der sich aus Art. 31 Abs. 2 RL 92/12/EWG ergebenden Verpflichtung die unzulängliche Umsetzung des Art. 27 Abs. 1 Buchst. d Alkoholstrukturrichtlinie gegenüber Deutschland nicht beanstandet hat.
3. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann sich der Einzelne in den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (EuGH-Urteile vom 11. Juli 2002 C-62/00 -Marks & Spencer-, Slg. 2002, I-6325, und vom 5. Oktober 2004 C-397/01 bis C-403/01 -Pfeiffer-, Slg. 2004, I-8835; Senatsurteil vom 27. Juni 2006 VII R 62/05, BFH/NV 2006, 2132). Im Streitfall erfüllt die in Art. 27 Abs. 1 Buchst. d Alkoholstrukturrichtlinie die an die Bestimmtheit einer Regelung zu stellenden Voraussetzungen, so dass sich die Klägerin auf sie berufen kann. Da ihr somit ein Anspruch auf die begehrte Steuerbefreiung zusteht, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob sich die vom HZA erteilte Erlaubnis auch auf den Ausschluss reiner Alkohol-Wasser-Mischungen nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F. bzw. § 152 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG bezogen hat.
4. Da das FG bei seiner Entscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und einen Anspruch auf die von der Klägerin begehrte Steuerbefreiung versagt hat, war das Urteil insoweit aufzuheben, als es die Steuer betrifft, die nach Auffassung des HZA durch die Herstellung der als Arzneimittel zugelassenen und an K abgegebenen Alkohol-Wasser-Mischung entstanden ist. Insoweit sind auch die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben.
Der Senat hält die von ihm vorgenommene Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts auf Grund der Rechtsprechung des EuGH für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht demnach nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 -C.I.L.F.I.T.-, Slg. 1982, 3415, Rz 16).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 und § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.