BFH XI. Senat
UStG § 4 Nr 14 S 1, UStG § 4 Nr 16 Buchst c, EWGRL 388/77 Art 13 Teil A Abs 1 Buchst b, EWGRL 388/77 Art 13 Teil A Abs 1 Buchst c, UStG § 1 Abs 1 Nr 1
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 11. Mai 2011, Az: 6 K 1128/09
Leitsätze
1. Überlässt ein Anästhesist, der ein "OP-Zentrum" betreibt, einem anderen Arzt Operationsräume nebst Ausstattung gegen Entgelt zur Durchführung von Operationen, an denen er selbst teilnimmt, ist die Raumüberlassung durch den Anästhesisten an den Operateur nicht als Heilbehandlung steuerfrei .
2. Es kann insoweit aber eine einheitliche steuerfreie Heilbehandlungsleistung i.S. von § 4 Nr. 14 UStG des Anästhesisten gegenüber den Patienten oder ein steuerfreier mit dem Betrieb einer anderen Einrichtung eng verbundener Umsatz i.S. von § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG vorliegen .
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Mai 2011 6 K 1128/09 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Anästhesistin freiberuflich tätig. Sie stellte in den Jahren 1999 bis 2004 (Streitjahre) anderen Ärzten für ambulante Operationen, an denen sie selbst als Anästhesistin mitwirkte, ihre Operationsräume einschließlich der notwendigen Ausstattung zur Verfügung. Grundlage waren mündliche Verträge, wonach den Ärzten die (Mit-)Nutzung der Räume für die Durchführung der Operationen gestattet wurde. Hierfür erhielt sie von den Ärzten ein Entgelt, indem der jeweilige Operateur einen Anteil der Vergütung, den er von der Krankenkasse zur Abdeckung des Aufwandes für die Nutzung des OP-Raumes erhielt, an die Klägerin weiterleitete.
Die Klägerin erklärte die entgeltlichen Überlassungen ihrer Operationsräume nicht als steuerpflichtige Umsätze. Aufgrund der Feststellungen einer Betriebsprüfung für die Jahre 2001 bis 2003 behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) diese Leistungen als steuerpflichtig und erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide für 2001, 2002 und 2003 vom 18. Mai 2006, für 1999 und 2000 vom 13. Oktober 2006 sowie für 2004 vom 3. November 2006. Die Einsprüche der Klägerin wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2009 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 2109 veröffentlichten Urteil ab. Es führte aus, die streitbefangenen Leistungen der Klägerin seien nicht nach § 4 Nr. 14 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Die Überlassung der Infrastruktur an die Operateure zur Mitbenutzung zwecks Durchführung der ambulanten Operation sei keine Heilbehandlung im Sinne der Befreiungsvorschrift. Die Vorschrift des § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG, wonach die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder z.B. Ärzte sind, gegenüber ihren Mitgliedern steuerfrei sind, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfreien Umsätze verwendet werden, sei weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Auch könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) berufen, da diese Vorschrift im Gegensatz zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG nicht die mit den ärztlichen Heilbehandlungen eng verbundenen Umsätze erwähne. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 UStG nicht vor, da es sich bei der Raumüberlassung nicht um eine Vermietung, sondern um eine sonstige Leistung eigener Art handele.
Die Klägerin stützt ihre Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.
Sie bringt im Wesentlichen vor, das FG habe § 4 Nr. 14 UStG unzutreffend ausgelegt. Die streitigen Umsätze, für die die Operateure die von ihnen nach Abschn. B VI. Nrn. 80 bis 87 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) vereinnahmten Gebühren an sie weitergeleitet hätten, seien gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei.
Unter dem Gesichtspunkt der Auslastung der Operationsräume sei es effektiver, wenn nicht der operierende Facharzt, sondern ‑‑wie im Streitfall‑‑ der Anästhesist die entsprechenden Räume für ambulante Operationen vorhalte. Der EBM enthalte unter Abschn. B VI. "Ambulante Operationen" Nrn. 80 bis 87 Zuschläge für den besonderen persönlichen und sachlichen Aufwand bei der Durchführung ambulanter Operationen, jedoch nicht für die Leistungen eines Facharztes für Anästhesiologie, die in Abschn. D EBM geregelt seien; eine Abrechnung von Leistungen gemäß Abschn. D in Verbindung mit Abschn. B VI. EBM sei in den Streitjahren nicht möglich gewesen. Der EBM gehe bei der Honorierung der an ambulanten Operationen beteiligten niedergelassenen Ärzte davon aus, dass ausschließlich der Operateur und nicht der Anästhesist die erfolgreiche Vor- und Nachsorge leistet und die für die ambulante Operation notwendigen räumlichen, sachlichen und personellen Ressourcen bereitstellt. Diese Prämisse entspreche ‑‑wie der Streitfall zeige‑‑ nicht in allen Fällen den tatsächlichen Umständen. Vorliegend seien Behandlungsverträge zwischen dem Patienten und dem Operateur sowie dem Patienten und ihr ‑‑der Klägerin‑‑ geschlossen worden. Sie habe dem Patienten die Anästhesie und die Räume geschuldet, der Operateur hingegen nur den Eingriff, was durch die Abrechnung bei Privatpatienten belegt werde. Bei Kassenpatienten sei es nicht anders. Ausschließlich aus Abrechnungsgründen hätten die Operateure mit dem räumlichen, apparativen und personellen Kostenaufwand der Klägerin ‑‑Leistungen gemäß Abschn. B VI. Nrn. 80 bis 87 EBM‑‑ gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen eine fremde Leistung abgerechnet. Hiervon habe sie für die Bereitstellung von Sach- und Personalmitteln für die ambulanten Operationen absprachegemäß einen Anteil von 50 % erhalten; der andere Anteil hätte die von den Operateuren geleistete Vor- und Nachsorge abgegolten.
Der Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 14 UStG sei nicht eng auszulegen. Die entsprechende Aussage des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil Kommission/ Frankreich vom 11. Januar 2001 C-76/99 (EU:C:2001:12, Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 2001, 62) beziehe sich zwar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und nicht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG, die Argumentation hinsichtlich der vom Richtliniengeber beabsichtigten Senkung der Behandlungskosten treffe aber auch im Streitfall zu. Ausgehend von dem Ziel der Kostensenkung ergebe die Auslegung des Begriffs "ärztliche Heilbehandlung", dass hiervon sämtliche Leistungen, die mit den in der Praxis der Klägerin ausgeführten ambulanten Operationen zusammenhingen, erfasst würden. Das FG habe verkannt, dass die von ihr ‑‑der Klägerin‑‑ gemeinsam mit dem Operateur durchgeführte Operation insgesamt als ärztliche Heilbehandlung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes anzusehen sei und alle Bestandteile der Heilbehandlung deshalb zwingend vom Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 14 UStG erfasst werden müssten. Wie die Definition des Leistungsinhalts in Abschn. B VI. Nrn. 80 bis 87 EBM zeige, handele es sich bei den von ihr erbrachten Leistungen um eine ärztliche Heilbehandlung, die nur ein zugelassener Arzt erbringen könne. Ohne diese in Abschn. B VI. EBM erfasste, personelle und apparative Unterstützung seien die Tätigkeiten sowohl des Operateurs als auch des Anästhesisten nicht möglich. Der Streitfall unterscheide sich von dem Sachverhalt, der dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. September 2004 V B 177/02 (BFH/NV 2005, 258) zu Grunde gelegen habe, nämlich der entgeltlichen Überlassung einer Praxiseinrichtung durch einen Zahnarzt an einen Kollegen zur gemeinschaftlichen Nutzung.
Der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer gebiete, dass sämtliche Leistungen der beteiligten Ärzte nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit seien unabhängig davon, ob die ambulante Operation in den Räumen eines operierenden Facharztes unter Mitwirkung eines Anästhesisten oder die gleiche Operation ‑‑wie im Streitfall‑‑ in den Räumen eines Anästhesisten ‑‑hier der Klägerin‑‑ stattfindet.
Schließlich könne sie ‑‑die Klägerin‑‑ sich für die Steuerbefreiung unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG berufen. Danach seien unter weiteren Bedingungen Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie die damit eng verbundenen Umsätze steuerfrei. Die Richtlinienbestimmung sei nicht unionsrechtskonform umgesetzt. Ihr OP-Zentrum sei als Zentrum für ärztliche Heilbehandlung mit öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern und entsprechenden Privatkliniken vergleichbar, die ebenfalls ambulante Operationen durchführen.
Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung, die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 und 2000 vom 13. Oktober 2006, für die Jahre 2001 bis 2003 vom 18. Mai 2006 und für das Jahr 2004 vom 3. November 2006 sowie die Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2009 aufzuheben.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Nach dem EuGH-Urteil D. vom 14. September 2000 C-384/98 (EU:C:2000:444, UR 2000, 432) seien ärztliche Leistungen nur dann steuerfrei, wenn sie einem therapeutischen Ziel dienten. Zu einer solchen Heilbehandlungsleistung zählten Operationen und auch die Tätigkeit des Anästhesisten als solche. Die Überlassung der Infrastruktur sei jedoch keine Heilbehandlung. Dass die Überlassung der Praxiseinrichtung die Heilbehandlung erst ermögliche, reiche nicht aus. Eine analoge Anwendung des § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG komme nicht in Betracht, da Steuerbefreiungsvorschriften als Ausnahmen von dem Grundsatz, dass jede entgeltliche Dienstleistung eines Steuerpflichtigen der Umsatzsteuer unterliegt, nach ständiger EuGH-Rechtsprechung eng auszulegen seien. Der Klägerin könne schließlich nicht darin gefolgt werden, dass es sich bei der jeweils gemeinsam mit dem Operateur erbrachten Operation insgesamt um eine ärztliche Heilbehandlung handele, bei welcher alle damit zusammenhängenden Bestandteile zwingend vom Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 14 UStG erfasst werden müssten. Insoweit komme es nicht darauf an, dass aus der Sicht des Patienten die Inanspruchnahme einer untrennbaren ärztlichen Gesamtleistung vorliege; für die umsatzsteuerrechtliche Betrachtung sei das Verhältnis der Klägerin zu dem jeweiligen Operateur und Nutzer des OP-Raumes ausschlaggebend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen die Klageabweisung nicht. Das FG hat im Hinblick auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG keine ausreichenden Feststellungen zu den Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Operateur sowie zwischen diesen und dem jeweiligen Patienten getroffen, um die streitbefangenen Leistungen der Klägerin abschließend beurteilen zu können. Das FG hat auch nicht geprüft, ob diese Leistungen nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG (in der im jeweiligen Streitjahr geltenden Fassung) steuerbefreit sind.
1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind steuerfrei die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit (bis 19. Dezember 2003: i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes) und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker. Diese Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG, nach der "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden", steuerfrei sind (nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ‑‑MwStSystRL‑‑). § 4 Nr. 14 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung entsprechend dieser Bestimmung auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30. März 2011 XI R 30/09, BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, Rz 25, m.w.N.; vom 7. Februar 2013 V R 22/12, BFHE 240, 428, BStBl II 2014, 126, Rz 14, m.w.N.).
a) Dabei sind die in Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG genannten Steuerbefreiungen zwar eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Die Auslegung der in dieser Bestimmung verwendeten Begriffe muss aber auch mit den Zielen im Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht (vgl. z.B. EuGH-Urteil Klinikum Dortmund vom 13. März 2014 C-366/12, EU:C:2014:143, UR 2014, 271, Rz 26, m.w.N.). Diese Regel einer engen Auslegung bedeutet außerdem nicht, dass die zur Definition der Steuerbefreiungen i.S. von Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG verwendeten Begriffe in einer Weise auszulegen sind, die den Befreiungen ihre Wirkung nähme (vgl. z.B. EuGH-Urteil Klinikum Dortmund, EU:C:2014:143, UR 2014, 271, Rz 27, m.w.N.). Dabei geht aus der Rechtsprechung des EuGH hervor, dass der Zweck, die Kosten von Heilbehandlungen zu senken und diese für den Einzelnen leichter zugänglich zu machen, der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG und der in Buchst. c dieses Absatzes vorgesehenen Befreiung gemeinsam ist; ferner verbietet es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden (vgl. z.B. EuGH-Urteil Klinikum Dortmund, EU:C:2014:143, UR 2014, 271, Rz 28, m.w.N.).
b) Der Begriff der "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG umfasst Leistungen, die der Diagnose, Behandlung und, soweit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen (vgl. z.B. EuGH-Urteil Klinikum Dortmund, EU:C:2014:143, UR 2014, 271, Rz 29, m.w.N.). Daraus folgt, dass ärztlichen Leistungen, die zu dem Zweck erbracht werden, die menschliche Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Steuerbefreiung zugutekommt (vgl. z.B. EuGH-Urteil Klinikum Dortmund, EU:C:2014:143, UR 2014, 271, Rz 30, m.w.N.).
c) Der BFH hat sich dieser Rechtsprechung des EuGH angeschlossen. Steuerbefreite Heilbehandlungen sind danach Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Die befreiten Leistungen müssen der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 8. März 2012 V R 30/09, BFHE 237, 263, BStBl II 2012, 623, Rz 39, m.w.N.; vom 26. August 2014 XI R 19/12, BFHE 247, 246, BStBl II 2015, 310, Rz 22, 23, m.w.N.; vom 5. November 2014 XI R 11/13, BFHE 248, 389, BFH/NV 2015, 297, Rz 19 bis 23, m.w.N.).
aa) Ein Arzt kann ‑‑wie z.B. ein Laborarzt‑‑ auch gegenüber anderen Ärzten steuerfreie Heilbehandlungsleistungen erbringen. Für die Steuerfreiheit kommt es nicht auf die Person des Leistungsempfängers an, da sich die personenbezogene Voraussetzung der Steuerfreiheit auf den Leistenden bezieht, der Träger eines ärztlichen oder arztähnlichen Berufs sein muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. August 2011 V R 27/10, BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214, Rz 24; vom 8. August 2013 V R 8/12, BFHE 242, 548, BFH/NV 2014, 119, Rz 18).
bb) Bei der bloßen Überlassung von Praxisräumen nebst Ausstattung durch einen Arzt an andere Ärzte handelt es sich jedoch weder um eine ärztliche noch um eine arztähnliche Leistung (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2005, 258, unter II.1.b; vom 29. Oktober 2013 V B 58/13, BFH/NV 2014, 192, Rz 9). Eine solche Überlassung kann zwar einer Heilbehandlung dienen, stellt aber selbst keine solche dar.
Der Begriff "ärztliche Heilbehandlung" kann nicht auf sämtliche Leistungen, die mit der Behandlung des Patienten zusammenhängen, ausgedehnt werden. Denn die ‑‑wie dargelegt‑‑ bei der Auslegung des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG zu berücksichtigende Bestimmung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG enthält ‑‑im Gegensatz zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG‑‑ keine Bezugnahme auf Umsätze, die "mit ärztlichen Heilbehandlungen eng verbunden" sind. Deshalb erfasst Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG "mit ärztlichen Heilbehandlungen eng verbundene Umsätze" grundsätzlich nicht, weshalb dieser Zusatz für die Auslegung der Vorschrift keine Bedeutung hat (vgl. EuGH-Urteil Klinikum Dortmund, EU:C:2014:143, UR 2014, 271, Rz 32, m.w.N.).
2. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht entschieden werden, ob die streitbefangenen Leistungen der Klägerin nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerbefreit sind, etwa ob eine Steuerbefreiung der entgeltlichen "Überlassung" der Operationsräume nebst Ausstattung durch die Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Leistung in Betracht kommt (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 192, Rz 12).
a) Eine einheitliche Leistung liegt nicht nur dann vor, wenn eine Leistung als Hauptleistung und andere Leistungen als Nebenleistungen zu beurteilen sind, sondern auch dann, wenn zwei oder mehr Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Leistungsempfänger so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung ‑‑aus der maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsverbrauchers‑‑ wirklichkeitsfremd wäre (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. September 2011 V B 23/10, BFH/NV 2012, 75, m.w.N.; in BFH/NV 2014, 192, Rz 12). Allerdings können mehrere Leistungen unter dem Gesichtspunkt von Haupt- und Nebenleistung nur dann zu einer einheitlichen Leistung "verschmolzen" werden, wenn die Leistungen gegenüber ein und demselben Leistungsempfänger erbracht werden; Nebenleistungen Dritter oder an Dritte gibt es nicht (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 62; vom 14. Mai 2014 XI R 13/11, BFHE 245, 424, BStBl II 2014, 734, Rz 37; Lange, UR 2009, 289 ff.; Klenk in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 10 Rz 66).
b) Im Streitfall ist ein Zusammenhang zwischen der Anästhesieleistung der Klägerin, der chirurgischen Leistung des Operateurs und somit der (gemeinschaftlichen) Nutzung der Operationsräume nicht zu verkennen.
Vor welchem vertraglichen Hintergrund die Klägerin dem (jeweiligen) Operateur die Räume und die Ausstattung zur Durchführung einer Operation, an der die Klägerin als Anästhesistin teilnahm, "überließ", hat das FG indes nicht festgestellt. Insbesondere fehlen Feststellungen zu den Vertragsverhältnissen zwischen der Klägerin sowie des Operateurs zu dem jeweiligen Patienten. Danach steht nicht fest, ob ‑‑wie die Klägerin vorgetragen hat‑‑ der Behandlungsvertrag zwischen ihr und dem Patienten alle Leistungen des "OP-Zentrums" umfasste, der Operateur die Leistungen des "OP-Zentrums" gar nicht erbringen wollte und mit dem Überlassen der Infrastruktur durch die Klägerin im Falle eines Kassenpatienten lediglich eine fremde Leistung abrechnete.
c) Das FG wird diese Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
3. Nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG (in der im jeweiligen Streitjahr geltenden Fassung) sind steuerfrei die mit dem Betrieb der Krankenhäuser, Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung ... eng verbundenen Umsätze, wenn bei Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung die Leistungen unter ärztlicher Aufsicht erbracht werden und im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 vom Hundert der Leistungen den in § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG genannten Personen zugute gekommen sind. Bei diesen Personen handelt es sich um die Versicherten der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung, die Empfänger von Sozialhilfe und die Versorgungsberechtigten.
Die Steuerbefreiung beruht unionsrechtlich auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG, nach der "die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden", steuerfrei sind (nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL). Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung entsprechend dieser Vorschrift (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. September 2014 V R 19/11, BFHE 247, 369, UR 2015, 57, Mehrwertsteuerrecht ‑‑MwStR‑‑ 2015, 213, Rz 20) sind "als mit dem Betrieb der Krankenhäuser, ... und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung ... eng verbundene(n) Umsätze" i.S. von § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG "die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze" anzusehen.
a) Ob die Klägerin eine "andere Einrichtung ärztlicher Heilbehandlung" i.S. von § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG unterhalten und entsprechende Leistungen erbracht hat, hat das FG nicht geprüft. Die Klägerin hat sich darauf im Revisionsverfahren ergänzend berufen.
b) Die Klägerin sieht ihre Praxis als OP-Zentrum bzw. als Zentrum für ärztliche Heilbehandlung i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG an, für das (allein) sie ‑‑im Gegensatz zu den Operateuren‑‑ die vorgeschriebene Zulassung innehabe.
aa) Der Begriff der "Einrichtung" i.S. von § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG ist grundsätzlich weit genug, um auch private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht zu erfassen (EuGH-Urteile Gregg vom 7. September 1999 C-216/97, EU:C:1999:390, UR 1999, 419, Rz 18; Kingscrest Associates und Montecello vom 26. Mai 2005 C-498/03, EU:C:2005:322, UR 2005, 453, Rz 35).
bb) Ob die Klägerin als Anästhesistin mit ihrem OP-Zentrum als "Einrichtung ärztlicher Heilbehandlung" i.S. von § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG anzuerkennen ist, hat das FG ‑‑ausgehend von seiner Rechtsauffassung‑‑ bisher nicht festgestellt.
cc) Da sich der mit der Krankenhaus- oder Heilbehandlung eng verbundene Umsatz entsprechend der EuGH-Rechtsprechung danach definiert, ob er zur Erreichung der damit verfolgten therapeutischen Ziele unentbehrlich ist (vgl. EuGH-Urteile Ygeia vom 1. Dezember 2005 C-394/04, EU:C:2005:734, UR 2006, 171, Rz 25; CopyGene vom 10. Juni 2010 C-262/08, EU:C:2010:328, UR 2010, 526, Rz 40; BFH-Urteil in BFHE 247, 369, UR 2015, 57, MwStR 2015, 213, Rz 25), trifft dieses Merkmal auf das Bereitstellen eines geeignet ausgestatteten Raumes zum Zwecke der Durchführung einer ambulanten Operation ‑‑wie im Streitfall‑‑ zu.
c) Ob das weitere Erfordernis der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG, dass "im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 vom Hundert der betreffenden Leistungen den in Nummer 15 Buchstabe b genannten Personen zugute gekommen sind", erfüllt ist, muss das FG ggf. ebenfalls feststellen.
aa) Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG legt die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung nicht fest. Es ist daher grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen diesen Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann. Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen (vgl. dazu EuGH-Urteile Kingscrest Associates und Montecello, EU:C:2005:322, UR 2005, 453, Rz 49, 51; CopyGene, EU:C:2010:328, UR 2010, 526, Rz 63; Zimmermann vom 15. November 2012 C-174/11, EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 26).
bb) Die zuständigen Behörden haben bei der Ausübung des ihnen zustehenden Ermessens die unionsrechtlichen Grundsätze, insbesondere den Grundsatz der Gleichbehandlung, zu beachten, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt (vgl. dazu EuGH-Urteil CopyGene, EU:C:2010:328, UR 2010, 526, Rz 64, m.w.N.). Die nationalen Gerichte haben zu prüfen, ob die zuständigen Behörden die Grenzen des ihnen eingeräumten Ermessens eingehalten haben (vgl. entsprechend zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG EuGH-Urteil Zimmermann, EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 33, m.w.N.).
cc) Zu der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Befreiung hat der EuGH ‑‑§ 4 Nr. 16 Buchst. c UStG betreffend‑‑ entschieden, dass der Mitgliedstaat das ihm nach dieser Bestimmung zustehende Ermessen nicht schon dadurch überschreitet, dass er für die Anerkennung als in privatrechtlicher Form organisierte Labors im Rahmen der Anwendung dieser Bestimmung verlangt, dass mindestens 40 % der medizinischen Analysen der betreffenden Labors Personen zugutekommen, die bei einem Träger der Sozialversicherung versichert sind (vgl. dazu EuGH-Urteile L.u.P. vom 8. Juni 2006 C-106/05, EU:C:2006:380, UR 2006, 464, Rz 53 f.; Zimmermann, EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 36; s. dazu auch BFH-Urteil vom 18. Mai 2015 XI R 8/13, BFHE 249, 369, www.bundesfinanzhof.de).
dd) Ob der Streitfall davon betroffen ist, dass der nationale Gesetzgeber in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG auf die Verhältnisse des vorangegangenen Kalenderjahrs abstellt, wofür Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG keine Grundlage bietet (vgl. entsprechend zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG EuGH-Urteil Zimmermann, EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 40 f.; BFH-Urteil vom 19. März 2013 XI R 47/07, BFHE 240, 439, UR 2013, 555, MwStR 2013, 312, Rz 37) und das der Klägerin insoweit ein Berufen auf das günstigere Unionsrecht ermöglichte, ist ebenfalls nicht festgestellt.
4. Das FG hat nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im zweiten Rechtsgang Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.