BFH XI. Senat
UStG § 4 Nr 14 Buchst b S 1, UStG § 4 Nr 14 Buchst b S 2 DBuchst aa, EGRL 112/2006 Art 132 Abs 1 Buchst b, EGRL 112/2006 Art 133, EGRL 112/2006 Art 134, SGB 5 § 108, SGB 5 § 109, UStG VZ 2009
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht , 16. Juli 2013, Az: 4 K 104/12
Leitsätze
Der Betreiber einer Privatklinik kann sich gegenüber der ab dem Jahr 2009 geltenden ‑‑unionsrechtswidrigen‑‑ Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG i.V.m. §§ 108, 109 SGB V für die Steuerfreiheit seiner Leistungen auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen (Anschluss an BFH-Urteil vom 23. Oktober 2014 V R 20/14, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2015, 631).
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 17. Juli 2013 4 K 104/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betrieb im Jahr 2009 (Streitjahr) eine Privatklinik, in der niedergelassene Ärzte operative Eingriffe an gesetzlich und privat versicherten Patienten durchführten. In der Klinik wurden sowohl ambulante als auch stationäre Eingriffe vorgenommen. Für die operierten Patienten hielt die Klägerin eine Abteilung mit 18 Betten vor, in der die Patienten von Pflegepersonal betreut und beköstigt wurden.
Die Behandlung gesetzlich versicherter Patienten erfolgte auf der Grundlage eines zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung X und den Landesverbänden der Krankenkassen abgeschlossenen Vertrags zur Förderung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich des ambulanten Operierens nach § 73a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ‑‑SGB V‑‑ (Strukturvertrag). Der Strukturvertrag sah für die ambulanten Operationen eine Vergütung nach dem Punktwertsystem der gesetzlichen Krankenkassen für die operative Leistung sowie die Sachkosten der OP-Räume und des Hilfspersonals vor.
Für die von der Klägerin betriebene Klinik lag im Streitjahr eine Konzession der zuständigen Behörde nach § 30 der Gewerbeordnung vor. Die Klinik war im Streitjahr nicht als Plankrankenhaus i.S. des § 108 Nr. 2 SGB V in den Krankenhausplan des Landes X aufgenommen. Sie hatte für das Streitjahr auch keinen Versorgungsvertrag i.S. des § 108 Nr. 3 SGB V mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen. Die Klägerin verfügte im Streitjahr ferner über keine Zulassung als medizinisches Versorgungszentrum i.S. des § 95 SGB V.
In der am 30. Juni 2011 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) eingegangenen Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr meldete die Klägerin Umsatzsteuer in Höhe von ... € an. Der Steueranmeldung lagen steuerpflichtige Umsätze von ... € zugrunde, zu denen u.a. die Erlöse aus der Behandlung von Privatpatienten von ... € gehörten. Weitere Umsätze in Höhe von ... € behandelte die Klägerin als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG); hierzu zählten die Umsätze aus der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten und von Patienten, deren Behandlungskosten von der gesetzlichen Unfallversicherung getragen wurden. Gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr legte die Klägerin Einspruch ein mit der Begründung, dass auch die gegenüber Privatpatienten erbrachten Leistungen steuerfrei seien.
Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung für das Streitjahr erließ das FA am 25. Oktober 2011 einen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid, in dem es die steuerpflichtigen Umsätze um ... auf ... € erhöhte und die Umsatzsteuer in Höhe von ... € festsetzte. Das FA hielt auch die Umsätze aus der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten und von Patienten, deren Behandlungskosten von der gesetzlichen Unfallversicherung getragen wurden, für steuerpflichtig; insoweit seien die Voraussetzungen von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG nicht gegeben. Die Klägerin erweiterte ihren Einspruch entsprechend. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 27. August 2012).
Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage im Wesentlichen statt. Es führte u.a. aus, die streitbefangenen Umsätze erfüllten zwar nicht die Voraussetzungen von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG; die Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG sei aber nicht unionsrechtskonform, so dass sich die Klägerin für die begehrte Umsatzsteuerfreiheit unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) berufen könne. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung lägen im Streitfall vor. Die begehrte Steuerbefreiung werde weder durch Art. 133 Abs. 1 MwStSystRL noch durch Art. 134 MwStSystRL ausgeschlossen.
Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1884 veröffentlicht.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es trägt vor, dass entgegen der vom FG vertretenen Rechtsauffassung die Kostenübernahme durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen kein zwingend anzuwendendes Kriterium für die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL geforderte Anerkennung sei. Vielmehr sei der Reihenfolge der Aufzählung in Rz 58 des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Kügler vom 10. September 2002 C-141/00 (EU:C:2002:473, Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 2002, 513) zu entnehmen, dass steuerrechtliche oder sozialrechtliche Vorschriften zur Regelung der Anerkennung das nahe liegendste Kriterium seien und andere Umstände (wie die Gewährung einer ähnlichen Steuerbefreiung für andere Unternehmer mit gleicher Tätigkeit oder die Kostenübernahme) nur dann zur Abgrenzung benötigt würden, wenn solche Vorschriften ‑‑anders als hier‑‑ nicht existierten.
Ferner könne die gebotene Anwendung des Neutralitätsprinzips nicht bedeuten, dass es als Folge von nationalstaatlichen Anerkennungskriterien niemals zur unterschiedlichen Behandlung vergleichbarer Steuerpflichtiger kommen dürfte. So habe der EuGH in dem Urteil L.u.P. vom 8. Juni 2006 C-106/05 (EU:C:2006:380, UR 2006, 464, Rz 53 und 54) und in dem Urteil Zimmermann vom 15. November 2012 C-174/11 (EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 35 bis 37) die Regelungen der früheren § 4 Nr. 16 Buchst. c und e UStG, wonach mindestens 40 % der Leistungen den in § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG genannten Personen zugute gekommen sein mussten bzw. die Pflegekosten in mindestens 2/3 der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sein mussten, gebilligt. Auch diese Regelungen hätten zur Folge haben können, dass zwei Einrichtungen mit identischem Leistungsangebot unterschiedlich behandelt wurden, wenn eine Einrichtung die jeweilige Grenze knapp erfüllte und die andere die Grenze knapp verfehlte. Daher müsse es auch zulässig sein, bei der Anerkennung i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ‑‑wie durch § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG geschehen‑‑ darauf abzustellen, ob die betreffende Einrichtung nach dem Sozialrecht als typischer Leistungserbringer für die gesetzliche Krankenversicherung in Betracht komme. Außerdem erhöhe der Verzicht, die Steuerbefreiung von jährlich nachzuweisenden Prozentgrenzen abhängig zu machen, die Rechtssicherheit und trage zum Bürokratieabbau bei (BRDrucks 545/08, S. 117).
Zwar habe der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Urteil vom 23. Oktober 2014 V R 20/14 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2015, 631) entschieden, dass § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG unionsrechtswidrig sei. Der V. Senat des BFH habe aber die in diesem Urteil von ihm angewendete Rechtsprechung des EuGH "missverstanden". Es sei deshalb "zwingend erforderlich", dem EuGH die Frage der Vereinbarkeit von § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG mit dem Unionsrecht vorzulegen.
Das FA beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten.Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.Sie hält die Ausführungen der Vorinstanz zu Art. 132, 133 und 134 MwStSystRL für zutreffend und unabhängig davon weiterhin die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der streitbefangenen Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG für gegeben.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass sich die Klägerin, deren Umsätze nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG steuerfrei sind, für die Steuerfreiheit der im Revisionsverfahren noch streitbefangenen Umsätze auf das Unionsrecht berufen kann.
1. Zutreffend hat das FG dargelegt, dass die noch streitbefangenen Umsätze nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Fassung steuerfrei sind.
a) Nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG sind steuerfrei
"Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden".b) Nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG sind ‑‑soweit im Streitfall von Interesse‑‑ die in Satz 1 bezeichneten Leistungen auch steuerfrei, "wenn sie von
aa) zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
bb) Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch teilnehmen oder für die Regelungen nach § 115 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten,
cc) Einrichtungen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 34 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch an der Versorgung beteiligt worden sind,
...
erbracht werden und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch jeweils bezieht, ..."c) Im Streitfall sind die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenden Steuerbefreiungen in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG nicht gegeben.
aa) Bei der Klägerin handelt es sich nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts i.S. von § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG.
bb) Aber auch die Voraussetzungen der in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG genannten übrigen im Streitfall in Frage kommenden Steuerbefreiungen sind nicht erfüllt.
(1) Die streitbefangenen Leistungen waren nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG steuerfrei, weil die von der Klägerin betriebene Klinik im Streitjahr nicht als Krankenhaus i.S. von § 108 SGB V zugelassen war.
Nach § 108 SGB V dürfen Krankenkassen Krankenhausbehandlung nur durch folgende Krankenhäuser (zugelassene Krankenhäuser) erbringen lassen:
1. Krankenhäuser, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt sind,
2. Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser), oder
3. Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben.
Die Vorgaben zum Abschluss eines Versorgungsvertrages i.S. von § 108 Nr. 3 SGB V sind in § 109 SGB V enthalten.
(2) Auch eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb UStG scheidet aus.
Die Klägerin verfügte nicht über eine Zulassung als medizinisches Versorgungszentrum i.S. von § 95 Abs. 1 SGB V in der im Streitjahr geltenden Fassung. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (Vertragsarztsitz).
Das FG hat überdies festgestellt, dass auch die Voraussetzungen der Regelung in § 115 SGB V über dreiseitige Verträge und Rahmenempfehlungen zwischen Krankenkassen, Krankenhäusern und Vertragsärzten nicht gegeben waren, weil die Klägerin im Streitjahr weder als Praxisklinik zugelassen war, noch eine sonstige Zulassung aufgrund eines dreiseitigen Vertrages i.S. des § 115 SGB V besaß.
(3) Schließlich hat das FG zutreffend eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. cc UStG mit der Begründung verneint, dass die Klägerin im Streitjahr nicht nach § 34 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung an der Versorgung beteiligt worden war.
In § 34 SGB VII ist die Durchführung der Heilbehandlung durch Träger gesetzlicher Unfallversicherungen geregelt. Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 SGB VII schließen die Verbände der Unfallversicherungsträger sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Kassenärztliche Bundesvereinigungen) unter Berücksichtigung der von den Unfallversicherungsträgern getroffenen Festlegungen ... Verträge über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte und Zahnärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung.
Soweit die Klägerin hierzu vorträgt, sie sei tatsächlich von der Unfallversicherung in die entsprechende Versorgung einbezogen worden, genügt dies entgegen ihrer Auffassung nicht den in § 34 Abs. 3 SGB VII genannten Anforderungen. Danach sind entsprechende Verträge über die Durchführung der Heilbehandlung, der Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung zu schließen, wobei die Beteiligung der einzelnen Einrichtungen an der Versorgung ausschließlich durch einen Verwaltungsakt der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgt (vgl. z.B. Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 14 UStG Rz 171, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall.
cc) Das Vorbringen der Klägerin, sie sei durch den Strukturvertrag gemäß § 73a SGB V in das System der vertragsärztlichen Versorgung einbezogen worden, führt zu keinem anderen Ergebnis.
Nach § 73a Satz 1 SGB V können die Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen in den Verträgen nach § 83 SGB V Versorgungs- und Vergütungsstrukturen vereinbaren, die dem vom Versicherten gewählten Hausarzt oder einem von ihm gewählten Verbund haus- und fachärztlich tätiger Vertragsärzte (vernetzte Praxen) Verantwortung für die Gewährleistung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung sowie der ärztlich verordneten oder veranlassten Leistungen insgesamt oder für inhaltlich definierte Teilbereiche dieser Leistungen übertragen.
Nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG reicht zur Erfüllung der in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen jedoch nicht aus, dass in der Klinik der Klägerin gesetzlich versicherte Patienten auf der Grundlage eines derartigen Strukturvertrags behandelt worden sind.
2. Die Klägerin kann sich aber für die Inanspruchnahme der begehrten Steuerbefreiung unmittelbar auf das Unionsrecht berufen.
a) Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer "Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze". Handelt es sich bei dem Steuerpflichtigen, der diese Leistungen erbringt, nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, sind diese Umsätze nur steuerfrei, wenn sie "unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden". Diese Steuerbefreiung ergab sich bis zum 31. Dezember 2006 inhaltsgleich aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern.
b) Wie der V. Senat des BFH in BFH/NV 2015, 631 entschieden hat, entspricht die nationale Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG nicht den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL. Denn der nationale Gesetzgeber habe den ihm insoweit eingeräumten Ermessensspielraum überschritten, weil die Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG i.V.m. §§ 108, 109 SGB V die Steuerfreiheit der Leistungserbringung in Krankenhäusern, die von Unternehmern betrieben werden, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, unter einen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt stellt, der mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sei (BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 631, Rz 19 ff.).
c) Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung aus den dort genannten Gründen an.
aa) Dem Einwand des FA, dieses Urteil überzeuge nicht, weil der V. Senat des BFH die Ausführungen des EuGH in Rz 65 seines Urteils CopyGene vom 10. Juni 2010 C-262/08 (EU:C:2010:328, UR 2010, 526) "dahingehend missverstanden" habe, dass die dort genannten Beurteilungskriterien für den Fall, dass keine gesetzliche Regelung zur Anerkennung vorliege, auch für die Frage anzuwenden seien, ob eine getroffene Regelung ‑‑hier § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG‑‑ mit dem Unionsrecht vereinbar ist, folgt der erkennende Senat nicht.
Richtig ist zwar, dass der EuGH im Urteil CopyGene (EU:C:2010:328, UR 2010, 526) keine Veranlassung hatte, sich mit der Frage zu befassen, ob eine gesetzliche Regelung zur Anerkennung gleicher Art i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL mit dem Unionsrecht vereinbar ist, da in dem zugrunde liegenden Fall der betreffende Mitgliedstaat (Dänemark) keine derartige Regelung getroffen hatte (Rz 66 des EuGH-Urteils). Gleichwohl muss aber (auch) eine nationalstaatliche gesetzliche Regelung ihrerseits den Anforderungen entsprechen, die der EuGH für die Ausübung des den Mitgliedstaaten durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL eingeräumten Ermessens aufgestellt hat (vgl. z.B. EuGH-Urteile Zimmermann, EU:C:1212:716, UR 2013, 35, Rz 19 ff., 28 ff., 31 ff.; CopyGene, EU:C:2010:328, UR 2010, 526, Rz 63; BFH-Urteil vom 19. März 2013 XI R 47/07, BFHE 240, 439, BFH/NV 2013, 1204, Rz 11, 14, 30 ff.).
bb) Soweit das FA ferner kritisiert, die Aussage des BFH in Tz. II.4. des Urteils in BFH/NV 2015, 631, "dass die Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL keine Zulassungsbeschränkungen in Bezug auf den Kreis der zur steuerfreien Leistungserbringung berechtigten Unternehmer rechtfertige", sei eine "bloße Behauptung", hat das FA nicht dargelegt, warum diese ‑‑im Übrigen von ihm verkürzt wiedergegebene‑‑ Aussage des V. Senats in Tz. II.4. unzutreffend ist.
d) Das FG hat vor diesem Hintergrund zu Recht angenommen, dass sich die Klägerin für die begehrte Steuerbefreiung der streitbefangenen Umsätze aus der Krankenhausbehandlung gesetzlich und privat versicherter Patienten sowie der damit eng verbundenen Umsätze unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL als inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Bestimmung des Unionsrechts berufen kann.
aa) Die Klägerin ist eine ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL.
(1) Nach der Rechtsprechung sind insoweit zu berücksichtigen (vgl. z.B. EuGH-Urteile Kügler, EU:C:2002:473, UR 2002, 513, Rz 5, 8; L.u.P., EU:C:2006:380, UR 2006, 464, Rz 53; Zimmermann, EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 31, m.w.N.; BFH-Urteil vom 19. März 2013 XI R 45/10, BFHE 241, 79, Mehrwertsteuerrecht ‑‑MwStR‑‑ 2013, 409):
- das Bestehen spezifischer Vorschriften - seien es nationale oder regionale, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit,
- das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse,
- die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen,
- der Gesichtspunkt, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden.
(2) Diese Voraussetzungen hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise im Streitfall bejaht.
Nach den Feststellungen des FG erfolgte die Behandlung von Kassenpatienten in der von der Klägerin betriebenen Klinik auf der Grundlage von Strukturverträgen i.S. von § 73a SGB V und damit vor dem Hintergrund spezifischer Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit.
Ferner hat das FG zu Recht den Betrieb der Klinik wegen des therapeutischen Zwecks der operativen Eingriffe als im Gemeinwohlinteresse stehende Tätigkeit qualifiziert.
Außerdem hat das FG bindend festgestellt, dass das Leistungsangebot der von der Klägerin betriebenen Privatklinik den von öffentlichen Krankenhäusern sowie den von nach § 108 SGB V zugelassenen Privatkliniken erbrachten Leistungen entspricht, die bereits in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG fallen.
Schließlich sind nach den Feststellungen der Vorinstanz im Streitfall die Kosten der Behandlung von gesetzlich versicherten Patienten von den gesetzlichen Krankenkassen und Berufsgenossenschaften übernommen worden.
(3) Sind die Voraussetzungen der Anerkennung wie im Streitfall zu bejahen, hat der Senat nicht zu entscheiden, ob Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL auch dahingehend auszulegen sein könnte, dass sich das Erfordernis der Anerkennung nur auf andere Einrichtungen, nicht aber auch auf Krankenanstalten sowie Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik bezieht (BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 631, Rz 24).
bb) Die Klägerin hat ihre Heil- und Krankenhausbehandlungsleistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen erbracht wie Krankenhäuser, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehen oder nach § 108 SGB V zugelassen sind. Auch das hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ‑‑vom FA mit der Revision nicht angegriffen‑‑ dargelegt.
In der Klinik der Klägerin wurden operative Eingriffe an Patienten durchgeführt, für die die Klägerin den operierenden Ärzten die Räumlichkeiten, die Apparate und das nicht ärztliche Personal zur Verfügung stellte. Die Patienten wurden zudem durch Pflegepersonal betreut und beköstigt. Das Leistungsangebot der Klägerin entsprach damit den von öffentlichen Krankenhäusern sowie den von zugelassenen Privatkliniken nach § 108 SGB V erbrachten Leistungen. Zudem lag der Anteil der Umsätze der Klägerin, die im Streitjahr mit der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten im Zusammenhang stand, bei ca. 43 %. Die Vergütung der vorgenommenen Behandlungen war schließlich nicht unangemessen, da die Abrechnung sämtlicher Leistungen auf Grundlage des gesetzlichen Vergütungssystems für Ärzte und Krankenhäuser erfolgte. Die Kosten für die Behandlung von Privatpatienten sind von den privaten Krankenversicherungen übernommen worden und entsprachen ihrer Höhe nach denen der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten.
cc) Die vom FG vorgenommene nähere Bestimmung der danach steuerfreien Umsätze (Rz 50 bis 52 des FG-Urteils) steht nicht im Streit.
e) Ferner hat das FG zutreffend erkannt, dass die Steuerbefreiung im Streitfall weder durch Art. 133 MwStSystRL noch durch Art. 134 MwStSystRL ausgeschlossen ist.
Denn der nationale Gesetzgeber hat von der Befugnis, die Steuerfreiheit nach Art. 133 MwStSystRL einzuschränken, keinen Gebrauch gemacht (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 631, Rz 28). Ferner kommt auch kein Ausschluss von der Steuerfreiheit nach Art. 134 MwStSystRL im Hinblick auf die dort genannten Kriterien der "Unerlässlichkeit" und der Einnahmeverschaffung in unmittelbarem Wettbewerb mit steuerpflichtigen Personen in Betracht (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 631, Rz 28).
3. Die hiergegen erhobenen weiteren Einwendungen des FA greifen nicht durch.
a) Das FG hat die vorstehend unter II.2.d aa (1) genannten Kriterien, die für das Vorliegen einer "Anerkennung" einer Einrichtung i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL maßgebend sind, im Streitfall angewandt (vgl. Rz 45 und 49 des FG-Urteils). Der Hinweis des FA, das FG habe bei seiner Entscheidung zu Unrecht allein auf die erfolgte Übernahme der Behandlungskosten durch die gesetzlichen Krankenkassen bei den gesetzlich versicherten Patienten abgestellt, ist unzutreffend.
b) Auch die vom FA zitierte Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteile L.u.P., EU:C:2006:380, UR 2006, 464, Rz 53 und 54, und Zimmermann, EU:C:2012:716, UR 2013, 35) zur früheren, im Streitjahr nicht mehr geltenden Regelung in § 4 Nr. 16 Buchst. c und e UStG steht dem Ergebnis im Streitfall nicht entgegen. Denn diese vom FA zitierten Urteile sind insoweit im Streitfall nicht einschlägig, als sie nicht zur streitbefangenen Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG, sondern zu § 4 Nr. 16 UStG a.F. ergangen sind (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. März 2015 XI R 8/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, www.bundesfinanzhof.de).
4. Da der Senat im Streitfall keine Zweifel an der Auslegung der einschlägigen unionsrechtlichen Vorgaben hat, scheidet entgegen der Auffassung des FA die Durchführung eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV aus (vgl. zu den Voraussetzungen einer EuGH-Vorlage: EuGH-Urteile CILFIT vom 6. Oktober 1982 C-283/81, EU:C:1982:335, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 1257, Rz 21; Gaston Schul Douane-expediteur vom 6. Dezember 2005 C-461/03, EU:C:2005:742, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2006, 416, Rz 16; Intermodal Transports vom 15. September 2005 C-495/03, EU:C:2005:552, HFR 2005, 1236, Rz 31).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.