BFH VII. Senat
GVG § 17a, FGO § 108
vorgehend FG München, 19. Mai 2014, Az: 2 K 2089/11
Leitsätze
NV: Ein Verfahrensmangel wegen Rechtswegverletzung kann im NZB-Verfahren nicht gerügt werden, wenn im FG-Verfahren keine entsprechende Rüge erhoben worden ist. Denn im Rechtsmittelverfahren ist der Bundesfinanzhof gemäß § 17a Abs. 5 GVG an der Prüfung des einmal beschrittenen Rechtsweges gehindert. Diese Regelung ist nur dann einschränkend auszulegen und über den richtigen Rechtsweg zu entscheiden, wenn das FG unter Nichtbeachtung einer Rechtswegrüge bzw. eines Verweisungsantrags entgegen § 17 Buchst. a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht vorab durch beschwerdefähigen Beschluss über die Zulässigkeit des Rechtswegs, sondern sogleich durch Urteil entschieden hat. Ist ein solcher Antrag nicht gestellt worden, bleibt es bei der Regelung des § 17a Abs. 5 GVG.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügt, das Finanzgericht (FG) habe unter Verstoß gegen § 17 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) den Finanzrechtsweg trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vollstreckungsschuldners bejaht, kann er damit im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht gehört werden. Denn im Rechtsmittelverfahren ist der Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 17a Abs. 5 GVG an der Prüfung des einmal beschrittenen Rechtswegs gehindert. Zwar ist diese Regelung dann einschränkend auszulegen, wenn das FG unter Nichtbeachtung einer Rechtswegrüge bzw. eines Verweisungsantrags entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht vorab durch Beschluss über die Zulässigkeit des Rechtswegs, sondern sogleich durch Urteil entschieden hat (vgl. BFH-Beschluss vom 15. April 2014 V S 5/14 (PKH), BFH/NV 2014, 1381; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. November 2005 3 C 55/04, BVerwGE 124, 321, m.w.N.). Dieser Fall ist vorliegend aber nicht gegeben. Der Kläger hat ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem FG die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht gerügt. Gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG wäre das FG aber nur in diesem Fall verpflichtet gewesen, durch Beschluss zu entscheiden. Und nur im Fall der Nichtbeachtung eines solchen Antrags wäre eine einschränkende Auslegung des § 17a Abs. 5 GVG geboten. Denn die Beschränkung der Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts ist nur dann ausnahmsweise nicht gerechtfertigt, wenn das FG das durch § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorgesehene Verfahren nicht eingehalten hat und dem Kläger dadurch die nach § 17a Abs. 4 Sätze 3 bis 5 GVG gegebene Möglichkeit, die Frage der Zuständigkeit von dem Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen, aufgrund eines Verfahrensfehlers des Gerichts abgeschnitten wäre (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Juni 1995 V ZR 118/94, BGHZ 130, 159).
2. Unrichtigkeiten des Tatbestands sind nach § 108 FGO im Tatbestandsberichtigungsverfahren geltend zu machen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 1381).
3. Mit der Begründung, das FG habe einen Verfahrensfehler durch Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (Unterlassen der Beiziehung und Auswertung der Steuerakte des Vollstreckungsschuldners und strafrechtlicher Ermittlungsakten und der Vernehmung von Zeugen) begangen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), kann der Kläger die Zulassung der Revision nicht erreichen. Er hat das Recht, das Unterlassen weiterer Sachaufklärung als Verfahrensrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend zu machen, nach § 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung endgültig verloren, indem er in der mündlichen Verhandlung dies nicht gerügt hat. Das FG hat zwar nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Indes wird der Amtsermittlungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt. Die Sachaufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, welche eine fachkundig vertretene Partei selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 2010 IX B 163/09, BFH/NV 2010, 887; vom 9. Januar 2007 VIII B 180/05, BFH/NV 2007, 751).
4. Die Rüge, das FG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, das Finanzamt (FA) gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beizuladen geht fehl, da das FA nicht, wie die Norm es vorsieht, an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Denn kraft Gesetzes (§ 16 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes ‑‑AnfG‑‑) ist die Anfechtungskompetenz des FA, deren Durchsetzung der angefochtene Duldungsbescheid diente, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vollstreckungsschuldners auf den Insolvenzverwalter übergegangen. An dem Rechtsverhältnis, das nunmehr zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Anfechtungsgegner besteht, ist das FA nicht (mehr) beteiligt. Ob die vom FA bereits vorgenommenen Sicherungsmaßnahmen auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter Bestand haben, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Einen vermeintlichen Herausgabeanspruch müsste gegebenenfalls der Insolvenzverwalter gegen das FA betreiben (vgl. dazu aber § 16 Abs. 2 AnfG, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 VII B 53/13, BFH/NV 2014, 1084).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.