BFH VII. Senat
UStG § 12 Abs 2 Nr 1, UStG § 12 Anl 2 Nr 49 Buchst a, KN Pos 4901
vorgehend FG Düsseldorf, 14. Mai 2013, Az: 4 K 3849/11 U
Leitsätze
1. NV: Es ist nach der Beschaffenheit und der erkennbaren Zweckbestimmung der Druckschrift ‑‑nicht nur nach der Seitenzahl‑‑ zu beurteilen, ob diese Schrift überwiegend darauf ausgerichtet ist, durch zwangfreie und absichtliche Beeinflussung den Werbeadressaten zur Erfüllung des Werbeziels, d.h. insbesondere zur Inanspruchnahme entgeltlicher Waren oder Dienstleistungen zu veranlassen .
2. NV: Ein Messekatalog dient nicht zwingend Werbezwecken .
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) wendet sich gegen die Entscheidung des Finanzgerichts (FG), wonach auf den Verkauf von Messekatalogen durch die Klägerin und Beschwerdegegnerin, eine Messegesellschaft, der ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden ist.
Das FG ging davon aus, dass die streitgegenständlichen Kataloge unter die in § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. der Anlage 2 Nr. 49 Buchst. a genannten Erzeugnisse des graphischen Gewerbes fallen, die nicht überwiegend Werbezwecken dienen. In seiner Entscheidung stellte das FG fest, die Kataloge enthielten allgemeine Informationen über Öffnungszeiten u.ä., Werbe-Anzeigen, ein alphabetisches Verzeichnis der Aussteller mit Kontaktdaten und ihren Standorten in den Messehallen sowie ein systematisches Verzeichnis, in dem die Aussteller (Produkt-)Kategorien zugeordnet werden. Die Verzeichnisse machten nach den Feststellungen des FG gemessen an der Anzahl der bedruckten Seiten den weit überwiegenden Teil der Kataloge aus. Das FG kam zu der Überzeugung, die Kataloge dienten nach Beschaffenheit und Zweckbestimmung nicht überwiegend Werbezwecken, sondern v.a. der Information der Messebesucher über Aussteller und deren Standorte. Die Kataloge hätten nicht das Ziel, die Besucher zur Inanspruchnahme von Waren oder Dienstleistungen bestimmter Aussteller zu veranlassen; in den Verzeichnissen würden diese nicht besonders hervorgehoben. Die Kataloge dienten auch nicht der Werbung für einen Messebesuch. Sie würden erst kurz vor der Messe fertiggestellt und regelmäßig erst erworben, nachdem die Entscheidung zum Messebesuch bereits gefallen sei.
Das FA stützt seine Nichtzulassungsbeschwerde auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es meint, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil in einer Vielzahl von Fällen fraglich sei, ob nur dann davon ausgegangen werden könne, dass ein in Pos. 4901 der Kombinierten Nomenklatur (KN) einzureihendes Erzeugnis überwiegend Werbezwecken diene, wenn das Erzeugnis unmittelbar und offensichtlich die Adressaten zur Inanspruchnahme von Waren und Dienstleistungen bestimmter Unternehmen veranlasse. Es frage sich dabei auch, inwieweit das Raumverhältnis zwischen werbendem und anderem Text für die Beurteilung als überwiegend Werbezwecken dienendem Erzeugnis maßgeblich sei und ob ein Messekatalog, der ‑‑neben einem nicht unerheblichen Teil von Werbeanzeigen‑‑ überwiegend allgemeine Informationen über die jeweiligen Aussteller enthalte, ein Druckerzeugnis sei, welches i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 Nr. 49 bzw. der Anmerkung 5 zu Kapitel 49 KN überwiegend Werbezwecken diene. Das FA trägt ‑‑entsprechend der Linie der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder (vgl. z.B. Schreiben der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main vom 4. März 2011 S 7225 A-32-St 112)‑‑ vor, Messekataloge dienten sowohl der Werbung für den Messeveranstalter als auch für die Aussteller und damit stets Werbezwecken. Das Aufzählen einer Vielzahl wichtiger Aussteller steigere die Attraktivität der Messe; es sei geeignet, die Entscheidung positiv zu beeinflussen, die Messe zu besuchen oder als Aussteller selbst an zukünftigen Messen teilzunehmen. Mit Hilfe der Angaben im Messekatalog könnten die Aussteller auch über die Dauer der Messe hinaus von interessierten Kunden gefunden und kontaktiert werden.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist ‑‑bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit‑‑ unbegründet. Den vom FA aufgeworfenen Fragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist einer Rechtsfrage beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 29. April 2002 IV B 29/01, BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juni 1995 II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom 14. März 2000 V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148; Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2002 VII B 178/02, BFH/NV 2003, 214).
2. Der Frage, ob die streitgegenständlichen Messekataloge Werbezwecken dienen, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
a) Der Begriff "Werbezwecke" ist geklärt. Es ist nach der Beschaffenheit und der erkennbaren Zweckbestimmung der Druckschrift ‑‑nicht nur nach der Seitenzahl‑‑ zu beurteilen, ob die Schrift überwiegend darauf ausgerichtet ist, durch zwangfreie und absichtliche Beeinflussung den Werbeadressaten zur Erfüllung des Werbeziels, d.h. insbesondere zur Inanspruchnahme entgeltlicher Waren oder Dienstleistungen zu veranlassen (vgl. z.B. BFH-Entscheidungen vom 24. November 2005 V B 197/04, BFH/NV 2006, 624; vom 18. Februar 1997 VII R 26/96, BFH/NV 1997, 726, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 1997, 234; vom 2. April 1996 VII R 119/94, BFHE 180, 231, ZfZ 1996, 378; vom 17. August 1993 VII R 34/93, BFH/NV 1994, 433; vom 28. September 1988 X R 49/81, BFHE 155, 200, BStBl II 1989, 208; vom 10. Dezember 1974 VII K 2/73, BFHE 114, 519, ZfZ 1975, 203).
Zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hätte die Beschwerde somit eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des BFH zu der betreffenden Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantwortete Frage umstritten ist, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden oder in welchen Punkten weiterer Klärungsbedarf besteht (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 985, m.w.N.).
b) Ein in diesem Sinne weiterer Klärungsbedarf besteht nicht. Mit der Frage, ob nur dann davon ausgegangen werden könne, dass ein in Pos. 4901 KN einzureihendes Erzeugnis überwiegend Werbezwecken diene, wenn das Erzeugnis unmittelbar und offensichtlich die Adressaten zur Inanspruchnahme von Waren und Dienstleistungen bestimmter Unternehmen veranlasse, wird keine über die o.g. allgemeine Definition der Werbezwecke hinausgehende konkrete Definitionslücke aufgezeigt. Es ist nicht ersichtlich, welche zusätzlichen allgemeingültigen Kriterien aufgestellt werden müssten, um den Begriff der Werbezwecke ausreichend zu konkretisieren. Die Argumentation des FA deutet vielmehr darauf hin, dass es die ‑‑seiner Auffassung nach bestehenden‑‑ werbetypischen Besonderheiten der konkreten Messekataloge zu verallgemeinern sucht. Damit wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt.
c) Der Sache nach wendet sich das FA demnach lediglich gegen die Tatsachenwürdigung bzw. Rechtsanwendung des FG im konkreten Einzelfall. Mit der darin enthaltenen Rüge, das Urteil des FG sei rechtsfehlerhaft, weil es § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 Nr. 49 Buchst. a falsch angewandt habe, lässt sich die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Dass das FG in seinem Urteil einen Fehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung gemacht hat, wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Nach den nachvollziehbaren Feststellungen des FG wird die Entscheidung für den Besuch der Messe regelmäßig nicht anhand des Messekatalogs ‑‑aus dem sich ggf. auch eine geringe Ausstellerzahl, das Fehlen der Branchenführer oder ähnliche "Mängel" der Messe ergeben können‑‑ getroffen. Das Ausstellerverzeichnis, in dem die miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen gleichrangig nebeneinander aufgeführt werden, dient nach den nachvollziehbaren Feststellungen des FG in erster Linie der Information der Besucher, die sogar ‑‑bei Werbeschriften unüblich‑‑ bereit sind, für die Informationen zu bezahlen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.