BFH II. Senat
GrEStG § 1 Abs 2, AO § 41, BGB § 667, BGB § 670, BGB § 675
vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern , 12. März 2013, Az: 3 K 4/12
Leitsätze
1. NV: Beim Erwerb eines Grundstücks durch einen Geschäftsbesorger oder Beauftragten im eigenen Namen unterliegt nicht nur dieser Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuer, sondern gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG auch die damit dem Geschäftsherrn (oder Auftraggeber) verschaffte Rechtsmacht, von dem Beauftragten die Auflassung des Grundstücks zu verlangen (§ 667 BGB i.V.m. § 675 BGB) oder es der Substanz nach auf eigene Rechnung zu verwerten .
2. NV: Eine Geschäftsbesorgung kann auch Inhalt einer Treuhandvereinbarung sein. Bezieht sich die Treuhandabrede darauf, dass der Treuhänder im eigenen Namen Grundstücke für den Treugeber erwirbt, ergibt sich daraus ‑‑vorbehaltlich entgegenstehender Vereinbarungen‑‑ regelmäßig das nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Besteuerung unterliegende Recht des Treugebers, die Verwertung der Grundstücke aufgrund des ihm nach § 667 BGB i.V.m. § 675 BGB zustehenden Herausgabeanspruchs herbeizuführen .
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Grundstücksgesellschaft in der Rechtsform einer GbR. Gesellschafter der Klägerin sind die Ehegatten A und B.
Am 15. Juni 2002 schloss die Klägerin mit der W-GmbH einen privatschriftlichen Treuhandvertrag. Darin beauftragte die Klägerin als Treugeberin die W-GmbH als Treuhänderin, in einem bestimmten Gemeindegebiet Grundstücke für die Klägerin anzukaufen, darauf die Bauleistungen zu erbringen und die für die Baureifmachung notwendigen Vorleistungen im eigenen Namen zu erbringen. Die Klägerin verpflichtete sich, die für die Anschaffung notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Die W-GmbH sollte die für die Klägerin erworbenen Grundstücke im eigenen Namen ankaufen und verkaufen. Von dem erzielten Verkaufserlös hatte die W-GmbH den Grundstückseinkaufspreis und sämtliche Herstellungskosten einschließlich der unmittelbaren Erwerbsnebenkosten zu bezahlen. Von dem danach verbleibenden Erlös sollte sie 12,5 % an die Klägerin entrichten; der restliche Erlös sollte der W-GmbH zustehen. Diese hatte mindestens Anspruch auf Ersatz sämtlicher von ihr getätigter Aufwendungen. Der Vertrag sollte bis zur Kündigung durch einen Vertragspartner gelten. Am 25. Juni 2007 wurde der Treuhandvertrag mit Wirkung zum 1. Januar 2007 aufgehoben.
An der W-GmbH ist B als Gesellschafter mit 100 % beteiligt. Alleinige Geschäftsführerin war von Juli 2001 bis 26. November 2008 die Mutter des B, die diesem am 16. Juli 2001 eine notariell beurkundete Generalvollmacht erteilt hatte.
In der Zeit von Juli 2003 bis Dezember 2006 erwarb die W-GmbH zehn Grundstücke. Für die Erwerbe wurde jeweils Grunderwerbsteuer gegenüber der W-GmbH festgesetzt. Die Bescheide sind bestandskräftig.
Nach einer Außenprüfung bei der W-GmbH ging das Finanzamt C (FA C) davon aus, dass es der Klägerin aufgrund des Treuhandvertrags vom 15. Juni 2002 möglich gewesen sei, die von der W-GmbH erworbenen Grundstücke auf eigene Rechnung nach § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zu verwerten. Das FA C setzte daher mit vier Bescheiden vom 16. Dezember 2009 und sechs Bescheiden vom 3. September 2010 gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest.
Während des Einspruchsverfahrens ist der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) für die Bearbeitung aller Grunderwerbsteuerfälle des Landes Mecklenburg-Vorpommern zuständig geworden. Die Einsprüche hatten insoweit Erfolg, als das FA die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer jeweils verminderte. In den Einspruchsentscheidungen vom 5. Dezember 2011 wurde die Grunderwerbsteuer jeweils herabgesetzt, und zwar für den Erwerb aufgrund des notariell beurkundeten Kaufvertrags vom 31. Juli 2003 auf 2.135 €, vom 4. April 2003 auf 11.597 €, vom 24. März 2003 auf 4.737 €, vom 1. Juli 2003 auf 11.973 €, vom 2. Februar 2004 auf 5.491 €, vom 1. Oktober 2004 auf 3.344 €, vom 8. August 2005 auf 1.177 €, vom 22. Dezember 2005 auf 3.992 €, vom 29. Mai 2006 auf 9.071 € und vom 5. Dezember 2006 auf 4.174 €.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es vertrat die Auffassung, die Klägerin habe durch die Vereinbarung des Treuhandverhältnisses die Verwertungsbefugnis für alle streitbefangenen Grundstücke erhalten. Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen und familiären Verflechtung der Klägerin und der W-GmbH komme es nicht darauf an, dass im Treuhandvertrag kein Weisungsrecht der Klägerin geregelt sei.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 1 Abs. 2 GrEStG.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Grunderwerbsteuerbescheide vom 16. Dezember 2009 und vom 3. September 2010 sowie die Einspruchsentscheidungen vom 5. Dezember 2011 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die von der Klägerin beantragte Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende des Senats am 29. September 2014 in einem fernmündlichen Gespräch mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter Hinweis darauf abgelehnt, dass die urlaubsbedingte Abwesenheit der Gesellschafter der Klägerin kein Grund für eine Terminsverlegung ist. Der Prozessbevollmächtigte hat in Aussicht gestellt, dass für die Klägerin niemand kommen werde.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin aufgrund des Treuhandvertrags eine Verwertungsbefugnis i.S. von § 1 Abs. 2 GrEStG an den von der W-GmbH erworbenen Grundstücken erlangt hat.
1. Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.
Durch diese Vorschrift sollen Sachverhalte erfasst werden, bei denen es zwar nicht ‑‑wie in den Fällen des § 1 Abs. 1 GrEStG‑‑ zu einem Rechtsträgerwechsel, d.h. zu einer Änderung der Rechtszuständigkeit im Außenverhältnis kommt, bei denen der Eigentümer einem anderen aber im Innenverhältnis so weitgehende Möglichkeiten zur Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks einräumt, dass dieser und nicht mehr der Eigentümer über die Verwertung des Grundstücks entscheiden kann (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 26. Juli 2000 II R 33/98, BFH/NV 2001, 206, und vom 24. April 2013 II R 32/11, BFHE 242, 165, BStBl II 2013, 962, Rz 11, jeweils m.w.N.).
2. Durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag i.S. von § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), der sich auf den Erwerb mehrerer Grundstücke durch den Verpflichteten im eigenen Namen richtet, erlangt der Geschäftsherr ‑‑wie generell beim sog. Auftragserwerb‑‑ die Rechtsmacht, von dem Beauftragten die Auflassung des Grundstücks (§ 925 BGB) zu verlangen (§ 667 BGB i.V.m. § 675 BGB) oder es ‑‑bei entsprechender Ausgestaltung des Vertrags‑‑ durch andere Maßnahmen der Substanz nach auf eigene Rechnung zu verwerten (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2001, 206, und vom 8. November 2000 II R 55/98, BFHE 194, 245, BStBl II 2001, 419, m.w.N.). Diese Rechtsmacht begründet eine Verwertungsbefugnis i.S. von § 1 Abs. 2 GrEStG. Beim Erwerb eines Grundstücks durch einen entgeltlich tätigen Geschäftsbesorger (oder unentgeltlich tätigen Beauftragten) im eigenen Namen unterliegt nicht nur dieser Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuer, sondern gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG auch die damit dem Geschäftsherrn (oder Auftraggeber) verschaffte Rechtsmacht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 194, 245, BStBl II 2001, 419, m.w.N.).
Eine Geschäftsbesorgung kann auch Inhalt einer Treuhandvereinbarung sein (Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl., § 675 Rz 27). Bezieht sich die Treuhandabrede darauf, dass der Treuhänder im eigenen Namen Grundstücke für den Treugeber erwirbt, ergibt sich daraus ‑‑vorbehaltlich entgegenstehender Vereinbarungen‑‑ regelmäßig das nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Besteuerung unterliegende Recht des Treugebers, die Verwertung der Grundstücke aufgrund des ihm nach § 667 i.V.m. § 675 BGB zustehenden Herausgabeanspruchs herbeizuführen.
3. Der zwischen der Klägerin und der W-GmbH geschlossene Treuhandvertrag begründet eine Verwertungsbefugnis der Klägerin.
a) Der Treuhandvertrag ist ausdrücklich darauf gerichtet, dass die Grundstücke von der W-GmbH als Treuhänderin für die Klägerin als Treugeberin erworben werden. Damit ist kraft Gesetzes ein Herausgabeanspruch der Klägerin entstanden, der in der Treuhandvereinbarung nicht abbedungen wurde. Die W-GmbH musste jederzeit damit rechnen, dass die Klägerin eine Herausgabe der erworbenen, noch nicht verkauften Grundstücke verlangt.
Hinzu kommt, dass die Klägerin im Treuhandvertrag auch bestimmt hat, wie mit den Grundstücken nach dem Erwerb zu verfahren ist. Die Klägerin hat die W-GmbH beauftragt, die Bauleistungen und die für die Baureifmachung notwendigen Vorleistungen im eigenen Namen zu erbringen und die Grundstücke im eigenen Namen zu verkaufen. Die Verwertung der Grundstücke wurde damit durch die Klägerin vorgegeben. Die W-GmbH erhielt nur den Auftrag zur Umsetzung der Vorhaben, wobei das FG festgestellt hat, dass die Gesellschafter der Klägerin bei Nachfragen und Absprachen im Zusammenhang mit der Durchführung der streitbefangenen Bauobjekte Entscheidungen getroffen haben. Aus diesen Gründen ist unerheblich, dass der Treuhandvertrag keine ausdrücklichen Vereinbarungen zu einem Weisungsrecht der Klägerin enthält.
Die Klägerin war auch am wirtschaftlichen Ergebnis der Grundstücksveräußerungen beteiligt. Ihr standen 12,5 % des Erlöses (nach Abzug des Kaufpreises für das Grundstück, der Herstellungskosten und der Erwerbsnebenkosten) zu. Aus der Vereinbarung, dass die W-GmbH mindestens Anspruch auf Ersatz sämtlicher von ihr getätigter Aufwendungen hatte (vgl. § 670 BGB), ist zu entnehmen, dass die W-GmbH für Rechnung der Klägerin gehandelt hat.
b) Die fehlende Beurkundung des Treuhandvertrags (vgl. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) steht einer Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht entgegen, sofern die in einem (möglicherweise) formunwirksamen Vertrag getroffenen Vereinbarungen ‑‑wie im Streitfall‑‑ nachweislich in vollem Umfang tatsächlich durchgeführt werden (BFH-Urteile in BFH/NV 2001, 206, und vom 6. Oktober 2009 IX R 14/08, BFHE 228, 10, BStBl II 2010, 460). Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ist die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Das ist hier der Fall. Die Klägerin und die W-GmbH haben den Treuhandvertrag wie vereinbart durchgeführt.
c) Da sich eine Verwertungsbefugnis der Klägerin nach § 1 Abs. 2 GrEStG unmittelbar aus den Vereinbarungen im Treuhandvertrag ergibt, ist die gesellschaftsrechtliche und familiäre Verflechtung zwischen der Klägerin und der W-GmbH nicht von Bedeutung.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.