BFH V. Senat
UStG § 4 Nr 12 S 2, UStG VZ 2005 , FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2, FGO § 116 Abs 3 S 3, FGO § 118 Abs 2
vorgehend FG München, 28. Januar 2014, Az: 3 K 2013/11
Leitsätze
1. NV: Entscheidend für die Frage, ob ein Unternehmer Wohn- und Schlafräume zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden i.S.v. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG bereithält, ist nicht die tatsächliche Dauer der Vermietung, sondern die aus den äußeren Umständen ableitbare diesbezügliche Absicht des Vermieters .
2. NV: Diese ist durch das FG durch die Würdigung einer Vielzahl von Kriterien zu ermitteln .
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
a) Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist anzunehmen, wenn das Finanzgericht (FG) mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (Beschluss des Bundesfinanzhofes ‑‑BFH‑‑ vom 2. Juni 2014 III B 153/13, BFH/NV 2014, 1377). Die voneinander abweichenden Rechtssätze müssen sich aus dem angefochtenen Urteil des FG und der Divergenzentscheidung unmittelbar und mit hinreichender Deutlichkeit ergeben. Es reicht nicht aus, wenn der Beschwerdeführer den abweichenden Rechtssatz selbst durch Auslegung aus der vorgeblichen Divergenzentscheidung entwickelt (BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2013 III B 55/12, BFH/NV 2014, 575).
b) Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) behauptete Divergenz zu den BFH-Urteilen vom 20. August 2009 V R 21/08 (BFH/NV 2010, 473, BFH/NV 1999, 84), vom 6. August 1998 V R 26/98 (BFH/NV 1999, 84), vom 25. Januar 1996 V R 6/95 (BFH/NV 1996, 583); zum BFH-Beschluss vom 11. März 1998 V B 125/97 (BFH/NV 1998, 1007) und zum Urteil des FG Berlin vom 28. März 2000 5 K 5402/98 (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2000, 895) liegt nicht vor.
aa) Zum Beschluss des BFH in BFH/NV 1998, 1007 und zum Urteil des FG Berlin in EFG 2000, 895 hat die Klägerin keine divergierenden Rechtssätze herausgearbeitet. Soweit sie abweichende Rechtssätze selbst durch Auslegung aus der vorgeblichen Divergenzentscheidung entwickelt, reicht dies nicht aus (BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 575).
bb) Das FG hat seinem Urteil auch keinen tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz zugrunde gelegt, der von einem ebenfalls tragenden Rechtssatz in den BFH-Urteilen in BFH/NV 2010, 473, BFH/NV 1999, 84 und in BFH/NV 1996, 583 abweicht.
Entscheidend für die Frage, ob eine kurzfristige oder eine auf Dauer angelegte Überlassung von Räumen i.S. von § 4 Nr. 12 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorliegt, ist nicht die tatsächliche Dauer der Vermietung, sondern die aus den äußeren Umständen ableitbare diesbezügliche Absicht des Vermieters (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 1996, 583; vom 21. September 1989 V R 170/84, BFH/NV 1990, 532; vom 27. Oktober 1993 XI R 69/90, BFH/NV 1994, 744).
Von diesen Grundsätzen ist das FG ausdrücklich ausgegangen. Das FG hat lediglich die "Belegvereinbarungen" zwischen der Klägerin und der Stadt X dahingehend ausgelegt, dass es sich hierbei nicht um Mietverträge handele, sondern um Rahmenvereinbarungen, an die sich erst die Mietverträge zwischen der Klägerin und den Obdachlosen anschlossen. Im Hinblick auf diese Mietverträge ist das FG auf der Grundlage der Würdigung einer Vielzahl von Kriterien zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin die Räume zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereit gehalten hat. Das FG hat dabei u.a. gewürdigt, dass die Mietverträge nur mündlich geschlossen wurden, dass sie kurzfristig begründet und täglich gekündigt werden konnten, dass sich das Entgelt nach den Aufenthaltstagen der Bewohner berechnete und nicht Räume, sondern lediglich Betten zur Nutzung überlassen wurden. An diese tatsächliche Würdigung wäre der BFH in einem Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da sie ‑‑soweit ersichtlich‑‑ verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist, nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt und wenn auch nicht zwingend, so doch möglich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 11. November 2013 XI B 99/12, BFH/NV 2014, 366). Im Übrigen hat der BFH u.a. in dem von der Klägerin selbst geltend gemachten (angeblichen) Divergenzurteil in BFH/NV 1996, 583 insbesondere zu der Frage, ob die Absicht des Vermieters auf eine kurzfristige oder eine auf Dauer angelegte Überlassung von Räumen i.S. des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG gerichtet ist, ausgeführt, dass die Gesamtumstände maßgeblich sind und dass die Gewichtung der jeweiligen Sachverhaltselemente (Abgrenzungskriterien) als Teil der tatsächlichen Würdigung Aufgabe des FG ist.
cc) Im Kern macht die Klägerin keine Divergenz geltend, sondern eine fehlerhafte Vertragsauslegung durch das FG. Das kann nicht zur Revisionszulassung führen (BFH-Beschluss vom 13. Dezember 2012 X B 209/11, BFH/NV 2013, 722). Dasselbe gilt für Angriffe gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit auch unter Heranziehung einer etwaig nicht sachgerecht angewandten höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH-Beschluss vom 7. August 2014 IX B 43/14, nicht veröffentlicht).
dd) Auch der Hinweis der Klägerin auf die Wiederholungsgefahr einer unzutreffenden Entscheidung reicht für die Zulassung der Revision wegen § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht aus (BFH-Beschluss vom 4. Juni 2014 X B 95/13, BFH/NV 2014, 1355).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.