BFH VIII. Senat
BewG § 12 Abs 3, EStG § 20 Abs 1 Nr 7, EStG VZ 2007 , FGO § 115 Abs 2 Nr 1
vorgehend FG Münster, 27. August 2013, Az: 12 K 293/10 E
Leitsätze
NV: Wird die Kaufpreisforderung aus einem Grundstücksverkauf für mehr als ein Jahr gestundet, enthalten die im Zeitraum zwischen Besitzübergang und Fälligkeit des Kaufpreises zu zahlenden Raten einen Zinsanteil .
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) veräußerten mit notariellem Kaufvertrag vom 29. September 2005 ihr im hälftigen Miteigentum stehendes und zu eigenen Wohnzwecken genutztes Grundstück samt Gebäude zu einem Kaufpreis in Höhe von 750.000 €.
Der Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten auf die Käufer erfolgte zum 1. April 2006. Die Käufer hatten auf den Kaufpreis ab diesem Datum Teilbeträge in Höhe von monatlich 2.000 € zu zahlen, durften jedoch auch höhere Beträge entrichten.
Der gesamte Kaufpreis war am 31. März 2011 fällig, wobei die Summe, die sich aus den ab dem 1. April 2006 bis zum 31. März 2011 zu zahlenden Teilbeträgen ergab (bei 60 Monatsraten mindestens 120.000 €) auf den Gesamtkaufpreis angerechnet werden sollte. Zinszahlungen wurden weder vereinbart, noch ausgeschlossen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) bestimmte im Anschluss an eine Außenprüfung nach Tabelle 2, Anlage 9a zu § 12 des Bewertungsgesetzes (BewG) für die über den Zeitraum von 60 Monaten zu erbringende Teilzahlung von 120.000 € der Käufer die Barwerte der Verbindlichkeit zum 1. April 2006 (= 105.312 €), zum 31. Dezember 2006 (= 91.164 €) und zum 31. Dezember 2007 (= 71.508 €). Aus der Differenz zwischen den Barwerten zum 31. Dezember 2006 und zum 31. Dezember 2007 (= 19.656 €) ermittelte das FA den Tilgungsanteil für das Streitjahr, sodass sich auf der Grundlage eines im Streitjahr insgesamt gezahlten Kaufpreises in Höhe von 24.000 € ein Zinsanteil in Höhe von 4.344 € ergab.
Einspruch und Klage gegen die entsprechenden Änderungsbescheide zur Einkommensteuer (für das Streitjahr vom 16. Juni 2011) blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und die Revision nicht zuzulassen.
1. Die Kläger werfen als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Frage auf, "ob die Regelung des § 12 BewG auch im Rahmen der Überschusseinkünfte Anwendung finde", mithin ob aus einer nicht steuerbaren Kaufpreisforderung, die über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr gestundet wird, ein steuerbarer und steuerpflichtiger Zinsanteil i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 2007 anzuwendenden Fassung (EStG) herauszurechnen ist.
a) Diese Rechtsfrage ist jedoch durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) mehrfach beantwortet worden und damit geklärt.
aa) Jede Kapitalforderung, die über eine längere Zeit als ein Jahr gestundet ist, enthält nach der ständigen Rechtsprechung des BFH einen Zinsanteil. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise des Lebenssachverhalts ist in Fällen langfristig gestundeter Zahlungsansprüche davon auszugehen, dass der Schuldner bei alsbaldiger Zahlung einen geringeren Betrag hätte entrichten müssen als bei späterer Zahlung, sodass der erst später gezahlte Betrag einen Zinsanteil enthält (vgl. BFH-Urteile vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121; vom 26. Juni 1996 VIII R 67/95, BFH/NV 1997, 175; vom 13. November 2007 VIII R 36/05, BFHE 220, 35, BStBl II 2008, 292; vom 17. März 2010 X R 38/06, BFHE 229, 163, BStBl II 2011, 622, m.w.N.; vom 24. Mai 2011 VIII R 3/09, BFHE 235, 197, BStBl II 2012, 254; BFH-Beschlüsse vom 8. Januar 1998 VIII B 76/96, BFH/NV 1998, 963, und vom 12. September 2011 VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229). Zur Annahme eines Zinsanteils in Kaufpreisraten aus der Veräußerung eines im Privatvermögen gehaltenen Grundstücks auch bei Ausschluss einer Verzinsung durch den Verkäufer und den Käufer nach dieser Rechtsprechung siehe BFH-Beschluss vom 8. Dezember 1992 VIII B 74/92 (nicht veröffentlicht, wiedergegeben in juris; nachgehend Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juni 1993 2 BvR 335/93, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 542).
bb) Angesichts dieser gefestigten Rechtsprechung müssen für eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH bislang nicht berücksichtigte Gesichtspunkte vorhanden sein (BFH-Beschluss vom 14. Juli 2008 VIII B 179/07, BFH/NV 2008, 1874; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28). Solche sind nicht ersichtlich.
aaa) Der Senat hat in seiner jüngeren Rechtsprechung für vor dem Eintritt des Erbfalls erklärte Erb- und/oder Pflichtteilsverzichte gegen Gewährung wiederkehrender Leistungen als Abfindung zwar auch das Vorliegen eines einkommensteuerbaren Zinsanteils abgelehnt. Diese Rechtsprechung beruht auf der Grundlage, dass in diesen Fällen kein Leistungsaustausch über die Verrentung einer bestehenden Kapitalforderung stattfindet und der Vertrag als unentgeltlicher Vorgang insgesamt der Einkommensteuer nicht unterliegt (siehe BFH-Entscheidungen vom 9. Februar 2010 VIII R 43/06, BFHE 229, 104, BStBl II 2010, 818; VIII R 35/07, BFH/NV 2010, 1793; vom 20. November 2012 VIII R 57/10, BFHE 239, 422, BStBl II 2014, 56; vom 26. März 2013 VIII B 157/12, BFH/NV 2013, 934). Hingegen enthalten auch auf dem Erbrecht beruhende Kapitalforderungen nach den unter II.1.a dargelegten Grundsätzen im Fall ihrer Stundung einen Zinsanteil gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn der Erbfall bereits eingetreten ist und ein Pflichtteilsberechtigter vom Erben unter Anrechnung auf seinen Pflichtteil wiederkehrende Leistungen erhält (BFH-Urteil in BFHE 229, 104, BStBl II 2010, 818). Aus dieser Rechtsprechung können die Kläger für die Beantwortung der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfrage somit keine neuen Gesichtspunkte herleiten.
bbb) Der Hinweis der Kläger auf den Beschluss des Senats in BFH/NV 2012, 229 mit dem Argument, dieser habe die Rechtslage nicht endgültig geklärt, da er in einem Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung ergangen sei, greift nicht durch. In jenem Streitfall hat der Senat es im Hinblick auf die drohende Doppelbelastung eines einheitlichen Lebenssachverhalts mit Einkommen- und Schenkungsteuer für ernstlich zweifelhaft gehalten, ob die zinslose Stundung einer Zugewinnausgleichsforderung unter Eheleuten zur einkommensteuerrechtlichen Erfassung eines Zinsanteils führen könne, wenn zugleich die Voraussetzungen einer schenkungsteuerrechtlichen freigiebigen Zuwendung erfüllt seien.
Eine solche Doppelbelastung ist auf Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) im Streitfall jedoch nicht ersichtlich. Denn das FG hat mit Hinweis darauf, dass die monatlich zu zahlenden Teilbeträge auch ein Entgelt der Käufer für die vorzeitige Besitzüberlassung des Grundstücks und Gebäudes ab dem 1. April 2006 vor der Kaufpreisfälligkeit darstellten, eine unentgeltliche Darlehensgewährung der Kläger an die Käufer des Grundstücks verneint. An diese Würdigung ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Im Beschluss in BFH/NV 2012, 229 hat der Senat die unter II.1.a dargelegte ständige Rechtsprechung jedoch nicht auf den Prüfstand gestellt.
2. Gleiches gilt für die weiter von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, "ob das Bewertungsgesetz eine Abweichung des Zinssatzes von 5,5 % vorsieht, wenn der marktübliche Zins nachweislich geringer ist".
Auch diese Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt. Der in § 12 Abs. 3 BewG festgesetzte Zinssatz von 5,5 % ist nicht zu beanstanden (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 175). In diesem Sinne hat auch der II. Senat des BFH in dem von den Klägern angeführten Verfahren II R 25/12 zu § 15 BewG jüngst entschieden (BFH-Urteil vom 27. November 2013 II R 25/12, BFH/NV 2014, 537). Neue Gesichtspunkte, warum eine erneute Prüfung dieser Rechtsfrage erforderlich ist, sind im Streitfall von den Klägern nicht angeführt worden.
3. Die aufgeworfene Rechtsfrage unter 2. hat auch unter dem Gesichtspunkt, ob der nach Maßgabe des § 12 Abs. 3 BewG ermittelte steuerpflichtige Zinsanteil i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu einer übermäßigen Besteuerung führt, wenn bei einer (hypothetischen) Kapitalanlage des Betrags der gestundeten Kapitalforderung zu marktüblichen Bedingungen geringere Zinseinnahmen erzielt worden wären, keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Rechtsfrage ist unter diesem Gesichtspunkt im Streitfall nicht klärungsfähig. Das FG hat keine Feststellungen getroffen, in welcher Höhe die Kläger bei einer hypothetischen marktüblichen Anlage des im Streitjahr gezahlten Kaufpreises (24.000 €) Zinseinkünfte erzielt hätten.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.