BFH V. Senat
FGO § 96 Abs 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2, AO § 162, UStG § 15 Abs 4, UStG VZ 2006
vorgehend FG München, 24. Februar 2014, Az: 2 K 1248/11
Leitsätze
1. NV: Auf die Vorsteueraufteilung für Leistungsbezüge, die einer wirtschaftlichen und einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers dienen, ist § 15 Abs. 4 UStG analog anzuwenden.
2. NV: Die Rechtsfrage, ob dabei die Fahrleistung eines Werbemobils herangezogen werden kann, ist nicht klärungsbedürftig, da sie die Anwendung der Schätzungsbefugnis des FG im Einzelfall (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO) betrifft.
3. NV: Ein nur ergänzender Hinweis im Urteil der behaupteten Divergenzentscheidung ("obiter dictum") wirkt nicht divergenzbegründend.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamt ‑‑FA‑‑) ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.
Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei soll es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 31. Oktober 2013 V B 67/12, BFH/NV 2014, 578, m.w.N.).
a) An der Klärungsfähigkeit fehlt es in den Fällen, in denen das Finanzgericht (FG) seine Entscheidung kumulativ auf mehrere Gründe gestützt hat, von denen jeder für sich gesehen die Entscheidung trägt, jedoch nur hinsichtlich einer Begründung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wird (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Mai 2013 III B 1/13, BFH/NV 2013, 1264, m.w.N.).
Davon ausgehend fehlt es der vom FA aufgeworfenen Rechtsfrage, ob die Nutzung eines sog. Werbemobils für unternehmerische und hoheitliche Zwecke zugleich dem Betrieb gewerblicher Art "Werbeleistungen" dienen könne, "so dass auch ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Anschaffung des Fahrzeugs und den ausgeführten Werbeleistungen besteht", an ihrer Klärungsfähigkeit.
Das FG hat die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Vorsteuern dem Grunde nach auf Seite 8 des Urteils doppelt begründet: Zum einen hat es ausgeführt, dass ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Vorsteuerbeträgen und den vom Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) hiermit ausgeführten steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen bestehe. Zum anderen hat es die Abzugsfähigkeit ‑‑unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 25/10 (BFHE 241, 451, BStBl II 2014, 346, Rz 24)‑‑ darauf gestützt, dass beim Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem streitgegenständlichen Eingangsumsatz (Erwerb des Kfz) und den steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen (Werbung, Wasserversorgung) eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug bestehe, weil in diesem Falle die Kosten für den Erwerb des Kfz zumindest zu seinen allgemeinen Aufwendungen für die Erbringung der Werbe- und Wasserversorgungsleistungen gehören und als solche Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind. Zu der zweiten Begründung, die für sich genommen das Urteil trägt, hat das FA keinen Zulassungsgrund dargelegt.
b) Ob für eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungskosten nach § 15 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) analog die Fahrleistung (des Werbemobils) herangezogen werden kann, um den Anteil der auf die Werbeleistung entfallenden Vorsteuerbeträge zu ermitteln, ist keine klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage.
Durch die bisherige Rechtsprechung bereits geklärt ist, dass § 15 Abs. 4 UStG bei der Aufteilung von Vorsteuerbeträgen auf die wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmers entsprechend anzuwenden ist (BFH-Urteile vom 3. März 2011 V R 23/10, BFHE 233, 274, BStBl II 2012, 74, sowie vom 19. Juli 2011 XI R 29/10, BFHE 234, 564, BStBl II 2012, 438).
Wie sich bereits aus § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG ergibt, kann der Unternehmer die nichtabziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Es ist also grundsätzlich Sache des Unternehmers zu entscheiden, welche Schätzungsmethode er wählt. Das FA und damit auch das FG können aber nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht ist (BFH-Urteil vom 12. März 1998 V R 50/97, BFHE 185, 530, BStBl II 1998, 525).
Das FG hat auf Seite 10 seines Urteils dargelegt, dass es den vom Kläger geltend gemachten und in der mündlichen Verhandlung erläuterten Kilometerschlüssel grundsätzlich als sachgerecht erachtet und unter Anwendung seiner Schätzungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 der Abgabenordnung den Anteil der Verwendung des Werbemobils für unternehmerische Zwecke auf 2/3 bemessen. Diese Ausführungen sind sachverhaltsbezogen und geben keinen Anlass für allgemeine Ausführungen zur Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG analog bei Werbemobilen.
2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz des Urteils des FG zu dem Urteil des FG Baden-Württemberg vom 29. März 2010 9 K 115/06 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1167) zuzulassen.
a) Eine Divergenz, die eine Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO rechtfertigt, liegt nach ständiger BFH-Rechtsprechung dann vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt. Hierbei kommt es nicht auf die Unrichtigkeit des FG-Urteils im Einzelfall an, sondern auf die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (BFH-Beschluss vom 16. August 2013 III B 144/12, BFH/NV 2013, 1816; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 53 ff., m.w.N.).
b) Im Streitfall hat das FA keine abstrakten Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des FG andererseits herausgearbeitet.
Die Aussage des FG (Seite 10), wonach davon auszugehen sei, dass grundsätzlich alle Fahrten mit einem Werbemobil zu 50 % unmittelbar der Werbeleistung dienten, stellt keinen abstrakten Rechtssatz dar, sondern ist Teil der sachverhaltsbezogenen Schätzung nach § 15 Abs. 4 UStG analog durch das FG. Diese einzelfallbezogene Aussage steht auch nicht im Widerspruch zu tragenden Gründen der behaupteten Divergenzentscheidung. Denn das FG ist vielmehr ausweislich der Ausführungen in Rz 56 des Urteils davon ausgegangen, dass der Kläger die ihm zur Verfügung gestellten Kfz nicht für sein Unternehmen, d.h. seinen Werbebetrieb bezogen hat. Lediglich ergänzend weist das FG in Rz 61 des Urteils noch darauf hin, "dass selbst dann, wenn eine ‑‑im Streitfall nicht ersichtliche‑‑ unternehmerische Nutzung der Außenflächen eines Sportfahrzeugs zu Reklamezwecken vorliegen würde, keine unternehmerische Nutzung des ganzen Fahrzeugs gegeben ist". Bei dieser Aussage handelt es sich somit um keine divergenzbegründende Urteilserwägung, sondern nur um ein obiter dictum (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. April 2014 V B 38/13, BFH/NV 2014, 1106; vom 26. Februar 2010 VIII B 17/08, BFH/NV 2010, 1083, sowie vom 24. Juli 1997 VII B 140/97, BFH/NV 1998, 60).
3. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.