BFH IX. Senat
EStG § 23 Abs 1 S 1, EStG § 23 Abs 3 S 1, EStG § 23 Abs 3 S 4, EStG § 52 Abs 39 S 1, GG Art 3 Abs 1, GG Art 20 Abs 1, StEntlG 1999/2000/2002
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 28. Oktober 2013, Az: 8 K 3145/11
Leitsätze
1. NV: Wird ein Immobilie nach Ablauf der ursprünglichen Spekulationsfrist von zwei Jahren und vor Ablauf der neuen Spekulationsfrist von zehn Jahren veräußert, sind die degressiven Absetzungen für Abnutzung, die in der Zeit bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 zum 1. April 1999 in Anspruch genommen worden sind, dem nicht steuerbaren Zeitraum zuzuordnen.
2. NV: Die in Ziff. II.1 des BMF-Schreibens vom 20. Dezember 2010 (BStBl I 2011, 14) vorgesehene Vereinfachungsregel, wonach bei der Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Umfang des steuerbaren Wertzuwachses entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31. März 1999 im Vergleich zur Gesamtbesitzzeit linear (monatsweise) zu ermitteln ist, entspricht insoweit nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, als dadurch Wertsteigerungen, die im Fall einer Veräußerung vor dem 1. April 1999 nicht steuerverhaftet waren, nachträglich in die Besteuerung einbezogen werden (BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76).
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Höhe eines Gewinns aus der Veräußerung eines Grundstücks im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) teilweise für verfassungswidrig erklärte Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2006 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Kläger erwarben mit Vertrag vom 24. Oktober 1996 eine Eigentumswohnung in einem noch fertig zu stellenden Mehrfamilienhaus für 345.000 DM (176.395 €). Die Anschaffungskosten betrugen insgesamt 365.759 DM (187.010 €), davon entfielen 329.184 DM (168.309 €) auf das Gebäude. Die Kläger vermieteten das Grundstück, bis sie es am 23. Juni 2006 für 141.000 € veräußerten. Dabei entstanden ihnen Veräußerungskosten in Höhe von 2.315 €. Die Kläger nahmen für das Gebäude degressive Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von insgesamt 80.869 € in Anspruch. Davon entfielen 30.375 € auf den Zeitraum bis zum 31. März 1999 und 50.494 € auf den Zeitraum danach.
In der Einkommensteuererklärung für 2006 erklärten die Kläger einen Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks in Höhe von 32.544 €, der zunächst erklärungsgemäß veranlagt wurde. Im Einspruchsverfahren äußerten die Kläger verfassungsrechtliche Zweifel an der Verlängerung der Spekulationsfrist auf zehn Jahre durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 ‑‑StEntlG 1999/2000/2002‑‑ (BGBl I 1999, 402). Das Einspruchsverfahren ruhte zunächst im Hinblick auf die beim BVerfG anhängigen Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der Spekulationsfrist.
Im Einspruchsverfahren half der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) dem Einspruch teilweise ab, indem es den Veräußerungsgewinn mit 23.528 € ansetzte. Dabei berechnete es den Veräußerungsgewinn wie folgt:
Veräußerungspreis
141.000 €
./.
Anschaffungskosten
187.010 €
+
AfA
80.869 €
=
Gewinn
34.859 €
Den steuerbaren Wertzuwachs berechnete das FA auf der Grundlage des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 20. Dezember 2010, BStBl I 2011, 14, unter II.1. im Ergebnis wie folgt:
Zeitraum
Wertzuwachs
Gesamtbesitzzeit = 116 Monate
34.859 €
Zeitraum vor dem 31. März 1999 = 30 Monate
9.016 €
steuerfrei
1. April 1999 bis 23. Juni 2006 = 86 Monate
25.843 €
steuerpflichtig
Vom Veräußerungsgewinn in Höhe von 25.843 € zog das FA die Veräußerungskosten in Höhe von 2.315 € ab, so dass sich ein steuerbarer Veräußerungsgewinn in Höhe von insgesamt 23.528 € ergab. Nach Ergehen der Einspruchsentscheidung ließ das FA noch zusätzliche Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 714 € zum Abzug zu.
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage statt. Im Streitfall unterliege die auf den Zeitraum bis zum 31. März 1999 entfallende Wertsteigerung nicht der Besteuerung. Die bis zum 31. März 1999 tatsächlich in Anspruch genommenen degressiven AfA seien bei der Ermittlung der bis zum 31. März 1999 entstandenen nicht steuerbaren Wertsteigerung von den Anschaffungskosten abzuziehen. Nach der Entscheidung des BVerfG vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05 (BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76) sei maßgeblich, ob der Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen enthalte, die bis zum 31. März 1999 entstanden und steuerfrei hätten realisiert werden können. Wäre das Grundstück bis zum 31. März 1999 veräußert worden, hätten die bis dahin in Anspruch genommenen degressiven AfA den Veräußerungsgewinn zwar erhöht, dieser wäre nach Ablauf der zweijährigen Spekulationsfrist aber steuerfrei gewesen. Die Kläger hätten daher darauf vertrauen dürfen, die Wertzuwächse steuerfrei vereinnahmen zu dürfen. Bringe man die steuerfreie Wertsteigerung bis zum 31. März 1999 von dem Veräußerungsgewinn für den Gesamtzeitraum in Höhe von (34.859 € ./. 2.315 € ./. 714 € =) 31.830 € in Abzug, ergebe sich ein steuerbarer Gewinn in Höhe von 13.953 €. Im Einzelnen sei der steuerbare Veräußerungsgewinn wie folgt zu ermitteln::
Veräußerungspreis
141.000 €
./.
Anschaffungskosten
187.010 €
=
./. 46.010 €
./.
Veräußerungskosten
2.315 €
=
Zwischenwert
./. 48.325 €
Zeitraum 31. März 1999 bis 23. Juni 2006 (86/116)
./. 35.827 €
+
AfA 31. März 1999 bis 23. Juni 2006
50.494 €
=
Gewinn vor Werbungskosten
14.667 €
./.
Steuerberatungskosten
714 €
=
Einkünfte nach § 23 EStG
13.953 €
Mit seiner Revision bringt das FA vor, das FG habe den Veräußerungsgewinn unzutreffend ermittelt. Aus dem Gesetzeswortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG ergebe sich kein Hinweis auf eine Zuordnung der Abschreibungen zu den einzelnen Veranlagungszeiträumen, in denen sie tatsächlich gewährt worden seien und sich steuerlich ausgewirkt hätten. Nach Auffassung des FG würden Steuerpflichtige, bei denen zur Berechnung des Veräußerungsgewinns eine Aufteilung erforderlich sei, ungerechtfertigt besser gestellt. Zudem habe die Inanspruchnahme der AfA keinen Einfluss auf den tatsächlichen Wert und die Wertentwicklung des Grundstücks. Die von der Finanzverwaltung angewandte Berechnungsmethode führe zu einer gleichmäßigen Anrechnung sämtlicher AfA auf die Gesamtbesitzzeit und trage dem Grundgedanken des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG Rechnung. Die Berechnungsmethode sei auch aus Vereinfachungsgründen gerechtfertigt, da die Wertsteigerungen rückwirkend ohne Gutachten nicht zutreffend ermittelt werden könnten. Da Gebäude regelmäßig einem gleichwertigen Wertverzehr unterlägen, sei es folgerichtig, die Aufteilung der in Anspruch genommenen Abschreibungen linear vorzunehmen. Dies folge auch daraus, dass der Gesetzgeber mit der Inanspruchnahme von erhöhten AfA-Beträgen und Sonderabschreibungen nur eine Steuerstundung bewirken wolle. Der steuerliche Vorteil der Inanspruchnahme werde dadurch ausgeglichen, dass später nur noch niedrigere AfA-Beträge möglich seien.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 29. Oktober 2013 8 K 3145/11 aufzuheben.Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Die vom FG vorgenommene Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ist nicht zu beanstanden, da es im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 zutreffend bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften eine Aufteilung zwischen dem steuerbaren und dem nicht steuerbaren Veräußerungsgewinn vorgenommen hat (1.). Weiter hat das FG zutreffend die von den Klägern vor dem 31. März 1999 vorgenommenen degressiven AfA dem nicht steuerverstrickten Zeitraum zugeordnet (2.). Ebenso hat das FG zutreffend die Höhe der steuerverhafteten und nicht steuerverhafteten Einkünfte ermittelt (3.).
1. Das FG hat im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 zutreffend bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften eine Aufteilung zwischen dem steuerbaren und dem nicht steuerbaren Veräußerungsgewinn vorgenommen.
a) Nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zählen zu den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften auch Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass hinsichtlich des streitigen Grundstücks ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S. des § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vorliegt. Denn die Kläger haben die Eigentumswohnung im Oktober 1996 erworben und mit Vertrag vom 23. Juni 2006 innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist wieder veräußert.
b) Gewinn oder Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindern sich um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 6 EStG abgezogen worden sind (§ 23 Abs. 3 Satz 4 EStG). Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG in der bis zum 31. Dezember 1998 gültigen Fassung waren Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken nur dann steuerbar, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre betrug. Durch das StEntlG 1999/2000/2002 wurde § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dahingehend geändert, dass nunmehr eine zehnjährige Frist gilt. Die Neuregelung ist auf alle Veräußerungsgeschäfte anwendbar, bei denen der obligatorische Vertrag nach dem 31. Dezember 1998 rechtswirksam abgeschlossen wurde (§ 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002).
c) Nach der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 ist die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre wegen des Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes insoweit verfassungswidrig und daher nichtig, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstanden sind und nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können, weil die alte Spekulationsfrist bereits abgelaufen war. Insoweit war bereits eine konkret verfestigte Vermögensposition entstanden, die durch die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist nachträglich entwertet wird. Aufgrund dieser Entscheidung ist ‑‑was zwischen den Beteiligten im Ausgangsverfahren unstreitig ist‑‑ eine Aufteilung des Veräußerungsgewinns aus der Veräußerung des Grundstücks in einen Anteil für den bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 (31. März 1999) entstandenen nicht steuerbaren Wertzuwachs und in einen Anteil für den nach Verkündung dieses Gesetzes entstandenen steuerbaren Wertzuwachs vorzunehmen.
2. Das FG hat auch zutreffend die vorgenommene degressive AfA dem Zeitraum konkret zugeordnet, in dem sie steuerlich berücksichtigt worden ist und damit dem Zeitraum der nicht steuerverstrickten Wertsteigerung. Nach der Entscheidung des BVerfG sind Wertsteigerungen steuerlich nicht zu erfassen, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstanden sind oder nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zur Verkündung des Gesetzes steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können. Denn die Verlängerung der Spekulationsfrist führte zu einer unechten Rückwirkung (a), der im Ausgangsfall das schutzwürdige Vertrauen der Kläger auf die steuerlich wirksame Vornahme von degressiver AfA entgegenstand (b). Für die Annahme eines schutzwürdigen Vertrauens spielt es auch keine Rolle, ob die Wertsteigerungen aufgrund einer Erhöhung des Verkehrswerts oder aufgrund der Vornahme von AfA entstanden sind (c). Der von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 14 vertretenen Auffassung einer zeitanteiligen Aufteilung ist daher insoweit nicht zu folgen (d).
a) Im Fall der Kläger führte die Verlängerung der Spekulationsfrist zu einer unechten Rückwirkung (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.). Denn bei Inkrafttreten der Neuregelung war die zweijährige Spekulationsfrist abgelaufen und der aus der Vornahme der degressiven AfA resultierende (erhöhte) Veräußerungsgewinn wäre ‑‑z.B. bei einer Veräußerung Ende Dezember 1998‑‑ nicht steuerbar gewesen. Diese Vermögensposition ‑‑zu der auch die wirksame Vornahme einer degressiven AfA gehört‑‑ wird durch die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist und die damit verbundene Anwendung des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG nachträglich entwertet (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.b aa).
b) Das Vertrauen der Kläger ist hier auch besonders schutzwürdig, weil zum einen die degressive AfA bereits ab 1996 in Anspruch genommen und zum anderen die zweijährige Spekulationsfrist bereits mit Ablauf des 24. Oktober 1998 geendet hatte, mithin die Kläger bereits mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 1998 und damit vor Inkrafttreten der Neuregelung den Veräußerungsgewinn nicht steuerbar hätten realisieren können. Für diesen Fall erhöhen sich die Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Denn im Fall des Ablaufs der zweijährigen Spekulationsfrist vor Inkrafttreten der Neuregelung und vor Ablauf des Veranlagungszeitraums 1998 läuft der einkommensteuerliche Zugriff auf die nicht steuerbar erworbenen Vermögenszugänge dem Gebot einer folgerichtigen Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Belastungsentscheidung zuwider (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.b bb).
Wie die Besteuerung betrieblicher Gewinne zielt die Besteuerung von privaten Veräußerungsgewinnen nach § 23 EStG und die damit verbundene Berücksichtigung der in Anspruch genommenen AfA auf eine die Liquidität der Steuerpflichtigen schonende Erfassung von Wertsteigerungen an einzelnen Vermögensgegenständen erst im Zeitpunkt der Realisierung des Gewinns durch Veräußerung. Dies erfolgt nicht deshalb, weil erst zu diesem Zeitpunkt der Wertzuwachs oder die stille Reserve entsteht, obwohl beide bereits zuvor beim Steuerpflichtigen vorhanden waren und sich im Fall der degressiven AfA auch steuerlich zu seinen Gunsten ausgewirkt haben. Vielmehr wird die Besteuerung früherer Vermögenszuwächse und damit auch die Aufholung in Anspruch genommener degressiver AfA im Zeitpunkt der Veräußerung nachgeholt. Insoweit folgt nach Ansicht des BVerfG die Gewinnermittlung nach § 23 EStG im Zeitpunkt der Veräußerung der Logik der allgemeinen betrieblichen Gewinnermittlung bei der Veräußerung der einzelnen Gegenstände (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.b bb).
Diesen durch Vermögensvergleich und Realisationsprinzip geprägten systematischen Zusammenhang der einkommensteuerlichen Gewinnbesteuerung durchbricht die rückwirkende Erfassung von Wertzuwächsen und die Rückgängigmachung in Anspruch genommener degressiver AfA in gleicher Weise. Soweit im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns AfA-Beträge einbezogen werden, die sich vor dem Veranlagungszeitraum 1999 ausgewirkt haben und deren Aufholung bis zum Ende des Jahres 1998 nicht steuerbar gewesen wäre, kann von einem "Nachholen" der Besteuerung daher nicht die Rede sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.b bb). Die Besteuerung erfasst vielmehr in nicht folgerichtiger Weise Gewinnbestandteile, die bis dahin nicht der Einkommensteuer unterlegen hätten.
Hätten die Kläger nach Ablauf der alten Spekulationsfrist von zwei Jahren am 25. Oktober 1998 das Grundstück bis zum 30. März 1999 veräußert, so hätte die bis dahin gewährte AfA gemäß des damaligen § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG die Anschaffungskosten gemindert, d.h. der entsprechende Veräußerungsgewinn wäre im Streitfall entsprechend erhöht ‑‑aber nicht steuerbar‑‑ gewesen. Da ab 31. März 1999 bis zum Verkauf des Grundstücks vorwiegend AfA in niedrigeren Staffelsätzen gewährt wurden und sich steuerlich im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ausgewirkt haben, wird deutlich, dass der weitaus höhere Anteil des nach der Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ermittelten Veräußerungsgewinns für den Zeitraum vom 17. Dezember 1996 bis 30. März 1999 und damit in den nicht steuerbaren Bereich fällt.
c) Weiter wird vom BVerfG in seinen tragenden Entscheidungsgründen nicht unterschieden, ob die Wertsteigerungen aufgrund einer Erhöhung des Verkehrswerts über die Anschaffungskosten hinaus oder aufgrund der Vornahme von Abschreibungen und des Absinkens des "Buchwerts" i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG unter die Anschaffungskosten entstanden sind. Zwar führt das FA zutreffend aus, dass die Inanspruchnahme der degressiven AfA keinen Einfluss auf den Wert eines Grundstücks hat. Darauf kommt es aber nicht an. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Nichtsteuerbarkeit der mit Ablauf der (alten) zweijährigen Spekulationsfrist geschützten Vermögensposition ist im Fall der Vornahme einer erhöhten AfA ebenso schützenswert wie bei tatsächlichen Wertsteigerungen des Grundstücks (FG Münster, Urteil vom 21. Juni 2013 4 K 1918/11 E, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2013, 1499, juris-Rz 25; Niedersächsisches FG, Urteil vom 21. August 2013 9 K 252/11, EFG 2013, 1840, unter 1.b bb(2); FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. März 2012 7 V 7191/11, EFG 2012, 1462; auch FG Düsseldorf, Urteil vom 25. April 2013 8 K 3988/11 F, juris, unter juris-Rz 25, 27). Das FA kann sich auch nicht darauf berufen, die degressive AfA gewähre nur einen vorübergehenden Steuerstundungseffekt, der sich auf die Gesamtperiode gesehen nicht auswirken dürfe. Denn auch unter Geltung der zehnjährigen Frist bei privaten Veräußerungsgeschäften kann mangels besonderer Behaltefristen nach Ablauf der Frist ein Grundstück nicht steuerbar veräußert und damit der durch die degressive AfA bewirkte Unterschiedsbetrag zwischen Verkehrswert und Buchwert vom Steuerpflichtigen ohne Steuerbelastung realisiert werden.
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Einkommensteuergesetz in Gestalt der degressiven AfA dem Steuerpflichtigen eine Steuervergünstigung anbietet, die er nur für fertiggestellte oder im Jahr der Fertigstellung angeschaffte Neubauten annehmen kann. Dieses Angebot für eine steuerliche Disposition schafft eine Vertrauensgrundlage, auf die der Steuerpflichtige seine Entscheidung stützt. Er entscheidet sich um des steuerlichen Vorteils willen für ein bestimmtes Verhalten ‑‑z.B. Anschaffung einer Neubauimmobilie‑‑, das er ohne den steuerlichen Anreiz ggf. so nicht gewählt hätte. Das Vertrauen auf die steuerwirksame Inanspruchnahme einer degressiven AfA gehört damit vom Tag der Inanspruchnahme an zu einer schutzwürdigen Vertrauensgrundlage (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, unter C.I.2.; vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, BVerfGE 105, 17, unter C.II.3.b cc; Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B.III.2.d und 4.b; FG Münster, Urteil in EFG 2013, 1499).
d) Der von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 14, unter II.1. vertretenen Auffassung einer zeitanteiligen linearen Zuordnung entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31. März 1999 im Vergleich zur Gesamtbesitzzeit ist daher insoweit nicht zu folgen, als dadurch Wertsteigerungen, die im Fall einer Veräußerung vor dem 1. April 1999 nicht steuerverhaftet waren, nachträglich in die Besteuerung einbezogen werden. Die Auffassung der Finanzverwaltung ist zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung nachvollziehbar. Sie widerspricht jedoch der Entscheidung des BVerfG, wonach in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich nicht zu erfassen sind, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/ 2002 am 31. März 1999 entstanden sind oder nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zur Verkündung des Gesetzes steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können. Denn die zeitanteilige Zuordnung der Abschreibungen wie sie vom FA entsprechend der Regelung in Tz. II.1. des BMF-Schreibens in BStBl I 2011, 14 vorgenommen wurde, hat zur Folge, dass in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns "stille Reserven" einbezogen werden, die bis zum 30. März 1999 nicht steuerbar hätten realisiert werden können (so auch Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2013, 1840, unter 1.b bb)).
3. Ebenso hat das FG zutreffend die Höhe der steuerverhafteten und nicht steuerverhafteten Einkünfte aus § 23 EStG ermittelt. Das FG hat zwar unmittelbar keine Feststellungen zum Verkehrswert auf den 31. März 1999 getroffen. Stattdessen hat es den insgesamt von 1996 bis 2006 erzielten Veräußerungsverlust nach Zeitanteilen aufgeteilt und die auf den Zeitraum bis zum 31. März 1999 entfallende AfA heraus gerechnet. Dies ist aber im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 im Ergebnis nicht zu beanstanden.
a) Nach der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 ist für die Ermittlung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns nicht auf die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzustellen, sondern auf die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31. März 1999 (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2013, 1840, unter 1.b bb). Insoweit ist auf den Marktpreis, also den Verkehrswert zu diesem Zeitpunkt abzustellen (und nicht auf die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten). Aufgrund der Schwierigkeit und Streitanfälligkeit, den zutreffenden Wert auf diesen Zeitpunkt zu ermitteln, kann dieser im Wege der Schätzung ermittelt werden. Das BVerfG hat in der Entscheidung in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.b cc(3) im Hinblick auf die "Schwierigkeit und Streitanfälligkeit der Feststellung des gemeinen Werts" "grobe Schätzungslösungen" bei der Wertermittlung für zulässig gehalten. Lediglich "potentiell lange zurückliegende und im Zweifel wesentlich niedrigere Anschaffungswerte" hat es als für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns ungeeignet eingestuft. Dabei können nach Auffassung des BVerfG auch die im Vorlagebeschluss des BFH erwähnten Schätzungsmethoden zur Anwendung kommen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.b cc(3); vgl. auch BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B.III.5.b; FG Düsseldorf, Urteil vom 25. April 2013 8 K 3988/11 F, juris, unter juris-Rz 24). Diesbezüglich hat der BFH u.a. die typisierende Aufteilung des Veräußerungsgewinns in einen steuerbaren und einen nicht steuerbaren Teil nach dem Verhältnis der Besitzzeit für zulässig erachtet (vgl. auch BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B.III.5.b aa).
b) Dem folgt die angefochtene Entscheidung. Das FG hat sich darauf beschränkt, auf der Grundlage der ursprünglichen Anschaffungskosten aus dem Jahr 1996 und des Veräußerungspreises in 2006 einen Veräußerungsverlust zu ermitteln, diesen anschließend zeitanteilig aufzuteilen und aus dem auf den Zeitraum ab dem 1. April 1999 entfallenden Anteil die bis zum 31. März 1999 geltend gemachten Abschreibungsbeträge heraus zu rechnen. Dies entspricht der Entscheidung des BVerfG, die dazu auf den Vorlagebeschluss des BFH Bezug nimmt und dort die unter aa erwähnte Variante ‑‑Aufteilung nach Zeitanteilen‑‑ anspricht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.b cc(3)).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.