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Beschluss vom 09. April 2014, VII B 228/13

Rüge eines Verfassungsverstoßes in der Nichtzulassungsbeschwerde

BFH VII. Senat

UStG § 26c, UStG § 27b, GG Art 19 Abs 1 S 2, FGO § 115 Abs 2, FGO § 116 Abs 3 S 3

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 06. August 2013, Az: 2 K 12071/11

Leitsätze

1. NV: Behauptet der Beschwerdeführer einer Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfassungsverstoß, muss er diesen im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG orientierte rechtliche Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil.

2. NV: Die Verletzung des Zitiergebots durch eine einzelne Vorschrift eines Gesetzes begründet nur die Nichtigkeit dieser Vorschrift und damit nur eine Teilnichtigkeit des Gesetzes. Die Nichtigkeit des gesamten Gesetzes kommt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nur in Betracht, wenn der ungültige Gesetzesteil mit dem Gesetz im Übrigen derart verflochten ist, dass beide eine untrennbare Einheit bilden.

Gründe

  1. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abschließend genannten Gründe für die Zulassung der Revision in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise schlüssig dargelegt.

  2. 1. Der Kläger hält die Frage für klärungsbedürftig, "welche Auswirkungen ein Verstoß gegen das Zitiergebot bei Einzelregelungen im Fall der als Rechtsgrundlagen für die angefochtenen Bescheide herangezogenen Gesetze in Bezug auf die Nichtigkeit des jeweiligen Gesetzes als Ganzes hat". Wie sich aus dem Urteil des Finanzgerichts (FG) ergibt, meint er damit wohl, dass das Umsatzsteuergesetz (UStG) wegen Verstößen gegen das Zitiergebot in § 26c und § 27b UStG, aber auch die Abgabenordnung und die FGO nichtig seien.

  3. Die Darlegung der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) verlangt ebenso wie die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen. Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist.

  4. Derartige Ausführungen sind auch dann erforderlich, wenn die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht wird (BFH-Beschlüsse vom 4. Januar 2005 III B 1/04, BFH/NV 2005, 1080, und vom 31. Januar 2005 III B 59/04, BFH/NV 2005, 1081). Der Beschwerdeführer muss in der Beschwerdeschrift den behaupteten Verfassungsverstoß im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte rechtliche Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil (BFH-Beschlüsse vom 26. September 2002 VII B 270/01, BFH/NV 2003, 480, und vom 3. April 2001 VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138).

  5. 2. Die Ausführungen der Beschwerde zu den behaupteten Verstößen gegen Bestimmungen des GG genügen nicht den Mindestanforderungen, die an eine solche Rüge zu stellen sind, denn der Kläger setzt sich mit der Rechtsprechung des BFH und des BVerfG zu den in Bezug genommenen Artikeln des GG nicht einmal ansatzweise auseinander. Die unsubstantiierte Behauptung von Verfassungsverstößen kann nicht zur Zulassung der Revision führen (Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2011 VII S 6/11 (PKH), BFH/NV 2012, 242).

  6. Der Kläger zitiert selbst die ‑‑auch vom FG herangezogene‑‑ Senatsentscheidung vom 18. Mai 2011 VII B 195/10 (BFH/NV 2011, 1743), in welcher unter Bezugnahme auf die BFH-Entscheidung vom 9. Januar 2009 V B 23/08 (BFH/NV 2009, 801) ausgeführt ist, selbst bei einem Verstoß des § 27b UStG gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ergäbe sich allenfalls eine Teilnichtigkeit des UStG, nicht jedoch dessen vollständige Nichtigkeit. Denn die Verletzung des Zitiergebots durch eine einzelne Vorschrift eines Gesetzes begründet nur die Nichtigkeit dieser Vorschrift und damit nur eine Teilnichtigkeit des Gesetzes. Die Nichtigkeit des gesamten Gesetzes kommt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nur in Betracht, wenn der ungültige Gesetzesteil mit dem Gesetz im Übrigen derart verflochten ist, dass beide eine untrennbare Einheit bilden. Dies trifft auf das Verhältnis von § 27b UStG zu den weiteren Vorschriften des UStG nicht zu. Entsprechendes hat der BFH zum Verstoß einzelner Vorschriften der FGO gegen das Zitiergebot ausgeführt (Beschluss vom 19. Januar 2012 VI B 98/11, BFH/NV 2012, 759).

  7. Dieser Rechtsprechung hat der Kläger lediglich entgegengehalten, "dass der BFH insbesondere in der Frage der Beurteilung der Verfassungskonformität einzelner Normen im Verhältnis zum sog. Bundesverfassungsgericht in der Entscheidungskompetenz nachgeordnet" sei. Inwiefern mit dieser Begründung die Zulassung der Revision gerechtfertigt werden soll, erschließt sich dem Senat nicht, zumal sich das BVerfG in seiner ebenfalls vom FG zitierten Entscheidung (Urteil vom 19. März 2003  2 BvL 9-12/98, BVerfGE 108, 1) auf eben den vom BFH angewandten Grundsatz bezieht, eine Norm, die mit dem für nichtig erklärten Normgefüge nicht so verflochten ist, dass beide eine untrennbare Einheit bilden, sei von der Nichtigerklärung auszunehmen.

  8. 3. Soweit der Kläger meint, vor der Entscheidung des Senats müsse eine "Vorlage gem. Art. 267 AEUV" zum Gerichtshof der Europäischen Union erfolgen, um vorab zu klären, "inwieweit die genannten nationalen Gesetze, die wohl unstreitig zu Eingriffen in die Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen führen, mit EU-Recht in Einklang stehen", fehlt es an jeglicher Darlegung. Jede weitere Befassung mit diesem Vorbringen erübrigt sich außerdem im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.

  9. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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