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Beschluss vom 17. April 2014, III B 146/13

Keine Divergenz nach Aufhebung der vorgeblichen Divergenzentscheidung durch den BFH

BFH III. Senat

FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 15. Oktober 2013, Az: 4 K 3584/11

Leitsätze

1. NV: Für die Frage, ob eine Divergenz vorliegt, kommt es auf den Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Revision an.

2. NV: Ist ein vom Beschwerdeführer als Divergenzentscheidung bezeichnetes Urteil des Finanzgerichts im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Revision bereits durch den BFH aufgehoben worden, liegt keine Divergenz vor.

Tatbestand

  1. I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erzielte im Streitjahr 2005 als Diplom-Psychologin Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Nach einem Bescheid der Kassenärztlichen Vereinigung vom 20. Juli 2006 wurden die Vergütungen der Klägerin aufgrund einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 28. Januar 2004 neu berechnet, woraus sich für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis 30. Juni 2004 eine Nachzahlung in Höhe von … € ergab. Die Nachzahlung wurde der Klägerin in mehreren Abschlags- und Schlusszahlungen geleistet, die in den Jahren 2004, 2005 und 2006 erfolgten.

  2. In ihre durch ihren steuerlichen Berater gefertigte Erklärung zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen aus der freiberuflichen Tätigkeit für das Jahr 2005 nahm die Klägerin den durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelten Gewinn auf. In der Zeile 56 der Anlage GSE machte sie keine Angaben zu im Gewinn enthaltenen begünstigten sonstigen Gewinnen i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit Bescheid vom 8. Februar 2008 stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Einkünfte aus selbständiger Arbeit fest.

  3. Mit Schreiben vom 16. April 2008 reichte der steuerliche Berater der Klägerin eine berichtigte Anlage GSE ein, die in Zeile 56 einen Betrag von … € auswies.

  4. Das FA lehnte eine Änderung des Feststellungsbescheids mit Bescheid vom 20. Juni 2008 und Einspruchsentscheidung vom 12. September 2011 ab.

  5. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab. Es schloss sich insoweit den Ausführungen des FA an, wonach die Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung wegen eines der Klägerin zuzurechnenden groben Verschuldens nicht vorlägen. Überdies lägen keine ermäßigt zu besteuernden Vergütungen für mehrjährige Tätigkeit vor, da es infolge der sich über drei Veranlagungszeiträume erstreckenden Nachzahlungen an einer Zusammenballung von Einkünften fehle.

  6. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) und sinngemäß zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO).

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form geltend gemacht wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.

  2. 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

  3. a) Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 116 FGO Rz 171). Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 32, 35, m.w.N.).

  4. b) Diesen Vorgaben genügen die Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht.

  5. aa) Soweit sich die Klägerin gegen die vom FG vorgenommene Würdigung wendet, wonach ein grobes Verschulden darin zu erblicken sei, dass trotz einer im Erklärungsformular enthaltenen Frage nach sonstigen begünstigten Gewinnen die Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung nicht angegeben worden seien, fehlt es bereits an der Formulierung einer hinreichend konkretisierten abstrakten Rechtsfrage. Die Klägerin wirft vielmehr eine Fragestellung auf, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängig ist. Entsprechend beziehen sich die weiteren Ausführungen der Klägerin darauf, die konkreten Umstände des Einzelfalls darzulegen und eine Würdigung dahingehend zu begehren, dass kein grobes Verschulden vorgelegen habe. Hieraus ergibt sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

  6. bb) Entsprechendes gilt, soweit sich die Klägerin dagegen wendet, dass das FG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG mangels einer im Streitjahr eingetretenen Zusammenballung von Einkünften verneint hat. Wenn die Klägerin geltend macht, die im Streitjahr 2005 zugeflossenen Nachzahlungsbeträge beruhten auf einer Tätigkeit, die mehr als zwölf Monate gedauert und sich über wenigstens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt habe, so betrifft dies die Würdigung der Umstände des Einzelfalles. Eine abstrakt generelle Rechtsfrage lässt sich diesen Ausführungen ebenso wenig entnehmen wie eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung.

  7. 2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO) zuzulassen, soweit die Klägerin rügt, das FG sei mit seiner Entscheidung von der Entscheidung eines anderen FG und mehreren Entscheidungen des BFH abgewichen.

  8. a) Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine BFH-Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (z.B. BFH-Beschluss vom 31. März 2010 IV B 131/08, BFH/NV 2010, 1487). Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer u.a. tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten, mit Datum sowie Aktenzeichen und/oder Fundstelle bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. Senatsbeschluss vom 11. März 2011 III B 76/10, BFH/NV 2011, 981).

  9. b) Soweit die Klägerin eine Abweichung von der Entscheidung des FG Niedersachsen vom 24. Mai 2011  3 K 249/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1677) rügt, scheitert eine Revisionszulassung daran, dass insoweit keine Abweichung vorliegen kann.

  10. Für die Frage, ob eine Divergenz vorliegt, kommt es auf den Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Revision an (Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 181, m.w.N.). Eine Divergenz kann daher nicht vorliegen, wenn die vom Beschwerdeführer bezeichnete Divergenzentscheidung bereits überholt ist (z.B. BFH-Beschluss vom 23. September 2011 IX B 91/11, BFH/NV 2012, 58; Senatsbeschluss vom 26. April 2006 III B 113/05, BFH/NV 2006, 1469). Dies war indes hinsichtlich der genannten Entscheidung des FG Niedersachsen der Fall, da der Senat diese bereits durch Urteil vom 16. Mai 2013 III R 12/12 (BFH/NV 2013, 1467) aufgehoben hat.

  11. Soweit die Klägerin vorträgt aus den BFH-Urteilen vom 23. Januar 2001 XI R 42/00 (BFHE 194, 9, BStBl II 2001, 379), vom 10. August 1988 IX R 219/84 (BFHE 154, 481, BStBl II 1989, 131), vom 18. Mai 1988 X R 57/82 (BFHE 153, 304, BStBl II 1988, 713), vom 19. Dezember 2006 VI R 59/02 (BFH/NV 2007, 866), vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98 (BFH/NV 2000, 978), dem Senatsurteil vom 1. Oktober 1993 III R 58/92 (BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346) und dem BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02 (BFH/NV 2005, 1212) ergebe sich, dass eine infolge Unkenntnis des Steuerrechts unterbliebene Erklärung nicht den Vorwurf des groben Verschuldens begründe, hat sie es jedenfalls versäumt, diesem Rechtssatz einen hiervon abweichenden Rechtssatz aus der angegriffenen Entscheidung gegenüberzustellen.

  12. Tatsächlich ist das FG auch nicht von einem Fall bloßer Unkenntnis des Steuerrechts ausgegangen, sondern hat auf den Umstand abgestellt, dass in dem Erklärungsformular GSE ausdrücklich nach begünstigten Gewinnen gefragt wurde. Diesen Umstand hat indes auch der BFH als Begründung für eine Verneinung eines entschuldbaren Rechtsirrtums herangezogen (s. etwa BFH-Urteile in BFHE 154, 481, BStBl II 1989, 131, und in BFH/NV 2007, 866).

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