BFH III. Senat
GG Art 101 Abs 1 S 2, GG Art 103 Abs 1, AEUV Art 267, EStG § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b, EStG § 1 Abs 3, EStG § 49
vorgehend FG Düsseldorf, 23. Juni 2013, Az: 7 K 3729/09 Kg
Leitsätze
NV: Die Rechtsfrage, ob eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG auch für diejenigen Monate eines Kalenderjahres nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG einen Anspruch auf Kindergeld begründet, in denen der Antragsteller keine inländischen Einkünfte i.S. von § 49 EStG erzielt hat, ist durch die BFH-Urteile vom 24. Oktober 2012 V R 43/11, vom 18. April 2013 VI R 70/11 und vom 18. Juli 2013 III R 59/11 dahingehend geklärt, dass kein solcher Anspruch besteht.
Gründe
Die Beschwerde ist ‑‑bei Bedenken gegen ihre Zulässigkeit‑‑ jedenfalls unbegründet und daher gemäß § 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zurückzuweisen. Das Finanzgericht (FG) hat weder den Anspruch der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) auf rechtliches Gehör verletzt noch diese ihrem gesetzlichen Richter entzogen.
1. a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst vor allem das durch Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 FGO gewährleistete Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern. Sie haben einen Anspruch darauf, dem Gericht auch in rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was sie für wesentlich halten. Diesen Ansprüchen entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Weiterhin hat das Gericht seine Entscheidung zu begründen, wobei aus seiner Begründung erkennbar sein muss, dass eine Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Vorbringen der Verfahrensbeteiligten stattgefunden hat. Diese richterliche Pflicht geht jedoch nicht soweit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat. Es darf das Vorbringen außer Acht lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht ein Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 22. April 2008 X B 154/07, BFH/NV 2008, 1361, m.w.N.).
b) Nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ist gesetzlicher Richter im Sinne dieser Bestimmung. Es kann daher einen Entzug des gesetzlichen Richters darstellen, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union nicht nachkommt (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 25. Februar 2010 1 BvR 230/09, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfGK‑‑ 17, 108, m.w.N.). Eine Gerichtsentscheidung, in der eine mögliche Vorlage an den EuGH abgelehnt wird, verstößt allerdings nur dann gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. BFH-Beschluss vom 4. September 2009 IV K 1/09, BFH/NV 2010, 218; BVerfG-Beschluss vom 15. Dezember 2011 2 BvR 148/11, BVerfGK 19, 265).
2. Gemessen an diesen Maßstäben hat das FG weder gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verstoßen noch seine Vorlagepflicht verletzt.
a) Wie sich aus dem angegriffenen Urteil selbst ergibt, hat das FG die Rechtsausführungen der Klägerin zur Kindergeldberechtigung gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Kenntnis genommen und ersichtlich in Erwägung gezogen. Unter anderem mit dem Verweis auf das BFH-Urteil vom 24. Oktober 2012 V R 43/11 (BFHE 239, 327, BStBl II 2013, 491) ist das FG auch seiner Pflicht, auf das wesentliche Beteiligtenvorbringen in den Gründen der Entscheidung einzugehen, nachgekommen. Der BFH hat in dem zitierten Urteil die nationalen Rechtsvorschriften zum Monatsprinzip bei der Kindergeldberechtigung gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG und die hierzu vertretenen Auffassungen gewürdigt und ist zugleich auch auf unionsrechtliche Fragestellungen eingegangen. Das FG hat sich in der angegriffenen Entscheidung bewusst der Rechtsprechung des BFH angeschlossen. Die Klägerin wurde damit darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihre steuer- wie gemeinschaftsrechtlichen Argumente sowohl nach Auffassung des BFH wie auch des FG nicht stichhaltig sind. Das FG war nicht gehalten, jedes von der Klägerin gegen das Monatsprinzip ins Feld geführte (Unter-)Argument noch einmal einzeln abzuhandeln, da das einschlägige BFH-Urteil bereits eine eingehende rechtliche Auseinandersetzung enthielt. Auch wenn sich die Klägerin im Vergleich zu den Beteiligten des BFH-Verfahrens einer verbreiterten und vertieften Argumentation bedient haben sollte, konnte sich das FG im Wesentlichen damit begnügen, auf die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu verweisen. Denn die streitige Rechtsfrage blieb als solche unverändert, so dass Angriffe gegen die bereits vorliegende und vom FG als zutreffend herangezogene Grundsatzentscheidung des BFH vom FG als rechtlich unbeachtlich gewertet werden konnten, ohne dass dies im Detail noch einmal in den Entscheidungsgründen dargestellt werden musste.
Neue, bislang vom BFH ungeprüfte Gesichtspunkte können im Übrigen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.N.). Sollte das Vorbringen der Klägerin dahin zu verstehen sein, muss der Beschwerde allerdings der Erfolg versagt bleiben. Denn der BFH hat sich mehrfach ausführlich ‑‑auch unter Berücksichtigung des Unionsrechts‑‑ mit der Geltung des Monatsprinzips bei der Kindergeldberechtigung gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG befasst und die im BFH-Urteil in BFHE 239, 327, BStBl II 2013, 491 vertretene Auffassung als zutreffende und gemeinschaftsrechtskonforme Gesetzesinterpretation bestätigt (BFH-Urteil vom 18. April 2013 VI R 70/11, BFH/NV 2013, 1554; Senatsurteil vom 18. Juli 2013 III R 59/11, BFH/NV 2013, 1992). Damit gibt es keine klärungsbedürftige Rechtsfrage mehr.
Die Beschwerde ist äußerlich zwar in die Gestalt einer Gehörsrüge gekleidet, richtet sich im Kern aber allein gegen die Richtigkeit des FG-Urteils und die ihm zugrunde liegende höchstrichterliche Rechtsprechung. Damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.
b) Auch die Rüge, das FG habe den EuGH anrufen oder aber die Revision zulassen müssen, greift nicht durch. Denn erstinstanzliche Gerichte sind unionsrechtlich nicht zur Vorlage verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn eine Zulassung des Rechtsmittels durch das oberste Gericht erforderlich ist (vgl. BVerfG-Beschluss vom 31. Mai 1990 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159; BFH-Beschluss vom 9. November 2007 IV B 169/06, BFH/NV 2008, 390; Senatsbeschluss vom 14. November 2008 III B 17/08, BFH/NV 2009, 380).