BFH VI. Senat
EStG § 9 Abs 1 S 1, EStG § 12 Nr 1 S 2
vorgehend FG München, 16. Mai 2011, Az: 2 K 1361/09
Leitsätze
1. NV: Dienstjubiläen werden als herausgehobene persönliche Ereignisse regelmäßig als durch die private Sphäre des Arbeitnehmers veranlasst beurteilt. Im Einzelfall kann im Hinblick auf den Anlass der Feier eine andere Beurteilung geboten sein.
2. NV: Die Aufwendungen eines katholischen Priesters für die Feier aus Anlass seines Priesterjubiläums sind privat veranlasst.
Tatbestand
I. Streitig ist, ob Aufwendungen eines katholischen Priesters für einen Festgottesdienst und eine sich anschließende Feier anlässlich seines 25-jährigen Priesterjubiläums als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist katholischer Priester. Seit 1998 ist er als "Gefängnispfarrer und Seelsorger" in der Justizvollzugsanstalt (JVA) … tätig. In dieser Funktion ist er Beamter. Daneben wirkt er für die Erzdiözese … als "Kleriker mit überpfarrlichem Auftrag" in den Pfarrgemeinden … und ….
Anlässlich seines 25-jährigen Priesterjubiläums führte der Kläger in einem Berghaus in … ‑‑zusammen mit Konzelebranten‑‑ einen Festgottesdienst durch, der aus einer Eucharistiefeier und einem Semesterabschlussgottesdienst für eine katholische Studentenverbindung bestand. Anschließend richtete er eine Feier im Garten des Berghauses aus. Der Kläger trat selbst als Gastgeber auf und bestimmte auch den Ort und Umfang der Feier sowie die Auswahl der Gäste. Von den 107 erschienenen Gästen waren neun Berufskollegen, elf "berufliche Wegbegleiter" (darunter fünf Ehefrauen als Begleitung), 42 pastoral betreute Personen (darunter 13 Personen als Begleitung), 28 Mitarbeiter der JVA (darunter sechs Personen/Ehe-frauen als Begleitung) und sieben Mitglieder der Familie oder Verwandtschaft. Der Kläger hatte das Berghaus für den ganzen Tag und die anschließende Nacht angemietet, die Familienmitglieder übernachteten dort auch, zum Teil zwei Nächte.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2007) machte der Kläger für die Anmietung des Berghauses, die Ausrichtung der Feierlichkeiten, die Bewirtung und Übernachtung der Gäste, für Geschenke und diverse Kosten für ehrenamtliche Helfer Aufwendungen in Höhe von insgesamt … € als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Dies lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) ab.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1602 veröffentlichten Gründen ab.
Mit seiner Revision macht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Revisionsbegründungsfrist wurde nicht gewahrt. Der Kläger stellte fristgerecht einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung den Einkommensteuerbescheid für 2007 so zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von … € als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. Die Revision ist zulässig. Der Kläger hat zwar die Frist zur Begründung der Revision (§ 120 Abs. 2 FGO) versäumt. Ihm ist jedoch antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO zu gewähren.
a) Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Frist endete hier am 5. August 2011. Die erst am 8. August 2011 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangene Revisionsbegründung des Klägers war mithin verspätet.
b) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist einem Beteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei muss er sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Nach § 56 Abs. 2 FGO setzt die Wiedereinsetzung voraus, dass der Beteiligte binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses einen Wiedereinsetzungsantrag stellt, die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft macht und die versäumte Rechtshandlung nachholt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
c) Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Rechtsanwalt das Versehen oder die Versäumnis einer zuverlässigen Kanzleiangestellten, die er durch eine konkrete Einzelanweisung etwa mit der Absendung eines fristwahrenden Schriftsatzes betraut, nicht als eigenes Verschulden zu vertreten hat, wenn diese über den drohenden Fristablauf und die Notwendigkeit der Fristwahrung unterrichtet worden ist. Da ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen kann, dass eine konkrete Einzelanweisung von seinem sonst zuverlässigen Personal auch befolgt wird, ist er ohne besonderen Anlass nicht zu auf die Einzelanweisung bezogenen Überwachungsmaßnahmen verpflichtet (BFH-Beschluss vom 25. November 2009 II B 94/09, BFH/NV 2010, 457, m.w.N.).
Der Vortrag des Klägers, der für die Revisionsbegründung verantwortliche Rechtsanwalt habe am 4. August 2011 den unterschriebenen Schriftsatz der Kanzleisekretärin, Frau X, mit der Anweisung übergeben, den Brief noch an diesem Tag wegen der am darauffolgenden Tag auslaufenden Frist zur Post zu geben, ist danach geeignet, das Verschulden des Prozessbevollmächtigten auszuschließen.
2. Die Revision ist jedoch unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht die Aufwendungen für die Feier nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.
a) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehen. Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die ‑‑wertende‑‑ Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments", zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Dabei bilden die Gründe, die den Steuerpflichtigen zu den Aufwendungen bewogen haben, das auslösende Moment.
Ergibt die Prüfung, dass die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, so sind sie als Werbungskosten grundsätzlich abzuziehen. Beruhen die Aufwendungen hingegen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf beruflichen Umständen, so sind sie nicht abziehbar (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672; Pezzer, Deutsches Steuerrecht 2010, 93). Ist der erwerbsbezogene Anteil nicht von untergeordneter Bedeutung, kann nach den Grundsätzen, die der Große Senat des BFH in der zitierten Entscheidung aufgestellt hat, eine Aufteilung und ein Abzug des beruflich veranlassten Teils der Kosten in Betracht kommen.
aa) Nach diesen Grundsätzen ist auch zu klären, ob und in welchem Umfang die von einem Arbeitnehmer für die Durchführung einer Veranstaltung oder Feier getragenen Kosten als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Abzug gebracht werden können.
bb) Für die danach erforderliche Beurteilung, ob die Aufwendungen beruflich oder privat veranlasst sind, ist nach bisheriger Rechtsprechung des Senats in erster Linie auf den Anlass der Feier abzustellen. Indes ist der Anlass einer Feier nur ein erhebliches Indiz, nicht aber das allein entscheidende Kriterium für die Beurteilung der beruflichen oder privaten Veranlassung der Bewirtungsaufwendungen. Trotz eines herausgehobenen persönlichen Ereignisses kann sich aus den übrigen Umständen des Einzelfalls ergeben, dass die Aufwendungen für die Feier beruflich veranlasst sind. Für die Zuordnung der Aufwendungen zum beruflichen oder privaten Bereich ist daher auch von Bedeutung, wer als Gastgeber auftritt, wer die Gästeliste bestimmt, ob es sich bei den Gästen um Kollegen, Geschäftsfreunde oder Mitarbeiter (des Steuerpflichtigen oder des Arbeitgebers), um Angehörige des öffentlichen Lebens, der Presse, um Verbandsvertreter oder um private Bekannte oder Ange-hörige des Steuerpflichtigen handelt. Zu berücksichtigen ist außerdem, an welchem Ort die Veranstaltung stattfindet, ob sich die finanziellen Aufwendungen im Rahmen vergleichbarer betrieblicher Veranstaltungen bewegen und ob das Fest den Charakter einer privaten Feier aufweist oder ob das nicht der Fall ist (Senatsurteile vom 11. Januar 2007 VI R 52/03, BFHE 216, 320, BStBl II 2007, 317; vom 1. Februar 2007 VI R 25/03, BFHE 216, 522, BStBl II 2007, 459; vom 10. Juli 2008 VI R 26/07, BFH/NV 2008, 1831).
cc) Dabei obliegt die Beurteilung, ob Aufwendungen beruflich oder privat veranlasst sind, der tatrichterlichen Würdigung des FG. Das FG und nicht der BFH hat anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen, wo die Grenze zwischen betrieblichem und privatem Bereich verläuft und welche Indizien für sich allein ausreichend sind, um eine betriebliche Veranlassung zu bejahen. Der BFH ist hieran gebunden, soweit die Würdigung verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (Senatsentscheidungen vom 26. Januar 2010 VI B 95/09, BFH/NV 2010, 875; vom 19. Juni 2008 VI R 33/07, BFHE 222, 359, BStBl II 2009, 11).
b) Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des FG, die Aufwendungen des Klägers für die Feier aus Anlass seines Priesterjubiläums seien so gut wie ausschließlich privat veranlasst, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Nach der Rechtsprechung des BFH, an der der Senat festhält, werden Dienstjubiläen als herausgehobene persönliche Ereignisse in der Regel als durch die private Sphäre des Arbeitnehmers veranlasst beurteilt. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einem solchen Ereignis anfallen, sind danach regelmäßig auch durch die gesellschaftliche Stellung des Arbeitnehmers veranlasst (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) und daher zumindest nicht in vollem Umfang als Werbungskosten anzuerkennen (Senatsurteil in BFHE 216, 522, BStBl II 2007, 459; Fissenewert in Herrmann/Heuer/Raupach, § 12 EStG Rz 90, m.w.N.). Zwar kann im Einzelfall eine andere Beurteilung im Hinblick auf den Anlass der Feier geboten sein. Im Streitfall ist jedoch, anders als etwa im vom Senat in BFHE 216, 522, BStBl II 2007, 459 entschiedenen Fall, keine Besonderheit anzunehmen.
bb) Trotz eines herausgehobenen persönlichen Ereignisses kann sich aus den übrigen Umständen des einzelnen Falles ergeben, dass die Kosten für die Feier ganz oder teilweise beruflich veranlasst sind. Die dabei nach der Rechtsprechung des BFH zu würdigenden Kriterien hat das FG beachtet. Es hat die mangelnde berufliche Veranlassung der Feier u.a. damit begründet, dass der Kläger als Gastgeber aufgetreten und die Gästeliste bestimmt hat. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gäste in erster Linie aufgrund persönlicher Beziehungen zum Kläger geladen und bewirtet worden seien, auch wenn es sich um sog. Angehörige des öffentlichen Lebens handelte. Diese Würdigung des FG ist zumindest möglich. Sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze, so dass der Senat hieran mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist. Entsprechendes gilt für die Erwägung, dass der Kläger den Festgottesdienst nicht aufgrund einer konkreten beruflichen Verpflichtung zelebriert habe. Das FG hat auch zu Recht zu Lasten des Klägers auf den Ort und die Dauer der Veranstaltung abgestellt. Die Anmietung eines Berghauses für einen Tag und die sich anschließende Nacht indiziert nach Ansicht des Senats in besonderer Weise den Charakter einer privaten Feier.