BFH V. Senat
UStG § 2 Abs 1, UStG § 3 Abs 9a, UStG § 10 Abs 4, UStG § 13a Abs 1, UStG § 15 Abs 1, UStG § 15a Abs 1, EWGRL 388/77 Art 20 Abs 1, EGRL 112/2006 Art 185 Abs 1, FGO § 96 Abs 1, FGO § 118 Abs 2, FGO § 126 Abs 4, AO § 119, AO § 125 Abs 1, AO § 174 Abs 4, AO § 176 Abs 2, UStG VZ 2005
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 06. Dezember 2011, Az: 12 K 4567/08
Leitsätze
1. Die Voraussetzungen für die Besteuerung einer Verwendungsentnahme (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG) liegen bei verspäteter Zuordnung eines gemischt genutzten Gebäudes zum Unternehmensvermögen nicht vor .
2. Ein trotz verspäteter Zuordnung und damit materiell-rechtlich unrichtig in Anspruch genommener Vorsteuerabzug, der im Abzugsjahr verfahrensrechtlich nicht mehr entzogen werden kann, ist nach § 15a UStG in den Folgejahren zu berichtigen .
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgaben für ein gemischt genutztes Grundstück in 2005 (Streitjahr).
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine aus den Eheleuten H.E. und S.E. bestehende GbR, deren Geschäftsgegenstand die Herstellung von Puppen und Teddybären, die Vermittlung von Fertighäusern sowie den Groß- und Einzelhandel mit Telekommunikationseinrichtungen umfasst.
In 2001 erwarben die Eheleute ein unbebautes Grundstück und bebauten es mit einem Einfamilienhaus, in dem sich ein Arbeitsraum für die Herstellung von Puppen und Teddybären (8,19 qm) sowie ein Büro für verwaltungstechnische Arbeiten (10,11 qm) befinden. Das Gebäude wurde am 6. Mai 2002 bezogen.
Die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2002 reichten die Eheleute am 4. Januar 2005 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) ein und machten darin den Vorsteuerabzug aus den gesamten Herstellungskosten des Gebäudes geltend. Vor Erteilung der Zustimmung ordnete das FA eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung an. Ausweislich des Prüfungsberichts vom 18. Januar 2006 ging der Prüfer in Übereinstimmung mit der Klägerin von einer Nutzung des Gebäudes für unternehmerische Zwecke zu 23,72 % aus. Diesen Nutzungsanteil hatte die Klägerin aus dem Verhältnis der Flächen der unternehmerisch genutzten Räume (18,3 qm) zuzüglich 7,8 qm für sog. Verkehrsflächen (wie Windfang, zwei Flure und zwei Treppen) zur Gesamtfläche von 122,37 qm ermittelt.
Der Prüfer beanstandete die zu niedrige Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe und ermittelte diese auf der Grundlage von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) mit 10 %. Auf der Grundlage des Berichts der Umsatzsteuer-Sonderprüfung erging am 22. Dezember 2006 der Umsatzsteuerbescheid 2005 mit einer Steuerfestsetzung von 2.534,12 € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑).
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erkannte das FA eine unternehmerische Nutzung nicht mehr für die sog. Verkehrsflächen, sondern nur noch für die beiden Räume (18,3 qm) an und kürzte durch den nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 21. Juli 2008 den unternehmerischen Nutzungsanteil demgemäß auf 14,95 % (18,3 qm von 122,37 qm). Bei Herstellungskosten des Gebäudes von 178.109,55 € und einem unternehmerisch genutzten Anteil von 26.627,37 € (14,95 % von 178.109,55 €) verblieben für den Wohnteil 151.482,18 €. Dessen Herstellungskosten seien für die Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgaben auf zehn Jahre zu verteilen, sodass sich eine Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben von 15.148 € und eine Umsatzsteuer hierauf von 2.423,68 € ergaben. Dadurch erhöhte sich die festgesetzte Umsatzsteuer von 2.534,12 € auf 2.914,06 €.
Den Einspruch der Klägerin wies das FA am 29. August 2008 als unbegründet zurück. Die Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgaben sei wegen der Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG durch das Richtlinien-Umsetzungsgesetz mit Wirkung zum 1. Juli 2004 mit 10 % der Herstellungskosten anzusetzen. Mit der Neuregelung sei abweichend von der bisherigen Rechtsprechung zum Kostenbegriff und der einhelligen Handhabung durch die Praxis eine Entkoppelung von den ertragsteuerrechtlichen Abschreibungsvorschriften erfolgt und eine Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf den Zeitraum angeordnet worden, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG entspreche. Ferner seien als unternehmerisch genutzte Flächen nur die beiden ausschließlich unternehmerisch genutzten Räume (14,95 % der Nutzfläche) zu berücksichtigen. Nur der Anteil der hierauf entfallenden Herstellungskosten bilde das Unternehmensvermögen der GbR.
Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) durch Urteil vom 7. Dezember 2011 12 K 4567/08 als unbegründet ab, ohne auf die von den Beteiligten umstrittene Frage nach der Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgaben einzugehen. Unter Hinweis auf die am Sitzungstag veröffentlichte Pressemitteilung Nr. 101/2011 und das Senatsurteil vom 7. Juli 2011 V R 21/10 (BFHE 234, 531, BStBl II 2014, 81) entschied das FG, die erst durch die Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2002 am 4. Januar 2005 erfolgte und damit nicht mehr rechtzeitige Dokumentation der Zuordnungsentscheidung führe zum Verlust des Vorsteuerabzugs. Auf die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen komme es daher nicht an.
Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor:
Im Streitfall gehe es nicht um eine Korrektur des durch bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheid 2002 in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs, sondern um die Bemessung der unentgeltlichen Wertabgaben im Streitjahr 2005 nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG. Diese Vorschrift sei unter Einbeziehung des § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Grundlagen des Kostenrechts anzuwenden. Als Bemessungsgrundlage sei der Mietwert in Höhe von monatlich 559,50 € brutto (482,33 € netto) anzusetzen. Dies ergebe einen Jahresmietwert von 5.782,80 € netto, der in den Jahren 2002 und 2003 auch veranlagt worden sei. Diesem Mietwert entspreche die von ihr an einen fremden Dritten gezahlte Miete von 6,50 €/qm für ein vergleichbares Einfamilienhaus in der Nähe des jetzigen Gebäudes.Durch § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG, § 15 Abs. 1b UStG und § 15a Abs. 6a UStG seien Sondervorschriften für einen bestimmten Kreis von Staatsbürgern erlassen worden, der entgegen allen kaufmännischen Denkgesetzen einen überhöhten Mietwert versteuern solle, um die Steuerausfälle durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu kompensieren. Dies verstoße gegen Art. 3 des Grundgesetzes.
Soweit das FA im Rahmen des Einspruchsverfahrens die anteiligen Wegekosten zu den beiden unternehmerisch genutzten Räumen nicht anerkenne, verstoße dies gegen § 12 EStG. Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) habe in mehreren Urteilen dargelegt, dass die Ansicht der Finanzverwaltung zum Aufteilungsverbot nach § 12 EStG unrichtig sei. Die BFH-Rechtsprechung zur Aufteilung eines Wirtschaftsgutes entsprechend der privaten und betrieblichen Nutzung sei auch für die zutreffende Festsetzung der Umsatzsteuer bedeutsam, wenn an der bisherigen Verwaltungsauffassung festgehalten würde, wonach bei der Bemessung der unentgeltlichen Wertabgaben pro Jahr 10 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen seien. Deshalb müsse im Streitfall auch eine anteilige Wegefläche im Haus berücksichtigt werden.
Schließlich rügt die Klägerin, dass die Umsatzsteuerbescheide und die Einspruchsentscheidung an Herrn E. und Frau S.E. adressiert worden seien und damit nicht den zutreffenden Steuerschuldner, die GbR, bezeichneten.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide des Streitjahres aufzuheben,
hilfsweise,
unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides für 2005 vom 22. Dezember 2006 i.d.F. vom 21. Juli 2008 sowie der Einspruchsentscheidung vom 29. August 2008 diesen auf 490,38 €,
weiter hilfsweise auf 1.415 € festzusetzen.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Der Vorsteuerabzug in 2002 sei entgegen der Rechtsprechung des BFH gewährt worden. Der entsprechende Bescheid könne verfahrensrechtlich nicht mehr geändert werden. Die Klage sei jedoch deswegen unbegründet, weil einer Minderung der Umsatzsteuer auf unentgeltliche Wertabgaben eine betragsmäßig höhere Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG entgegenstehe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die angegriffenen Bescheide nicht wegen unzutreffender Adressierung aufzuheben sind. Die Versagung des der Klägerin in 2002 gewährten Vorsteuerabzugs führt zwar ‑‑entgegen der Ansicht des FG‑‑ nicht zur Unbegründetheit der auf Herabsetzung der Umsatzsteuer 2005 gerichteten Klage. Die Entscheidung des FG stellt sich jedoch aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO), weil die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG für das Streitjahr vorliegen.
1. Zu Unrecht macht die Klägerin eine fehlerhafte Adressierung der angegriffenen Umsatzsteuerbescheide und der Einspruchsentscheidung geltend.
a) Ein Verwaltungsakt leidet an einem schweren und offenkundigen Mangel und ist deshalb gemäß § 125 Abs. 1 AO i.V.m. § 119 AO nichtig, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird. Konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsaktes ist daher die Angabe des Inhaltsadressaten, d.h. desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (BFH-Urteil vom 13. Oktober 2005 IV R 55/04, BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404, unter I.1.). Im Falle eines Steuerbescheides ist insoweit nach § 157 Abs. 1 Satz 2 AO u.a. die Angabe des Steuerschuldners als Inhaltsadressaten des Bescheides erforderlich. Dabei reicht es jedoch aus, wenn der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der dem Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFH-Urteile vom 17. November 2005 III R 8/03, BFHE 212, 72, BStBl II 2006, 287, unter II.1.b, und vom 15. April 2010 IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606, unter II.3.c aa). Bei der Adressierung von Umsatzsteuerbescheiden ist daher maßgeblich, ob es für den Betroffenen erkennbar war, dass das FA von ihm als Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG und daher als Steuerpflichtigen ausgeht und der Bescheid deshalb an ihn gerichtet ist (vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 29. August 2012 XI R 40/10, BFH/NV 2013, 182, unter 1.a, und vom 26. April 2012 V R 2/11, BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, unter II.1.a bb, m.w.N.).
b) Die Auslegung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ergibt im Streitfall, dass die Bezeichnung des Inhaltsadressaten mit "Herrn H. und Frau S.E." nur die aus den Eheleuten bestehende GbR betreffen kann.
Diese GbR ist im Streitfall als Unternehmerin und damit Steuerschuldnerin (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) Inhaltsadressatin. Treten beide Ehegatten gemeinsam nach außen auf und erbringen entgeltliche Leistungen, bilden sie eine GbR oder ‑‑bei der Vermietung von Grundstücken‑‑ eine Bruchteilsgemeinschaft. In beiden Fällen sind nicht die Ehegatten Unternehmer, sondern die Gesellschaft oder Gemeinschaft (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1980 V R 142/73, BFHE 132, 497, BStBl II 1981, 408).
Zweifel über die Identität der GbR als Steuerschuldner konnten im Streitfall schon deshalb nicht auftreten, weil die Klägerin selbst in ihren Umsatzsteuererklärungen 2002 bis 2005 als Unternehmer und Steuerschuldner lediglich die Vor- und Familiennamen der Eheleute angegeben hatte. Unter diesen Umständen reicht es aus, wenn diese auch als Steuerschuldner im Umsatzsteuerbescheid angegeben werden. Eines zusätzlichen Hinweises auf die zutreffende rechtliche Verbundenheit der Eheleute (z.B. Vermietergemeinschaft oder GbR) ist dann nicht notwendig (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Juni 1990 V B 135/89, BFH/NV 1991, 278, Leitsatz 1).
Abgesehen davon hat das FA im Tatbestand der Einspruchsentscheidung vom 29. August 2008 ausdrücklich erwähnt, dass die Eheleute "im Rahmen einer Ehegatten-GbR unternehmerisch im Sinne des § 2 UStG ... tätig [sind]" und damit klargestellt, dass sowohl die Einspruchsentscheidung als auch der Umsatzsteuerbescheid 2005 die GbR als Inhaltsadressatin betreffen.
2. Die Revision ist trotz der rechtsfehlerhaften Begründung des FG unbegründet, da sich die Entscheidung des FG im Ergebnis als richtig darstellt (§ 126 Abs. 4 FGO).
a) Das Urteil des FG ist wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Bindung an das Klagebegehren rechtsfehlerhaft.
Aus § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO folgt, dass das Gericht der Klägerin weder etwas zusprechen darf, was diese nicht beantragt hat ("ne ultra petita") noch über etwas anderes ("aliud") entscheiden, als die Klägerin durch ihren Antrag begehrt und zur Entscheidung gestellt hat (BFH-Urteile vom 8. März 2012 V R 49/10, BFH/NV 2012, 1665; vom 13. Dezember 1994 VII R 18/93, BFH/NV 1995, 697, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 25. Oktober 2011 IV B 59/10, BFH/NV 2012, 251; vom 13. Juli 2009 IX B 33/09, BFH/NV 2009, 1821).
Die Klägerin hatte im finanzgerichtlichen Verfahren eine Herabsetzung der Umsatzsteuer 2005 auf 1.415 € beantragt. Die Klageabweisung begründete das FG mit der fehlenden Abzugsfähigkeit von Vorsteuern in dem nicht streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid 2002. Es hat damit unter Verstoß gegen § 96 FGO über ein anderes Klagebegehren als das von der Klägerin bestimmte mitentschieden.
b) Das Urteil des FG erweist sich aber trotz dieses Rechtsfehlers im Ergebnis als zutreffend. Die von der Klägerin im Streitjahr 2005 begehrte Minderung der Umsatzsteuer auf unentgeltliche Wertabgaben kann ihr nicht zugesprochen werden. Zwar liegen im Streitjahr die Voraussetzungen einer steuerbaren Verwendungsentnahme (§ 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG) nicht vor (siehe II.2.b aa). Es greift aber eine betragsmäßig höhere Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a Abs. 1 UStG ein (unter II.2.b bb).
aa) Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG ist eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen, wenn sich bei diesem Wirtschaftsgut die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse innerhalb des bei Grundstücken maßgeblichen Berichtigungszeitraums von zehn Jahren ändern.
Eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse liegt nicht nur vor, wenn sich diese in tatsächlicher Hinsicht geändert haben, sondern auch dann, wenn sich bei tatsächlich gleichbleibenden Verwendungsumsätzen die rechtliche Beurteilung der Verwendungsumsätze, die der Gewährung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr zugrunde lag, in einem der Folgejahre als unzutreffend erweist, sofern die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr bestandskräftig und unabänderbar ist (Fallgruppe 1: ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 V R 3/06, BFHE 221, 67, BStBl II 2009, 203; vom 24. Februar 2000 V R 33/97, BFH/NV 2000, 1144; vom 8. Januar 1998 V R 5/97, BFH/NV 1998, 890; vom 16. Dezember 1993 V R 65/92, BFHE 173, 270, BStBl II 1994, 485, m.w.N.). Eine unzutreffende Beurteilung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist dagegen keine "Änderung der (Verwendungs-)Verhältnisse" im Besteuerungszeitraum der Aufdeckung der Fehlbeurteilung; sie kann deshalb nur durch Änderung der fehlerhaften Steuerfestsetzung selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift korrigiert werden (Fallgruppe 2: vgl. BFH-Urteile in BFHE 221, 67, BStBl II 2009, 203; vom 27. Juni 1991 V R 106/86, BFHE 165, 304, BStBl II 1991, 860; in BFHE 173, 270, BStBl II 1994, 485; vom 17. Februar 1994 V R 44/92, BFH/NV 1995, 352).
Im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen diesen beiden Fallgruppen ist auch ein Vorsteuerabzug nach § 15a UStG in den Folgejahren zu berichtigen, der wegen verspäteter Zuordnung materiell-rechtlich unrichtig vorgenommen wurde (vgl. ständige Rechtsprechung des Senats, beginnend mit seinen Urteilen vom 7. Juli 2011 V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76, und in BFHE 234, 531, BStBl II 2014, 81) und der verfahrensrechtlich im Abzugsjahr nicht mehr entzogen werden kann. Denn mit Blick auf den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung führt der materiell-rechtlich fehlerhafte, im Abzugsjahr gewährte Vorsteuerabzug in den Folgejahren nicht zur Besteuerung einer Verwendungsentnahme gemäß § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG. Eine derartige Entnahme ist nur dann steuerbar, wenn die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach der Rechtslage im Veranlagungszeitraum der Verwendung. Fehlt es an einer rechtzeitigen Zuordnung des Gegenstands zum Unternehmen und deshalb auch am Recht zum Vorsteuerabzug, ist die Verwendungsentnahme nicht steuerbar.
Diese Auslegung des § 15a UStG steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Danach kann der Vorsteuerabzug berichtigt werden, wenn sich die Faktoren nach Abgabe der Erklärung geändert haben, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt wurden (Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‑‑RL 77/388/EWG‑‑, entspricht Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ‑‑RL 2006/112/EG‑‑). Sind diese Maßstäbe nach der Rechtsprechung des EuGH nur anwendbar, wenn bei einem steuerbaren Umsatz ein ursprünglicher Vorsteuerabzug vorgenommen wurde, also in den Fällen, in denen der betreffende Steuerpflichtige berechtigt war, die Vorsteuer vorab abzuziehen (so das Urteil vom 18. Juli 2013 C-78/12, Evita-K EOOD, Umsatzsteuer-Rundschau 2014, 475, Rz 59), so zielt diese Einschränkung in Übereinstimmung mit nationalem Recht auf die zweite, hier nicht gegebene Fallgruppe, die unzutreffende Beurteilung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug. Demgegenüber hat sich in der Fallkonstellation, um die es hier geht, die rechtliche Beurteilung der tatsächlich gleichbleibenden Verwendungsumsätze in einem der Folgejahre als unzutreffend erwiesen, während der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug zunächst in Anspruch genommen hat und ihm dieser Abzug verfahrensrechtlich nicht mehr entzogen werden kann.
bb) Nach diesen Grundsätzen liegen im Streitfall die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG im Hinblick auf die unzutreffende Gewährung des Vorsteuerabzugs im Jahr der Fertigstellung des gemischt genutzten Gebäudes (2002) vor:
(1) Wie das FG auf Seite 3 des Urteils in revisionsrechtlich bindender Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt hat, haben die durch eine Steuerberatungsgesellschaft vertretenen Eheleute die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2002 am 4. Januar 2005 beim FA eingereicht. Weiterhin hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass zuvor keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben wurden, in denen eine Zuordnungsentscheidung hätte enthalten sein können. Eine Zuordnungsentscheidung ist nach den Feststellungen des FG auch nicht in anderen dem FA zugeleiteten Unterlagen dokumentiert worden.
Das FA hat von den in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2002 geltend gemachten Vorsteuern (30.184,54 €) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch Änderungsbescheid vom 21. Juli 2008 noch 28.089,37 € anerkannt. Dabei ist es davon ausgegangen, dass durch die Geltendmachung dieses Vorsteuerabzugs konkludent eine wirksame Zuordnung des gesamten gemischt genutzten Gebäudes zum Unternehmensvermögen vorliegt.
Nach der inzwischen ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile in BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76, und in BFHE 234, 531, BStBl II 2014, 81; vom 20. März 2014 V R 27/12, BFH/NV 2014, 1097, m.w.N.) muss der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezugs über die Zuordnung zum Unternehmen entscheiden und diese Entscheidung in der Umsatzsteuer-Voranmeldung, spätestens aber bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen dokumentieren. Der XI. Senat des BFH ist dieser Rechtsprechung mit Urteil vom 11. Juli 2012 XI R 17/09 (BFH/NV 2013, 266) gefolgt.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt keine wirksame Zuordnungsentscheidung für das gemischt genutzte Gebäude vor, sodass die Eingangsleistungen nicht "für das Unternehmen" der Klägerin bezogen wurden und damit der Abzug der in Rechnung gestellten Umsatzsteuern als Vorsteuern ausscheidet.
(2) Eine Änderung der materiell unrichtigen Umsatzsteuerfestsetzung 2002 ist nicht mehr möglich.
(a) Der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2002 erging am 21. Juli 2008 ohne Vorbehaltsvermerk. Da zu diesem Zeitpunkt ein Einspruch anhängig war, ist der Änderungsbescheid zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden, das durch Einspruchsentscheidung vom 29. August 2008 beendet wurde. Da die Klägerin gegen die auch das Jahr 2002 betreffende Einspruchsentscheidung keine Klage erhoben hat, wurde die entsprechende Steuerfestsetzung bestandskräftig und damit unabänderbar.
(b) Eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2002 zulasten der Klägerin ergibt sich nicht aus § 174 Abs. 4 AO. Selbst wenn der (nur) auf Herabsetzung der Umsatzsteuer 2005 gerichtete Klageantrag dahingehend ausgelegt wird, dass sich die Klägerin (auch) gegen eine Entnahmebesteuerung dem Grunde nach wendet und dieser Klage entsprochen würde, stünde § 176 Abs. 2 AO einer Folgeänderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2002 entgegen. Danach darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten Bundesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist. Nach dem BFH-Urteil vom 24. September 1998 IV R 65/96 (BFHE 187, 193, BStBl II 1999, 46) steht dem Erlass eines Änderungsbescheids nach § 174 Abs. 4 AO der Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO jedenfalls dann entgegen, wenn die Finanzverwaltung die der Rechtsprechung entgegenstehende begünstigende Verwaltungsvorschrift allen anderen Steuerpflichtigen gegenüber für eine Übergangszeit anwendet.
Diese Voraussetzung liegt im Streitfall vor: Nach der Anwendungsregelung in Tz. IV des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. Januar 2014 (BStBl I 2014, 119) gelten die Grundsätze dieses Schreibens zwar in allen offenen Fällen. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn der Unternehmer sie erst bei Leistungen anwendet, die nach dem 31. Dezember 2013 bezogen wurden. Daraus folgt, dass im Rahmen dieser Übergangsregelung auch die frühere Fassung von Abschn. 15.2 Abs. 21 Nr. 2 Buchst. b Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (Abschn. 192 Abs. 21 Nr. 2 Buchst. b der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005) Anwendung findet. Danach genügte eine Ausübung der Zuordnungsentscheidung in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung, ohne dass auf den 31. Mai des Folgejahres abgestellt wurde. Der Senat ist durch sein Urteil in BFHE 234, 531, BStBl II 2014, 81 der o.g. Verwaltungsauffassung nicht gefolgt und hat dadurch zum Ausdruck gebracht, dass diese Auffassung mit dem geltenden Recht nicht im Einklang steht. Demnach verhindert § 176 Abs. 2 AO eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2002 nach § 174 Abs. 4 AO. Die Umsatzsteuerfestsetzung 2002 wäre somit auch im Hinblick auf eine widerstreitende Steuerfestsetzung unabänderbar.
(3) Die Unabänderbarkeit der Umsatzsteuerfestsetzung 2002 hat zur Folge, dass die ihr zugrunde liegende unzutreffende Beurteilung des Vorsteuerabzugs für alle Kalenderjahre des Berichtigungszeitraums maßgebend bleibt. Da die aus rechtlichen Gründen zutreffende Beurteilung des Verwendungsumsatzes im Streitjahr 2005 zu einer anderen Beurteilung des Vorsteuerabzugs führt, liegt eine Änderung der Verhältnisse i.S. von § 15a UStG vor. Der Vorsteuerabzug ist zehn Jahre lang mit jeweils 2.809 € (28.089,37 €/zehn Jahre) zu berichtigen.
c) Die von der Klägerin (hilfsweise) begehrte Herabsetzung der Umsatzsteuer 2005 auf 490,38 €, weiter hilfsweise auf 1.415 €, kann ihr nicht zugesprochen werden.
aa) Die Klage führt zwar zu einer Minderung der Umsatzsteuer wegen zu Unrecht der Besteuerung unterworfenen unentgeltlichen Wertabgaben in Höhe von 2.423 € (15.148 € x 16 %). Dieser Minderung steht jedoch eine zu saldierende Umsatzsteuererhöhung (vgl. hierzu II.2.a) auf der Grundlage des § 15a Abs. 1 UStG in Höhe von 2.809 € entgegen.
bb) Die materiell-rechtlich zutreffende Umsatzsteuer beträgt demnach 3.299,38 € (490,38 € + 2.809 €) und ist damit höher als die im angegriffenen Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 21. Juli 2008 festgesetzte Umsatzsteuer von 2.914 €. Im Hinblick auf das auch im Revisionsverfahren geltende Verböserungsverbot (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) ist es dem BFH jedoch versagt, über das erstinstanzliche Klagebegehren hinauszugehen, sodass es bei einer festgesetzten Umsatzsteuer von 2.914 € bleibt.