BFH V. Senat
UStG § 1 Abs 1, UStG § 10 Abs 1, BestattG NW § 15 Abs 1, EGRL 112/2006 Art 79 Buchst c, UStG VZ 2009 , UStAE Abschn 10.4 Abs 4 S 1
vorgehend FG Münster, 09. Dezember 2013, Az: 15 K 2774/12 U
Leitsätze
1. Gebühren für die zweite Leichenschau sind kein Entgelt für Feuerbestattungsleistungen, wenn sie das Krematorium im Namen und für Rechnung ihrer Auftraggeber (z.B. Bestatter oder bestattungspflichtige Erben) verauslagt.
2. Durchlaufende Posten sind diese Gebühren auch dann, wenn das Krematorium die Beträge gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger ihrer Leistung schuldet (anderer Ansicht Abschn. 10.4 Abs. 4 Satz 1 UStAE).
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb im Streitjahr (2009) ein Krematorium. Nach § 15 Abs. 1 des Friedhofs- und Bestattungsgesetzes (BestG NRW) ist für die Feuerbestattung einer Leiche eine Bescheinigung notwendig, aus der hervorgeht, dass der Tod nicht auf unnatürliche Weise eingetreten ist. Diese sogenannte "zweite Leichenschau" ist von den Gesundheitsbehörden durchzuführen. Der Kreis D ließ im Streitjahr die zweite Leichenschau in der Regel in den Räumlichkeiten der Klägerin durch einen Amtsarzt durchführen. Laut Gebührensatzung des Kreises D wurde eine Gebühr von 30 € zuzüglich Fahrtkosten je Leichenschau erhoben.
Der Kreis D erließ im Streitjahr mehrere Sammel-Gebührenbescheide für die durchgeführten Leichenschauen. In den an die Klägerin gerichteten Gebührenbescheiden hieß es wie folgt:
"Für die durchgeführten Leichenschauen anlässlich einer Feuerbestattung werden insgesamt Gebühren in Höhe von ... Euro erhoben. Eine Aufstellung über die Gebühren entnehmen Sie bitte der Rückseite. Die beigefügte Anlage mit den Daten der Verstorbenen ist Bestandteil dieses Bescheides. Die Gebühren werden gemäß der allgemeinen Gebührensatzung des Kreises D [...] in der zur Zeit geltenden Fassung erhoben."
Die Klägerin berechnete die Gebühr in Höhe von 30 € ohne Umsatzsteuer und ohne Fahrtkostenanteil an den jeweiligen Auftraggeber, in der Regel den örtlichen Bestatter, weiter. Die übrigen Leistungen berechnete sie mit Umsatzsteuer. Die Preisliste der Klägerin vom Oktober 2007 weist verschiedene Positionen aus, wie z.B. "Einäscherung inklusive 19 % MwSt" sowie die Position "Amtsarzt, 2. Leichenschau, Gebührenauslage (Keine MwSt)".
Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) davon aus, dass die Gebühren für die zweite Leichenschau im Rahmen einer Feuerbestattung kein durchlaufender Posten, sondern Entgelt für steuerpflichtige Umsätze sei und änderte den Umsatzsteuerbescheid 2009 entsprechend.
Die Klage hatte nach erfolglosem Einspruchsverfahren Erfolg. Zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 385 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, die Klägerin habe mit der zweiten Leichenschau keine Leistungen erbracht. Zwar habe die Klägerin ihren Kunden (Bestattungsunternehmer bzw. bestattungspflichtige Erben) gegenüber durch die Einäscherung steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistungen erbracht. Die Gebühr für die zweite Leichenschau gehöre aber nicht zum Entgelt i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) für diese Leistungen, sondern sei als durchlaufender Posten i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG anzusehen. Die Leistung der Klägerin, für die die Kunden das Entgelt aufwandten, habe in der Regel in der Einäscherung bestanden. Die zweite Leichenschau und die Ausstellung der entsprechenden Bescheinigung sei nicht von der Klägerin, sondern vom Kreis D durch dessen Amtsärzte durchgeführt worden. Die Klägerin habe die zweite Leichenschau weder selbst vornehmen dürfen noch habe sie sie veranlasst. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW sei grundsätzlich die untere Gesundheitsbehörde Veranlasser der zweiten Leichenschau.
Eine Leistung der Klägerin sei auch nicht etwa deshalb anzunehmen, weil sie Gebührenschuldnerin wäre; Gebührenschuldner gegenüber dem Kreis D seien vielmehr die bestattungspflichtigen Erben.
Selbst wenn die Klägerin neben den Erben als Gesamtschuldnerin anzusehen sein sollte, könne der Ansicht des FA (Abschn. 10.4 Abs. 4 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses ‑‑UStAE‑‑), dass in diesem Fall kein durchlaufender Posten vorliege, nicht gefolgt werden. Auch der Umstand, dass der Kreis D jeweils einen Sammelgebührenbescheid allein an die Klägerin übersandt habe, führe zu keinem anderen Ergebnis, da die Adressierung des Bescheides durch den Kreis D nicht die umsatzsteuerrechtlich maßgeblichen Leistungsbeziehungen begründen könne.
Die Durchführung der zweiten Leichenschau werde auch nicht dadurch zu einer Leistung der Klägerin, weil die Bescheinigung für eine Feuerbestattung erforderlich sei.
Auch die Behandlung der Gebühren in der Buchführung sei ausreichend gewesen. Die Klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass ihre Vorgehensweise bei der Buchung ‑‑zunächst keine Buchung auf einem gesonderten Konto durchlaufender Posten‑‑ darauf zurückzuführen gewesen sei, dass sie die vom Kreis berechneten Fahrtkosten aufgrund der Sammelgebührenbescheide nicht den einzelnen Verstorbenen habe zurechnen und daher diesen Anteil letztlich nicht habe weiter berechnen können. Im Übrigen habe der deutsche Gesetzgeber die in Art. 79 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL) enthaltene Bedingung der Erfassung des durchlaufenden Postens in der Buchführung als solcher nicht ausdrücklich in das UStG übernommen.
Hiergegen richtet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision, mit der es Verletzung materiellen Rechts geltend macht.
Maßgeblich für die Beurteilung der Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Kreis D sei dessen Gebührenordnung. Laut Auskunft des Kreises D sei die zweite Leichenschau auf Selbstveranlassung der Klägerin erfolgt. Darüber und über die Gebührenordnung des Kreises D könne sich das FG nicht hinwegsetzen.
Das zur Weiterbelastung von Deponiegebühren ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. April 1999 V R 45/98 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 1999, 929) sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
Der Kreis D vollziehe den Hoheitsakt der zweiten Leichenschau gegenüber der Klägerin, da diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handele. Auch rechne der Kreis D gegenüber der Klägerin und nicht gegenüber den Erben ab. Da sich das Umsatzsteuerrecht an den tatsächlichen Gegebenheiten orientiere, müsse diese Abrechnungsmodalität in die Würdigung des Leistungsaustausches einbezogen werden.
Die Einäscherung und die zweite Leichenschau seien mehrere Leistungen, die von einem Unternehmer, der Klägerin, erbracht würden, und so miteinander verbunden seien, dass sie aus Sicht des Durchschnittsbetrachters als eine Leistung wahrgenommen würden.
Mit dem vom FG herangezogenen Fall der TÜV-Gebühren, bei denen es sich der Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main vom 24. Juni 2010 (S 7100 A-228-St 110) zufolge um durchlaufende Posten handeln solle, sei der vorliegende Fall nicht vergleichbar, weil die zweite Leichenschau jedenfalls auch im wirtschaftlichen Interesse der Klägerin durchgeführt werde.
Außerdem stehe das Urteil im Widerspruch zu den Regelungen in Abschn. 10.4 Abs. 4 Satz 1 UStAE. Danach scheide die Annahme eines durchlaufenden Postens aus, wenn der Unternehmer die Beträge gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger seiner Leistung schulde.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Sie macht sich im Wesentlichen die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des FG-Urteils zu eigen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, dass die Gebühren für die zweite Leichenschau nicht in das Entgelt für die Feuerbestattungsleistungen der Klägerin einzubeziehen sind.
1. Der Umsatz wird gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Zum Entgelt gehört nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Damit übereinstimmend BFH-Urteile vom 1. September 2010 V R 32/09 (BFHE 231, 315, BStBl II 2011, 300), vom 6. Mai 2010 V R 15/09 (BFHE 230, 252, BStBl II 2011, 142), vom 11. Februar 2010 V R 2/09 (BFHE 228, 467, BStBl II 2010, 765) umfasst nach Art. 73 MwStSystRL die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.
Allerdings gehören nach § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), nicht zum Entgelt. Damit wird Art. 79 Buchst. c MwStSystRL umgesetzt, wonach Beträge, die ein Steuerpflichtiger vom Erwerber oder vom Dienstleistungsempfänger als Erstattung der in ihrem Namen und für ihre Rechnung verauslagten Beträge erhält und die in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt sind, nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen sind.
2. Das FG ist ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin die Gebühren für die zweite Leichenschau im Namen und für Rechnung ihrer Auftraggeber verauslagt hat.
Die Verauslagung in fremdem Namen und für fremde Rechnung setzt voraus, dass unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen zwei Beteiligten bestehen, in die der Unternehmer nur als vermittelnde Person (Zahlstelle) zwischengeschaltet ist (BFH-Urteile vom 4. Mai 2011 XI R 4/09, BFH/NV 2011, 1736; in BFHE 231, 315, BStBl II 2011, 300; vom 22. April 2010 V R 26/08, BFHE 229, 429, BStBl II 2010, 883). Darüber hinaus ist aus Gründen der Klarheit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung ein eindeutiger Nachweis der Betätigung des Unternehmers als Zwischenperson bzw. Vermittler für die Beteiligten, zwischen denen die unmittelbaren Rechtsbeziehungen bestehen und für die die vermittelnde Person auftritt, erforderlich. Daher müssen der Zahlungsverpflichtete und der Zahlungsberechtigte jeweils den Namen des anderen und die Höhe des gezahlten Betrages erfahren (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1736).
a) Das FG ist in seiner Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Klägerin an ihre Kunden ausgeführte Leistung nur in der Einäscherung bestanden hat und die zweite Leichenschau nicht von der Klägerin, sondern vom Kreis D an die Kunden der Klägerin erbracht wurde, wobei die Klägerin als Vertreterin ihrer Kunden in Erscheinung trat. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß § 15 Abs. 1 BestG NRW darf die Feuerbestattung einer Leiche oder einer Totgeburt erst vorgenommen werden, wenn eine von der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen unteren Gesundheitsbehörde veranlasste weitere ärztliche Leichenschau vorgenommen und mit einer, bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllenden, Bescheinigung bestätigt worden ist, dass kein Verdacht auf nicht natürlichen Tod besteht. Anstelle der Gesundheitsbehörde nach Satz 1 darf auch die untere Gesundheitsbehörde des Einäscherungsortes die weitere ärztliche Leichenschau veranlassen und die Bescheinigung ausstellen.
Veranlasser der zweiten Leichenschau in diesem Sinne ist die untere Gesundheitsbehörde, die entweder für den Sterbe- oder Auffindungsort oder für den Einäscherungsort zuständig ist. Die zweite Leichenschau ist somit, wie das FA selbst zutreffend ausführt, ein Hoheitsakt, der Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Feuerbestattung ist. Soweit § 3 der Allgemeinen Gebührensatzung des Kreises D regelt, dass Kostenschuldner ist, wer die Leistung selbst oder durch zurechenbares Verhalten eines Dritten veranlasst hat oder begünstigt wird, kann folglich nur eine andere Art der Veranlassung gemeint sein. Das FG ist davon ausgegangen, dass derjenige die zweite Leichenschau i.S. des § 3 der Gebührensatzung des Kreises D "veranlasst", der sie in Auftrag gibt. Das ist nicht nur revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, sondern folgerichtig, denn bei einer Erdbestattung wird keine zweite Leichenschau erforderlich, sodass deren Notwendigkeit auf denjenigen zurückzuführen ist, der sich für eine Feuerbestattung entscheidet.
Nach den weiteren Feststellungen des FG hat sich die Tätigkeit der Klägerin im Hinblick auf die zweite Leichenschau darauf beschränkt, dem Kreis mitzuteilen, welche Leichen ihr zur Einäscherung angeliefert worden sind und die Durchführung der Leichenschau in ihren Räumlichkeiten zu dulden. Es bestehen danach keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Durchführung der zweiten Leichenschau als eigene Verpflichtung in Auftrag geben wollte. Auch für den Kreis D bestand aus Sicht des Empfängerhorizontes kein Grund zu dieser Annahme.
Zutreffend hat das FG auch entschieden, dass es für die Beurteilung der Leistungsbeziehungen nicht darauf ankommt, ob die Klägerin ggf. als "Begünstigte" der Leichenschau gemäß § 2 Abs. 2, § 3 der Gebührensatzung Gesamtschuldnerin der anfallenden Gebühr sein könnte.
Das Auftreten als vermittelnde Zahlstelle ist auch für alle Beteiligten nach außen erkennbar gewesen. Die Klägerin wies die Gebühr für die zweite Leichenschau sowohl in ihrer Preisliste als auch in ihren Abrechnungen gegenüber ihren Auftraggebern getrennt von ihrer eigenen Leistung als Gebührenauslage ohne Umsatzsteuer aus. Die Auftraggeber wussten folglich, wer die zweite Leichenschau durchführte und welche Gebühr dafür anfiel. Umgekehrt hatte der Kreis D über die Identität der Leichen und damit mittelbar auch über die Auftraggeber der Feuerbestattung und damit die Veranlasser der Leichenschau Kenntnis oder hätte diese Kenntnis ohne Weiteres erhalten können.
b) Da die Klägerin die zweite Leichenschau nicht als eigene Leistung vom Kreis D bezogen hat, sondern insoweit ein Leistungsaustausch zwischen dem Kreis D und den Kunden der Klägerin bestand, kommt eine einheitliche ‑‑aus Einäscherung und zweiter Leichenschau bestehende‑‑ Leistung der Klägerin nicht in Betracht. Denn in der Regel ist jeder Umsatz als eigene, selbständige Leistung zu betrachten. Zwar sind unter bestimmten Umständen mehrere formal unterschiedliche Einzelleistungen, die getrennt erbracht werden, als ein einheitlicher Umsatz anzusehen (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen BFH-Urteil vom 10. Januar 2013 V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352). Das setzt aber voraus, dass die einzelnen Leistungen von demselben Steuerpflichtigen erbracht worden sind (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 25. Februar 1999 C-349/96, CPP, Slg. 1999, I-973; vom 15. Mai 2001 C-34/99, Primback, Slg. 2001, I-3833; vom 21. Februar 2008 C-425/06, Part Service, Slg. 2008, I-897; vom 11. Juni 2009 C-572/07, RLRE Tellmer Property, Slg. 2009, I-4983 Rdnr. 18).
c) Auf die Frage, ob die Klägerin die Gebühren nach der Gebührensatzung des Kreises D möglicherweise als Gesamtschuldnerin schuldet, kommt es nicht an. Dass die Finanzverwaltung in Abschn. 10.4 Abs. 4 Satz 1 UStAE die Auffassung vertritt, dass die Annahme eines durchlaufenden Postens ausscheide, wenn der Unternehmer die Beträge gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger seiner Leistung schulde, hat für das FG keinen bindenden Charakter, weil es sich lediglich um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung handelt (BFH-Urteile vom 5. September 2013 XI R 4/10, BFHE 243, 60, BStBl II 2014, 95; vom 10. November 2011 V R 34/10, BFH/NV 2012, 803).
3. Der Unternehmer muss darüber hinaus die in fremdem Namen und für fremde Rechnung vereinnahmten Beträge in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt haben. In § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG ist diese Voraussetzung aus Art. 79 Buchst. c MwStSystRL zwar nicht ausdrücklich aufgenommen. § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG ist aber richtlinienkonform unter Einbeziehung dieser Voraussetzung auszulegen (BFH-Urteil vom 11. Februar 1999 V R 47/98, BFH/NV 1999, 1137; im Ergebnis ebenso BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1736; in HFR 1999, 929). Dem Unternehmer steht damit letztlich ein Wahlrecht zu, ob er die im Namen und für Rechnung seiner Leistungsempfänger verauslagten Beträge als Teil der Besteuerungsgrundlage erfasst wissen will oder nicht (BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1736; in HFR 1999, 929; in BFH/NV 1999, 1137). Nimmt er diese Behandlung in seiner Buchführung nicht vor, fallen die Beträge in die Bemessungsgrundlage für seine Leistung (BFH-Urteil in HFR 1999, 929).
Von diesem Wahlrecht hat die Klägerin zugunsten eines durchlaufenden Postens Gebrauch gemacht. Sie hat die Gebühren nicht nur in ihrer Preisliste und ihren Abrechnungen gesondert aufgeführt, sondern ausweislich der Ausführungen des FA in der Einspruchsentscheidung auch gesondert in der Buchführung erfasst. Dass die Klägerin dabei sowohl die verauslagten Gebühren als auch die von ihren Auftraggebern vereinnahmten Erlöse aus der zweiten Leichenschau in der Buchführung erfolgswirksam behandelt hat, ist dabei unschädlich, weil sich die Buchungen auf dem Aufwandskonto und dem Erfolgskonto im Ergebnis neutralisieren. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin die Gebühren umsatzsteuerrechtlich als durchlaufende Posten behandelt hat; ob sie sie ausdrücklich auch so bezeichnet hat, ist unerheblich.