BFH II. Senat
GrEStG § 8 Abs 1, GrEStG § 9 Abs 1 Nr 1, BauGB § 11 Abs 1 S 2 Nr 3
vorgehend FG München, 23. Oktober 2012, Az: 4 K 691/10
Leitsätze
Eine vom Grundstückserwerber übernommene und noch nicht entstandene Zahlungsverpflichtung des Grundstücksverkäufers, die dieser in einem städtebaulichen Vertrag gegenüber einer Gemeinde eingegangen ist, ist keine Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und damit nicht Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG) der Grunderwerbsteuer .
Tatbestand
I.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 31. März 2008 erwarb die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) von T in der Stadt A im Bereich eines Bebauungsplans vom 22. Juni 2001 belegene Grundstücke zu einem Kaufpreis von 6.400.000 €. Die Klägerin trat ferner bezüglich der Kaufgrundstücke in alle Rechte und Pflichten aus einem von den Rechtsvorgängern der T u.a. mit der A geschlossenen städtebaulichen Vertrag vom 30. April 2001 ein und übernahm anstelle des Verkäufers den gemäß Teil 5 des städtebaulichen Vertrags vom "Begünstigten einer Baurechtsbegründung" geschuldeten Folgekostenbeitrag in Höhe von 60 DM (30,68 €) je Quadratmeter Wohnfläche. Der Folgelastenbeitrag war Zug um Zug gegen die Erteilung von Baugenehmigungen bzw. mit Eintritt der Rechtswirkungen von Genehmigungsfreistellungen nach der Bayerischen Bauordnung (BayBO) fällig. Er sollte die Aufwendungen der A für den zusätzlichen Bedarf an Kindergarten- und Hortplätzen decken, der durch die im Bebauungsplan geschaffene Bebauungsmöglichkeit ausgelöst wurde.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte gegen die Klägerin durch Bescheid vom 26. Mai 2008 Grunderwerbsteuer in Höhe von 224.000 € fest. Der Bescheid erging gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) vorläufig, da die Höhe des als Gegenleistung anzusetzenden Folgekostenbeitrags noch ungewiss war. Der Einspruch blieb erfolglos.
Nach Klageerhebung setzte das FA durch gemäß § 165 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO geänderten und für endgültig erklärten Bescheid die Grunderwerbsteuer auf 235.999 € herauf. Bemessungsgrundlage waren nunmehr neben dem Kaufpreis die der Klägerin von A gemäß dem städtebaulichen Vertrag berechneten Folgekosten von 342.849 €. Grundlage der Berechnung des Folgekostenbeitrags war die Wohnfläche, die sich aus den der Klägerin im Jahre 2009 erteilten Baugenehmigungen ergab.
Das Finanzgericht gab der Klage, die auf Nichteinbeziehung der Folgekosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gerichtet war, statt. Die Klägerin habe mit der Übernahme der Verpflichtungen der T aus der Folgekostenvereinbarung keine konkrete geldwerte Verpflichtung der T übernommen. Die aufgrund der Folgekostenvereinbarung zu zahlenden Kosten seien erst in der Person der Klägerin aufgrund der von ihr vorgenommenen Grundstücksbebauung entstanden und hätten nicht zu einer Bereicherung der T geführt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 960 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Eine vom Grundstückserwerber übernommene und noch nicht entstandene Zahlungsverpflichtung des Grundstücksverkäufers, die dieser in einem städtebaulichen Vertrag gegenüber einer Gemeinde eingegangen ist, ist keine Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und damit nicht Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG) der Grunderwerbsteuer.
1. Bei einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbaren Grundstückskaufvertrag bemisst sich die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung. Maßgebend für den Umfang der Gegenleistung ist das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft, bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG regelmäßig die kaufvertraglich begründete Übereignungsverpflichtung (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 30. März 2009 II R 62/06, BFHE 225, 503, BStBl II 2009, 854, m.w.N.). Als Gegenleistung gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (BFH-Urteile vom 11. Februar 2004 II R 31/02, BFHE 204, 489, BStBl II 2004, 521; vom 30. Juli 2008 II R 40/06, BFH/NV 2008, 2060, und vom 30. März 2009 II R 1/08, BFH/NV 2009, 1666). Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung müssen kausal verknüpft sein (BFH-Urteile vom 2. Juni 2005 II R 6/04, BFHE 210, 60, BStBl II 2005, 651, und vom 13. Dezember 2006 II R 22/05, BFH/NV 2007, 1183).
2. Im Streitfall ist der von der Klägerin an A gezahlte Folgekostenbeitrag nicht Kaufpreis i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Die Übereignungsverpflichtung der T umfasste gemäß Tz. V.1 Buchst. ee des Grundstückskaufvertrags auch in Ansehung des Bebauungsplans vom 22. Juni 2001 nicht eine in bestimmter Weise bzw. in bestimmtem Umfang gegebene Bebaubarkeit bzw. bauliche Nutzung der Grundstücke.
3. Der von der Klägerin gezahlte Folgelastenbeitrag ist auch keine von ihr übernommene sonstige Leistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.
a) Eine sonstige Leistung liegt vor, wenn sich der Käufer kaufvertraglich verpflichtet, eine bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in der Person des Verkäufers entstandene Verbindlichkeit (Zahlungsverpflichtung) zu tragen (BFH-Urteil in BFHE 225, 503, BStBl II 2009, 854). Dies setzt voraus, dass die Verbindlichkeit ohne die getroffene Vereinbarung allein vom Veräußerer erfüllt werden müsste (BFH-Urteile vom 27. August 2003 II R 27/01, BFH/NV 2004, 226; vom 8. Juni 2005 II R 26/03, BFHE 210, 372, BStBl II 2005, 613).
b) Im Streitfall war für T bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags noch keine Zahlungsverpflichtung aus der im städtebaulichen Vertrag vereinbarten Folgelastenvereinbarung entstanden.
aa) Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Baugesetzbuchs (BauGB) kann Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen sein, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind. Für den aufgrund dieser Vorschrift zulässigen Folgekostenvertrag fehlt es, im Gegensatz zu der für den Erschließungsbeitrag in § 133 Abs. 2 BauGB getroffenen Regelung, an einer gesetzlichen Bestimmung über die Entstehung eines vom Baubewerber zu zahlenden Folgekostenbeitrags.
bb) Grundsätzlich kann zwar die Zahlungsverpflichtung aus einem städtebaulichen Vertrag unabhängig davon entstehen, zu welchem Zeitpunkt die durch den Folgekostenbeitrag zu finanzierenden kommunalen Einrichtungen fertig gestellt werden. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (z.B. Erlass des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 28. Juni 2000 36 –S 4521-33/17-28 502) gehören aber bei der Verknüpfung eines Folgelastenvertrags mit dem Erwerb eines Grundstücks die vom Erwerber übernommenen Folgekosten nicht in jedem Fall zur Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Maßgebend ist vielmehr, in welchem Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde (für die Einbeziehung von Erschließungskosten in die Bemessungsgrundlage vgl. z.B. BFH-Urteile vom 15. März 2001 II R 51/00, BFH/NV 2001, 1297, und vom 23. September 2009 II R 21/08, BFH/NV 2010, 679). Dies bestimmt sich nach den im Folgekostenvertrag getroffenen Regelungen.
cc) Im Streitfall ist Gegenstand der im städtebaulichen Vertrag vom 30. April 2001 getroffenen Folgekostenvereinbarung die "Beteiligung der Begünstigten einer Baurechtsbegründung" an dem durch die künftige Bebauung ausgelösten zusätzlichen Bedarf an Kindergarten- und Hortplätzen. Insoweit waren, den Zulässigkeitsanforderungen an einen städtebaulichen Vertrag i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB entsprechend, die der Gemeinde entstehenden Kosten mit dem begünstigten Bauvorhaben kausal verknüpft (dazu Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. März 2011 4 C 11.10, BVerwGE 139, 262). Dabei sollte nach der hier im städtebaulichen Vertrag getroffenen Vereinbarung der Folgelastenbeitrag nicht bereits im Zeitpunkt der Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans, sondern erst im Zeitpunkt des für den Erwerber individuell begründeten konkreten Baurechts entstehen. Dies ergibt sich aus der in Teil 5 - § 3 des städtebaulichen Vertrags getroffenen Vereinbarung, wonach der Folgelastenbeitrag erst Zug um Zug gegen die Erteilung der Baugenehmigungen bzw. mit Eintritt der Rechtswirkungen von Genehmigungsfreistellungen nach der BayBO fällig war.
dd) Aufgrund dieser Vertragslage war im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags am 31. März 2008 noch keine Zahlungsverpflichtung der T aus dem Folgelastenvertrag entstanden. T war zu diesem Zeitpunkt weder eine Baugenehmigung erteilt worden noch lag eine Genehmigungsfreistellung nach der BayBO vor. Der Folgekostenbeitrag entstand vielmehr erst im Jahre 2009 in dem Zeitpunkt, in dem der Klägerin die von ihr beantragten Baugenehmigungen für das Bauvorhaben erteilt wurden. Grunderwerbsteuerrechtlich handelt es sich damit bei dem von der Klägerin gezahlten Folgelastenbeitrag um eine allein auf ihr Bauvorhaben bezogene eigennützige Leistung; eine solche ist keine Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 225, 503, BStBl II 2009, 854, und vom 8. September 2010 II R 28/09, BFHE 231, 244, BStBl II 2011, 227).