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Urteil vom 05. Juni 2014, XI R 44/12

Zur Frage der Anwendung der sog. Mindestbemessungsgrundlage bei steuerpflichtiger Verpachtung an einen zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer

BFH XI. Senat

UStG § 4 Nr 12 S 1 Buchst a, UStG § 9, UStG § 10 Abs 4 S 1 Nr 2, UStG § 10 Abs 5 Nr 1, UStG § 13 Abs 1 Nr 1, UStG § 13 Abs 1 Nr 3, UStG § 14c Abs 1, UStG § 15a Abs 3, UStG § 15a Abs 4, UStG § 24 Abs 1 S 4, EWGRL 388/77 Art 10 Abs 2 UAbs 3 Ss 1, EWGRL 388/77 Art 11 Teil A Abs 6, EWGRL 388/77 Art 27 Abs 1, EGRL 112/2006 Art 66, EGRL 112/2006 Art 80, EGRL 112/2006 Art 395, UStG VZ 2006 , UStG VZ 2007 , UStAE Abschn 13.7. S 2

vorgehend FG München, 26. November 2012, Az: 2 K 3380/10

Leitsätze

1. Die sog. Mindestbemessungsgrundlage ist bei Leistungen an einen zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn der vom Leistungsempfänger in Anspruch genommene Vorsteuerabzug keiner Vorsteuerberichtigung i.S. des § 15a UStG unterliegt.

2. Weist der leistende Unternehmer in einer berichtigten Rechnung über eine steuerpflichtige Leistung (Nachberechnung) einen höheren Steuerbetrag aus, als er nach dem Gesetz schuldet, entsteht die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Mehrsteuer nicht vor Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die berichtigte Rechnung erteilt worden ist (entgegen Abschn. 13.7. Satz 2 UStAE).

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine aus den Eheleuten X bestehende Grundstücksgemeinschaft.

  2. Im Jahr 2005 begann sie auf einem im Eigentum der Gemeinschafter stehenden Grundstück mit der Errichtung einer Schweinezuchtanlage. Die vorsteuerbelasteten Anschaffungs- und Herstellungskosten betrugen für die Gebäude und die damit verbundenen Betriebsvorrichtungen ... € und für sonstige Betriebsvorrichtungen ... €.

  3. Mit Pachtvertrag vom 1. Oktober 2005 verpachtete die Klägerin diese Anlage unter Verzicht gemäß § 9 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ab Juni 2006 an den gemeinsamen Sohn der Gemeinschafter, S, der einen landwirtschaftlichen Betrieb führte, auf die Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG verzichtet hatte (§ 24 Abs. 4 UStG) und deshalb gemäß § 15 UStG zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt war. Als monatlicher Pachtzins wurden ... € zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart. Ab dem 1. Juli 2020 beträgt der Pachtzins ... € netto pro Monat.

  4. Die im Zusammenhang mit der Anschaffung und Herstellung anfallenden Vorsteuerbeträge machte die Klägerin in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2007 geltend. Aus der Verpachtung erklärte sie steuerpflichtige Umsätze für das Streitjahr 2006 zu 16 % in Höhe von ... € und für das Streitjahr 2007 zu 19 % in Höhe von ... €.

  5. Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Auffassung, dass als Bemessungsgrundlage der Verpachtungsumsätze der Klägerin nicht der vereinbarte ‑‑dem S (zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer) in Rechnung gestellte‑‑ Pachtzins in Höhe von ... € netto pro Monat, sondern die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG anzusetzen sei. Der Prüfer ermittelte unter Berücksichtigung der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Stalles und der Betriebsvorrichtungen unter Verteilung der Kosten für das Gebäude auf zehn Jahre und der für die Betriebsvorrichtungen auf fünf Jahre eine Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von ... € netto pro Monat.

  6. Das FA erhöhte die monatlichen Umsätze der Klägerin dementsprechend um ... € und setzte mit Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden vom 22. Februar 2010 die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2006 auf ... € sowie für das Streitjahr 2007 auf ... € fest. Mit Einspruchsentscheidung vom 24. März 2011 wies das FA die Einsprüche der Klägerin als unbegründet zurück.

  7. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte unter Änderung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide die Umsatzsteuer für die Streitjahre antragsgemäß auf ... € bzw. ... € herab.

  8. Es führte in den Gründen seiner Entscheidung aus, § 10 Abs. 5 UStG sei ‑‑möglicherweise entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)‑‑ nicht anwendbar, wenn ‑‑wie vorliegend‑‑ Leistungsbeziehungen zwischen voll zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmern betroffen seien.

  9. Denn die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 5 UStG sei nicht durch die ihr zugrunde liegende Ratsermächtigung gemäß Art. 27 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) gedeckt, soweit der fragliche Umsatz zwischen zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmen stattfinde, weil auf dieser Stufe keine Steuerhinterziehung oder -umgehung stattfinden könne. Dies entspreche auch Art. 80 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), auf dem zwar die Vorschrift des § 10 Abs. 5 UStG nicht beruhe, der aber allgemeine Grundsätze beinhalte, die bei der richtlinienkonformen Auslegung der Sonderregelung in § 10 Abs. 5 UStG zu beachten seien.

  10. Es komme demnach nicht darauf an, ob sich die Klägerin unmittelbar auf Art. 80 Abs. 1 der MwStSystRL berufen könne, und ob im Streitfall ein marktübliches Entgelt ermittelbar bzw. gezahlt worden sei.

  11. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 402 veröffentlicht.

  12. Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

  13. Es bringt im Wesentlichen vor, die Vorentscheidung stehe im Widerspruch zum BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 39/06 (BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786), wonach eine Gefahr für eine Steuerumgehung, die zur Anwendung des § 10 Abs. 5 UStG führen müsse, auch dann vorliege, wenn diese Gefahr sich ‑‑wie hier‑‑ erst später verwirkliche. Das FG habe insoweit nicht berücksichtigt, dass S als Leistungsempfänger mit Wirkung zum 1. Januar 2012 ‑‑mithin noch innerhalb des zehnjährigen Berichtigungszeitraums des § 15a Abs. 1 UStG‑‑ wieder zur Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG zurückgekehrt sei.

  14. Die Grundstücksgemeinschaft könne ‑‑trotz der Rückkehr des S zur Durchschnittssatzbesteuerung‑‑ weiterhin auf die Steuerfreiheit ihrer Vermietungsumsätze verzichten und müsse ihren Vorsteuerabzug selbst nicht i.S. des § 15a UStG berichtigen. Bei S wäre ab 2012 ‑‑ohne Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage‑‑ ein zu niedriger Umsatzsteuerbetrag nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG vom Vorsteuerausschluss betroffen.

  15. Der Gefahr einer Steuerumgehung, die bei Rechtsgeschäften zwischen nahen Angehörigen grundsätzlich bestehe, könne nur durch § 10 Abs. 5 UStG begegnet werden, wenn nicht ausschließlich der Zeitpunkt der Leistungserbringung betrachtet werde. Eine Anwendung des § 10 Abs. 5 UStG erst in einem nachfolgenden Besteuerungszeitraum widerspreche wegen des Überwachungsaufwands und der damit steigenden Gefahr des Steuerausfalls dem Neutralitätsgrundsatz.

  16. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 26. April 2012 C-621/10 und C-129/11 ‑‑Balkan and Sea Properties‑‑ (Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 2012, 435, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2012, 675) obliege es dem nationalen Gericht zu prüfen, ob Steuerpflichtige vorhanden seien, die zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt seien, und damit keine Gefahr einer Steuerumgehung bestehe. Der EuGH überlasse es in Rz 48 dieses Urteils den nationalen Gerichten, unter welchen zeitlichen Aspekten ein Unternehmer als Leistungsempfänger gelte, der zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sei.

  17. Selbst wenn das FG die Anwendung des § 10 Abs. 5 UStG zu Recht auf Leistungen zwischen nicht zum vollen Vorsteuerabzug Berechtigten beschränkt hätte, wären die angefochtenen Steuerfestsetzungen rechtmäßig, weil die Klägerin am 2. März 2010 den sich bei einer Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 5 UStG ergebenden Betrag dem S zuzüglich Mehrwertsteuer nachberechnet habe, sodass insoweit ein unrichtiger Steuerausweis i.S. des § 14c Abs. 1 UStG vorliege. Nach dem BFH-Urteil vom 8. September 2011 V R 5/10 (BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620) entstehe die Steuer in den Fällen des unrichtigen Steuerausweises in dem Zeitpunkt, in dem die Steuer ‑‑vorliegend in den Streitjahren‑‑ entstanden sei.

  18. Zudem ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG, dass ein nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldeter Mehrbetrag gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 UStG nur dann mit der Ausgabe der Rechnung entstehe, soweit über eine nicht steuerbare oder steuerfreie Leistung abgerechnet werde, was hier nicht der Fall sei.

  19. Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  20. Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise die Rechtswidrigkeit der Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007 vom 22. Februar 2010 festzustellen.

  21. Sie tritt der Revision entgegen und führt dazu im Kern aus, die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG komme ‑‑wie sich aus dem EuGH-Urteil ‑‑Balkan and Sea Properties‑‑ in UR 2012, 435, HFR 2012, 675 ergebe‑‑ schon deshalb nicht zur Anwendung, weil der Leistungsempfänger ‑‑der S‑‑ in den Streitjahren zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei.

  22. Die vom FA behauptete Veränderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse zum 1. Januar 2012 rechtfertige die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage in den Streitjahren 2006 und 2007 nicht.

  23. Der Vorsteuerabzug des Pächters S als Leistungsempfänger unterliege ‑‑anders als der des Empfängers einer Lieferung, wozu der BFH in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786 entschieden habe‑‑ keiner Vorsteuerberichtigung. Die in den Streitjahren bei S angefallenen Vorsteuerbeträge seien endgültig.

  24. Das FA könne mit seinem neuen tatsächlichen Vorbringen zu der am 2. März 2010 ausgestellten Rechnung, mit der die Klägerin den sich nach der Mindestbemessungsgrundlage ergebenden Mehrbetrag dem S zuzüglich Mehrwertsteuer nachberechnet habe, im Revisionsverfahren nicht mehr gehört werden. Im Übrigen entstehe die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Steuer erst mit Ausstellung der Rechnung und nicht schon rückwirkend in den Festsetzungszeiträumen, in denen die Umsätze ausgeführt worden seien, für die eine zu hohe Steuer ausgewiesen werde.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

  2. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die infolge des Verzichts auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1, § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG in vollem Umfang steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin aus der Verpachtung einer Schweinezuchtanlage nicht nach der Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG, sondern nach dem Entgelt i.S. des § 10 Abs. 1 UStG zu bemessen sind. Es kann im Streitfall dahinstehen, ob ‑‑wie das FG meint‑‑ die Vorschriften über die sog. Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG) nicht anwendbar sind, soweit Leistungsbeziehungen zwischen voll zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmern betroffen sind.

  3. 1. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG unterliegen entgeltliche Leistungen, die Körperschaften, Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen ausführen, der sog. Mindestbemessungsgrundlage. Gegenüber nahestehenden Personen ‑‑wie dem S‑‑ erfolgt die Besteuerung dann nicht auf der Grundlage des vereinbarten Entgelts, sondern nach den Bemessungsgrundlagen des § 10 Abs. 4 UStG (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786, unter II.2.a).

  4. a) § 10 Abs. 5 UStG stellt eine abweichende Sondermaßnahme i.S. des Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ‑‑nunmehr Art. 395 Abs. 1 der MwStSystRL‑‑ dar. Die Vorschrift ist als abweichende nationale Maßnahme zur Verhütung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen eng auszulegen und darf nur angewandt werden, soweit dies hierfür unbedingt erforderlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 8. Oktober 1997 XI R 8/86, BFHE 183, 314, BStBl II 1997, 840; in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786; vom 27. Februar 2008 XI R 50/07, BFHE 221, 410, BStBl II 2009, 426; vom 29. Mai 2008 V R 12/07, BFHE 221, 525, BStBl II 2009, 428; vom 7. Oktober 2010 V R 4/10, BFHE 232, 537, BFH/NV 2011, 930; vom 19. Juni 2011 XI R 8/09, BFHE 234, 455, BFH/NV 2011, 2184; ferner EuGH-Urteil vom 29. Mai 1997 C-63/96 ‑‑Skripalle‑‑, Slg. 1997, I-2847, BStBl II 1997, 841, Rz 22 f.)

  5. b) Der EuGH hat zu Art. 80 der MwStSystRL ‑‑der die Bestimmungen des Art. 11 Teil A Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG in der durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 geänderten Fassung übernommen hat‑‑ für den Fall der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen zu einem künstlich niedrigen oder hohen Preis, der zwischen Beteiligten vereinbart wird, die beide zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, entschieden, dass auf dieser Stufe keine Steuerhinterziehung oder -umgehung stattfinde (vgl. EuGH-Urteil ‑‑Balkan and Sea Properties‑‑ in UR 2012, 435, HFR 2012, 675, Rz 47). Erst beim Endverbraucher oder bei einem eine "Mischung" von Umsätzen bewirkenden Steuerpflichtigen, der nur zu einem Pro-Rata-Abzug berechtigt sei, könne ein künstlich hoher oder niedriger Preis zu einem Steuerausfall führen. Nur wenn die von dem Vorgang betroffene Person nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sei, bestehe ein Risiko von Steuerhinterziehung oder -umgehung, dem die Mitgliedstaaten vorbeugen dürften (vgl. EuGH-Urteil ‑‑Balkan and Sea Properties‑‑ in UR 2012, 435, HFR 2012, 675, Rz 48).

  6. c) Gemessen daran kommt die Mindestbemessungsgrundlage ‑‑wie das FG zutreffend entschieden hat und wovon das FA inzwischen auch selbst ausgeht‑‑ in den Streitjahren nicht zur Anwendung; denn S war in den Streitjahren zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt.

  7. Über die Situation ab 2012 ist vorliegend nicht zu befinden.

  8. d) Soweit das FA vorbringt, eine Anwendung des § 10 Abs. 5 UStG erst in einem nachfolgenden Besteuerungszeitraum widerspräche wegen des Überwachungsaufwands und der damit steigenden Gefahr des Steuerausfalls dem Neutralitätsgrundsatz, rechtfertigt dies nicht die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG in den Streitjahren.

  9. Denn als bloße Vereinfachungsregelung für die Steuererhebung darf die Vorschrift nicht herangezogen werden (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 183, 314, BStBl II 1997, 840; in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786; ferner EuGH-Urteil ‑‑Skripalle‑‑ in Slg. 1997, I-2847, BStBl II 1997, 841, Rz 30).

  10. e) Danach bedarf es ‑‑entgegen der Ansicht des FA‑‑ keiner Erörterung, ob vorliegend die Mindestbemessungsgrundlage das marktübliche Entgelt übersteigt (vgl. dazu EuGH-Urteil ‑‑Skripalle‑‑ in Slg. 1997, I-2847, BStBl II 1997, 841, Rz 26).

  11. 2. Dies steht im Ergebnis im Einklang mit der Rechtsprechung des V. Senats des BFH in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786.

  12. a) Nach der ‑‑vor dem EuGH-Urteil ‑‑Balkan and Sea Properties‑‑ in UR 2012, 435, HFR 2012, 675 ergangenen‑‑ Rechtsprechung des V. Senats des BFH besteht die Gefahr von Steuerhinterziehungen und -umgehungen grundsätzlich bei Rechtsgeschäften zwischen nahestehenden Personen, und zwar nicht nur bei Leistungen an Personen, die nicht oder nur eingeschränkt zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, sondern auch bei Leistungen an Personen, die den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG vollumfänglich in Anspruch nehmen können (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786, unter II.2.b), wenn nach Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG ‑‑nunmehr Art. 184 der MwStSystRL‑‑ und § 15a UStG ggf. eine Berichtigung des vom Leistungsempfänger in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs bei einer späteren Änderung der hierfür maßgeblichen Verhältnisse in Betracht kommt. Die Berichtigung nach § 15a UStG beziehe sich auf den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers und erfolge somit auf der Grundlage des Entgelts für die an diesen erbrachte Leistung. Wäre § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG aufgrund der Berechtigung des Leistungsempfängers zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG nicht anwendbar, würden Berichtigungen nach § 15a UStG auf der Grundlage eines Vorsteuerbetrags vorgenommen, der auf einem verbilligten Entgelt beruhe, woraus sich die Gefahr von Steuerumgehungen ergebe (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786, unter II.2.b).

  13. Die Finanzverwaltung hat sich dem angeschlossen und festgelegt, dass es der Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage nicht entgegenstehe, wenn über eine ordnungsgemäß durchgeführte Lieferung an einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer abgerechnet werde (Abschn. 10.7. Abs. 6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses ‑‑UStAE‑‑).

  14. b) Auch danach wären vorliegend die streitigen Umsätze nicht nach der Mindestbemessungsgrundlage zu bemessen.

  15. Denn auch soweit S ‑‑wie das FA nunmehr vorbringt, wozu das FG jedoch keine Feststellungen getroffen hat‑‑ zum 1. Januar 2012 von der allgemeinen Besteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung zurückgekehrt sein sollte, was nach § 15a Abs. 7 UStG als eine Änderung der Verhältnisse zu werten wäre, kommt keine Berichtigung des in den Streitjahren 2006 und 2007 aus dem streitigen Leistungsbezug in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs i.S. des § 15a Abs. 1 und 2 UStG in Betracht, sodass vorliegend eine die Anwendung der abweichenden Vorschriften über die Mindestbemessungsgrundlage rechtfertigende Gefahr von Steuerhinterziehung und -umgehung nicht besteht.

  16. aa) Im Streitjahr 2006 galt § 15a Abs. 4 UStG in der durch das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310) eingefügten Fassung. Die Vorschrift lautete: "Die Absätze 1 und 2 sind auf sonstige Leistungen, die nicht unter Absatz 3 Satz 1 fallen, entsprechend anzuwenden." Danach war der Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn der Unternehmer eine sonstige Leistung bezieht, die nicht in einen Gegenstand eingeht oder an diesem ausgeführt wird und deren Verwendung anders zu beurteilen ist, als dies im Zeitpunkt des Leistungsbezugs beabsichtigt war (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 6. Dezember 2005 IV A 5-S 7316-25/05, BStBl I 2005, 1068, Rz 43).

  17. Eine sonstige Leistung, die unter die Berichtigungspflicht nach § 15a Abs. 4 UStG fiel, war u.a. die Anmietung eines Wirtschaftsguts (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 1068, Rz 44). Hiernach war die Pacht der Schweinezuchtanlage grundsätzlich eine nach § 15a Abs. 4 UStG berichtigungspflichtige sonstige Leistung.

  18. bb) Allerdings wurde es aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet, wenn der Unternehmer die Berichtigung des Vorsteuerabzugs auf solche sonstigen Leistungen beschränkte, für die in der Steuerbilanz ein Aktivposten gebildet werden müsste. Dies galt jedoch nicht, soweit es sich um sonstige Leistungen handelte, für die der Leistungsempfänger bereits für einen Zeitraum vor Ausführung der sonstigen Leistung den Vorsteuerabzug vornehmen konnte (Voraus- und Anzahlung). Unerheblich war, ob der Unternehmer nach den §§ 140, 141 der Abgabenordnung (AO) tatsächlich zur Buchführung verpflichtet war (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 1068, Rz 46; Abschn. 217c Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008).

  19. cc) Diese Verwaltungsregelung wurde ab dem 1. Januar 2007 Gesetz. Nach der mit Wirkung zum 1. Januar 2007 durch Art. 8 Nr. 1 Buchst. b des Ersten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft (BürokratieabbauG) vom 22. August 2006 (BGBl I 2006, 1970) geänderten Fassung des § 15a Abs. 4 UStG ist die Berichtigung auf solche sonstigen Leistungen zu beschränken, für die in der Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot bestünde (§ 15a Abs. 4 Satz 2 UStG). Dies gilt jedoch nicht, soweit es sich um sonstige Leistungen handelt, für die der Leistungsempfänger bereits für einen Zeitraum vor Ausführung der sonstigen Leistung den Vorsteuerabzug vornehmen konnte (§ 15a Abs. 4 Satz 3 UStG). Unerheblich ist, ob der Unternehmer nach den §§ 140, 141 AO tatsächlich zur Buchführung verpflichtet ist (§ 15a Abs. 4 Satz 4 UStG).

  20. Nach der Gesetzesbegründung zum BürokratieabbauG wird durch § 15a Abs. 4 Sätze 2 bis 4 UStG "klargestellt, welche sonstigen Leistungen der Berichtigung des Vorsteuerabzugs unterliegen" (BRDrucks 302/06, S. 25).

  21. dd) Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei sonstigen Leistungen, die ‑‑wie im Streitfall‑‑ nicht unter § 15a Abs. 3 UStG fallen, ist demnach ‑‑mit Ausnahme für sonstige Leistungen, für die der Unternehmer wie bei An- oder Vorauszahlungen den Vorsteuerabzug geltend machen kann, bevor er die Leistung bezogen hat‑‑ auf solche zu beschränken, für die in der Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot besteht, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Unternehmer nach den §§ 140, 141 AO selbst zur Buchführung verpflichtet ist (vgl. dazu Bunjes/Heidner, UStG, 12. Aufl., § 15a Rz 53; Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15a A 27 bis A 29).

  22. Dies ist hier nicht der Fall. Denn ein ‑‑wie hier von S‑‑ fortlaufend gezahltes Leistungsentgelt kann nicht als Anschaffungskosten eines immateriellen Wirtschaftsguts "Nutzungsrecht" aktiviert werden (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 19. Juni 1997 IV R 16/95, BFHE 183, 484, BStBl II 1997, 808, unter II.3.; vom 20. November 2012 VIII R 31/09, BFH/NV 2013, 527, Rz 17; ferner Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 32. Aufl., § 5 Rz 176, jeweils m.w.N.). Zwar ist das aus einem Mietverhältnis ‑‑gleiches gilt für ein hier vorliegendes Pachtverhältnis‑‑ folgende Nutzungsrecht durch einen laufend zu entrichtenden Mietzins entgeltlich erworben; gleichwohl ist das Nutzungsrecht nicht zu bilanzieren, weil ihm ein schwebendes Geschäft zugrunde liegt, das nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nicht in die Bilanz aufzunehmen ist, solange ‑‑wie hier‑‑ das bestehende Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten nicht durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände gestört ist (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile in BFHE 183, 484, BStBl II 1997, 808, unter II.3.; in BFH/NV 2013, 527, Rz 17; ferner zur Aktivierung von Nutzungsrechten aus einem Mietvertrag Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz 100, Beispiele). Die von S aus der in den Streitjahren 2006 und 2007 von der Klägerin mit gesondertem Steuerausweis in Rechnung gestellten Pacht der Schweinezuchtanlage in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge sind mithin ‑‑selbst bei einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 7 UStG‑‑ bei S nicht zu berichtigen.

  23. 3. Es kann dahinstehen, ob ‑‑wie die Klägerin meint‑‑ bei der vom Senat zu treffenden Revisionsentscheidung unberücksichtigt bleiben muss, dass ‑‑wie das FA nunmehr unter Hinweis auf § 14c Abs. 1 UStG vorbringt, wozu das FG zwar keine Feststellungen getroffen hat, was die Klägerin jedoch mit Schriftsatz vom 8. Mai 2014 eingeräumt hat‑‑ diese am 2. März 2010 den sich nach der Mindestbemessungsgrundlage ergebenden Mehrbetrag dem S zuzüglich Umsatzsteuer nachträglich in Rechnung gestellt hat (zur grundsätzlichen Nichtberücksichtigung von neuem tatsächlichen Vorbringen im Revisionsverfahren vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Januar 2014 VII R 26/10, BFHE 244, 480, BFH/NV 2014, 990, Rz 16). Die Revision des FA wäre selbst bei Berücksichtigung dieses neuen Sachverhalts unbegründet, weil eine von der Klägerin mit Rechnung vom 2. März 2010 ausgewiesene überhöhte Steuer nicht in den Streitjahren 2006 und 2007 entstanden wäre.

  24. a) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag ausgewiesen, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag (§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG). Die Steuer entsteht in diesem Fall gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG in dem Zeitpunkt, in dem die Steuer für die Lieferung oder sonstige Leistung entsteht, spätestens jedoch mit der Ausgabe der Rechnung. § 13 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 UStG wurde auf Initiative des Bundesrats durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz ‑‑StÄndG‑‑ 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) eingefügt.

  25. Dies entspricht dem Unionsrecht. Die Mitgliedstaaten können ‑‑da der Steuertatbestand bei einer zu hoch ausgewiesenen Steuer die Ausgabe der Rechnung ist‑‑ gemäß Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 3 Spiegelstrich 1 der Richtlinie 77/388/EWG ‑‑nunmehr Art. 66 Satz 1 Buchst. a der MwStSystRL‑‑ als Entstehungszeitpunkt spätestens die Ausstellung der Rechnung vorsehen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620, Rz 25).

  26. b) Wird über eine bisher steuerfreie oder nicht steuerbare Leistung erstmals mit Umsatzsteuer abgerechnet, entsteht die Steuer bei richtlinienkonformer Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG erst im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620, Rz 25, m.w.N.). Dem hat sich die Finanzverwaltung in Abschn. 13.7. Satz 3 UStAE angeschlossen (vgl. dazu auch Abschn. 13.7. Beispiel 2 UStAE).

  27. c) Nichts anderes gilt, wenn der leistende Unternehmer ‑‑was hier mit der Nachberechnung des sich nach der Mindestbemessungsgrundlage ergebenden Mehrbetrags zuzüglich Mehrwertsteuer vom 2. März 2010 der Fall wäre‑‑ in einer berichtigenden Rechnung über eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung einen höheren Steuerbetrag ausweist, als er nach dem Gesetz schuldet. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung in Abschn. 13.7. Satz 2 UStAE (vgl. dazu auch Abschn. 13.7. Beispiel 1 UStAE) kann auch in diesem Fall die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Steuer jedenfalls nicht vor Ablauf des Voranmeldungszeitraums entstehen, in dem die Rechnung erteilt worden ist (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 13 Rz 389; Bunjes/Leonard, a.a.O., § 13 Rz 28; Bunjes/Korn, a.a.O., § 14c Rz 30; Reiß/Seite in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 13 Rz 51; Leipold in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 13 Rz 85; ferner Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 14c UStG Rz 7).

  28. aa) Zwar hatten die gesetzgebenden Körperschaften ‑‑worauf das FA zutreffend hinweist und wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt‑‑ bei Einfügung des § 13 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 UStG, wonach die Steuer im Fall des § 14c Abs. 1 UStG "spätestens jedoch im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung" entsteht, (nur) den Fall des überhöhten Steuerausweises bei Berechnung von Umsatzsteuer für nicht steuerbare oder steuerfreie Umsätze im Blick (vgl. dazu Gesetzesentwurf der Fraktionen, BTDrucks 15/1562, S. 45; Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 15/1621, S. 5; Stellungnahme des Bundesrats, BRDrucks 630/03 ‑‑Beschluss‑‑, S. 20 f.; Unterrichtung durch die Bundesregierung, BTDrucks 15/1798, S. 9; Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BTDrucks 15/1928, S. 29).

  29. bb) Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist jedoch ‑‑entgegen der Ansicht des FA‑‑ richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Mehrsteuer nicht vor Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem eine Rechnung, mit der der Unternehmer über einen Mehrbetrag abrechnet und insoweit einen überhöhten Steuerbetrag ausweist, erteilt worden ist.

  30. Steuertatbestand ist nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG ‑‑nunmehr Art. 62 Abs. 1 der MwStSystRL‑‑ der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden. Das ist für eine überhöht ausgewiesene Steuer i.S. des § 14c Abs. 1 UStG nicht die Bewirkung der Lieferung oder Leistung, sondern die Begebung der Rechnung (vgl. Bunjes/Leonard, a.a.O., § 13 Rz 28). Denn in den Fällen des § 14c Abs. 1 UStG wird der die Mehrsteuer auslösende Tatbestand erst in dem Moment verwirklicht, in dem der Unternehmer in einer Rechnung überhöht Umsatzsteuer ausgewiesen hat (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 13 Rz 387). Soweit Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG ‑‑nunmehr Art. 63 der MwStSystRL‑‑ den Entstehungszeitpunkt bei Leistungen an die Bewirkung des Umsatzes anknüpft, betrifft dies allein die Entstehung der gesetzlichen Umsatzsteuerschuld (vgl. Nieskens in Rau/ Dürrwächter, a.a.O., § 13 Rz 387; Leipold in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 13 Rz 85).

  31. cc) Dem entspricht der allgemeine Grundsatz des § 38 AO, wonach die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erst mit Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands entstehen (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 13 Rz 387; Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 14c Rz 183).

  32. dd) Danach ist die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Mehrsteuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG nicht bereits in dem Zeitpunkt entstanden, in dem die (gesetzliche) Steuer für die Lieferung oder sonstige Leistung entstanden ist, sondern erst im Zeitpunkt der Ausgabe der den überhöhten Steuerausweis betreffenden Rechnung. Dies wäre bezogen auf den Streitfall der 2. März 2010 und beträfe daher nicht die Umsatzsteuer für die Streitjahre 2006 und 2007.

  33. d) Soweit der V. Senat des BFH mit Urteil in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786 entschieden hat, dass die Steuerschuld aufgrund einer Rechnungserteilung auf das Jahr der Leistungserbringung zurückwirkt (s.a. BFH-Urteil vom 13. November 2003 V R 79/01, BFHE 204, 332, BStBl II 2004, 375), hat er inzwischen klargestellt, dass dies ‑‑was das FA verkennt‑‑ lediglich die vor Inkrafttreten des StÄndG 2003 geltende Fassung des § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG betrifft, die ausschließlich auf die Steuerentstehung für die Leistung abstellte (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620, Rz 26).

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