BFH VIII. Senat
AO § 87a Abs 4, AO § 118, AO § 119 Abs 3, AO § 122 Abs 2, AO § 124 Abs 1, AO § 366, FGO § 47 Abs 1, FGO § 126 Abs 4
vorgehend FG Köln, 04. November 2009, Az: 6 K 3931/08
Leitsätze
1. Die gesetzlich gebotene Schriftform für behördliche und gerichtliche Entscheidungen wird auch durch Übersendung per Telefax gewahrt (ständige Rechtsprechung; BFH-Urteile vom 4. Juli 2002 V R 31/01, BFHE 198, 337, BStBl II 2003, 45; vom 18. August 2009 X R 25/06, BFHE 226, 77, BStBl II 2009, 965).
2. Dies gilt auch für die Übersendung im sog. Ferrari-Fax-Verfahren; die auf diesem Weg übersandten Bescheide sind keine elektronischen Dokumente i.S. des § 87a AO und bedürfen deshalb zu ihrer Wirksamkeit keiner elektronischen Signatur.
3. Per Telefax übersandte Bescheide sind erst mit ihrem Ausdruck durch das ‑‑auf automatischen Ausdruck eingestellte‑‑ Empfangsgerät wirksam "schriftlich erlassen" (Anschluss an das BFH-Urteil vom 8. Juli 1998 I R 17/96, BFHE 186, 491, BStBl II 1999, 48, sowie die BGH-Beschlüsse vom 15. Juli 2008 X ZB 8/08, NJW 2008, 2649, und vom 4. Dezember 2008 IX ZB 41/08, WM 2009, 331). Hat das Empfangsgerät nach dem unwiderleglichen Vortrag des Adressaten den Bescheid nicht ausgedruckt, gehen die sich daraus ergebenden Zweifel an der wirksamen Bekanntgabe zu Lasten der Finanzbehörde.
Tatbestand
I.
Nach einer beim Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) durchgeführten Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) für 2001 einen erstmaligen sowie für 2002 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung der Einkünfte des Klägers aus dessen freiberuflicher Tätigkeit als Steuerberater. Dementsprechend änderte das FA die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2001 und 2002 nach Maßgabe des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und erfasste für 2001 zugleich einen zuvor nicht berücksichtigten Veräußerungsgewinn.
Gegen alle Bescheide legte der Kläger Einspruch ein, den das FA mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung (für alle Einsprüche) vom 17. September 2008 als unbegründet zurückwies.
Die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung erfolgte im Wege des sog. Ferrari-Fax-Verfahrens. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass der Sachbearbeiter des Finanzamts eine E-Mail mit einer angehängten Datei, die den Text des zu faxenden Schreibens (wie im Streitfall die Einspruchsentscheidung) enthält, über das Intranet der Finanzverwaltung an deren Rechenzentrum schickt. Das Rechenzentrum wandelt die Textdatei in ein Telefax um und sendet es über das Telefonnetz mittels Tonsignalen an die angegebene Nummer. Die E-Mail wird nicht mit einer elektronischen Signatur versehen. Liegt das Zeichnungsrecht beim Sachgebietsleiter, muss dieser den Steuerfall an seinem Computer freigeben, bevor die E-Mail verschickt werden kann.
Diesem Verfahren entsprechend veranlasste das FA die Übersendung der Einspruchsentscheidung über das Rechenzentrum an den Kläger. Zugleich druckte es den Text der Einspruchsentscheidung aus und nahm den Ausdruck mit dem Sendebericht vom 17. September 2008 zu den Steuerakten.
Nachdem das FA den Kläger wegen Nichtzahlung der geändert festgesetzten Steuern gemahnt hatte, machte dieser unter Vorlage seines Posteingangsbuchs geltend, das Telefax mit der Einspruchsentscheidung sei im Telefax-Gerät seines Büros nicht eingegangen. Das im September 2008 genutzte ‑‑inzwischen nicht mehr im Betrieb befindliche‑‑ Telefax-Gerät sei als Zentraldrucker, Scanner, Kopierer sowie für Erhalt und Versand von Telefaxen benutzt worden und habe eingehende Telefaxe automatisch ausgedruckt.
Das FA übergab dem Kläger am 17. November 2008 eine Kopie der Einspruchsentscheidung, in der die Rechtsmittelbelehrung gestrichen worden war.
Am 20. November 2008 erhob der Kläger "wegen Einkommensteuer 2001, 2002 und 2003" Klage mit dem Antrag, "die Einkommensteuer gemäß den Steuererklärungen und dem Einspruchsschreiben entsprechend festzusetzen und zu veranlagen". Mit der Klagebegründung nahm er Bezug auf die Einspruchsentscheidung
"wegen der Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002, die aufgrund eines Betriebsprüfungsergebnisses erlassen worden waren und gegen die ich Rechtsbehelf eingelegt hatte".
Mit am 4. September 2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz machte er geltend, die Klage richte sich auch gegen die gesonderte Feststellung der Einkünfte für 2001 und 2002.
Auf seinen Antrag hat das Finanzgericht (FG) durch Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage mit der Begründung festgestellt, der Kläger habe die Klagefrist i.S. des § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gewahrt. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 618 veröffentlicht.
Dagegen richtet sich die Revision des FA.
Es trägt vor, das angefochtene Urteil gehe unter Verletzung der §§ 87a, 119 und 366 AO davon aus, dass die mit Computerfax versandte Einspruchsentscheidung nicht schriftlich i.S. des § 366 AO ergangen und ohne qualifizierte elektronische Signatur nichtig sei.
Zum einen liege keine Verwaltungsentscheidung in Form eines elektronischen Dokuments vor. Die Einspruchsentscheidung genüge auch den übrigen Formvorschriften des § 119 AO. Danach müsse der Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder Namenswiedergabe des zeichnungsberechtigten Bearbeiters enthalten (§ 119 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AO). Bei einer schriftlich erteilten Einspruchsentscheidung sei demnach eine eigenhändige Unterschrift nicht zwingend erforderlich. Es genüge die Namenswiedergabe des zeichnungsberechtigten Sachgebietsleiters.
Die nach § 119 Abs. 3 Satz 3 AO erforderliche Signatur solle lediglich die eigenhändige Unterschrift im elektronischen Verkehr ersetzen. Sei eine Unterschrift für den betreffenden Verwaltungsakt nicht erforderlich, so könne auch keine Signatur verlangt werden.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Gesichtspunkte könne im Streitfall, der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) folgend, das Schriftformerfordernis nur an der behaupteten fehlenden Verkörperung der Einspruchsentscheidung beim Kläger scheitern. Hierzu habe das FG jedoch keine ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen getroffen.
Bei der vom Kläger geschilderten Büropraxis, wonach alle eingehenden Telefaxe automatisch ausgedruckt würden, ohne dass es der Mitwirkung eines Mitarbeiters bedürfe, könne grundsätzlich nach erfolgreichem Zugang der Telefonsignale von der schriftlichen Verkörperung eingehender Verwaltungsentscheidungen ausgegangen werden. Gescheitert sein könne im Streitfall ein solcher Ausdruck nur an Fehlern, die vom Empfänger selbst zu verantworten seien (z.B. Papierstau, Stromausfall).
Im Ferrari-Fax-Verfahren erhalte der Absender nach Abschluss der Übertragung immer einen sog. qualifizierten Sendebericht. Neben den Übertragungsdaten werde zusätzlich der Inhalt des gesendeten Dokuments in verkleinerter Form angezeigt. Auf jeder Seite des Dokuments seien die Übertragungsdaten zusätzlich ‑‑nochmals‑‑ aufgedruckt. Bei dieser Übertragungs- und Dokumentationsform seien Fehler nahezu ausgeschlossen. Danach könne das FA im Streitfall den vollständigen Empfang der Telefonsignale am 17. September 2008 mit dem qualifizierten Sendebericht nachweisen.
Im Übrigen stelle sich unter Berücksichtigung der heutigen Kommunikationsformen die grundsätzliche Frage, ob für die Wirksamkeit eines per Telefax übermittelten Verwaltungsakts weiterhin an der bisher höchstrichterlich geforderten tatsächlichen Verkörperung beim Empfänger angeknüpft werden müsse. In den meisten Büros befänden sich keine einfachen Telefaxgeräte mehr, sondern Geräte mit verschiedenen Funktionen, sodass das empfangene Telefax nicht nur ausgedruckt, sondern auch gespeichert oder an Computer anderer Mitarbeiter weitergeleitet werden könne.
Diese Vorgänge spielten sich in der Risikosphäre des Empfängers ab und seien dem Absender nicht zugänglich. Der Absender könne über das Sendeprotokoll mit "OK"-Vermerk nur die vollständige Übertragung der Signale nachweisen, habe aber keinen Überblick darüber, ob der Empfänger das Telefax sofort oder erst später ausgedruckt, gelöscht, gespeichert oder weitergeleitet habe. Der Empfänger habe dagegen die Möglichkeit, durch Speicherung oder Druck der Protokolldateien nachzuweisen, dass ihn ein Telefax in der fraglichen Zeit nicht erreicht habe.
Den Nachweis, dass ein elektronisch übermitteltes Dokument beim Empfänger auch tatsächlich ausgedruckt worden sei, könne der Absender regelmäßig nicht erbringen.
Es dürfe aber nicht allein dem Empfänger bzw. aus Sicht des Absenders dem Zufall überlassen bleiben, über die Qualifizierung und damit die Formerfordernisse des erhaltenen Verwaltungsakts zu bestimmen. Der Empfänger könnte durch eigenes Zutun eine schriftliche Verkörperung jederzeit verhindern.
Nach alledem sei davon auszugehen, dass die per Computerfax übermittelte schriftliche Einspruchsentscheidung am 17. September 2008 wirksam bekannt gegeben worden und dagegen verspätet Klage erhoben worden sei.
Das FA beantragt, das Zwischenurteil des FG Köln aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
Zu Recht macht das FA zwar geltend, das angefochtene Urteil verletze mit seiner Auffassung, die im Streitfall ergangene Einspruchsentscheidung sei ein elektronisches Dokument und bedürfe deshalb zu ihrer Wirksamkeit einer elektronischen Signatur, materielles Recht (nachfolgend unter II.1.). Die FG-Entscheidung erweist sich aber aus anderen Gründen als rechtmäßig (§ 126 Abs. 4 FGO, nachfolgend unter II.2.).
1. Rechtsfehlerhaft ist das FG davon ausgegangen, dass die streitige Übersendung der Einspruchsentscheidung im Wege des sog. Ferrari-Fax-Verfahrens als Übersendung eines elektronischen Dokuments wegen fehlender elektronischer Signatur den Lauf der Klagefrist gegen die streitbefangenen Gewinnfeststellungs- und Einkommensteuerbescheide nicht in Gang gesetzt hat und allein deshalb nicht von einer Verfristung der Klage auszugehen ist.
a) Nach ständiger BFH-Rechtsprechung wird eine gesetzlich gebotene Schriftform auch durch Übersendung per Telefax gewahrt (BFH-Urteil vom 4. Juli 2002 V R 31/01, BFHE 198, 337, BStBl II 2003, 45).
aa) Ein Telefax gewährleistet gleichermaßen den mit dem Gebot der Schriftlichkeit verfolgten Zweck, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Zudem weist ein Telefax gleichermaßen aus, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Empfänger zugeleitet worden ist (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 GmS-OGB 1/98, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2000, 2340, unter III.1.). Dementsprechend ist nach der dem technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telekommunikation Rechnung tragenden Rechtsprechung die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes in NJW 2000, 2340, unter III.2., m.w.N.; Urteil des Bundessozialgerichts vom 13. März 2001 B 3 KR 12/00 R, BSGE 88, 1; Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. Januar 2006 L 1 P 14/05, juris).
bb) Für die Übermittlung von Steuerbescheiden gilt auf dieser Grundlage nichts anderes (BFH-Urteile vom 8. Juli 1998 I R 17/96, BFHE 186, 491, BStBl II 1999, 48; vom 18. August 2009 X R 25/06, BFHE 226, 77, BStBl II 2009, 965, unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 28. Mai 2009 III R 84/06, BFHE 225, 11, BStBl II 2009, 949 zur bejahten Wirksamkeit einer einen Verwaltungsakt mündlich widerrufenen Mitteilung; die Verfassungsbeschwerde gegen das BFH-Urteil in BFHE 226, 77, BStBl II 2009, 965 hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 29. Oktober 2012 2 BvR 2579/09, juris, nicht zur Entscheidung angenommen; BFH-Beschluss vom 31. März 1998 I S 8/97, BFH/NV 1998, 1318; Güroff in Beermann/Gosch, AO § 122 Rz 32; vgl. auch BFH-Beschluss vom 27. Juni 2001 X B 23/01, BFH/NV 2001, 1529).
cc) Die Übersendung per Telefax ist auch nicht als Übersendung eines elektronischen Verwaltungsakts anzusehen, für den nach § 87a Abs. 4 AO eine Signatur erforderlich wäre (vgl. § 119 Abs. 3 Satz 3 AO). Denn die Wirksamkeit einer Bekanntgabe behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen per Telefax wird nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) durch die Einfügung der Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr in die Verfahrensgesetze nicht berührt, weil ein Computerfax oder Funkfax kein elektronisches Dokument darstellt (BVerwG-Beschluss vom 30. März 2006 8 B 8/06, NJW 2006, 1989; ebenso Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 19. Aufl., § 55a Rz 5).
Per Telefax übermittelte Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidungen erfordern keinen besonderen Nachweis der Urheberschaft (Authentizität) und keinen besonderen Schutz vor nachträglicher Veränderung (Integrität). Insoweit unterscheiden sie sich maßgeblich von elektronischen Dokumenten, die leicht elektronisch änderbar sind und deren Absicherung die Regelungen zur qualifizierten Signatur allein bezwecken (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 14. Januar 2010 VII ZB 112/08, BGHZ 184, 75, unter Bezugnahme auf den BGH-Beschluss vom 4. Dezember 2008 IX ZB 41/08, Neue Juristische Wochenschrift –Rechtsprechungs-Report Zivilrecht ‑‑NJW-RR‑‑ 2009, 357 und BTDrucks 14/4987, S. 24; BTDrucks 15/4067, S. 37 f. zu § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung).
Für andere Dokumente stellt sich selbst bei Übermittlung per Telefax ‑‑wie im Streitfall‑‑ das Problem der Integrität nicht anders als bei traditionell übermittelten Schriftstücken, für die eine qualifizierte Signatur nicht erforderlich ist (BVerwG-Beschluss in NJW 2006, 1989).
b) Für das Ferrari-Fax-Verfahren ist ersichtlich eine abweichende Beurteilung nicht geboten. Denn das im Rahmen dieses Verfahrens vom Rechenzentrum der Finanzverwaltung auf Veranlassung des FA abgesandte und auf dem Telefax-Empfangsgerät eingehende Telefax entspricht hinsichtlich Format und Abänderbarkeit den im "normalen" Telefax-Verfahren übermittelten Dokumenten, für die das Telefax-Verfahren ‑‑wie ausgeführt‑‑ ohne Bindung an die Vorschriften für elektronische Dokumente zulässig ist.
Auf die im Bereich der Finanzverwaltung bis zur Absendung durch das Rechenzentrum ablaufenden Vorgänge kommt es schon deshalb nicht an, weil es sich bis zur Absendung der Bescheide lediglich um Entwürfe bzw. nicht rechtsverbindliche Fassungen handelt, die frühestens mit Absendung (hier durch das Landesrechnungszentrum) rechtliche Wirkung gegenüber Steuerpflichtigen entfalten.
2. Die angefochtene FG-Entscheidung erweist sich indessen aus anderen Gründen als rechtmäßig (§ 126 Abs. 4 FGO).
a) Obwohl die im sog. Ferrari-Fax-Verfahren übersandten Entscheidungen der Finanzverwaltung nicht anders als andere per Telefax übersandte Dokumente keine elektronischen Dokumente i.S. des § 87a AO sind und infolgedessen wie auf dem Postweg übersandte Steuerbescheide weder einer Unterschrift noch einer Signatur nach dem Signaturgesetz bedürfen, ist mit der Vorinstanz ‑‑wenn auch aus anderen als den von ihr angenommenen und unter II.1. verworfenen Gründen‑‑ davon auszugehen, dass die einmonatige Frist zur Erhebung der Klage gegen die angefochtenen Bescheide nach § 47 Abs. 1 FGO gewahrt ist.
Die Klagefrist läuft nicht an, wenn die anzufechtende Entscheidung ‑‑wie im Streitfall die Einspruchsentscheidung des FA‑‑ nicht wirksam bekannt gegeben wird (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1987 VII R 19/87, BFHE 151, 24, BStBl II 1988, 97) und dieser Mangel auch nicht geheilt wird (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1994 VIII R 45/92, BFHE 173, 213, BStBl II 1994, 603).
b) Im Streitfall fehlt eine wirksame Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.
aa) Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) druckte das im Streitzeitraum verwendete und inzwischen nicht mehr vorhandene Telefaxgerät des Klägers, an das die Einspruchsentscheidung übersandt wurde, zwar jeweils nach Maßgabe der technischen Einstellungen "automatisch" (ohne Tätigkeit des Empfängers oder seiner Bediensteten) eingehende Telefaxe aus. Ein entsprechender Ausdruck der Einspruchsentscheidung wurde aber nach dem unwiderleglichen Vortrag des Klägers unter Bezugnahme auf sein Posteingangsbuch nicht von ihm vorgefunden.
bb) Ohne eine solche Verkörperung fehlte es an der nach den §§ 122, 124 AO erforderlichen Bekanntgabe der ‑‑nach § 366 AO schriftlich zu erlassenden‑‑ Einspruchsentscheidung. Sie kann zwar durch Telefax übermittelt werden, ist aber bei dieser Form der Übermittlung erst mit dem Ausdruck durch das empfangende Telefaxgerät "schriftlich" erlassen.
(1) Dabei kann nach der BFH-Rechtsprechung nicht allein wegen des Sendeberichts des Sendegeräts (sog. "OK"-Vermerk) und eines Eingangsvermerks im Empfangsprotokoll des angewählten Geräts nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon ausgegangen werden, dass der betroffene Bescheid ordnungsgemäß übermittelt und ausgedruckt worden ist (BFH-Urteil in BFHE 186, 491, BStBl II 1999, 48, unter Bezugnahme auf das BGH-Urteil vom 7. Dezember 1994 VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665; eben-so Urteil des Oberlandesgerichts ‑‑OLG‑‑ München vom 16. Dezember 1992 7 U 5553/92, NJW 1993, 2447; Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 4. März 1994 5 W 7083/93, NJW 1994, 3172; Beschluss des OLG Köln vom 4. Januar 1995 27 W 20/94, Monatsschrift für Deutsches Recht ‑‑MDR‑‑ 1995, 411; zur Notwendigkeit eines Ausdrucks als Voraussetzung einer wirksamen Bekanntgabe Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 25. Juli 2013 1 K 759/09, juris; Schmittmann, MDR 1994, 1081; Laghzaoui/Wirges, MDR 1996, 230; Pape/Notthoff, NJW 1996, 417, 425; Marly in Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 144 ZPO Nr. 12; Schmid, Wirtschaftsrechtliche Beratung 1995, 355; a.A. z.B. Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 12. Januar 1993 3/8 0 208/91, Recht der internationalen Wirtschaft 1994, 778; Burgard, Betriebs-Berater 1995, 222, und in Archiv für die civilistische Praxis 195, 74, 132).
(2) Auch nach der Rechtsprechung des BGH wird die erforderliche Schriftform einer bekannt zu gebenden Entscheidung nicht schon dadurch hergestellt, dass sie nach Übersendung durch Telefax zunächst im Empfangsgerät elektronisch gespeichert wird. Vielmehr ist die Schriftform ‑‑im Gegensatz zu der fristwahrenden Wirkung von elektronisch eingelegten Rechtsbehelfen bereits bei elektronischer Speicherung (BGH-Beschlüsse vom 25. April 2006 IV ZB 20/05, BGHZ 167, 214, Rz 18; vom 8. Mai 2007 VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045, Rz 12; vom 15. September 2009 XI ZB 29/08, juris, Rz 16; vom 18. November 2010 I ZB 62/10, juris, Rz 5; vom 17. April 2012 XI ZB 4/11, juris; Beschluss des OLG des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. August 2012 U 32/12, MDR 2013, 55)‑‑ erst mit dem Ausdruck des gespeicherten Dokuments erfüllt (BGH-Beschlüsse in BGHZ 167, 214, Rz 21; in NJW 2008, 2649, Rz 11, und in NJW-RR 2009, 357, Rz 8). Dementsprechend hat auch der Senat die erforderliche Schriftform einer elektronisch übermittelten Rechtsbehelfsschrift erst mit ihrem Ausdruck als gegeben angesehen (BFH-Urteil vom 22. Juni 2010 VIII R 38/08, BFHE 230, 115, BStBl II 2010, 1017).
cc) Nach dieser Rechtsprechung kommt es auf den Einwand des FA, ein solcher fehlender Ausdruck beruhe allenfalls auf Fehlern in der Sphäre des Empfängers (wie z.B. Papierstau und ähnliche Umstände), ersichtlich nicht an. Denn für den Zugang von Bescheiden trägt im Zweifel die Finanzbehörde die Beweislast (vgl. BFH-Urteile vom 12. März 2003 X R 17/99, BFH/NV 2003, 1031; vom 18. November 2003 VII R 5/02, BFH/NV 2004, 1057). Für den möglichen Sonderfall, dass ein Ausdruck eingehender Telefaxe durch den Bekanntgabeempfänger vorsätzlich verhindert wird und deshalb ausnahmsweise eine Speicherung im Telefaxgerät des Bekanntgabeempfängers für ausreichend erachtet werden könnte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 186, 491, BStBl II 1999, 48), sind Anhaltspunkte im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich.
Abgesehen davon zeigt die Regelung des § 122 Abs. 2 Halbsatz 2 AO den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, dem Finanzamt "im Zweifel" die Beweislast für den Zugang von Bescheiden aufzuerlegen. Vermutetem rechtsmissbräuchlichem Verhalten von Empfängern der Bescheide kann die Behörde im Übrigen durch Zustellung der Bescheide mittels Zustellungsurkunde angemessen begegnen.
Ist ‑‑wie im Streitfall nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO)‑‑ ein automatisch vorgesehener Ausdruck tatsächlich nicht erfolgt, kann der Empfänger in der Regel nicht erkennen, dass ein solches Telefax im Gerät eingegangen ist. Davon muss er ‑‑bei automatischem Ausdruck eingehender Telefaxe wie im Streitfall‑‑ grundsätzlich auch nicht ausgehen, sodass eine regelmäßige Pflicht, Sendeprotokolle hinsichtlich eingegangener, aber nicht ausgedruckter Telefaxe zu prüfen, die Sorgfaltspflichten der Adressaten überspannen würde.
dd) Die Aushändigung einer Bescheidkopie an den Kläger unter Streichen der Rechtsmittelbelehrung stellt schon wegen des erkennbaren Willens des FA, keinen Bescheid zu erlassen, keine Zweitbescheidung dar, die ihrerseits den Lauf einer Rechtsbehelfsfrist hätte auslösen können.
(1) Gemäß § 124 Abs. 1 AO ist für die Wirksamkeit eines Steuerbescheides die Bekanntgabe notwendige Voraussetzung. Die Bekanntgabe muss vom Willen der den Steuerbescheid erlassenden Behörde getragen werden. Ein ohne Bekanntgabewillen zur Kenntnis gebrachter Verwaltungsakt erlangt daher keine Wirksamkeit (BFH-Urteile vom 27. Juni 1986 VI R 23/83, BFHE 147, 205, BStBl II 1986, 832; vom 24. November 1988 V R 123/83, BFHE 155, 466, BStBl II 1989, 344; zum Sonderfall einer vollständigen Bescheidkopie zur Heilung einer früheren fehlerhaften Bekanntgabe vgl. BFH-Beschluss vom 7. November 2008 X B 55/08, BFH/NV 2009, 195; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 124 AO Rz 8 ff.; Güroff in Beermann/Gosch, AO § 124 Rz 7).
(2) Der Bekanntgabewille fehlt, wenn die Übersendung eines Schriftstücks nicht zu dem Zweck erfolgt, die an eine Bekanntgabe geknüpften Rechtsfolgen herbeizuführen, sondern etwa nur der Information des Empfängers über den Inhalt eines bei den Akten befindlichen Schriftstücks dienen soll (vgl. Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. März 1985 V OE 82/82, Rechtsprechung der Hessischen Verwaltungsgerichte 1985, 81; Urteil des FG Düsseldorf vom 11. September 1985 VIII 325/81 V, EFG 1986, 55).
Insbesondere das Streichen der Rechtsbehelfsbelehrung zeigt, dass sich an die Übersendung der Bescheidkopie keine Rechtsfolgen knüpfen sollten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. Oktober 1986 I R 254/83, BFH/NV 1988, 10).