BFH XI. Senat
AO § 130 Abs 1, AO § 251 Abs 3, FGO § 102, InsO § 38, InsO § 87, InsO § 174 Abs 1, InsO § 178, InsO § 208 Abs 1, AO § 5, AO § 251 Abs 2
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 09. August 2011, Az: 7 K 7232/08
Leitsätze
1. Ein bestandskräftiger Feststellungsbescheid über eine Umsatzsteuernachzahlung als Insolvenzforderung steht einer später begehrten anderweitigen Umsatzsteuerfestsetzung entgegen, wenn dieser Bescheid nicht mehr geändert werden kann.
2. Die Entscheidung des FA über die Rücknahme des Feststellungsbescheides nach § 130 Abs. 1 AO ist eine Ermessensentscheidung, die von den Gerichten nur eingeschränkt überprüft werden kann.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin aus einer für das Jahr 2003 (Streitjahr) nachgereichten Umsatzsteuererklärung eine entsprechende Umsatzsteuerfestsetzung sowie die Änderung der nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) bislang vorgenommenen Feststellung der steuerlichen Insolvenzforderung.
Unternehmensgegenstand der zum 1. Februar 2000 errichteten Insolvenzschuldnerin war die Beteiligung an Unternehmen sowie deren Verwaltung und Beratung im Bereich der neuen Technologien, insbesondere die Beteiligung an Internet-Unternehmen und die Dienstleistungs- und Entwicklungstätigkeit in diesem Umfeld. Über ihr Vermögen eröffnete das Amtsgericht X mit Beschluss vom 3. November 2004 das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
In dem vom Kläger als vorläufigen Insolvenzverwalter erstellten Ermittlungsbericht vom 2. November 2004 berichtete dieser, dass ein Jahresabschluss "angabegemäß für 2003 erstellt" worden sei, dieser ihm jedoch nicht vorliege. Am 6. Dezember 2004 zeigte der Kläger gemäß § 208 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) die Masseunzulänglichkeit an.
Die Insolvenzschuldnerin gab für das Streitjahr zunächst keine Umsatzsteuer-Jahreserklärung ab. Nach vergeblicher Erinnerung ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) eine Umsatzsteuerforderung für das Streitjahr nach vorheriger Schätzung der Besteuerungsgrundlagen und übermittelte dem Kläger als Insolvenzverwalter am 16. November 2004 eine entsprechende Berechnungsmitteilung über einen Umsatzsteuerbetrag in Höhe von ... €. Daraus ergab sich ein Nachzahlungsbetrag von ... €, den das FA am 28. Januar 2005 ‑‑neben anderen Forderungen‑‑ gemäß § 174 Abs. 1 InsO beim Kläger anmeldete.
Nachdem der Kläger die Forderungen bestritten hatte, erteilte ihm das FA am 28. November 2005 einen Bescheid nach § 251 Abs. 3 AO, in dem u.a. die Umsatzsteuernachzahlung für 2003 als Insolvenzforderung festgestellt wurde. Auf den hiergegen eingelegten Einspruch des Klägers erließ das FA am 2. August 2006 einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO geänderten Feststellungsbescheid, mit dem es ‑‑neben Forderungen betreffend die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für das 2. und 3. Kalendervierteljahr 2004 in Höhe von ... € bzw. ... € samt eines auf das 2. Quartal 2004 bezogenen Verspätungszuschlages in Höhe von ... € und eines Säumniszuschlages in Höhe von ... €‑‑ die Umsatzsteuernachforderung für 2003 nunmehr auf ... € feststellte. Den Einspruch des Klägers bezeichnete das FA dadurch als erledigt.
Hinsichtlich des sich aus dem Bescheid vom 2. August 2006 ergebenden ‑‑in die (Insolvenz-)Tabelle eingetragenen‑‑ Gesamtbetrages in Höhe von ... € erklärte der Kläger am 18. September 2006, diesen als (Insolvenz-)Forderung nachträglich anzuerkennen und lediglich die darüber hinausgehenden Mehrbeträge auch weiterhin bestreiten zu wollen.
Am 1. November 2007 reichte der Kläger für die Insolvenzschuldnerin eine Umsatzsteuererklärung für 2003 ein, aus der sich eine Umsatzsteuererstattung in Höhe von ... € ergab.
Das FA nahm die Erklärung mit Hinweis darauf zu den Akten, dass der vorangegangene Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 bestandskräftig geworden sei und insofern eine Änderung der Eintragung in der (Insolvenz-)Tabelle aufgrund der nachgereichten Umsatzsteuererklärung nicht mehr möglich sei.
Der Kläger hielt mit einem Schreiben vom 3. März 2008 an der begehrten erklärungsgemäßen Durchführung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2003 fest und vertrat die Auffassung, dass der streitbefangene Feststellungsbescheid nach §§ 130, 131 AO zu ändern sei.
Mit Bescheid vom 12. März 2008 lehnte das FA die Änderungsanträge des Klägers ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2008 als unbegründet zurück. Der Erlass eines auf die nachgereichte Umsatzsteuererklärung für 2003 bezogenen Steuerbescheides verbiete sich angesichts der mit Bescheid vom 2. August 2006 bestandskräftig festgestellten und in die (Insolvenz-)Tabelle eingetragenen Umsatzsteuerforderung. Auch eine Änderung des Feststellungsbescheides vom 2. August 2006 komme bereits grundsätzlich nicht in Betracht, da nach Eintritt der Bestandskraft eines derartigen Feststellungsbescheides wieder der Vorrang des Insolvenzrechts zum Tragen komme und hiernach aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit gegenüber sämtlichen anderen Gläubigern eine anderweitige Feststellung von Steuerforderungen ausscheide. Selbst wenn aber eine Änderungsmöglichkeit auf der Grundlage der §§ 130, 131 AO für allgemeine Steuerverwaltungsakte oder aber der §§ 172 ff. AO für Steuerbescheide bestehen sollte, sei es nicht ermessensgerecht, dem Kläger für die Insolvenzschuldnerin eine abweichende Feststellung auf der Grundlage von § 130 Abs. 1 AO zuzubilligen. Denn der Insolvenzschuldnerin sei das Vorliegen des Jahresabschlusses für das Streitjahr stets bekannt gewesen; die verspätete Kenntnisnahme des Klägers hiervon ginge zu ihren Lasten, zumal er von Anfang an die Verpflichtung gehabt habe, alle in den Unterlagen der Insolvenzschuldnerin vorhandenen Jahresabschlüsse herauszusuchen und ggf. unverzüglich einzureichen. Unter diesen Umständen habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Änderung des Feststellungsbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage ab. Es führte aus, dass einer Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2003 die bestandskräftige Feststellung in dem Bescheid vom 2. August 2006 entgegenstehe, mit dem das FA gegenüber dem Kläger die Umsatzsteuerforderung für das Jahr 2003 auf ... € nach § 251 Abs. 3 AO festgestellt und zur Insolvenztabelle angemeldet habe. Eine Feststellung der Forderung in der Insolvenztabelle sei das "insolvenzrechtliche Äquivalent" zur Steuerfestsetzung durch Verwaltungsakt (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 19. August 2008 VII R 36/07, BFHE 222, 205, BStBl II 2009, 90).
Eine Änderung des Feststellungsbescheides vom 2. August 2006 sei nicht möglich. Der Senat könne offenlassen, ob die Vorschriften der §§ 172 ff. AO oder der §§ 130 ff. AO einschlägig seien, oder ob eine Änderung nur unter den Voraussetzungen einer sog. Restitutionsklage gemäß §§ 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO), 580 Nr. 7 Buchst. b der Zivilprozessordnung (ZPO) erfolgen könne. Denn im Streitfall seien für keine der genannten Möglichkeiten die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt.
Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 20 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des FG fehle es an einer Steuerfestsetzung zur Umsatzsteuer für 2003. Die beantragte Festsetzung der Umsatzsteuer sei trotz der Regelung in § 87 InsO grundsätzlich zulässig, da sie auf eine Umsatzsteuererstattung gerichtet sei (vgl. BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11). Das FG habe verkannt, dass der streitbefangene Feststellungsbescheid geändert werden müsse, weil sich die darin festgestellte Forderung nachträglich als materiell unrichtig herausgestellt habe. Entgegen der Auffassung des FG sei es ihm unzumutbar gewesen, den Jahresabschluss für 2003 schon früher zu beschaffen. Das dem FA bei der Entscheidung über die Rücknahme des rechtswidrigen Feststellungsbescheides in § 130 AO eingeräumte Ermessen sei daher auf "Null" reduziert gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12. März 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2008 die Umsatzsteuer für 2003 auf ... € festzusetzen, sowie den Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuerforderung für das Streitjahr anstelle in Höhe von bisher ... € nunmehr in Höhe von 0 € als Insolvenzforderung festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom Kläger beantragte Festsetzung einer Umsatzsteuer für 2003 entsprechend der nachgereichten Umsatzsteuererklärung der bestandskräftige Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 entgegensteht. Das FG hat insoweit zutreffend angenommen, dass dieser Feststellungsbescheid einer Änderung nach § 130 Abs. 1 AO nicht mehr zugänglich ist, weil die nur eingeschränkt überprüfbare ablehnende Ermessensentscheidung des FA nicht zu beanstanden ist.
1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass das FA im Streitfall nicht schon aufgrund von § 251 Abs. 2 AO i.V.m. § 87 InsO gehindert war, entsprechend der nachgereichten Umsatzsteuer-Jahreserklärung eine Umsatzsteuerfestsetzung für 2003 vorzunehmen.
a) Nach § 87 InsO, der über die Verweisung in § 251 Abs. 2 AO ("Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung...") auch im Steuerrecht zu beachten ist, können die Insolvenzgläubiger zwar ihre Forderungen nur entsprechend den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 24. August 2004 VIII R 14/02, BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246 noch zur Rechtslage nach der Konkursordnung; vom 10. Dezember 2008 I R 41/07, BFH/NV 2009, 719, m.w.N.). Ebenso dürfen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Bescheide mehr erlassen werden, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, welche die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 1997 I R 11/97, BFHE 183, 365, BStBl II 1998, 428).
b) Der BFH hat aber entsprechend dem Vorbringen des Klägers gleichfalls geklärt, dass das FA durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht gehindert ist, eine negative Umsatzsteuer festzusetzen, weil einem solchen Bescheid die abstrakte Eignung fehlt, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken. Denn mit einem solchen Bescheid setzt das FA keine Insolvenzforderung fest, die nach § 87 InsO nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden kann, sondern einen Erstattungsbetrag, der nicht zur Tabelle anzumelden wäre (vgl. hierzu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11, unter II.2.). Deshalb scheidet hier auch eine Unterbrechung des Festsetzungsverfahrens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens analog § 240 Satz 1 ZPO aus.
Da der Kläger mit seiner nachgereichten Umsatzsteuererklärung für 2003 eine Erstattung begehrt, würde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine entsprechende Umsatzsteuerfestsetzung durch das FA dem Grunde nach nicht hindern.
2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der begehrten Umsatzsteuerfestsetzung der bestandskräftige Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 gemäß § 251 Abs. 3 AO, der wegen der zutreffenden Ermessensentscheidung des FA keiner Änderung nach § 130 Abs. 1 AO mehr zugänglich war, entgegensteht.
a) § 251 Abs. 3 AO sieht vor, dass bei Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung die Finanzbehörde erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen Verwaltungsakt feststellt. Dieser Feststellungsbescheid ist mangels Festsetzung einer Steuer kein Steuerbescheid i.S. von § 155 AO. Er ist daher nach Eintritt der Bestandskraft nur nach §§ 130, 131 AO änderbar (BFH-Urteile vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, und V R 20/10, BFH/NV 2012, 711; vom 6. Dezember 2012 V R 1/12, BFH/NV 2013, 906; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 251 AO Rz 68, m.w.N.).
Ein gemäß § 251 Abs. 3 AO erlassener Bescheid hat die Feststellung zum Inhalt, dass der bestrittene Anspruch in der geltend gemachten Höhe besteht und i.S. von § 38 InsO begründet ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 251 AO Rz 68). Festgestellte Steueransprüche werden von der rechtskraftähnlichen Wirkung des Tabelleneintrages i.S. von § 178 Abs. 3 InsO erfasst, so dass sie ohne Steuerbescheid durchgesetzt werden können (vgl. Braun/Specovius, InsO, § 178 Rz 22; Jatzke in Hübschmann/Hepp/ Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 251 AO Rz 423, m.w.N.). Wird der Feststellungsbescheid unanfechtbar, wirkt er in entsprechender Anwendung der Regelung in § 183 Abs. 1 InsO wie eine rechtskräftige Entscheidung gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (vgl. Jatzke in HHSp, § 251 AO Rz 423).
b) Im Streitfall ist der Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 ‑‑nach einem Bestreiten der vom FA zur Insolvenztabelle angemeldeten Umsatzsteuerforderung ergangen und für 2003 mit einer Umsatzsteuerforderung von ... €‑‑ bestandskräftig geworden.
Etwas Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger gegen den früheren Feststellungsbescheid vom 28. November 2005 Einspruch eingelegt hatte und der streitbefangene Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 nach § 365 Abs. 3 AO zunächst zum Gegenstand dieses Einspruchsverfahrens wurde. Denn das Einspruchsverfahren hatte sich jedenfalls dadurch erledigt, dass der Kläger am 18. September 2006 erklärt hat, den sich aus dem Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 ergebenden Gesamtbetrag von ... € anzuerkennen (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 10. November 2010 IV B 11/09, BFH/NV 2011, 649).
c) Eine grundsätzlich mögliche Änderung des Feststellungsbescheides nach § 130 Abs. 1 AO scheidet aus, weil das FG zutreffend entschieden hat, dass das FA das ihm insoweit zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.
aa) Nach § 130 Abs. 1 AO kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Im Streitfall kommt wegen der nunmehr eingereichten Steuererklärung für 2003 mit einem sich daraus ergebenden Erstattungsbetrag eine nachträgliche materielle Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheides i.S. von § 130 Abs. 1 AO in Betracht.
bb) Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ist nach dem Wortlaut des § 130 Abs. 1 AO ("kann") eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§§ 102, 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob die Ablehnung der Rücknahme rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (vgl. BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298; in BFH/NV 2012, 711, und in BFH/NV 2013, 906). Stellt das Gericht einen Ermessensfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt. Nur in den Fällen der sog. Ermessensreduzierung auf "Null" ist es befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen (ständige Rechtsprechung, vgl. hierzu statt vieler BFH-Urteil vom 19. Juni 2013 XI R 41/10, BFHE 242, 258, BFH/NV 2013, 2041). Maßgeblicher Zeitpunkt für die durch das FG vorzunehmende Rechtskontrolle sind grundsätzlich die Ermessenserwägungen in der Einspruchsentscheidung, sofern das FA nicht seine Ermessenserwägungen danach im finanzgerichtlichen Verfahren gemäß § 102 Satz 2 FGO in zulässiger Weise ergänzt hat (vgl. dazu im Einzelnen Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 62, 65 ff.).
cc) Bei der Entscheidung, ob einem Begehren auf Rücknahme eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entsprechen ist, hat die Verwaltung im konkreten Fall abzuwägen, ob dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gerechtigkeit im Einzelfall oder dem Interesse der Allgemeinheit am Eintritt von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit der Vorzug zu geben ist. Dabei kommt es auf die Schwere und Offensichtlichkeit des Rechtsverstoßes sowie darauf an, weshalb die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist vom Steuerpflichtigen geltend gemacht wird (BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298; in BFH/NV 2012, 711; in BFH/NV 2013, 906, jeweils m.w.N.).
Das Ermessen ist in der Regel ermessensfehlerfrei ausgeübt, wenn der Adressat die Gründe, die seiner Auffassung nach eine Rücknahme rechtfertigen, mit einem fristgerecht eingelegten Einspruch gegen den Bescheid hätte vorbringen können und keine besonderen Umstände vorliegen, nach denen vom Adressaten die Rechtsverfolgung im Einspruchsverfahren unter Berücksichtigung aller Umstände nicht erwartet werden konnte (BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298; in BFH/NV 2013, 906).
dd) Im Streitfall hat das FG im Rahmen der ihm obliegenden Prüfung nach § 102 FGO zutreffend angenommen, dass das FA die Rücknahme des streitbefangenen Feststellungsbescheides ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.
(1) Das FA hatte im Ablehnungsbescheid vom 12. März 2008 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger die entsprechende Umsatzsteuerforderung ausdrücklich nachträglich anerkannt hat. In seiner Einspruchsentscheidung hat das FA im Zusammenhang mit einer möglichen Änderung des Feststellungsbescheides nach § 130 Abs. 1 AO ferner ausgeführt, dass die eingereichte Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2003 innerhalb der Einspruchsfrist hätte eingehen müssen. Denn der bei der Insolvenzschuldnerin befindliche Jahresabschluss für 2003 sei nicht vom Kläger erstellt, sondern nur "entdeckt" worden. Der Kläger sei seiner Verpflichtung, sämtliche steuerlichen Pflichten der Insolvenzschuldnerin zu erfüllen und dazu alle erforderlichen Unterlagen einzusehen, nur unzureichend nachgekommen. Seine über ein Jahr verspätete Kenntnisnahme des Jahresabschlusses für das Streitjahr gehe daher zu Lasten der Insolvenzschuldnerin.
(2) Im Rahmen des Klageverfahrens hat das FA nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ergänzend ausgeführt, dass nicht feststehe, wann und unter welchen Umständen der fragliche Jahresabschluss für die Insolvenzschuldnerin zum 31. Dezember 2003 "aufgetaucht" sei. Sollte er tatsächlich den bei der Insolvenzschuldnerin durch die Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Geschäftsunterlagen beigelegen haben, hätte es dem Kläger oblegen, alsbald die Einsichtnahme in diese Unterlagen zu beantragen. Eine solche Recherche wäre zwar arbeitszeit- und kostenintensiver gewesen, hätte dem Kläger aber möglicherweise die Chance eröffnet, die richtigen Besteuerungsgrundlagen frühzeitig zu ermitteln.
(3) Die Entscheidung des FG, dass diese Ermessenserwägungen des FA den aufgezeigten Rechtsgrundsätzen zu § 102 FGO genügen, ist zutreffend. Das FA hat sein Interesse als Insolvenzgläubiger am festgestellten Bestand der Insolvenzforderungen erkennbar gegen die vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte abgewogen. Insbesondere hat sich das FA ergänzend und hinreichend mit der vom Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren zusätzlich aufgeworfenen Frage auseinandergesetzt, ob es ihm möglich und auch zumutbar gewesen wäre, die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2003 zu einem früheren Zeitpunkt einzureichen.
ee) Die hiergegen erhobenen ‑‑weiteren‑‑ Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.
Soweit der Kläger ausführt, dass er nicht von der Existenz des Jahresabschlusses für 2003 überzeugt gewesen sei und es ihm nicht zumutbar gewesen sei, "ins Blaue hinein" etwa 100 Kartons mit 500 Ordnern durchsuchen zu lassen, vertritt er hinsichtlich der Zumutbarkeit insoweit lediglich eine andere Auffassung als das FA. Die Entscheidung des FA ist im Ergebnis auch deshalb nicht zu beanstanden, weil der Kläger seinerzeit trotz ‑‑insoweit unbestrittener‑‑ Kenntnis des möglichen Vorhandenseins eines Jahresabschlusses für 2003 die entsprechende mit bestandskräftigem Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 festgestellte Insolvenzforderung am 18. September 2006 anerkannt hatte und gleichwohl erst mehr als ein Jahr danach ‑‑nämlich am 1. November 2007‑‑ die Umsatzsteuererklärung für 2003 eingereicht hat. Auf dieses widersprüchliche Verhalten hatte das FA den Kläger bereits mit seinem angefochtenen Ablehnungsbescheid hingewiesen, ohne dass der Kläger dies ‑‑wie es geboten gewesen wäre‑‑ zu gegebener Zeit ausreichend erläutert hätte.
Soweit der Kläger nun geltend macht, das FA habe in seiner ursprünglichen Berechnungsmitteilung vom 16. November 2004 darauf hingewiesen, dass die "Festsetzung" unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehe und er daher darauf vertraut habe, dass jederzeit eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO erfolgen könne, ist dieser Einwand schon deshalb unbeachtlich, weil die Berechnungsmitteilung des FA vom 16. November 2004 durch den Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 ersetzt worden ist.
3. Dass der bestandskräftige Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 auch nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO oder nach § 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 7 ZPO geändert werden kann, hat das FG zutreffend im Einzelnen dargelegt. Darüber besteht kein Streit.