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Urteil vom 13. November 2013, XI R 2/11

Aufteilung des Vorsteuerabzugs bei einem Land- und Forstwirt mit Durchschnittssatzbesteuerung und seiner Organgesellschaft mit Regelbesteuerung

BFH XI. Senat

UStG § 2 Abs 1, UStG § 2 Abs 2 Nr 2, UStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 1, UStG § 24 Abs 1, UStG § 24 Abs 1 S 4, UStG § 24 Abs 3, EWGRL 388/77 Art 17 Abs 2 Buchst a, EWGRL 388/77 Art 25 Abs 5 UAbs 2

vorgehend FG Düsseldorf, 11. November 2010, Az: 1 K 1245/09 U

Leitsätze

1. Ein Land- und Forstwirt, der einen ‑‑der Vorsteuerpauschalierung unterliegenden‑‑ landwirtschaftlichen Schweinezuchtbetrieb und daneben als Organträger einen ‑‑der Regelbesteuerung unterliegenden‑‑ gewerblichen Schweinemastbetrieb unterhält, muss die einzelnen bezogenen Eingangsleistungen und damit die entsprechenden Vorsteuerbeträge in die abziehbaren und die im Rahmen der Vorsteuerpauschalierung berücksichtigten aufteilen .

2. Für die dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung entsprechende Zuordnung kommt es nicht darauf an, in welchem Unternehmensteil die bezogenen Eingangsleistungen tatsächlich verwendet werden, sondern allein darauf, ob der Unternehmer mit den bezogenen Eingangsleistungen der Durchschnittssatzbesteuerung oder der Regelbesteuerung unterliegende Umsätze ausführt .

Tatbestand

I.

  1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) begehrt die Berücksichtigung weiterer Vorsteuerbeträge im Rahmen seines gewerblichen Schweinemastbetriebs.

  2. Der Kläger ist seit dem 1. März 2002 Eigentümer eines 25,5 ha großen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, mit dem er auch 41 ha Pachtflächen bewirtschaftet. 14,5 ha werden mit Industriekartoffeln und 51 ha mit Getreide bestellt, im Übrigen handelt es sich um Grünland und Stilllegungsflächen. Im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebs setzte der Kläger ca. 160 Zuchtsauen zur Zeugung von Ferkeln/Läufern bis zu einem Lebendgewicht von 25 kg ein, die zum Teil (2003/2004 ca. 2 000 Tiere) im landwirtschaftlichen Betrieb gemästet und an Schlachtbetriebe veräußert wurden.

  3. Im Oktober 2002 übernahm der Kläger nach dem Tod seines Vaters dessen gewerblichen Schweinemastbetrieb und führte diesen als Einzelunternehmer bis zum 14. April 2003 fort. Ab Mai 2003 verkaufte er einen Teil der Jungtiere (ca. 1 200 Läufer) an die am 7. April 2003 gegründete ... GmbH (GmbH) zur anschließenden Weitermast. Alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH war der Kläger. Gegenstand des Unternehmens war die gewerbliche Schweinemast sowie der An- und Verkauf von Schweinen. Die zur Mast bestimmten Jungtiere wurden ausschließlich vom landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers erworben. Die GmbH verfügte über keine eigenen landwirtschaftlichen Flächen, die eine hinreichende eigene Futtergrundlage für die Schweinemast begründen würden.

  4. Die Umsätze aus dem landwirtschaftlichen Schweinezuchtbetrieb versteuerte der Kläger nach den Vorschriften über die Besteuerung nach Durchschnittssätzen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe gemäß § 24 des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren 2003 und 2004 geltenden Fassungen (UStG); diejenigen aus dem Betrieb der gewerblichen Schweinemast (zunächst als Einzelunternehmer, dann auch der GmbH) versteuerte er nach den allgemeinen Vorschriften des UStG.

  5. Für die Jahre 2003 und 2004 (Streitjahre) gaben der Kläger und die GmbH getrennte Umsatzsteuererklärungen ab, denen der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) zunächst folgte.

  6. Infolge einer für die Jahre 2001 bis 2003 durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass zwischen dem Kläger und der GmbH eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorliege. Die Leistungen zwischen dem Kläger als Organträger und der GmbH als Organgesellschaft seien als unternehmensinterne Vorgänge nicht steuerbar. Die Besteuerungsgrundlagen der GmbH seien dem Kläger zuzurechnen und ergäben sich aus den von der GmbH eingereichten Umsatzsteuererklärungen. Die Vorsteuern der GmbH seien um die Beträge zu mindern, welche aus Lieferungen des landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers geltend gemacht worden seien. Ein über den erklärten Vorsteuerabzug hinausgehender Abzug von Vorsteuern aus den Aufzuchtkosten für die Jungtiere, die vom Kläger im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebs mit den angeschafften Zuchtsauen gezeugt und von der GmbH weiter gemästet werden, komme nicht in Betracht. Die vorsteuerbelasteten Aufwendungen der Aufzucht der Jungtiere beträfen ausschließlich den Unternehmensbereich "Landwirtschaft" des Klägers, der nach § 24 UStG besteuert werde.

  7. Das FA folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und setzte mit Bescheid vom 3. April 2007 gegenüber dem Kläger die Umsatzsteuer für das Jahr 2003 auf ... € und mit Bescheid vom 6. Januar 2009 für das Jahr 2004 auf ... € fest.

  8. Mit den hiergegen eingelegten Einsprüchen begehrte der Kläger die Berücksichtigung weiterer Vorsteuerbeträge für die Jahre 2003 und 2004 (Streitjahre). Bei den zugrunde liegenden Eingangsleistungen handelte es sich um allgemeine Kosten für die Zucht der Jungtiere, nämlich um Aufwendungen für Viehzukauf, Futtermittel, sonstige Aufwendungen für Viehhaltung, Maschinen und Geräte, Unterhaltung des Gebäudes, Strom, Gas und sonstigen Betriebsaufwand. Die Einsprüche blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung des FA vom 12. März 2009).

  9. Das Finanzgericht (FG) wies die anschließend erhobene Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus, dass dem Kläger im Rahmen seines einheitlichen Unternehmens kein weiterer Vorsteuerabzug für die durch seinen landwirtschaftlichen Betrieb in der Schweinezucht entstandenen Aufwendungen zustehe, auch wenn diese wirtschaftlich der Aufzucht der Jungtiere zuzurechnen seien, die anschließend von der GmbH gemästet und umsatzsteuerpflichtig verkauft worden seien. Denn der Kläger habe sämtliche der hier streitigen Aufwendungen für die Aufzucht der Jungtiere in seinem landwirtschaftlichen Betrieb verwendet, worauf es beim Vorsteuerabzug maßgeblich ankomme. Dass der Vorsteuerabzug bei einem "Nebeneinander" von Regelbesteuerung und Vorsteuerpauschalierung innerhalb eines Unternehmens davon abhänge, in welchem Unternehmensteil die bezogenen Eingangsleistungen verwendet würden, widerspreche nicht dem Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung von Vorsteuerbeträgen und entspreche dem Sinn und Zweck des § 24 UStG. Die Versagung des weiteren Vorsteuerabzugs verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer. Das Urteil des FG ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 932.

  10. Mit der hiergegen eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Für den Vorsteuerabzug i.S. von § 15 Abs. 1 UStG sei entscheidend, für welche Ausgangsumsätze die Vorsteuer anfalle. Falle Vorsteuer für den Bereich an, bei dem die Ausgangsumsätze der Regelbesteuerung unterlägen, sei die Vorsteuer abzugsfähig (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 26. Februar 1987 V R 71/77, BFHE 150, 165, BStBl II 1987, 685). Sei von vornherein keine exakte Zuordnung der bezogenen Waren oder Dienstleistungen möglich, könne der Unternehmer die Zuordnung auch im Wege einer sachgerechten Schätzung vornehmen (BFH-Urteil vom 25. Juni 1987 V R 121/86, BFHE 151, 463, BStBl II 1988, 150). Bei einer sachgerechten Zuordnung komme es allein darauf an, welche Vorsteuer letztlich für die Jungtiere angefallen sei, die der Kläger in seinem landwirtschaftlichen Betrieb habe zeugen lassen und die er anschließend an die GmbH geliefert habe. Falle die Vorsteuer für solche Ausgangsumsätze an, die der Regelbesteuerung unterlägen, sei sie abziehbar. Falle die Vorsteuer dagegen für solche Vorleistungen an, mit denen letztlich Ausgangsumsätze im Rahmen der Umsatzsteuerpauschalierung nach § 24 UStG ausgeführt würden, könne sie nicht abgezogen werden.

  11. Die Auffassung des FA, dass man die Zeugung der Jungtiere dem pauschalierenden landwirtschaftlichen Betrieb zurechnen müsse und deshalb der Vorsteuerabzug ausscheide, sei unzutreffend. Denn der Umstand, dass die Jungtiere eine andere "Sache" darstellten als die ursprünglich bezogenen Leistungen, mit denen die Jungtiere gezeugt und aufgezogen worden seien, sei rechtlich unerheblich. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 8. Juni 1988 X R 53/81, BFH/NV 1989, 56). Ferner sei die Auffassung der Vorinstanz, wonach der beantragte weitere Vorsteuerabzug nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen sei, unrichtig, weil diese Bestimmung nur insoweit anwendbar sei, als die Ausgangsumsätze der Durchschnittssatzbesteuerung unterlägen.

  12. Die vom FG vorgenommene Aufteilung der Vorsteuer widerspreche dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung von Vorsteuerbeträgen.

  13. Der Kläger beantragt, die Entscheidung der Vorinstanz sowie die Einspruchsentscheidung vom 12. März 2009 aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2003 und 2004 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von ... € für das Jahr 2003 und von ... € für das Jahr 2004 berücksichtigt werden.

  14. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

  15. Es hält die Vorentscheidung insbesondere auch unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung (Beschluss vom 11. Juni 2008 XI B 194/07, BFH/NV 2008, 1548, und Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256) für zutreffend.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. Entgegen der Auffassung des FG hat der Kläger einen Anspruch auf Abzug weiterer Vorsteuerbeträge hinsichtlich der Eingangsleistungen, die zur Zeugung und Aufzucht der Jungtiere bezogen wurden, soweit diese Tiere später weiter gemästet und anschließend steuerpflichtig veräußert wurden.

  3. 1. Das FG hat zunächst zutreffend entschieden, dass der Kläger als Unternehmer mit der Schweinezucht einen landwirtschaftlichen, der Durchschnittssatzbesteuerung i.S. von § 24 Abs. 1 UStG unterliegenden Unternehmensteil betrieben hat, und er daneben zunächst mit dem von seinem Vater übernommenen Einzelunternehmen und anschließend mit der GmbH als Organgesellschaft über weitere Unternehmensteile verfügte, die der Regelbesteuerung unterlagen. Das FG hat insoweit zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen der Organschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit dem Kläger als Organträger und der GmbH als Organgesellschaft bejaht, was im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

  4. a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG wird für "die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze" vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 die Steuer für die nicht näher bezeichneten ‑‑hier einschlägigen‑‑ "übrigen Umsätze" auf 9 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 UStG bleiben die Befreiungen nach § 4 UStG mit Ausnahme der Nrn. 1 bis 7 unberührt; § 9 UStG (Verzicht auf Steuerbefreiung) findet keine Anwendung. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den "übrigen Umsätzen" zuzurechnen sind, auf 9 % der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt; ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt (§ 24 Abs. 1 Sätze 3 und 4 UStG).

  5. Durch diese Regelungen gleichen sich mithin Steuer und Vorsteuer aus, so dass der Landwirt im Ergebnis für diese Umsätze keine Umsatzsteuer zu entrichten hat.

  6. b) Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BFH ist § 24 UStG richtlinienkonform auszulegen (vgl. z.B. Urteile vom 25. November 2004 V R 8/01, BFHE 208, 73, BStBl II 2005, 896, unter II.2.; vom 22. September 2005 V R 28/03, BFHE 211, 566, BStBl II 2006, 280; vom 13. Januar 2011 V R 65/09, BFHE 233, 72, BStBl II 2011, 465, Rz 16; vom 23. Januar 2013 XI R 27/11, BFHE 240, 422, BStBl II 2013, 458, Rz 16).

  7. aa) § 24 UStG "beruht" nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 8/1779, 49) auf Art. 25 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‑‑Richtlinie 77/388/EWG‑‑ (seit dem 1. Januar 2007 Art. 295 ff. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ‑‑MwStSystRL‑‑). Der deutsche Gesetzgeber hat die unionsrechtlichen Vorgaben aber bislang lediglich dadurch "umgesetzt", dass er die bei der Verabschiedung der Richtlinie 77/388/EWG bestehende nationale Regelung im Wesentlichen fortgeführt hat (vgl. hierzu im Einzelnen Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 24 Rz 1 ff., 21 ff.; Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 24 Rz 1 ff., 31 ff.; Lange in Offerhaus/Söhn/Lange, § 24 UStG Rz 5 ff., 11 ff.).

  8. bb) Nach Art. 25 der in den Streitjahren 2003 und 2004 anwendbaren Richtlinie 77/388/EWG finden die in dieser Bestimmung vorgesehenen Pauschalausgleichsprozentsätze lediglich auf den Preis der dort näher bezeichneten landwirtschaftlichen Erzeugnisse und landwirtschaftlichen Dienstleistungen Anwendung; die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger gemäß Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG gilt deshalb nur für die dort genannten Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftlichen Dienstleistungen. Andere Umsätze, "die der pauschale Landwirt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs tätigt", unterliegen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) der allgemeinen Regelung (vgl. für Verpachtungsumsätze Urteil vom 15. Juli 2004 C-321/02 ‑‑Harbs‑‑, Slg. 2004, I-7101, BFH/NV Beilage 2004, 371).

  9. cc) § 24 UStG gilt zwar seinem Wortlaut nach für "die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze". Dies ist aber in richtlinienkonformer Auslegung dahin zu verstehen, dass damit nur die Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftlichen Dienstleistungen gemeint sind, auf die die Pauschalregelung des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG (seit dem 1. Januar 2007 Art. 295 ff. MwStSystRL) Anwendung findet (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 240, 422, BStBl II 2013, 458, Rz 21, m.w.N.).

  10. 2. Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

  11. Wendet ein Unternehmer für seine im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze die Durchschnittssatzregelung für pauschalierende Landwirte nach § 24 UStG an, ist nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ein weiterer Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

  12. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG und auf Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG ist der Steuerpflichtige, soweit er Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG sieht vor, dass die Anwendung der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger jeden weiteren Vorsteuerabzug ausschließt.

  13. 3. Falls ein Unternehmer ‑‑wie im Streitfall‑‑ einen der Vorsteuerpauschalierung unterliegenden landwirtschaftlichen Betrieb i.S. von § 24 Abs. 1 UStG und einen weiteren der Regelbesteuerung unterliegenden Gewerbebetrieb unterhält, gelten für die Inanspruchnahme eines etwa begehrten ‑‑anteiligen‑‑ Vorsteuerabzugs nach der Rechtsprechung folgende Grundsätze:

  14. a) Der Unternehmer muss die einzelnen Leistungsbezüge je einem der beiden Unternehmensteile zuordnen und damit die entsprechenden Vorsteuerbeträge in die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG abziehbaren und die im Rahmen der Vorsteuerpauschalierung berücksichtigten aufteilen (BFH-Urteile in BFHE 150, 165, BStBl II 1987, 685, unter II.1.c; in BFHE 151, 463, BStBl II 1988, 150, unter II.2.a; in BFH/NV 1989, 56, unter 2.b; vom 16. Dezember 1993 V R 79/91, BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339, unter II.1.a; BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1548; Abschn. 24.7. Abs. 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses). Dabei sind Innenumsätze zwischen dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und dem gewerblichen Betrieb eines Unternehmens mangels Lieferung oder unentgeltlicher Wertabgabe nicht steuerbar (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16. Juli 1987 V R 22/78, BFHE 151, 204, BStBl II 1988, 83, unter 3.f).

  15. b) Diese Entscheidung des Unternehmers muss im Rahmen der Ausschlussregelung des § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG dem Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung dahingehend entsprechen, dass die Eingangsleistungen den nach § 24 Abs. 1 UStG versteuerten Umsätzen oder den der Regelbesteuerung unterworfenen Umsätzen zugerechnet werden (BFH-Urteile in BFH/NV 1989, 56, unter 2.b; in BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339, Leitsatz 1, und vom 10. November 1994 V R 87/93, BFHE 176, 477, BStBl II 1995, 218, unter II.A.1.).

  16. c) Ist bei Bezug der jeweiligen Eingangsleistung noch keine eindeutige Zuordnung möglich, ist die Aufteilung notfalls im Wege einer Schätzung vorzunehmen, wobei diese nach der wahrscheinlichen späteren Verwendung der erworbenen Güter zu erfolgen hat (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1989, 56, unter 2.a, und in BFHE 150, 165, BStBl II 1987, 685, Leitsatz 1). Die Besonderheit, dass die bezogenen und die schließlich verwerteten Sachen ggf. nicht identisch sind, rechtfertigt kein anderes Aufteilungsprinzip (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 56, unter 2.b).

  17. d) Die hiernach erforderliche Zuordnungsentscheidung des Unternehmers findet regelmäßig ihren Ausdruck in der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs; denn damit gibt der Unternehmer zu erkennen, dass ein bestimmter Leistungsbezug ‑‑ganz oder teilweise‑‑ für den ‑‑der Regelbesteuerung unterliegenden‑‑ gewerblichen Unternehmensbereich stattgefunden hat (vgl. BFH-Urteile in BFHE 150, 165, BStBl II 1987, 685, unter II.1.c, und in BFHE 151, 463, BStBl II 1988, 150, unter II.2.b).

  18. 4. Bei der Übertragung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt sich, dass dem Kläger als Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 UStG der begehrte ‑‑anteilige‑‑ Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG zusteht.

  19. a) Der Kläger hat die mit Hilfe der im Tatbestand im Einzelnen aufgeführten Eingangsbezüge (Anschaffung von Zuchtsauen, Tierfutter usw.) produzierten und aufgezogenen Jungtiere in der GmbH weiter gemästet und anschließend steuerpflichtig veräußert. Er hat insoweit keine gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegenden Umsätze ausgeführt, was aber für den Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG erforderlich gewesen wäre (vgl. BFH-Urteil in BFHE 151, 463, BStBl II 1988, 150, unter II.2.).

  20. b) Die vom Kläger dementsprechend vorgenommene Aufteilung der Eingangsbezüge und Vorsteuerbeträge genügt grundsätzlich den genannten Vorgaben.

  21. Denn für die dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung entsprechende Zuordnung kommt es entgegen der Ansicht des FG nicht darauf an, in welchem Unternehmensteil die bezogenen Eingangsleistungen tatsächlich verwendet wurden, sondern allein darauf, ob der Unternehmer mit den bezogenen Eingangsleistungen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG oder der Regelbesteuerung unterliegende Umsätze ausgeführt hat. Der Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG (Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) ist vielmehr umsatzbezogen und nicht betriebsbezogen auszulegen.

  22. aa) Dies ergibt sich entsprechend dem Vorbringen des Klägers wohl bereits aus dem Gesetzeswortlaut von § 24 Abs. 1 UStG, wonach es um die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs "ausgeführten Umsätze" geht. Jedenfalls lässt sich dies aus der Regelung in Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG ableiten, die ‑‑wie dargelegt‑‑ im Rahmen der unionsrechtskonformen Auslegung des § 24 UStG zu berücksichtigen ist und nur die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftliche Dienstleistungen erfasst. § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ist damit nicht "betriebsbezogen", sondern "tätigkeitsbezogen" bzw. "umsatzbezogen" anzuwenden (vgl. dazu Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 24 Rz 11, 45, 305; Tehler in Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG § 24 Rz 41 ff.; Lange in Offerhaus/Söhn/ Lange, § 24 UStG Rz 60 ff.).

  23. bb) Diese Auffassung wird auch von der Rechtsprechung und Literatur geteilt (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1989, 56, unter 2.b; in BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339, Leitsatz 1, und in BFHE 176, 477, BStBl II 1995, 218, unter II.A.1.; Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 24 Rz 170; Lange in Offerhaus/Söhn/ Lange, § 24 UStG Rz 446, 531).

  24. cc) Soweit der Senat im Beschluss in BFH/NV 2008, 1548 ausgeführt hat, dass für den Vorsteuerabzug ‑‑unter Außerachtlassung der unionsrechtlichen Vorgaben‑‑ entscheidend sei, in welchem Betrieb die bezogenen Lieferungen verwendet werden, hält der Senat daran aus vorstehenden Gründen nicht fest (vgl. auch BFH-Urteile in BFH/NV 1989, 56, unter 2.b; in BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339, Leitsatz 1, und in BFHE 176, 477, BStBl II 1995, 218, unter II.A.1.).

  25. c) Vor diesem Hintergrund ist es entgegen der Auffassung des FA unerheblich, dass die angeschafften Zuchtsauen auch nach der Zeugung der später im Rahmen der GmbH veräußerten Jungtiere im landwirtschaftlichen Betriebsteil des Klägers verblieben sind und dass das angeschaffte Futter zum Teil von den Tieren bereits im landwirtschaftlichen Betriebsteil gefressen wurde.

  26. d) Dem anteilig begehrten Vorsteuerabzug des Klägers steht auch nicht entgegen, dass die im Rahmen der Eingangsbezüge erworbenen Zuchtsauen, die Futtermittel etc. nicht identisch sind mit den später im Rahmen des gewerblichen Schweinemastbetriebs bzw. später der GmbH steuerpflichtig veräußerten Mastschweinen. Denn nach der Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung von Eingangsbezügen bei einem der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegenden landwirtschaftlichen und einem der Regelbesteuerung unterworfenen anderen Unternehmensteil ist es ohne Belang, dass ‑‑wie im Streitfall‑‑ keine Identität zwischen den bezogenen und den anschließend veräußerten "Sachen" besteht (BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 56).

  27. e) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass im Streitfall eine Organschaft zwischen dem Kläger als Organträger und der GmbH als Organgesellschaft besteht.

  28. Zwar weist das FA insoweit zutreffend darauf hin, dass sich der Vorsteuerabzug nach der Verwendung der Leistung bei der Organgesellschaft bestimmt, wenn der Organträger eine Leistung bezieht, die er an eine Organgesellschaft weitergibt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.2.d, m.w.N.).

  29. Entgegen der Auffassung des FA lässt sich hieraus aber nicht im Umkehrschluss entnehmen, dass sich der Vorsteuerabzug des Organträgers nach abweichenden Grundsätzen bestimmen würde, nur weil keine Identität zwischen den Leistungsbezügen des Organträgers und den an die Organgesellschaft später weitergereichten "Leistungen" vorliegt. Denn dies hätte wegen der sich daraus ergebenden Ungleichbehandlung des Vorsteuerabzugs des Organträgers einer Organschaft im Verhältnis zu anderen Unternehmen mit jeweils einem landwirtschaftlichen und einem gewerblichen Unternehmensteil einen unzulässigen Verstoß gegen das im Unionsrecht geltende Neutralitätsprinzip zur Folge, wonach das gemeinsame Mehrwertsteuersystem die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis gewährleistet, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil vom 29. November 2012 C-257/11 ‑‑SC Gran Via Moinesti SRL‑‑, Mehrwertsteuerrecht 2013, 33, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 80, Rz 22, m.w.N.).

  30. f) Soweit das FA im Revisionsverfahren nunmehr vorträgt, dass wegen der seines Erachtens gebotenen Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf alle Umsätze des Klägers überhaupt kein Vorsteuerabzug aus der steuerpflichtigen Veräußerung der Tiere in Betracht komme, stehen diesem Vorbringen schon die tatsächlichen den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG entgegen, wonach der im Rahmen der Organgesellschaft des Klägers unterhaltene Schweinemastbetrieb als gewerbliche ‑‑und nicht als landwirtschaftliche‑‑ Tätigkeit zu qualifizieren ist, weil die Organgesellschaft mangels ausreichender eigener Futtergrundlage nicht sämtliche Merkmale eines landwirtschaftlichen Betriebs i.S. von § 24 Abs. 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 51 des Bewertungsgesetzes aufweist.

  31. 5. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das FA hat die vom Kläger geltend gemachten und im Einzelnen schlüssig berechneten Vorsteuerabzugsbeträge für die GmbH der Höhe nach nicht bestritten. Dem Klageantrag war in vollem Umfang zu entsprechen.

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