BFH III. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 116 Abs 3 S 3, AO § 143 Abs 1, AO § 143 Abs 2, FGO § 96 Abs 2, FGO § 119 Nr 3, GG Art 103 Abs 1
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 29. Juli 2012, Az: 3 K 304/10
Leitsätze
NV: Ist die Entscheidung des FG auf mehrere Erwägungen gestützt worden, von denen jede für sich die Entscheidung trägt, so ist ein Verfahrensmangel nur dann schlüssig gerügt, wenn dargelegt wird, dass er im Hinblick auf jede der Erwägungen besteht.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen, die schlüssig einen Verfahrensmangel ergeben, der zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) führen könnte.
1. a) Die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels erfordert, dass die Tatsachen, die den Mangel ergeben, im Einzelnen angeführt werden und dass dargelegt wird, dass die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) auf dem Mangel beruhen kann, wobei Ausführungen zur Ursächlichkeit des Mangels für die FG-Entscheidung entbehrlich sind, wenn es sich um die Rüge eines absoluten Revisionsgrundes i.S. des § 119 FGO handelt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO; z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 14. März 2007 IV B 76/05, BFHE 216, 507, BStBl II 2007, 466; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 48, 49, § 119 Rz 2, § 120 Rz 67, jeweils m.w.N.).
Ist die Entscheidung ‑‑wie im Streitfall‑‑ auf mehrere Erwägungen gestützt worden, von denen jede für sich die Entscheidung trägt, so ist ein Verfahrensmangel nur dann schlüssig gerügt, wenn dargelegt wird, dass er im Hinblick auf jede der Erwägungen besteht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Oktober 1993 VII R 29/93, BFH/NV 1994, 564, und vom 1. September 2004 X B 162/03, BFH/NV 2005, 224; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 49; vgl. auch BFH-Beschluss vom 23. Februar 2012 X B 91/11, BFH/NV 2012, 1150).
b) Den Ausführungen des Klägers in seiner Beschwerdebegründung lässt sich nicht entnehmen, dass er einen Verfahrensmangel hinsichtlich sämtlicher Erwägungen der Vorinstanz geltend macht. Vielmehr hat er ausdrücklich vorgetragen, er sei in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) verletzt, da das FG sich nicht mit der Aussage des in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2012 vernommenen Zeugen X auseinandergesetzt habe, mit der dieser den Sachvortrag der Klägers hinsichtlich des Bargeldtransfers von … (Asien) in die Bundesrepublik Deutschland bestätigt habe. Denn in der Begründung des FG-Urteils lasse sich kein Hinweis darauf finden, dass das FG diese Zeugenaussage bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt habe (vgl. insoweit auch § 119 Nr. 6 FGO).
Das FG hat die Vorentscheidung hingegen nicht allein auf die Erwägung gestützt, dass die Schätzungsbefugnis des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ‑‑FA‑‑) aus der sachlichen Unrichtigkeit der Buchführung des Klägers folge und es dem Kläger insoweit nicht gelungen sei, die Zahlenwerte der Geldverkehrsrechnung durch seinen Vortrag in Frage zu stellen, ihm und seiner Ehefrau sei Geld von der Verwandtschaft in … (Asien) zugewendet worden (S. 6 des Urteils). Vielmehr hat es in seiner Entscheidung die Schätzungsbefugnis daneben deshalb bejaht (sog. kumulative Begründung), weil die Buchführung nicht den formellen Anforderungen der §§ 140 bis 148 der Abgabenordnung (AO) entsprach (S. 4 f. des Urteils). Der Kläger sei seiner Pflicht zur (gesonderten) Aufzeichnung des Wareneingangs gemäß § 143 Abs. 1, 2 AO nicht nachgekommen, weil er in allen Streitjahren einen Teil seines Wareneinkaufs ‑‑nämlich die bei der Firma Y unter der zweiten Kundennummer bezogenen Waren‑‑ in seiner Buchführung nicht erfasst habe, was allein schon zur Schätzungsbefugnis des FA führe. Weitere formelle Mängel der Buchführung seien die fehlende Erfassung der Lieferung eines Büffets am 29. Juli 2006 sowie die fehlerhafte Programmierung der Registrierkasse, die dazu führe, dass der gesamte Tagesumsatz nach Löschung der einzelnen Tagesumsätze nicht gespeichert bleibe und die Tagesendsummenbons nicht fortlaufend nummeriert würden.
Hinsichtlich dieser die Entscheidung bereits selbständig tragenden Erwägung hat der Kläger aber keinen Verfahrensmangel gerügt.
Unerheblich ist dabei, dass das FG die Schätzung der Höhe nach ‑‑jedenfalls für die Streitjahre 2004 bis 2006‑‑ auch auf die Einnahmefehlbeträge der Geldverkehrsrechnung gestützt hat. Denn insoweit hat das FG die Rechtmäßigkeit der Schätzung der Höhe nach wiederum kumulativ begründet, nämlich auch mit der Schlüssigkeit der von dem Prüfer vorgenommenen Ausbeutekalkulation.
2. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung ab.