BFH IX. Senat
ZPO § 227 Abs 1 S 1, FGO § 155
vorgehend FG Köln, 20. März 2013, Az: 5 K 1928/10
Leitsätze
1. NV: Hat der Prozessbevollmächtigte vor seiner Beauftragung eine am Terminstag stattfindende ganztägige Fortbildungsveranstaltung gebucht, kann hierin ein erheblicher Grund für die Verlegung des Termins liegen.
2. NV: Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Prozessbevollmächtigte, wenn er rechtzeitig beauftragt worden wäre, einen erheblichen Verlegungsgrund durch die Buchung der Fortbildungsveranstaltung nicht mehr hätte schaffen können, weil der Gerichtstermin zu diesem Zeitpunkt bereits feststand.
Tatbestand
I. Mit Schriftsatz vom 19. März 2013 zeigte der Klägervertreter seine Beauftragung an und beantragte, den auf den 21. März 2013 anberaumten Termin zu verlegen. Zur Begründung führte er an, er habe noch keine ausreichende Gelegenheit gehabt, sich in den Streitstoff einzuarbeiten, und er sei durch eine ganztägige Fortbildungsveranstaltung am 21. März 2013 gehindert, den Termin wahrzunehmen. Dem Schreiben war eine auf den 15. März 2013 datierte Anmeldebestätigung für eine am Verhandlungstag in der Nähe des Gerichtsorts stattfindende ganztägige Fortbildungsveranstaltung beigefügt.
Das Finanzgericht (FG) hat am 21. März 2013 in Abwesenheit des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) verhandelt und im Urteil zur Begründung u.a. ausgeführt, der Antrag auf Verlegung des Termins habe offensichtlich der Prozessverschleppung gedient. Der Kläger habe seinen neuen Prozessbevollmächtigten viel zu spät mandatiert. Ihm seien die Zurückweisung seines vormaligen Prozessbevollmächtigten und der Verhandlungstermin seit langem bekannt gewesen. Bei rechtzeitiger Beauftragung hätte sich der neue Prozessbevollmächtigte einarbeiten und den Termin durch kurzfristige Unterbrechung seiner Fortbildung auch wahrnehmen können, da der Tagungsort unweit vom Gericht gelegen sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Der gerügte Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Er führt zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).
1. Das FG hat es zu Unrecht abgelehnt, den auf den 21. März 2013 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen. Indem es danach in Abwesenheit des Klägers mündlich verhandelt hat, hat es das rechtliche Gehör des Klägers verletzt.
a) Nach § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO muss das Gericht einen Verhandlungstermin verlegen, wenn hierfür erhebliche Gründe vorliegen (ständige Rechtsprechung, Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 23. November 2001 V B 224/00, BFH/NV 2002, 520; vom 1. Februar 2002 II B 38/01, BFH/NV 2002, 938; vom 18. März 2003 I B 122/02, BFH/NV 2003, 1584). Zu den erheblichen Gründen gehört nach der Rechtsprechung die Ortsabwesenheit eines Beteiligten oder seines Vertreters infolge eines vor Anberaumung des Termins geplanten Urlaubs, wenn eine Vertretung nicht in Betracht kommt und die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins als nicht zumutbar erscheint. Gleiches gilt, wenn ein Beteiligter oder sein Vertreter durch anderweitige (früher anberaumte) berufliche Verpflichtungen an der Teilnahme gehindert ist (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 91 Rz 4, m.w.N.). Ein erheblicher Grund kann nach der Rechtsprechung auch vorliegen, wenn der Prozessbevollmächtigte durch eine früher gebuchte berufliche Fortbildungsveranstaltung verhindert ist (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Januar 2010 VIII B 221/09, juris; Oberlandesgerichts Frankfurt, Beschluss vom 14. Januar 2008 9 W 32/07, Neue Juristische Wochenschrift 2008, 1328).
b) Nach diesen Maßstäben kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers wegen ganztägiger Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung gehindert war, den Termin wahrzunehmen. Dies stellt unter den Umständen des Streitfalls einen erheblichen Grund für die Verlegung dar.
aa) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung früher anberaumt war. Zum einen hat das FG dazu keine Feststellungen getroffen. Der auf den 15. März 2013 datierten Anmeldebestätigung des Veranstalters ist das Datum der Anmeldung nicht zu entnehmen. Aber selbst wenn sich der Prozessbevollmächtigte erst nach Anberaumung des Termins zu der Veranstaltung angemeldet haben sollte, kann ihm insofern eine Verschleppungsabsicht nicht unterstellt werden, da die Anmeldung nach Aktenlage jedenfalls vor seiner Mandatierung erfolgt sein muss.
bb) Auch dem Kläger kann im Hinblick auf die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten durch die Fortbildungsveranstaltung keine Verschleppungsabsicht unterstellt werden. Zwar lehnt die Rechtsprechung eine Vertagung unter Umständen ab, wenn der Kläger erst kurz vor dem Termin einen Vertreter bestellt (z.B. BFH-Beschlüsse vom 13. November 2007 VII B 100/07, BFH/NV 2008, 392, und vom 30. Januar 2008 V B 72/06, BFH/NV 2008, 812). Die Rechtsprechung begegnet damit aber zu Recht nur dem Einwand fehlender Einarbeitungszeit, sofern die Umstände darauf hindeuten, dass die (zu) späte Mandatierung der Prozessverschleppung dienen sollte. Es kann dahinstehen, ob dieser Vorwurf im Streitfall zu erheben ist, weil er sich zumindest nicht ausgewirkt hat. Zwar hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers durch die Buchung der Fortbildungsveranstaltung einen erheblichen Verlegungsgrund nicht mehr schaffen können, wenn er zu diesem Zeitpunkt bereits von dem Gerichtstermin gewusst hätte. Dies ist jedoch unerheblich, weil die Obliegenheit zur Prozessförderung durch rechtzeitige Beauftragung eines Terminvertreters nicht den Zweck hat zu verhindern, dass sich der Vertreter die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung durch die Annahme anderer Termine unmöglich macht. Sie zielt vielmehr alleine darauf ab, seine ausreichende fachliche Einarbeitung in den Prozessstoff und Vorbereitung auf den Termin zu gewährleisten.
cc) Schließlich konnte dem Prozessbevollmächtigten auch nicht zugemutet werden, seine Fortbildungsveranstaltung für die Wahrnehmung des Gerichtstermins zu unterbrechen. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Entfernung zum Gerichtsort der Tagungsort lag und wie lang die Unterbrechung gedauert hätte. Die gegenteilige Auffassung des FG ist nicht vertretbar.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.