BFH I. Senat
EStG § 6 Abs 1 Nr 3a Buchst c
vorgehend FG München, 26. März 2012, Az: 6 K 3897/09
Leitsätze
NV: Ein künftiger Vorteil (hier: sog. Kippentgelte im Zusammenhang mit einer Rekultivierungsverpflichtung) ist bereits dann i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG 2002 mit der Erfüllung einer Verpflichtung voraussichtlich verbunden und führt zur Minderung einer Rückstellung, wenn mehr Gründe für als gegen den Vorteilseintritt sprechen. Der Abschluss schuldrechtlicher Verträge ist nicht erforderlich .
Tatbestand
I. In der Sache streitig ist die Berechtigung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zur Bildung von Rückstellungen für Rekultivierungen in den Streitjahren 2002 bis 2004.
Gegenstand der Klägerin, einer GmbH, ist u.a. die Förderung, die Veredelung und die Veräußerung von Kies und Sand. Die Förderung erfolgte in der Grube X, einem gepachteten Grundstück in Y. Im Zusammenhang mit der erteilten Kiesabbaugenehmigung gab das zuständige Landratsamt Rekultivierungsauflagen vor, die eine Auffüllung, Planierung und Bepflanzung der abgebauten Flächen vorsahen. Hierfür bildete die Klägerin zum 31. März 2002 eine Rückstellung in Höhe von … €, zum 31. März 2003 eine Rückstellung in Höhe von … € und zum 31. März 2004 eine Rückstellung in Höhe von … €.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) erkannte die gebildeten Rückstellungen mit der Begründung nicht an, künftige Einnahmen aus Kippgebühren seien bei der Bewertung einer Rückstellung zu berücksichtigen. Aufgrund der Höhe der an den Bilanzstichtagen zu erwartenden Kippentgelte könnten keine Rückstellungen gebildet werden. Hiervon ausgehend erließ das FA entsprechende Körperschaftsteuerbescheide und Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2002 bis 2004.
Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) München wies die daraufhin erhobene Klage durch Urteil vom 27. März 2012 6 K 3897/09, das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1533 veröffentlicht worden ist, zurück.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde beantragt die Klägerin, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen.
Das FA hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen ‑‑soweit sie von der Klägerin hinreichend dargetan worden sind‑‑ nicht vor.
1. Der Rechtssache kommt unter dem von der Klägerin hervorgehobenen Gesichtspunkt, ob eine Kompensation mit künftigen Vorteilen im Rahmen der Rückstellungsbewertung lediglich dann gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) vorgenommen werden darf, wenn bereits entsprechende Verträge abgeschlossen worden sind oder ob bereits eine auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruhende Mindestwahrscheinlichkeit ausreicht, keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu.
a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 I B 88/11, BFH/NV 2012, 1089, m.w.N.). Hierfür muss eine Rechtsfrage herausgestellt werden, deren Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei soll es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss (BFH-Beschlüsse vom 9. September 2005 IV B 6/04, BFH/NV 2006, 22; vom 28. Juni 2006 IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243; vom 22. April 2013 III B 109/12, BFH/NV 2013, 1129).
b) Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der aufgeworfenen Rechtsfrage aufgrund mangelnder Klärungsbedürftigkeit nicht erfüllt. Denn die Rechtsfrage ist offensichtlich so zu beantworten, wie es das FG getan hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2011 I B 108/10, BFH/NV 2011, 1924; vom 12. Dezember 2012 I B 27/12, BFH/NV 2013, 545; vom 25. März 2013 I B 26/12, BFH/NV 2013, 1061; BFH-Beschlüsse vom 25. März 2013 VII B 232/12, BFH/NV 2013, 1131; vom 13. Juni 2013 X B 232/12, BFH/NV 2013, 1416). Der Abschluss schuldrechtlicher Verträge ist für eine Kompensation mit künftigen Vorteilen nicht erforderlich (so auch Urteile des FG Köln vom 14. Dezember 2005 4 K 2927/03, EFG 2006, 877, und des Sächsischen FG vom 31. August 2010 6 K 905/08, juris; Frotscher in Frotscher, EStG, § 5 Rz 425; Meurer in Lademann, EStG, § 6 EStG Rz 862).
Bei der Bewertung von Rückstellungen sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG 2002 künftige Vorteile, die mit der Erfüllung der Verpflichtung voraussichtlich verbunden sein werden, wertmindernd zu berücksichtigen, soweit sie nicht als Forderungen zu aktivieren sind. Eine voraussichtliche Verbundenheit besteht bereits dann, wenn mehr Gründe für als gegen den Vorteilseintritt sprechen, mit anderen Worten der Vorteilseintritt überwiegend wahrscheinlich ist (so bereits Urteil des FG Köln in EFG 2006, 877; ähnlich Schmidt/Kulosa, EStG, 32. Aufl., § 6 Rz 476, und Urteil des FG Düsseldorf vom 13. Dezember 2010 3 K 3356/08 F, EFG 2011, 884: begründete Aussicht auf den Erfolgseintritt; vgl. auch Kiesel in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz 1178). Lediglich die bloße Möglichkeit eines Erfolgseintritts ist nicht ausreichend (insoweit zutreffend BTDrucks 14/443, 23; s. auch Blümich/Ehmcke, § 6 EStG Rz 977b; Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 476; Werndl in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rz Da 24). Denn dem Adjektiv "voraussichtlich" kommt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Bedeutung von "mit ziemlicher Gewissheit zu erwarten" (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 2. Aufl., S. 729 "voraussichtlich") bzw. "vermutlich", "wahrscheinlich" oder "aller Voraussicht nach" zu (Duden, Die sinn- und artverwandten Wörter, 2. Aufl., S. 741 "voraussichtlich" i.V.m. S. 48 "anscheinend").
Soweit in den Gesetzesmaterialien und Teilen der Literatur demgegenüber die Auffassung vertreten wird, für die Berücksichtigung sog. Kippentgelte bedürfe es bereits abgeschlossener Verträge (BTDrucks 14/443, 23; Fischer in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 6 Rz 156; Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 6 Rz 667; Werndl in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, ebenda; noch weiter gehend einschränkend Mayer-Wegelin in Bordewin/Brandt, § 6 EStG Rz 504g), folgt der beschließende Senat dem nicht. Diese Auffassung hat, wovon das FG insoweit zu Recht ausgeht, im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden (so auch Urteil des FG Köln in EFG 2006, 877) und lässt sich mit dem Adjektiv "voraussichtlich" in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG 2002 nicht vereinbaren.
Für dieses Verständnis spricht auch, dass damit die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung und ihrer Minderung aufgrund voraussichtlich mit der Erfüllung der Verpflichtung verbundener Vorteile parallel laufen. Auch eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten darf ‑‑neben anderen Voraussetzungen‑‑ nur gebildet werden, wenn die Geltendmachung der Verpflichtung nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag wahrscheinlich ist (BFH-Urteil vom 19. September 2012 IV R 45/09, BFHE 239, 66, BStBl II 2013, 123), weil mehr Gründe für als gegen die Inanspruchnahme bestehen (Senatsurteile vom 1. August 1984 I R 88/80, BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44; vom 6. Dezember 1995 I R 14/95, BFHE 180, 258, BStBl II 1996, 406; BFH-Urteile vom 27. November 1997 IV R 95/96, BFHE 185, 160, BStBl II 1998, 375; vom 18. Januar 2007 IV R 42/04, BFHE 216, 340, BStBl II 2008, 956; Crezelius in Kirchhof, a.a.O., § 5 Rz 121). Ein Gleichlauf der Voraussetzungen für die Passivierung der Rückstellung und ihre Minderung wegen zu erwartender Vorteile ist geboten, um die tatsächlich eintretende Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit exakt bemessen zu können (auf die effektive Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit abstellend auch BTDrucks 14/23, 172, und BTDrucks 14/265, 173).
2. Die Klägerin hat eine grundsätzliche Bedeutung nicht dadurch in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt, dass sie die Frage aufgeworfen hat, ob für die Bemessung der künftigen Vorteile Umstände ohne Belang seien, die nicht in der Hand der Klägerin liegen. Insoweit hat die Klägerin keine entscheidungserhebliche abstrakte Rechtsfrage formuliert. Die ordnungsgemäße Konkretisierung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 1 FGO erfordert grundsätzlich, dass die Rechtsfrage mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann; nicht ausreichend ist hingegen eine Rechtsfrage, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und damit auf die Antwort "Kann sein" hinausläuft (Senatsbeschluss in BFH/NV 2012, 1089, m.w.N.). Letzteres ist bei der pauschal gestellten Rechtsfrage der Klägerin der Fall, die nicht nach Umständen differenziert.
3. Soweit die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache damit begründet, dass das FG-Urteil auf der Rechtsfrage beruhe, dass im Rahmen der bei Steinbrüchen üblichen Rekultivierungspflichten eine über die einzeln angesetzten Rückstellungen für die einzeln vorzunehmenden Arbeitsschritte hinaus künftige Vorteile gegengerechnet werden können, genügt die Begründung ebenfalls nicht den Anforderungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Klägerin hat schon nicht schlüssig dargelegt, dass dem FG-Urteil dieser Rechtssatz überhaupt entnommen werden kann. Ungeachtet dessen lässt die Begründung der Klägerin nicht erkennen, dass es sich um eine für die Entscheidung des Rechtsstreits erhebliche Frage handelt. Sie hat nicht konkret erläutert, inwieweit die Entscheidung davon abhängt, ob die Vorteile nur in Höhe der jeweiligen Arbeitsschritte oder auch über die einzelnen Arbeitsschritte hinaus gegengerechnet werden.
4. Aufgrund der von der Klägerin vorab unter 1. bis 3. hervorgehobenen Aspekte bedarf es ebenfalls keiner Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO). Denn die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts erfordert als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gleichfalls das Herausstellen einer ‑‑im Streitfall fehlenden‑‑ klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage, deren Klärung in einem künftigen Revisionsverfahren zu erwarten ist (BFH-Beschlüsse vom 14. August 2006 III B 198/05, BFH/NV 2006, 2281, und vom 14. Mai 2013 X B 176/12, BFH/NV 2013, 1445), was im Streitfall nicht geschehen ist.
5. Soweit die Klägerin vorträgt, die Revision sei gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, entspricht die Begründung ebenso nicht den Darlegungsanforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
a) Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes setzt die Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und der herangezogenen Divergenzentscheidung andererseits voraus (BFH-Beschlüsse vom 17. August 2005 IX B 58/05, BFH/NV 2005, 2044; vom 18. Januar 2011 X B 34/10, BFH/NV 2011, 813; vom 14. Mai 2013 X B 184/12, BFH/NV 2013, 1257). Keine Divergenz wird demgegenüber bezeichnet, wenn keine Abweichung bei den abstrakten Maßstäben besteht, auch wenn deren Anwendung auf den Einzelfall fehlerhaft sein sollte. Ein bloßer Subsumtionsfehler begründet keine Divergenz (BFH-Beschlüsse vom 28. Januar 2002 VII B 41/01, BFH/NV 2002, 932, und vom 16. April 2002 X B 140/01, BFH/NV 2002, 1046).
b) Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin trägt vor, das FG-Urteil weiche von dem Urteil des Sächsischen FG vom 31. August 2010 6 K 905/08 (juris) ab, weil das Sächsische FG nicht von einem auf die Zukunft bezogenen Wahrscheinlichkeitserfordernis ausgehe, sondern lediglich die in der Vergangenheit erzielten Erlöse betrachte und diese ohne Zukunftsbetrachtung auf die Zukunft projiziere. Das Vorbringen ist schon deshalb unschlüssig, weil die Entscheidung über die Wahrscheinlichkeit eines Vorteilseintritts von Natur aus nur eine in die Zukunft gewandte Betrachtung sein kann, was auch vom Sächsischen FG nicht anders gesehen wird (von einer Übereinstimmung der abstrakten Maßstäbe beider Urteile geht auch TK, Deutsche Steuer-Zeitung 2012, 491 aus). Es hat zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit lediglich für den konkreten Einzelfall Umstände aus der Vergangenheit gewürdigt und diese für die Zukunft zugrunde gelegt, was eine ‑‑auf eine Abweichung im Abstrakten bezogene‑‑ Divergenzrüge nicht zu begründen vermag.
6. Soweit die Klägerin vorträgt, die Entscheidung des FG sei greifbar rechtswidrig, hat sie nicht in ausreichendem Maße begründet, dass die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
a) Schwerwiegende Fehler des FG bei der Auslegung revisiblen Rechts, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, können zwar die Zulassung der Revision rechtfertigen (BFH-Beschlüsse vom 16. Juli 2002 V B 152/01, BFH/NV 2002, 1600, m.w.N., und vom 1. September 2008 IV B 4/08, BFH/NV 2009, 35). Zur Begründung eines solchen qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers muss jedoch schlüssig vorgetragen werden, weshalb das Urteil willkürlich und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar erscheint und daher das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung beschädigen kann (BFH-Beschlüsse vom 14. April 2003 VII B 267/02, BFHE 202, 91; vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom 14. April 2011 IV B 81/09, BFH/NV 2011, 1181). Nicht ausreichend ist allein die Rüge einer materiell-rechtlich unzutreffenden Rechtsanwendung (BFH-Beschlüsse vom 29. März 2011 VIII B 55/10, BFH/NV 2011, 1131; vom 21. Dezember 2011 VIII B 110/11, BFH/NV 2012, 604; Senatsbeschluss vom 12. Juni 2012 I B 148/11, BFH/NV 2012, 1802).
b) Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht. Sie hat der Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG 2002 durch das FG lediglich eine eigene Würdigung gegenübergestellt, was allein für die Begründung eines qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers nicht ausreichend ist (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Mai 2009 I B 16/09, juris). Der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist vielmehr nur dann gegeben, wenn das Urteil unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass es auf sachfremden Erwägungen beruht (Senatsbeschluss vom 4. November 2004 I B 43/04, BFH/NV 2005, 707; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 76). An Ausführungen hierzu fehlt es in der Beschwerdebegründung.
7. Schließlich hat die Klägerin nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
a) Die Darlegungen der Klägerin zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) durch eine Überraschungsentscheidung sind nicht ausreichend.
aa) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann vorliegen, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (BFH-Beschluss vom 13. Juli 2012 IX B 3/12, BFH/NV 2012, 1635). Einer umfassenden Erörterung der für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte bedarf es dabei nicht (BFH-Beschluss vom 25. Mai 2000 VI B 100/00, BFH/NV 2000, 1235). Auch obliegt dem FG keine allgemeine Hinweispflicht in dem Sinne, dass es seine mögliche Beurteilung irgendwie andeuten müsse (BFH-Beschlüsse vom 17. Oktober 2012 III B 68/12, BFH/NV 2013, 362, und vom 6. März 2013 X B 139/12, BFH/NV 2013, 978).
Für die ordnungsgemäße Rüge eines solchen Verfahrensfehlers ist es nicht ausreichend vorzutragen, von dem Ausgang des FG-Verfahrens überrascht zu sein. Vielmehr ist im Einzelnen anzuführen, zu welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten im Verlauf des Prozesses trotz der Vertretung durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten eine Äußerung nicht möglich war (Senatsbeschluss vom 3. September 2002 I B 107/01, BFH/NV 2003, 68; BFH-Beschlüsse vom 15. September 2004 II B 63/03, BFH/NV 2005, 211; vom 19. Oktober 2012 III B 40/12, BFH/NV 2013, 222).
bb) Diesen Anforderungen entspricht die Rüge der Klägerin nicht. Sie trägt nicht vor, dass ihr durch die Art der Prozessführung des FG die Möglichkeit genommen worden wäre, zu der aus ihrer Sicht zutreffenden Höhe der Kippgebühr Stellung zu nehmen. Aus ihrem Vortrag ergibt sich lediglich die für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht genügende Überraschung darüber, dass das FG die zwischen den Beteiligten nicht streitige Höhe der Kippgebühr nicht weiter vertieft hat.
b) Ebenso wenig hat die Klägerin in der gebotenen Weise dargelegt, dass das FG seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt hat.
aa) Die Rüge der unzureichenden Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) setzt voraus, dass die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen ‑‑ihre Richtigkeit unterstellt‑‑ einen solchen Verfahrensmangel ergeben (BFH-Beschlüsse vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297, und vom 29. Februar 2008 IV B 21/07, BFH/NV 2008, 974). Wird geltend gemacht, das FG hätte unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag der Klägerin den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären müssen, sind die Tatsachen anzugeben, aus denen sich ergibt, dass sich dem FG eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Auch sind die (angeblich) aufklärungsbedürftigen Tatsachen anzugeben. Ferner bedarf es Ausführungen dazu, inwiefern eine weitere Sachaufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (BFH-Beschluss vom 12. November 2008 X B 112/08, BFH/NV 2009, 161, und Senatsbeschluss in BFH/NV 2012, 1802).
bb) Entsprechende Ausführungen lassen sich der Beschwerdebegründung der Klägerin nicht entnehmen. Die Klägerin hat nur vorgetragen, sie habe davon ausgehen dürfen, dass das FG die Höhe der Kippgebühr nicht ohne eigene Sachaufklärung übernehmen werde. Sie hat nicht erläutert, weshalb sich dem FG auch ohne ausdrückliches Bestreiten der Höhe der Kippgebühr durch die Klägerin weitere Ermittlungen aufdrängen mussten und zu welchem konkreten Ergebnis die Ermittlungen geführt hätten.