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Urteil vom 09. Juli 2013, IX R 21/12

Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung

BFH IX. Senat

EStG § 21 Abs 1 Nr 1, EStG § 23 Abs 1 Nr 1

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt , 29. November 2011, Az: 2 K 17/06

Leitsätze

1. NV: Aufwendungen auf eine Immobilie, die während einer Eigennutzung anfallen, scheiden für einen Abzug als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus.

2. NV: Bietet der Steuerpflichtige ein Objekt unmittelbar nach der Fertigstellung parallel sowohl zum Verkauf als auch zur Vermietung an, so spricht dies gegen den endgültigen Entschluss zu vermieten und damit gegen die Absicht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen.

3. NV: Daraus, dass die Frist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht abgelaufen ist, ergeben sich keine Konsequenzen für den Abzug vorab entstandener Werbungskosten im Rahmen von § 21 EStG.

Tatbestand

  1. I. Die im Streitjahr 2003 miteinander verheirateten Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichteten gemeinsam ein im Wesentlichen im August 2003 fertiggestelltes Einfamilienhaus, welches sie ‑‑entgegen ihrer ursprünglichen Absicht‑‑ nicht gemeinsam bezogen. Sie hatten sich während der Bauphase (im April 2003) getrennt und lebten seitdem ‑‑bis zu der nach Ablauf des Streitjahres erfolgten Ehescheidung‑‑ dauernd getrennt. Die Kläger beschlossen daher, das fertiggestellte Haus zu vermieten oder zu verkaufen und bemühten sich seit Sommer 2003 intensiv um "einen Käufer/Mieter". Dazu entfalteten sie im Streitjahr folgende Aktivitäten:

  2. -       

    Im August schalteten sie in der "X-Zeitung" ein Vermietungsangebot für das Haus.

    -       

    Parallel dazu erteilten sie einem Makler einen Auftrag zur Mietersuche; dieser Maklerauftrag endete erst im Mai 2004.

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    Am 23. September 2003 schalteten die Kläger in der "X-Zeitung" ein Verkaufsangebot für das Haus.

    -       

    Weitere Inserate gaben die Kläger in der "X-Zeitung" wenigstens dreimal in der Zeit zwischen Mitte September und Anfang November 2003 auf, wobei bei diesen Anzeigen nicht mehr feststellbar war, ob sie den Verkauf oder die Vermietung des Objekts bezweckten.

  3. Der Kläger bewohnte das Haus ab Mitte des Streitjahres "behelfsmäßig", um zum einen nach der Trennung von der Klägerin die Miete für eine eigene kleine Wohnung zu sparen und zum anderen, um die Sicherheit des Objekts zu gewährleisten. Dabei wäre der Kläger nach seinen Angaben im Falle einer Fremdvermietung jederzeit sofort in der Lage gewesen, das Haus zu räumen.

  4. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger u.a. Verluste aus Vermietung und Verpachtung für das Einfamilienhaus in Höhe von 12.788 € geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) lehnte die Anerkennung des Verlusts mit der Begründung ab, es seien keine ernsthaften und nachhaltigen Vermietungsbemühungen erkennbar. Infolge der Selbstnutzung durch den Kläger habe das Objekt auch gar nicht zur Verfügung gestanden.

  5. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

  6. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Kläger hätten die im Zusammenhang mit dem streitbefangenen Einfamilienhaus getätigten Aufwendungen nicht zur Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung getätigt. Die Absicht der Kläger, derartige Einnahmen zu erzielen, habe im Streitjahr noch nicht eindeutig festgestanden. Vielmehr ergebe sich aus der schriftlichen Stellungnahme der Klägerin vom 31. Oktober 2004, dass die Kläger im Sommer 2003 intensiv begonnen hatten, sich um "einen Käufer/Mieter" zu bemühen. Damit sei eine eindeutige Absicht zur Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gerade noch nicht festzustellen. Auch die Tatsache, dass mit den von den Klägern in der "X-Zeitung" im August/ September 2003 aufgegebenen Anzeigen teilweise ein Mieter und teilweise ein Käufer gesucht worden sei, spreche gegen eine feststehende Absicht zur Erzielung von Einnahmen aus der Vermietung des Objekts.

  7. Eine andere Beurteilung lasse sich auch nicht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Juli 2003 IX R 102/00 (BFHE 203, 86, BStBl II 2003, 940) stützen, worin der BFH zwar feststellte, dass eine Vermietungsabsicht ‑‑nach dem Ende einer auf Dauer angelegten Vermietung‑‑ so lange nicht aufgegeben werde, wie sich der Steuerpflichtige ernsthaft und nachhaltig um eine erneute Vermietung bemühe, selbst wenn er daneben Verkaufsbemühungen unternehme. Diese Entscheidung sei auf den Streitfall nicht übertragbar, weil es hier kein vorangegangenes, eindeutig auf eine Vermietungsabsicht der Kläger hindeutendes Verhalten gegeben habe.

  8. Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts rügen. Es sei unschädlich, dass nach Fertigstellung der Immobilie zunächst eine Alternativ-Verwendungsabsicht "Fremd-Vermietung" oder "Verkauf" bestanden habe. Würden nämlich nachträgliche Schuldzinsen als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung anerkannt, so müssten nach dem Grundsatz a maiore ad minus erst recht Zinsen und weitere Kosten als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung anerkannt werden, wenn sie ‑‑ohne durch eine Selbstnutzung beeinträchtigt zu sein‑‑ während des Haltens der Immobilie mit Verkaufsabsicht innerhalb des Zeitrahmens von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angefallen seien. Weiterhin habe das FG für die Wertung der tatsächlich eindeutigen Vermietungsabsicht nicht die tatsächlich im Folgejahr 2004 erfolgte Vermietung an fremde Dritte berücksichtigt, obwohl auf diesen Tatbestand in den klägerischen Schriftsätzen immer wieder hingewiesen worden sei.

  9. Die Kläger beantragen,
    das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2003 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin ein Verlust in Höhe von 12.773 € angesetzt wird.

  10. Das FA beantragt,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

  11. Der Wille der Kläger, mit dem streitbefangenen Objekt im Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, sei weder durch äußere Umstände erkennbar geworden noch im Streitjahr in ein konkretes Stadium getreten. Die Spekulationsfrist bei Grundstücken beeinflusse die Abzugsfähigkeit vorab entstandener Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung nicht.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Annahme des FG, die Kläger hätten sich im Streitjahr noch nicht endgültig für eine Vermietung des streitbefangenen Objekts entschieden, so dass ein Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht in Betracht komme, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

  2. 1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen mit der beabsichtigten Vermietung eines (leerstehenden) Wohngrundstücks an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird.

  3. Die Berücksichtigung von Aufwand als (vorab entstandene) Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht aufgegeben hat. Aufwendungen für eine nach Herstellung, Anschaffung oder Selbstnutzung leerstehende Wohnung können danach als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige die Einkunftserzielungsabsicht hinsichtlich dieses Objekts erkennbar aufgenommen hat.

  4. Die Einzelfallumstände, aus denen sich der endgültige Entschluss zu vermieten ergibt, sind in erster Linie ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2012 IX R 14/12, BFHE 239, 453, BStBl II 2013, 279, m.w.N.). Für die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit von Vermietungsbemühungen als Voraussetzung einer (fort-)bestehenden Einkünfteerzielungsabsicht, deren Feststellung und Würdigung im Wesentlichen dem FG als Tatsacheninstanz obliegt, trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast (BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 47/99, BFHE 199, 417, BStBl II 2003, 580). Das FG entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ob im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt; es ist bei seiner tatrichterlichen Würdigung nicht an starre Regeln für das Gewichten einzelner Umstände gebunden (vgl. BFH-Urteile vom 14. Juli 2004 IX R 56/01, BFH/NV 2005, 37, unter II.2.c, und in BFHE 203, 86, BStBl II 2003, 940).

  5. 2. Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des FG, wonach die Kläger bzw. die Klägerin eine Einkunftserzielungsabsicht hinsichtlich des streitbefangenen Objekts im Streitjahr noch nicht aufgenommen haben, schlüssig und mithin revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

  6. a) Die Würdigung des FG, wonach sich die Kläger im Streitjahr angesichts der parallelen Suche nach Mietern und Käufern noch nicht zwischen Vermietung und Verkauf entschieden hatten, ist jedenfalls möglich.

  7. b) Vor allem handelt es sich nicht um einen Fall des Leerstands, da das Objekt vom Kläger bewohnt wurde. Dass diese Eigennutzung "behelfsmäßig" sein sollte und im Hinblick auf einen Verkauf oder eine Vermietung kurzfristig hätte beendet werden können, ändert nichts daran, dass das Objekt ab Fertigstellung eigengenutzt wurde. Schon dies steht einem Abzug von Aufwendungen, die in dem Zeitraum der Eigennutzung anfielen, als Werbungskosten entgegen.

  8. c) Nicht entscheidend ist, dass die Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beim Anfall der Aufwendungen noch nicht abgelaufen war. Entgegen der Auffassung der Kläger ist aus dem Umstand, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch nachträgliche Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 2012 IX R 67/10, BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275), nicht zu folgern, dass alle Aufwendungen auf eine Immobilie, die während der genannten Frist anfallen, Werbungskosten im Rahmen von § 21 EStG sein müssen. Vielmehr setzt dieser Werbungskostenabzug einen Veranlassungszusammenhang mit einer steuerbaren, d.h. mit Einkünfteerzielungsabsicht betriebenen   Vermietungstätigkeit   voraus. So stellt der Senat im genannten Urteil auch fest, dass kein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit früheren Einkünften i.S. des § 21 EStG anzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige zwar ursprünglich mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des Immobilienobjekts aus anderen Gründen weggefallen ist.

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