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Urteil vom 27. März 2013, I R 14/12

Stillhalteprämie und Zinsen als Veräußerungskosten - Einkunftserzielungsabsicht und Halbabzugsverbot

BFH I. Senat

AO § 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a, EStG § 3 Nr 40, EStG § 3c Abs 2, EStG § 20 Abs 1 Nr 1, UmwStG § 21 Abs 1 S 1, AO § 175 Abs 1 S 1 Nr 2

vorgehend Hessisches Finanzgericht , 16. November 2011, Az: 2 K 3036/10

Leitsätze

1. NV: Nach dem Veranlassungsprinzip bedarf es der wertenden Entscheidung dazu, ob der bei Veräußerung von einbringungsgeborenen Anteilen angefallene Aufwand vorrangig durch das Halten der Anteile ausgelöst wurde oder in einem vorrangig steuerrechtlichen Zurechnungszusammenhang zum Veräußerungsvorgang steht.

2. NV: Hiernach kann auch eine Stillhalteprämie, die an Mitgesellschafter einer AG gezahlt wird, zu den Veräußerungskosten der im Zuge eines Börsengangs verkauften Aktien gehören.

3. NV: Gleiches kann - ausnahmsweise - für den Zinsaufwand gelten, der durch einen vom Veräußerer aufgenommenen sog. Brückenkredit ausgelöst wird, soweit der Zinsaufwand auf die veräußerten Anteile entfällt.

4. NV: Nach dem sog. Surrogationsgedanken ist ein Darlehen das im Zusammenhang mit der Eigenkapitalstärkung einer KG aufgenommen wird (sog. Brückenkredit), nach Einbringung der KG-Anteile in eine AG letzteren Anteilsrechten jedenfalls dann zuzurechnen, wenn die Tilgung des Brückenkredits aus dem Veräußerungserlös (betr. die Aktien) bereits vor der Umstrukturierung vereinbart worden ist.

Tatbestand

  1. I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war neben weiteren Personen Kommanditist der X-KG und zugleich Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Zur Durchführung des Börsengangs wurden eine EU-Kapitalgesellschaft (im Folgenden auch: AG) mit Zweigniederlassung und Geschäftsleitung im Inland gegründet und die Mitunternehmeranteile der Kommanditisten (betreffend die X-KG) nach § 20 des Umwandlungssteuergesetzes 2002 (UmwStG 2002) zum 31. Dezember 2005 zu Buchwerten gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in jeweils eine GmbH eingebracht. Für den Kläger war dies die Y-GmbH. Mit Wirkung zum nämlichen Stichtag brachten die vormaligen Kommanditisten ihre GmbH-Anteile wiederum zu Buchwerten und gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die AG ein.

  2. Bereits am 18. Oktober 2005 hatten die Gesellschafter der X-KG beschlossen, deren Eigenkapital um 10 Mio € zu erhöhen. Nach Empfehlung der den Börsengang begleitenden Banken sollten die Gesellschafter jeweils persönlich Darlehen bei der D-Bank aufnehmen und die Mittel als handelsrechtliches Eigenkapital in die X-KG einlegen. Diese sog. Brückenkredite waren nach der (teilweisen) Veräußerung der Anteile an der AG zurückzuzahlen (Abschn. 5 Abs. 5 des Darlehensvertrags). Der Kläger nahm gemäß dem Vertrag vom 7. Dezember 2005 ein Darlehen in Höhe von 3 Mio € auf.

  3. Ebenfalls am 7. Dezember 2005 verpflichteten sich sämtliche Kommanditisten zum einen dazu, an die D-Bank neben den vereinbarten Zinsen und Gebühren eine Strafgebühr (drop dead fee) in Höhe von 3 % der Darlehenssumme zu entrichten, falls es aus einem von ihnen zu vertretenden Grund nicht zu einem Börsengang komme. Zum anderen erklärten sie, bis zu 50 % ihrer Beteiligungen an der AG zum Verkauf im Rahmen des Börsengangs anzubieten und die Entnahmen aus der X-KG zu begrenzen.

  4. Im Anschluss an die vorgenannten Umstrukturierungen erklärten die am Börsengang beteiligten Banken (u.a. D-Bank), es sei für eine erfolgreiche Platzierung der Anteile unabdingbar, dass Z, einer der Altgesellschafter der X-KG, während einer Sperrfrist (Lock-up-Periode) von 18 Monaten keine Anteile an der AG veräußere, da Z als Mitbegründer und Geschäftsführer der X-KG sowie aufgrund seiner "dominanten und kulturbildenden Rolle" für die Investitionsentscheidung der potentiellen Anleger von zentraler Bedeutung sei und das Vertrauen in die Unternehmenskontinuität nicht gefährdet werden dürfe.

  5. Daraufhin ging Z gegenüber den vorgenannten Kreditinstituten mit weiterem Vertrag vom 20. April 2006 die Verpflichtung zur Wahrung einer 18-monatigen Sperrfrist ein. Die übrigen Altgesellschafter hatten mit Rücksicht auf die ihnen nach dem Börsengang verbleibenden Anteile eine Sperrfrist von sechs Monaten zu beachten. Bereits zuvor hatten sie sich mit Vertrag vom 18. April 2006 gegenüber Z zur Zahlung von insgesamt 1 Mio € verpflichtet; auf den Kläger entfielen hiervon 263.200 €. Hintergrund dieser Vereinbarung (über die Leistung einer Stillhalteprämie) war, dass Z ‑‑ohne eine Kompensationsleistung‑‑ aus dem "zum Zwecke des Werterhalts des Unternehmens" eingegangenen Verkaufsverzicht u.a. deshalb einen wirtschaftlichen Nachteil erlitten hätte, weil er auch ohne Liquiditätszuflüsse aus Anteilsverkäufen verpflichtet war, das von der D-Bank eingeräumte Darlehen (betreffend die Verstärkung des Eigenkapitals der X-KG) zurückzuzahlen. Demgemäß wurde ‑‑auch mit Rücksicht auf den wirtschaftlichen Druck, dem sich die übrigen Altgesellschafter im Fall eines Scheiterns des Börsengangs ausgesetzt sahen (Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens zuzüglich Zinsen, Gebühren und drop dead fee)‑‑ vereinbart, Z mittels der Stillhalteprämie so zu stellen, als hätte er im gleichen Maße wie die anderen Gesellschafter die Möglichkeit besessen, seine Anteile an der AG im Rahmen des Börsengangs zu veräußern und das Bankdarlehen zurückzuführen.

  6. Am 15. Mai 2006 veräußerte der Kläger im Zuge des Börsengangs … Anteile an der AG. Der Veräußerungserlös in Höhe von 5 Mio € abzüglich der Platzierungsprovision in Höhe von 100.000 € wurde am selben Tage seinem Konto bei der D-Bank gutgeschrieben. Er wurde zum einen ‑‑entsprechend der vertraglichen Verpflichtung des Klägers‑‑ zur vollständigen Tilgung des von ihm aufgenommenen Darlehens in Höhe von 3 Mio € zuzüglich … € Zinsen sowie zum anderen dazu verwendet, die Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber Z (263.200 €) zu erfüllen. Weitere Anteile an der AG hat der Kläger nach seinem unwidersprochenen Vortrag in der Folgezeit nicht veräußert.

  7. Für das Streitjahr (2006) erklärte der Kläger einen nach § 21 UmwStG 2002 steuerpflichtigen Gewinn aus der Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile an der AG in Höhe von … €. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns hat er sowohl die an Z erbrachte Stillhalteprämie (263.200 €) als auch von den für das Darlehen der D-Bank geschuldeten Zinsen (insgesamt: 180.000 €) den auf den Zeitraum nach Einbringung der Mitunternehmeranteile an der X-KG entfallenden Betrag (160.000 €) abgezogen. Der Differenzbetrag (20.000 €) wurde für den Feststellungszeitraum/Veranlagungszeitraum 2005 als Sonderbetriebsausgaben im Zusammenhang mit den Beteiligungseinkünften des Klägers aus der X-KG angesetzt.

  8. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) vertrat die Ansicht, dass die Zahlung an Z nur im Verhältnis der veräußerten zu den dem Kläger insgesamt zugeteilten Anteilen an der AG (45 %) als Veräußerungskosten berücksichtigt werden könne. Darüber hinaus handele es sich bei den auf den Zeitraum nach Einbringung der Mitunternehmeranteile entfallenden Zinszahlungen um Werbungskosten im Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002); sie seien nach § 3c Abs. 2 EStG 2002 nur hälftig als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen (80.000 € = ½ x 160.000 €).

  9. Die Klage gegen die hiernach erlassenen Bescheide zur Festsetzung der Einkommensteuer 2006 sowie zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2006 wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen.

  10. Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide dahin abzuändern, dass sowohl die Stillhalteprämie (263.200 €) als auch die auf die Zeit ab 1. Januar 2006 entfallenden Schuldzinsen (160.000 €) in vollem Umfang berücksichtigt werden.

  11. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und der Klage überwiegend stattzugeben. Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass der Gewinn des Klägers aus der Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile an AG nicht dem sog. Halbeinkünfteverfahren untersteht. Abweichend von der Ansicht der Vorinstanz sind jedoch zu den ‑‑den Veräußerungsgewinn mindernden‑‑ Veräußerungskosten neben der ungekürzten Stillhalteprämie (263.200 €) die vom Kläger getragenen Schuldzinsen in Höhe von 72.000 € zu rechnen.

  2. 1. Die Beteiligten gehen offenbar davon aus, dass die vom Kläger veräußerten Anteile (im Folgenden: Aktien) an der AG deshalb als i.S. von § 21 UmwStG 2002 einbringungsgeboren zu qualifizieren sind, weil er die aus der Einbringung seines Mitunternehmeranteils an der X-KG erlangten und nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2002 mehrheitsvermittelnden Anteile an der Y-GmbH gleichfalls zu Buchwerten in eine EU-Kapitalgesellschaft i.S. von § 23 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 eingebracht hat. Letzterem ist im Hinblick darauf zuzustimmen, dass die AG zum Kreis der EU-Kapitalgesellschaften gehört (vgl. Anlage zu § 23 UmwStG 2002 i.V.m. Art. 3 der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen). In Anbetracht dessen kann offenbleiben, ob mit Rücksicht darauf, dass eine … mit statutarischem Sitz in … (EU-Mitgliedstaat) und Verwaltungssitz im Inland (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, heute Gerichtshof der Europäischen Union, vom 5. November 2002 C-208/00, "Überseering", Slg. 2002, I-9919) im Inland unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002; z.B. Senatsurteil vom 8. September 2010 I R 6/09, BFHE 231, 75, BStBl II 2013, 186, m.w.N.), die Buchwerteinbringung der GmbH-Anteile nicht vorrangig aus der Grundnorm des § 20 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 UmwStG 2002 abgeleitet werden muss. Dies kann deshalb dahinstehen, weil ungeachtet der Entscheidung dieser Rechtsfrage der Kläger einen Gewinn aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile erzielt hat, der ‑‑obgleich die (einbringungsgeborenen) Aktien nach den den Senat bindenden Feststellungen der Vorinstanz zu dessen Privatvermögen gehört haben‑‑ gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 als Veräußerungsgewinn i.S. von § 16 EStG 2002 und damit als gewerblicher Gewinn zu erfassen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 11. September 1991 XI R 15/90, BFHE 166, 425, BStBl II 1992, 404; Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 4. Aufl., § 21 UmwStG Rz 89, 123, m.w.N.). Der Veräußerungserlös ist aufgrund der Sonderregelung des § 3 Nr. 40 Buchst. b Satz 3 EStG 2002 nicht zur Hälfte steuerbefreit und die Geltung des sog. Halbeinkünfteverfahrens ist auch nicht durch die Gegenausnahmen in Satz 4 der Vorschrift eröffnet.

  3. 2. Die an Z geleistete Stillhalteprämie gehört nicht zu den Anschaffungskosten der einbringungsgeborenen Anteile des Klägers nach § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002. Sie wurde zum einen erst im März/April 2006 vereinbart und kann daher nicht mehr zu den Folgekosten des mit der Einbringung der Anteile an der Y-GmbH zum 31. Dezember 2005 in das Vermögen der AG abgeschlossenen Erwerbsvorgangs gerechnet werden (§ 255 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs; Gosch in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 17 Rz 91, m.w.N.); zum anderen war mit der Prämie auch keine Einlage in das Vermögen der AG verbunden (vgl. hierzu Senatsurteil vom 29. März 2000 I R 22/99, BFHE 192, 56, BStBl II 2000, 508). Gleichwohl mindert die Stillhalteprämie den vom Kläger erzielten Veräußerungsgewinn; sie gehört nicht nur anteilig, sondern in voller Höhe zu den gewinnmindernd zu berücksichtigenden Veräußerungskosten (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002). Da sich hierdurch der Veräußerungsgewinn des Klägers mindert, steht auch die Abzugsbegrenzung des § 3c Abs. 2 Satz 4 EStG 2002 dem ungekürzten Ansatz der Veräußerungskosten nicht entgegen (Desens in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3c EStG Rz 71).

  4. a) Der Begriff der Veräußerungskosten erfasst nach der Rechtsprechung zu § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 (heute: § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG 2009) nicht nur die Aufwendungen, die in einer unmittelbaren sachlichen Beziehung zum Veräußerungsgeschäft stehen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Dezember 1992 VIII R 43/90, BFH/NV 1993, 520), sondern nach dem Grundsatzurteil des BFH vom 25. Januar 2000 VIII R 55/97 (BFHE 191, 111, BStBl II 2000, 458) ‑‑weiter gehend‑‑ sämtliche Aufwendungen, die nach dem Veranlassungsprinzip der Veräußerung zuzurechnen sind (vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 16 Rz 300 ff.). Diese nunmehr ständige Rechtsprechung gilt gleichermaßen für die Bestimmung der Veräußerungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG (BFH-Urteil vom 2. April 2008 IX R 73/04, BFH/NV 2008, 1658; ebenso nunmehr R 17 Abs. 6 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008/2011; zu § 23 EStG 1997 s. BFH-Urteil vom 6. Dezember 2005 VIII R 34/04, BFHE 212, 122, BStBl II 2006, 265). Ebenso ist demgemäß für § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 zu entscheiden (Schmitt/Hörtnagl/Stratz, a.a.O., § 21 UmwStG Rz 105; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 21 UmwStG (vor SEStEG) Rz 73).

  5. b) Das Veranlassungsprinzip beruht auf der Erwägung, dass Aufwendungen durch verschiedene Umstände (kausal) verursacht sein können, das Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrecht jedoch nicht selten darauf angelegt sind, den Aufwand nur einem dieser Bezugspunkte tatbestandlich zuzuordnen (eingehend Wacker, Deutsches Steuerrecht 1999, 1081). Dies betrifft nicht nur die Abgrenzung von privatem und betrieblichem Aufwand (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817), sondern auch die vorliegend streitige Frage nach dem Umfang der dem Kläger entstandenen Veräußerungskosten i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002. Demgemäß bedarf es auch im anhängigen Verfahren der wertenden Entscheidung darüber, ob der angefallene Aufwand vorrangig durch das Halten der einbringungsgeborenen Anteile ausgelöst wurde oder ob der Aufwand in einem vorrangig steuerrechtlichen Zurechnungszusammenhang zum Veräußerungsvorgang steht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 191, 111, BStBl II 2000, 458).

  6. c) Von Letzterem ist im Streitfall im Hinblick auf die vom Kläger an Z geleistete Stillhalteprämie auszugehen. Zwar diente diese dazu, Z für einen Zeitraum von 18 Monaten an das umstrukturierte Unternehmen in einem seiner bisherigen Stellung entsprechenden Umfang (Beteiligung; Geschäftsführung) zu binden und damit die Börsenfähigkeit der AG sicherzustellen. Gleichwohl war für den Kläger das auslösende Moment seiner Leistungsverpflichtung darin zu sehen, dass er seine Anteile an der AG in dem geplanten Umfang sowie zu dem von den Banken aus dem Unternehmenswert abgeleiteten Preis veräußern wollte und er deshalb bereit war, Z mit Rücksicht auf die von diesem zu beachtende Veräußerungssperrfrist zu entschädigen, d.h. so zu stellen, als hätte dieser seine Aktien in dem gleichen Maße (d.h. zu ca. 50 %) wie seine Mitgesellschafter (Altaktionäre) durch "Umplatzierung" im Rahmen des Börsengangs verwertet (…). Da die Stillhalteprämie zudem vier Tage nach der Erstnotierung und damit aus dem vom Kläger erzielten Veräußerungspreis zu zahlen war, muss sie ‑‑aus der maßgeblichen Perspektive des Klägers als Veräußerer der einbringungsgeborenen Anteile (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002)‑‑ als Teilhabe des Z an dem Veräußerungsergebnis des Klägers gewertet und dessen Veräußerungskosten zugerechnet werden (vgl. zu Abfindungen auch BFH-Urteil vom 5. Oktober 1976 VIII R 38/72, BFHE 120, 471, BStBl II 1977, 198).

  7. Entgegen der Auffassung des FG kann es hiernach auch nicht in Betracht kommen, die Prämienbelastung anteilig (55 %) den vom Kläger zurückbehaltenen Aktien zuzuordnen und insoweit von den nach § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 zu berücksichtigenden Veräußerungskosten auszunehmen. Die Begründung der Vorinstanz, die für Z vereinbarte Veräußerungssperrfrist habe in einem kausalem Zusammenhang zu sämtlichen dem Kläger zugeteilten Aktien sowie zur Durchführung des Börsengangs gestanden, ist zwar für sich genommen zutreffend. Sie lässt jedoch außer Acht, dass der Veranlassungszusammenhang nicht durch die (naturwissenschaftliche) Kausalität, sondern durch das Prinzip der wertenden Selektion der Aufwandsursachen gekennzeichnet und hiernach die Stillhalteprämie unter Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen Gehalts insgesamt dem Bereich der Veräußerungskosten zugewiesen ist. Nichts anderes ergibt sich aus der Erwägung des FG, dass der Kläger selbst nur eine Sperrfrist von sechs Monaten habe beachten müssen und ihm die weiter gehende Bindung des Z (18 Monate) Gelegenheit gegeben habe, auch nach Abschluss des Börsengangs die zunächst zurückbehaltenen Aktien zu veräußern. Denn auch solche Veräußerungen hätten den Veranlassungszusammenhang zwischen der Prämienleistung und der Aktienverwertung nicht aufgehoben, sondern lediglich die Frage aufgeworfen, ob die Prämienzahlung nur den im Rahmen des Börsengangs oder allen vom Kläger innerhalb der 18-monatigen Sperrfrist des Z verwerteten Aktien als Veräußerungskosten zuzuordnen sind (zur sog. Attraktivkraft des Veräußerungsvorgangs vgl. ‑‑zu § 16 EStG‑‑ Senatsurteil vom 6. Oktober 1993 I R 97/92, BFHE 173, 47, BStBl II 1994, 287; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz 300, m.w.N.; zu § 17 s. Patt in Dötsch/Patt/ Pung/Jost, Umwandlungssteuerrecht, 5. Aufl., 2003, § 21 UmwStG Rz 74).

  8. 3. Bezogen auf die Schuldzinsen schließt sich der Senat nicht der Einschätzung der Vorinstanz an, die vom Kläger getragenen und das Streitjahr (2006) betreffenden Schuldzinsen seien insgesamt den Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen und deshalb nach § 3c Abs. 2 EStG 2002 nur zur Hälfte zum Abzug zuzulassen. Vielmehr gehört der Kreditaufwand, soweit er auf die veräußerten Aktien entfällt, zu den Veräußerungskosten i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002.

  9. a) Zuzustimmen ist dem FG allerdings darin, dass über die Frage, ob der zur Stärkung des handelsrechtlichen Eigenkapitals der AG aufgenommene Kredit (Vertrag vom 7. Dezember 2005) nach der Einbringung des Mitunternehmeranteils in die Y-GmbH sowie der GmbH-Anteile in die AG (zum 31. Dezember 2005) als negatives Sonderbetriebsvermögen (Restbetriebsvermögen) des Klägers bei der X-KG zurückgeblieben ist und deshalb die von ihm getragenen Zinsaufwendungen als nachträgliche gewerbliche Einkünfte zu berücksichtigen wären, nicht in dem für die Gesellschafter der (fortbestehenden) X-KG durchzuführenden Feststellungsverfahren, sondern im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Klägers zu entscheiden ist. Der Vorrang des Feststellungsverfahrens sowie die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids (§ 179 Abs. 1, § 182 Abs. 1 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) unterliegen dem Gesetzesvorbehalt (BFH-Beschluss vom 11. April 2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679). Demgemäß ist eine Gewinnfeststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO nur für den Steuerpflichtigen durchzuführen, der bezogen auf den jeweiligen Feststellungszeitraum zusammen mit anderen Personen an den (einheitlich und gesondert festzustellenden) Einkünften beteiligt ist, d.h. zusammen mit diesen die in Frage stehenden Einkünfte gemeinschaftlich erzielt. Hieran fehlt es aber regelmäßig, wenn der Steuerpflichtige ‑‑wie vorliegend der Kläger durch die Einbringung seines Mitunternehmeranteils in die Y-GmbH zum 31. Dezember 2005‑‑ aus der Personengesellschaft ausscheidet. Folge eines solchen Ausscheidens ist, dass ab dem sich anschließenden Feststellungszeitraum (hier: Wirtschaftsjahr 2006) die vom Ausgeschiedenen erzielten ‑‑positiven oder negativen‑‑ nachträglichen gewerblichen Einkünfte nicht mehr Gegenstand eines Feststellungsverfahrens nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO sein können (BFH-Urteile vom 14. Mai 2002 VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532; vom 22. Januar 2003 X R 60/99, BFH/NV 2003, 900).

  10. b) Zutreffend hat das FG ferner angenommen, dass der von der D-Bank aufgenommene Kredit nicht Restbetriebsvermögen (negatives Sonderbetriebsvermögen) des Klägers geblieben ist, sondern aufgrund der Einbringung seines Mitunternehmeranteils in die Y-GmbH zunächst den nach § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 erlangten GmbH-Anteilen sowie nach Einbringung dieser Beteiligung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2002 in die AG den hieraus erlangten und im Privatvermögen des Klägers gehaltenen Aktien zuzuordnen war. Demgemäß können auch die ab 1. Januar 2006 angefallenen Schuldzinsen nicht mehr als (nachträgliche) Betriebsausgaben des Klägers im Zusammenhang mit seiner vormaligen Beteiligung an der X-KG angesetzt werden.

  11. aa) Allerdings besteht in der Rechtsprechung des BFH kein Einvernehmen darüber, ob bei Einbringung von betrieblichen Einheiten (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil) in eine Kapitalgesellschaft gemäß § 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UmwStG 2002 die vom Einbringenden in seinem Eigenvermögen zurückbehaltenen Betriebsverbindlichkeiten allein aufgrund der Surrogation des Finanzierungsgegenstands nunmehr in einem Zurechnungszusammenhang mit den für die Sacheinlage gewährten Anteilsrechten stehen. Während diese Auffassung vom XI. Senat in seinem Urteil in BFHE 166, 425, BStBl II 1992, 404 vertreten worden ist, hat der VIII. Senat mit Urteil vom 7. Juli 1998 VIII R 5/96 (BFHE 186, 526, BStBl II 1999, 209) zusätzlich auf die Anforderungen abgestellt, die in sonstigen Fällen einer Betriebsveräußerung ‑‑z.B. gegen ein Barentgelt‑‑ gegeben sein müssen, um das Vorliegen von Restbetriebsvermögen auszuschließen. Hiernach behalten die zurückbehaltenen Schulden aber ihren betrieblichen Charakter, wenn der Veräußerungserlös aus der Betriebsveräußerung zu deren Tilgung nicht ausreicht oder wenn der Schuldentilgung Hindernisse entgegengestanden haben oder sie ‑‑etwa wegen eines zugesagten Erlasses‑‑ aus sonstigen Gründen nicht veranlasst war (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 900; vom 28. März 2007 X R 15/04, BFHE 217, 507, BStBl II 2007, 642). Der VIII. Senat hat deshalb in seinem Urteil in BFHE 186, 526, BStBl II 1999, 209 diese Anforderungen auch für den von ihm entschiedenen Fall der Einbringung nach § 20 UmwStG geprüft und ausgeführt, dass zwar Anhaltspunkte für die beiden zuletzt genannten Tatbestandsgruppen (Tilgungshindernisse; kein Tilgungserfordernis) nicht ersichtlich seien, jedoch ‑‑mangels stiller Reserven des eingebrachten Betriebs‑‑ nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Wert der GmbH-Anteile zur Ablösung des zurückbehaltenen Darlehens nicht ausgereicht habe und dieses deshalb zu 75 % Restbetriebsvermögen geblieben sei.

  12. bb) Der erkennende Senat folgt im Ausgangspunkt der Ansicht des XI. Senats (BFH-Urteil in BFHE 166, 425, BStBl II 1992, 404). Hierfür spricht vor allem, dass ‑‑wie vom BFH in ständiger Rechtsprechung vertreten (grundlegend BFH-Beschluss in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 824, m.w.N.)‑‑ die ertragsteuerrechtliche Qualifikation einer Darlehensschuld keiner Willkürung des Steuerpflichtigen zugänglich ist (Willkürungsverbot), sondern vielmehr ausschließlich nach der konkreten Verwendung der Darlehensmittel zu bestimmen ist. Demgemäß ist es folgerichtig, dass der durch die Verwendung der Darlehensvaluta begründete Zurechnungszusammenhang sich ‑‑entsprechend dem Gedanken der Surrogation‑‑ an dem Wirtschaftsgut fortsetzt, das ohne Rückzahlung des Darlehens an die Stelle des zunächst finanzierten Gegenstands getreten ist (vgl. hierzu mit Beispielen z.B. BFH-Urteile in BFHE 166, 425, BStBl II 1992, 404; vom 27. März 2007 VIII R 28/04, BFHE 217, 460, BStBl II 2007, 699).

  13. aaa) Dies legt es nahe, bei Einbringung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils nach § 20 Abs. 1 UmwStG 2002 die vom Einbringenden zurückbehaltenen Betriebsschulden unabhängig davon den aus der Einbringung erlangten Kapitalgesellschaftsanteilen zuzuordnen, ob der Darlehensrückzahlung ‑‑z.B. aufgrund eines fest vereinbarten Fälligkeitstermins‑‑ Tilgungshindernisse entgegenstehen oder ob die Rückzahlung ‑‑im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung‑‑ aus sonstigen Gründen nicht veranlasst war. Im Streitfall ist hierauf indes nicht weiter einzugehen. Denn das Darlehen der D-Bank wurde vom Kläger mit Vertrag vom 7. Dezember 2005 und damit zu einem Zeitpunkt aufgenommen, zu dem die Umstrukturierung (Einbringung) bereits zwischen den Gesellschaftern vereinbart worden war. Darüber hinaus stand auch fest, dass das Darlehen erst aufgrund der Veräußerung der erhaltenen einbringungsgeborenen Aktien (betreffend die AG) zurückgeführt werden sollte (vgl. Abschn. 5 Abs. 5 des Darlehensvertrags). Jedenfalls unter diesen Voraussetzungen begründet die vom Kläger vereinbarte Fälligkeitsregelung kein Tilgungshindernis im Sinne der vorbezeichneten Rechtsprechung und rechtfertigt ‑‑entgegen dem offenkundigen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den gewährten einbringungsgeborenen Aktien‑‑ auch keine fortdauernde Zuordnung der Darlehnsschuld zum Restbetriebsvermögen. Letzteres wäre insbesondere mit dem Verbot der steuerlichen Willkürung von Kreditschulden nicht vereinbar. Aus den nämlichen Gründen können auch die weiteren vom Kläger in der Revisionsbegründung vorgetragenen Umstände (Verpfändung der Aktien an die D-Bank, Strafgebühr bei vorzeitiger Veräußerung) nicht die Annahme tragen, es habe im Sinne der Rechtsprechung an einem Anlass für die Darlehenstilgung gefehlt.

  14. bbb) Der VIII. Senat des BFH hat in seinem Urteil in BFHE 186, 526, BStBl II 1999, 209 entschieden, dass die im Zuge der Einbringung zurückbehaltenen Schulden in dem Umfang ihre bisherige betriebliche Qualifikation behalten, in dem sie aus einer unterstellten Versilberung der einbringungsgeborenen Anteile nicht hätten getilgt werden können. Für die Annahme einer solchen Bewertungsdifferenz bestehen im Streitfall keine greifbaren Anhaltspunkte. Soweit der Kläger geltend macht, an dem Wert der Aktien bestünden deshalb "Zweifel", weil nach der Einbringung weitere Maßnahmen erforderlich gewesen seien, um den angestrebten Börsenpreis zu erzielen, ist der Vortrag nicht nur im Hinblick auf den tatsächlichen Wert der Aktien im Einbringungszeitpunkt sowie das hieraus abzuleitende Schuldendeckungspotential unsubstantiiert. Er lässt vor allem außer Acht, dass die vormaligen Kommanditisten "zum Zwecke des Werterhalts des Unternehmens" dem Drängen der beteiligten Banken zum Abschluss von Stillhaltevereinbarungen nachgegeben haben und dem Kläger hieraus Aufwendungen (Stillhalteprämie) in Höhe von 263.200 € entstanden sind. Angesichts des Interessengleichklangs der vormaligen Kommanditisten ist zudem davon auszugehen, dass die Gesellschafter eine solche Vereinbarung ‑‑wären sie noch im Jahre 2005 über die (geänderte) Unternehmensbewertung der Banken unterrichtet worden‑‑ bereits im Einbringungszeitpunkt (31. Dezember 2005) geschlossen hätten. Daraus ergibt sich zugleich, dass die vom Kläger geäußerten Zweifel allenfalls einen Wertabschlag in Höhe der vom Kläger zu tragenden Stillhalteprämie rechtfertigen können. Folge hiervon ist des Weiteren, dass angesichts des tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinns nicht nachvollzogen werden kann, weshalb der Wert der erlangten einbringungsgeborenen Anteile nicht hätte ausreichen sollen, die vom Kläger zurückbehaltenen Schulden aus der Einlagenfinanzierung zu decken.

  15. c) Dem FG ist nicht darin zu folgen, dass die für das Darlehen der D-Bank ab dem 1. Januar 2006 geschuldeten Zinsen (Finanzierungskosten) insgesamt als Werbungskosten im Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 anzusetzen sind. Vielmehr liegen teilweise Veräußerungskosten vor.

  16. aa) Im Ausgangspunkt trifft es zwar zu, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen des Tatbestands nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 nicht nur die in dieser Vorschrift genannten Bezüge (Gewinnanteile), sondern auch steuerbare Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG 2002 einzubeziehen sind und der Schuldzinsenabzug dann entfällt, wenn die Beteiligung aus persönlichen Gründen oder Neigungen begründet oder aufrechterhalten wird (BFH-Urteile vom 21. Januar 2004 VIII R 2/02, BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551; vom 20. November 2006 VIII R 45/05, BFH/NV 2007, 793). Für einbringungsgeborene Anteile, deren Veräußerung nach § 21 UmwStG 2002 ohne Rücksicht auf die Höhe der Beteiligung zu steuerpflichtigen Einkünften führt, kann nichts anderes gelten. Die Einkunftserzielungsabsicht des Klägers ist deshalb nicht nur im Hinblick auf sämtliche aus der Umstrukturierung erlangten Anteile zu bejahen, sondern auch dann, wenn man die Prüfung der Einkunftserzielungsabsicht i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 auf die vom Kläger zurückbehaltenen, d.h. im Rahmen des Börsengangs nicht veräußerten, jedoch weiterhin nach § 21 UmwStG 2002 verstrickten Aktien (55 % der aus der Einbringung erhaltenen Anteilsrechte) beschränkt.

  17. bb) Das FG hat es jedoch unterlassen, der Frage nachzugehen, ob die ab 1. Januar 2006 entstandenen Zinsaufwendungen (insgesamt 160.000 €), soweit sie rechnerisch auf die im Rahmen des Börsengangs veräußerten Anteilsrechte entfallen (72.000 €), bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns in voller Höhe ‑‑d.h. ohne die Abzugsbegrenzung des § 3c Abs. 2 EStG 2002 (vgl. Satz 4 der Vorschrift) und damit gleich der vom Kläger geleisteten Stillhalteprämie‑‑ als Veräußerungskosten zu berücksichtigen sind.

  18. Allerdings gehören Finanzierungsaufwendungen für Kapitalgesellschaftsanteile in aller Regel nicht zu den bei Veräußerung der Anteile anzusetzenden Veräußerungskosten (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 23. September 1998 VIII B 115/97, BFH/NV 1999, 310; Senatsurteil vom 17. April 1996 I R 78/95, BFHE 180, 559, BStBl II 1996, 571; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 17 Rz 84). Gleichwohl ist im Streitfall mit Rücksicht darauf, dass nach dem Veranlassungsprinzip auch zu entscheiden ist, ob der angefallene Aufwand vorrangig durch das Halten der einbringungsgeborenen Anteile ausgelöst wurde oder ob der Aufwand in einem vorrangig steuerrechtlichen Zurechnungszusammenhang zum Veräußerungsvorgang steht, der Zinsaufwand anteilig dem erzielten Veräußerungsgewinn zuzuordnen. Der auf die Haltezeit der Anteile entfallende Zinsaufwand mag zwar nicht allein deshalb den Veräußerungskosten zugerechnet werden können, weil er mittels des Veräußerungserlöses gezahlt wird. Im Streitfall kommt jedoch hinzu, dass aus der maßgeblichen Sicht des Klägers der Kredit zum Zwecke der Eigenkapitalstärkung des Unternehmens aufgenommen wurde und diese Wertverbesserung wiederum die Höhe des innerhalb eines kurzen Zeitraums erzielten Börsenpreises entsprechend der Konzeption der Altgesellschafter sowie der beratenden Banken (planmäßig) bestimmt hat oder jedenfalls bestimmen sollte. Berücksichtigt man weiterhin, dass sowohl der Kredit als auch die Zinszahlungsverpflichtung des Klägers mit Zufluss der Börsenerlöse fällig wurde und zumindest der Kredit aus diesen Erlösen zu tilgen war (vgl. Darlehensvertrag …), so stützt auch dieser Zusammenhang bei der gebotenen wertenden Betrachtung die Einschätzung des Senats, den Zinsaufwand ‑‑soweit er rechnerisch auf die veräußerten Aktien entfiel (45 %)‑‑ als Veräußerungskosten zu qualifizieren.

  19. Der Senat folgt damit nicht der weiter gehenden Ansicht des Klägers, die gesamten ab 1. Januar 2006 angefallenen Zinsaufwendungen seinem Veräußerungsgewinn zuzuordnen. Ausschlaggebend für diese ‑‑von der Behandlung der Stillhalteprämie abweichende‑‑ Sicht ist, dass das mittels der Darlehensaufnahme gewonnene Kapital dem Vermögen der X-KG als (handelsrechtliches) Eigenkapital zugeführt und hierdurch der Wert sämtlicher Anteilsrechte an der AG ‑‑d.h. nicht nur der veräußerten, sondern auch der vom Kläger gehaltenen Aktien‑‑ erhöht wurde.

  20. cc) Hinsichtlich der auf die zurückbehaltenen Aktien (55 %) entfallenden Zinsen (88.000 €) verbleibt es deshalb dabei, dass dieser Zinsanteil als Werbungskosten bei den Einkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 anzusetzen ist. Gegen diese Beurteilung lässt sich nicht einwenden, dass sie die zivilrechtlich einheitliche Kreditschuld und die daran geknüpfte Zinslast unterschiedlichen steuerrechtlichen Tatbeständen zuweist. Vielmehr ist das Veranlassungsprinzip nach Maßgabe einer wertenden Zuordnung für eine solche Differenzierung offen. So kann die veranlassungsbezogene Betrachtung beispielsweise dazu führen, zur Abgrenzung der betrieblichen und privaten Schuldzinsenanteile eines Kontokorrentkontos den insgesamt angefallenen Zinsaufwand ‑‑trotz der Nämlichkeit des Darlehensverhältnisses‑‑ nach Maßgabe quantitativer Merkmale aufzuspalten (grundlegend BFH-Beschluss in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 826 ff.). Demgemäß bestehen auch im Streitfall keine Bedenken, den Zinsaufwand des Klägers veranlassungsgerecht, d.h. anteilig und entsprechend dem rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt des Gesamtvorgangs, den Veräußerungskosten und im Übrigen den Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuweisen.

  21. d) Dieser Zinsanteil (88.000 €) darf nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 nur zur Hälfte bei der Ermittlung der Kapitaleinkünfte des Klägers abgezogen werden. Zwar greift dieses Abzugsverbot nach der Rechtsprechung des BFH nicht, wenn im Zusammenhang mit der Einkunftsquelle keinerlei (hälftig steuerfreie) Einnahmen anfallen (dazu BFH-Urteile vom 25. Juni 2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220; vom 6. April 2011 IX R 29/10, BFH/NV 2011, 2025; offen Senatsurteil vom 20. April 2011 I R 97/10, BFHE 233, 508, BStBl II 2011, 815; anders nunmehr ‑‑ab Veranlagungszeitraum 2011‑‑ § 3c Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 52 Abs. 8a Satz 3 EStG 2009 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8. Dezember 2010, BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394). Im Streitfall ist die Einkunftserzielungsabsicht des Klägers jedoch auch bezüglich der im Rahmen des Börsengangs nicht veräußerten Aktien zu bejahen; das hälftige Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 ist deshalb im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut auch in Veranlagungszeiträumen zu beachten, in denen noch keine Einnahmen zugeflossen sind (z.B. BFH-Urteil vom 16. Oktober 2007 VIII R 51/06, juris; Oberfinanzdirektion Rheinland, Kurzinformation, Der Betrieb 2010, 1560, 1561). Demgemäß kann sich auch erst ab dem Zeitpunkt, zu dem feststeht, dass der Steuerpflichtige aus den Beteiligungen keine (teilweise) steuerbefreiten Einkünfte erzielt oder dies jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss, die Frage stellen, ob der zunächst gekürzte Werbungskostenabzug nunmehr rückwirkend gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zugunsten eines Vollabzugs zu korrigieren ist. Im Einzelnen kann das dahinstehen, weil vorliegend auch nach dem Sachstand zum Abschluss des vorinstanzlichen Verfahrens keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Kläger aus den zurückbehaltenen Aktien keine Dividenden oder im Falle der Veräußerung nur einen symbolischen Veräußerungserlös erzielen wird. Die auf die zurückbehaltenen Anteile entfallenden Zinsen sind demnach nur in Höhe von ½ x 88.000 €, d.h. in Höhe von 44.000 €, als Werbungskosten zu berücksichtigen.

  22. 4. Der Klage ist somit im Hinblick darauf, dass die Stillhalteprämie in voller Höhe (263.200 €) sowie die auf den Kredit bei der D-Bank entfallenden Schuldzinsen im Umfang von 72.000 € als Veräußerungskosten abziehbar sind und nur der hiernach verbleibende Schuldzinsenanteil (88.000 €) dem Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 unterliegt, überwiegend stattzugeben. Die Berechnung der sich hieraus für das Streitjahr ergebenden Einkommensteuer sowie des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31. Dezember 2006 wird nach (§ 121 Satz 1 i.V.m.) § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem FA übertragen.

  23. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Kosten des gesamten Verfahrens (erstinstanzliches Verfahren und Revisionsverfahren; vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 135 Rz 3) sind zu … % vom FA sowie zu … % vom Kläger zu tragen.

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