BFH III. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 2
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 14. Februar 2012, Az: 12 K 12160/09
Leitsätze
1. NV: Die bloße Nichtbefassung mit einer rechtlichen Problematik begründet für sich genommen ebenso wenig eine Divergenz im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wie das schlichte Übersehen einer Rechtsfrage.
2. NV: Zur Abgrenzung zwischen den tatsächlichen Feststellungen des FG und den von ihm aufgestellten abstrakten Rechtssätzen.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Sofern die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) behaupteten Zulassungsgründe in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form dargelegt wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.
1. Eine Divergenz ist anzunehmen, wenn das Finanzgericht (FG) mit einem das angefochtene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2011 III B 56/11, BFH/NV 2012, 178, m.w.N.).
a) Im Hinblick auf die behauptete Divergenz zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. November 1984 IV R 139/81 (BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205) liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Den behaupteten abstrakten Rechtssatz, die in den ersten zehn Jahren erwirtschafteten Verluste stellten, ohne feststellbare Tendenz zum Positiven, ein Indiz für die fehlende Gewinnerzielungsabsicht dar, hat das FG so nicht aufgestellt. Es hat vielmehr lediglich auf der Basis der vorliegenden Gewinnermittlungen die tatsächliche Feststellung getroffen, dass der Kläger in den ersten zehn Jahren seit Aufnahme der Tätigkeit (Betrieb einer Oldtimerhalle mit Vermietung und Verkauf der Fahrzeuge) ‑‑unter Ausblendung gebildeter und wieder aufgelöster Ansparabschreibungen‑‑ jeweils Verluste erwirtschaftet habe, ohne dass sich eine Tendenz zum Positiven feststellen ließe. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass das FG damit in rechtsgrundsätzlicher Weise dem in der genannten Divergenzentscheidung angeblich aufgestellten abstrakten Rechtssatz, wonach Anlaufverluste regelmäßig zu akzeptieren seien, wenn ein Betrieb nicht von vornherein als Liebhabereibetrieb einzuordnen sei, widersprechen wollte. Das FG hat sich in rechtsgrundsätzlicher Weise zur Anerkennung von Anlaufverlusten gar nicht geäußert, weder ausdrücklich noch in scheinbar fallbezogenen Ausführungen. Die Nichtbefassung mit der Problematik der Anerkennung von Anlaufverlusten begründet für sich genommen ebenso wenig eine Divergenz wie das schlichte Übersehen einer Rechtsfrage (Senatsbeschluss vom 1. Juni 2012 III B 3/11, BFH/NV 2012, 1473).
b) Eine Divergenz zum BFH-Urteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04 (BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874) ist ebenfalls nicht erkennbar. Mit der dem FG zugeschriebenen Aussage, dass die Indizwirkung langjähriger Verluste durch den Umstand bekräftigt werde, auf negative Ergebnisse nicht in erkennbarer Weise durch grundlegende strukturelle Änderungen reagiert zu haben, weicht dieses nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab. In dieser Allgemeinheit entspricht die Aussage vielmehr dieser Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. November 2004 X R 62/01, BFHE 208, 522, BStBl II 2005, 336) und auch der vermeintlichen Divergenzentscheidung. Dort hat der BFH zwar den Rechtssatz aufgestellt, dass als betriebsspezifische Anlaufzeit bis zum Erforderlichwerden größerer Umstrukturierungsmaßnahmen ein Zeitraum von weniger als fünf Jahren nur im Ausnahmefall in Betracht kommt. Doch hat sich das FG im Streitfall zum Zeitpunkt des Erforderlichwerdens von Umstrukturierungsmaßnahmen und zum Zeitraum, in dem Anlaufverluste grundsätzlich anzuerkennen sind, mit keinem Wort geäußert und hat sich damit auch nicht in rechtsgrundsätzlicher Weise von dem BFH-Urteil in BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874 distanziert. Im Übrigen fehlen die gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Angaben zur Vergleichbarkeit der Sachverhalte (zu dieser Anforderung vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 13. Februar 2012 II B 12/12, BFH/NV 2012, 772).
c) Soweit in der Beschwerdeschrift zahlreiche weitere Entscheidungen des BFH angeführt und deren wesentliche Aussagen wiedergegeben werden, ist damit eine Divergenz nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt worden. Mit den im Stile einer Revisionsbegründung gehaltenen Ausführungen wird aufgezeigt, dass das angegriffene Urteil der durch die Rechtsprechung des BFH konkretisierten Rechtslage nach Auffassung der Kläger nicht entspricht. Damit wird lediglich die Unrichtigkeit dieses Urteils geltend gemacht. Das rechtfertigt die Zulassung der Revision jedoch grundsätzlich nicht (z.B. Senatsbeschluss vom 8. März 2010 III B 123/09, BFH/NV 2010, 1288). Eine unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall könnte allenfalls dann zur Zulassung der Revision führen, wenn dieser Fehler von erheblichem Gewicht und zudem geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, oder aber auf objektiver Willkür beruhte (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 115 FGO Rz 205; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 55 und 68 f.). Dafür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte.
d) Auch mit dem Vorbringen, das FG habe seine Entscheidung auf den abstrakten Rechtssatz gegründet, die stillen Reserven könnten die Totalgewinnprognose nicht stützen, wird der Zulassungsgrund der Divergenz nicht schlüssig dargelegt. Denn das FG hat damit keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, sondern wiederum lediglich auf der Tatsachenebene die Feststellung getroffen, dass im konkreten Fall selbst unter Einbeziehung stiller Reserven ein Totalgewinn nicht prognostiziert werden kann. Die in der Beschwerdeschrift mit 79.000 € angegebenen stillen Reserven, die in der Lagerhalle und der Werkstatt ruhen sollen, hat das FG allein aus tatsächlichen Gründen (fehlender Nachweis) unberücksichtigt gelassen. Gleiches gilt für etwaige sich erst in der Zukunft aufbauende stille Reserven (fehlende seriöse Prognostizierbarkeit derartiger Wertzuwächse; bisherige Erfahrungen in der Vergangenheit).
2. Mit dem Aufwerfen der Rechtsfragen,
a) ob "Verluste eines neu gegründeten Unternehmens ‑‑ohne betriebsspezifische Betrachtung der Anlaufzeit‑‑ ein Indiz für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht" darstellen;
b) ob "strukturelle Änderungen hinsichtlich negativer Ergebnisse bereits in der Anlaufphase zu korrigieren" seien;
c) ob "stille Reserven für die Betrachtung der Totalgewinnprognose relevant" seien,
und der bloßen Behauptung, diese Rechtsfragen seien klärungsfähig und klärungsbedürftig, kann die begehrte Revisionszulassung, gleich welcher Zulassungsgrund damit angesprochen sein soll, nicht erreicht werden.
3. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.