BFH III. Senat
EStG § 26 Abs 1, BGB § 1567 Abs 1 S 2, FGO § 96 Abs 2, FGO § 105 Abs 2 Nr 5, GG Art 103 Abs 1, EStG § 26 Abs 1, EStG VZ 2005
vorgehend FG Köln, 11. April 2011, Az: 10 K 302/10
Leitsätze
1. NV: Eheleute können auch in einer Wohnung dauernd getrennt leben; diese Möglichkeit sieht § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich vor.
2. NV: Das FG genügt seiner Begründungs- und Beachtungsplicht, wenn es die für seine Beurteilung wesentlichen Gründe nennt ‑‑hier eine Trennungsvereinbarung, die Aussage vor der Steuerfahndungsstelle und die Unterzeichnung und Einreichung der Anlage U‑‑ und vom Kläger vorgetragene Argumente für das Fortdauern der ehelichen Gemeinschaft ‑‑insb. gemeinsamer Erwerb von Couchgarnitur und Küche‑‑ ohne nähere Begründung als nicht überzeugend zurückweist.
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) veranlagte die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) für die Jahre 2000 bis 2005 einzeln zur Einkommensteuer und änderte die Bescheide, nachdem sie durch Unterzeichnung der sog. Anlage U dem Abzug ihrer vom Beigeladenen bezogenen Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben zugestimmt hatte. Die Einsprüche gegen die geänderten Bescheide wies das FA als unbegründet zurück.
Ihre Klage, mit der sie die Zusammenveranlagung mit dem Beigeladenen begehrte, von dem sie im Jahr 2005 geschieden worden war, wies das Finanzgericht (FG) ab. Es entschied, beide Ehegatten hätten in den Streitjahren unter einem Dach dauernd getrennt gelebt.
Zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde trägt die Klägerin vor, das FG-Urteil weiche vom Senatsurteil vom 28. April 2010 III R 71/07 (BFH/NV 2010, 2042) ab und beruhe auf Verfahrensfehlern.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Die geltend gemachte Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO) liegt nicht vor.
Die Klageabweisung durch das FG beruht zwar, wie die Klägerin zutreffend vorträgt, auf dem Rechtssatz, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft i.S. des § 26 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wenigstens das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft und das Streben nach einer darüber hinaus gehenden persönlichen Gemeinschaft voraussetze. Dieser ‑‑wörtlich dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. April 2007 I R 64/06 (BFH/NV 2007, 1893) entnommene‑‑ Rechtssatz widerspricht aber nicht dem Senatsurteil in BFH/NV 2010, 2042, welches davon ausgeht, dass die eheliche Lebensgemeinschaft die räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Ehegatten umfasst und dazu auch die gemeinsame Erledigung der sie gemeinsam berührenden wirtschaftlichen Fragen des Zusammenlebens gehört.
Das FG-Urteil weicht auch nicht insoweit vom Senatsurteil in BFH/NV 2010, 2042 ab, als dieses einer räumlichen Trennung besondere Bedeutung für das dauernde Getrenntleben zumisst. Denn das FG war wegen der im November 2001 getroffenen schriftlichen Trennungsvereinbarung, der Aussage der Klägerin vor der Steuerfahndungsstelle im August 2003 sowie der Unterzeichnung der Anlage U im Jahr 2007 von einer dauernden Trennung der Klägerin und des Beigeladenen ‑‑obschon in derselben Wohnung‑‑ überzeugt. Die Möglichkeit eines dauernden Getrenntlebens in einer Wohnung sieht § 1567 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ausdrücklich vor, und ein dauerndes Getrenntleben i.S. des § 1567 Abs. 1 BGB schließt ein dauerndes Getrenntleben nach § 26 Abs. 1 EStG regelmäßig mit ein (Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 26 EStG Rz 28).
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen, auf dem das FG-Urteil beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Mit dem Vortrag, das angefochtene Urteil teile die wesentlichen Tatsachenbehauptungen und Anträge von ihr ‑‑der Klägerin‑‑ sowie dem Beigeladenen nicht mit, enthalte keine Feststellungen zu den eingereichten entscheidungserheblichen Beweismitteln und tue diese in unzureichender Weise mit dem floskelhaften Satz ab, die Argumente seien nicht überzeugend, rügt die Klägerin einen Verstoß gegen die sog. Beachtungspflicht sowie ein Fehlen von Entscheidungsgründen i.S. des § 119 Nr. 6 FGO und damit eine Verletzung der Pflicht des Gerichts, sein Urteil mit Gründen zu versehen. Diese Rügen greifen indessen nicht durch.
a) Das FG-Urteil ist nicht ohne (hinreichende) Begründung ergangen.
Die von § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO geforderte Begründung eines Urteils dient vor allem der Unterrichtung der Verfahrensbeteiligten darüber, auf welchen Feststellungen und Überlegungen die richterliche Entscheidung beruht (vgl. BFH-Beschluss vom 9. Februar 2000 VIII R 27/99, BFH/NV 2000, 968; BFH-Urteil vom 20. Juni 2000 VIII R 47/99, BFH/NV 2001, 46). Dazu muss das Gericht aber nicht auf jede Einzelheit des Sachverhalts und des Beteiligtenvortrags ausführlich eingehen. Ein Verstoß gegen das Begründungsgebot liegt zwar vor, wenn das Gericht einen wesentlichen Streitpunkt überhaupt nicht erörtert (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 46). Eine lediglich lückenhafte Begründung begründet aber nur dann einen Mangel i.S. von § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO, wenn die vom FG fixierten Entscheidungsgründe zum Nachweis der Rechtmäßigkeit des Urteilsspruchs schlechterdings ungeeignet erscheinen und den Beteiligten keine hinlängliche Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Erwägungen das Urteil beruht (vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 24).
Die im FG-Urteil genannten Gründe für ein dauerndes Getrenntleben der Klägerin und des Beigeladenen ‑‑die Trennungsvereinbarung, die Aussage vor der Steuerfahndungsstelle und die Unterzeichnung und Einreichung der Anlage U‑‑ entsprechen diesen Anforderungen. Das Fehlen von Ausführungen z.B. zu den Schreiben des Beigeladenen an das FA oder dem Erwerb von Couchgarnitur und Küche anstelle der knappen Feststellung der Urteilsgründe, die vom Beigeladenen vorgebrachten Argumente seien nicht überzeugend, lässt das Urteil nicht als unzureichend begründet erscheinen.
b) Das FG-Urteil enthält keine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß § 119 Nr. 3 FGO in Gestalt eines Verstoßes gegen die sogenannte Beachtungspflicht (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO).
Die Beachtungspflicht ist verletzt, wenn das FG Äußerungen eines Verfahrensbeteiligten zu entscheidungserheblichen Fragen nicht zur Kenntnis nimmt bzw. bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung zieht. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich auseinanderzusetzen (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom 15. September 2006 III B 197/05, BFH/NV 2007, 28; vom 13. April 2007 V B 122/05, BFH/NV 2007, 1517, sowie vom 17. März 2010 X B 62/09, BFH/NV 2010, 1825). Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt jedoch dann vor, wenn das Gericht Sachverhalt und Sachvortrag, auf den es ankommen kann, nicht nur nicht ausdrücklich bescheidet, sondern überhaupt nicht berücksichtigt.
Dies trifft indessen nicht zu. Das FG hat zu erkennen gegeben, dass es hinsichtlich der Frage des dauernden Getrenntlebens weitere als die ausdrücklich behandelten Argumente erwogen, aber nicht als durchgreifend erachtet hat. Ein detailliertes Eingehen z.B. auf die Anschaffung der Couchgarnitur und der Küche sowie die Haltereigenschaft an einem PKW, die für die Frage der Wirtschaftsgemeinschaft ohnehin nur von begrenzter Aussagekraft sind, war daher nicht erforderlich.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).