BFH V. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 116 Abs 3 S 3, FGO § 74
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 26. Juli 2011, Az: 12 K 1647/11
Leitsätze
NV: Die Rüge einer Verletzung von § 74 FGO erfordert die Darlegung, aus welchen Gründen das FG das ihm nach dieser Vorschrift zustehende Ermessen unzutreffend ausgeübt hat .
Gründe
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unzulässig.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) der Frage, "welchen Einfluss es unter dem Gesichtspunkt der Kausalität des Steuerschadens für die Haftungsfrage hat, dass die Finanzverwaltung die zumindest teilweise Beitreibung der Steuerschuld bei der Hauptschuldnerin dadurch vereitelt hat, dass sie sich geweigert hat, dieser die Schuld gegen Ratenzahlungen zu stunden oder doch zumindest eine entsprechende Vollziehungsaussetzung auszusprechen" zuzulassen.
Im Hinblick auf die gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO bestehenden Darlegungserfordernisse hätte der Kläger schlüssig und substantiiert vortragen müssen, weshalb eine von ihm für bedeutsam gehaltene, abstrakte und für die angegriffene finanzgerichtliche Entscheidung erhebliche Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 23. März 2012 IX B 7/12, BFH/NV 2012, 1161). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht, weil die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage auf die Beurteilung der Rechtslage in einem Einzelfall abzielt.
2. Eine "Divergenz", die eine Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung rechtfertigen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), ist gleichfalls nicht hinreichend dargelegt.
Bei einer Nichtzulassungsbeschwerde, die sich auf die Abweichung der Vorentscheidung von einer Entscheidung des BFH oder eines anderen Finanzgerichts (FG) stützt, muss der Beschwerdeführer neben der genauen Bezeichnung der Divergenzentscheidung darlegen, dass das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (BFH-Beschluss vom 27. April 2011 III B 62/10, BFH/NV 2011, 1379). Eine schlüssige Rüge setzt weiter die Darlegung voraus, dass die Entscheidungen zu gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalten ergangen sind (z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. Juli 2008 II B 47/07, BFH/NV 2008, 1846, und vom 22. August 2011 III B 4/10, BFH/NV 2011, 2092). Dem genügen die Ausführungen des Klägers zur Sachbehandlung durch den Insolvenzverwalter unter bloßem Hinweis auf das BFH-Urteil vom 22. April 2004 V R 72/03 (BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684) schon deshalb nicht, weil er nicht widerstreitende Gerichtsentscheidungen gegenüberstellt.
3. Auch der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor.
Ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wird mit der Beschwerdeschrift nicht hinreichend dargelegt. Dazu hätte der Kläger schlüssig Tatsachen bezeichnen müssen, aus denen sich ergibt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt. Ferner hätte er ‑‑ausgehend von der materiell-rechtlichen Sicht des FG‑‑ darlegen müssen, dass das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhen kann und ohne den Verfahrensverstoß anders ausgefallen wäre (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 7. März 2012 II B 90/11, BFH/NV 2012, 998).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdeschrift nicht. Zwar kann das Unterlassen der Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO einen Verfahrensmangel darstellen. Der Kläger hat jedoch in der Begründung seiner Beschwerde nicht schlüssig Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein Verstoß gegen § 74 FGO ergibt. Dafür genügt nicht schon das Vorbringen, das Finanzamt sei als Verwaltungsbehörde nicht befugt, die Reihenfolge der gerichtlichen Bearbeitung anhängiger Sachen zu bestimmen. Erforderlich wäre vielmehr eine Darlegung gewesen, aus welchen Gründen das FG das ihm nach § 74 FGO zustehende Ermessen unzutreffend ausgeübt habe.