BFH III. Senat
AO § 8, AO § 9, EStG § 1 Abs 1, EStG § 1 Abs 3, EStG § 2 Abs 7, EStG § 11, EStG § 49, EStG § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b, FGO § 44 Abs 1, FGO § 46 Abs 1, FGO § 67, BGB § 133, BGB § 157, EWGV 1408/71 Art 13ff, EWGV 1408/71 Art 73, EWGV 1408/71 Art 76, EWGV 574/72 Art 10, EWGV 1612/68 Art 7, EG Art 39, EG Art 42, AEUV Art 45, AEUV Art 48, EStG VZ 2005 , EStG VZ 2006
vorgehend FG Düsseldorf, 12. Juli 2011, Az: 15 K 1011/09 Kg
Leitsätze
1. Eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG besteht nur für die Monate, in denen der Steuerpflichtige ‑‑seine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG vorausgesetzt‑‑ inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt hat (Anschluss an BFH-Urteil vom 24. Oktober 2012 V R 43/11, BFHE 239, 327, BStBl II 2013, 491).
2. Diese Auslegung des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG steht ‑‑unabhängig davon, ob das Kindergeld in seiner steuerrechtlichen oder sozialrechtlichen Funktion betroffen ist‑‑ im Einklang mit dem Unionsrecht.
3. Eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG liegt nur dann vor, wenn das FA in dem maßgeblichen Einkommensteuerbescheid dem entsprechenden Antrag des Steuerpflichtigen entsprochen hat. Lässt sich eine solche Behandlung dem Steuerbescheid nicht eindeutig entnehmen, ist maßgebend auf seinen durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB analog) zu ermittelnden objektiven Erklärungsinhalt abzustellen (Konkretisierung des Senatsurteils vom 24. Mai 2012 III R 14/10, BFHE 237, 239, BStBl II 2012, 897).
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein polnischer Staatsangehöriger, ist Vater der in den Streitzeiträumen minderjährigen Kinder A und B. Er lebte mit ihnen und der Kindsmutter in Polen. In der Zeit vom 15. März 2005 bis 8. Juni 2005 und vom 23. Januar 2006 bis 30. April 2006 war der Kläger als Saisonarbeiter für einen deutschen Arbeitgeber in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt. In den Monaten März 2005 bis Juni 2005 bezog er Familienleistungen in Polen von monatlich 43 PLN für jedes Kind. Für den Zeitraum von Januar 2006 bis April 2006 stellte der Kläger in Polen keinen Antrag auf Familienleistungen.
Der Kläger begehrte mit Antrag vom 29. Oktober 2007 Kindergeld. Die ursprüngliche Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 22. Juli 2008 ab. Der außergerichtliche Rechtsbehelf wurde mit Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2009 für die Zeiträume vom 15. März 2005 bis 8. Juni 2005 und vom 23. Januar 2006 bis 30. April 2006 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der hiergegen am 13. März 2009 erhobenen Klage begehrte der Kläger zunächst Kindergeld für die Zeiträume, in denen er in Deutschland als Saisonarbeiter tätig war (März 2005 bis Juni 2005 sowie Januar 2006 bis April 2006). Es sei Kindergeld in Höhe von 2.464 € (= 154 € x 8 Monate x 2 Kinder) festzusetzen. Erstmals mit Schriftsatz vom 19. Juni 2009 begehrte der Kläger auch Kindergeld für die außerhalb seiner Saisonarbeitertätigkeit liegenden Zeiträume der Jahre 2005 und 2006 (Januar 2005 bis Februar 2005, Juli 2005 bis Dezember 2005 und Mai 2006 bis Dezember 2006). Insoweit werde, so der Kläger, der bisherige Leistungsantrag korrigiert. Es sei Kindergeld in Höhe von insgesamt 7.392 € (= 154 € x 24 Monate x 2 Kinder) festzusetzen.
Die Klage war teilweise erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für die Kinder A und B für die Zeiträume März 2005 bis Juni 2005 und Januar 2006 bis April 2006 in Höhe von 2.464 € festzusetzen. Im Übrigen wies es die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, der Kläger sei während seiner inländischen Tätigkeit als Saisonarbeiter nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitzeiträume maßgeblichen Fassung (EStG) unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen. Den nach § 1 Abs. 3 EStG erforderlichen Antrag habe der Kläger mit Abgabe der Einkommensteuererklärungen 2005 und 2006 gestellt. Die unbeschränkte Steuerpflicht entstehe nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG allerdings nur, soweit inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG vorlägen. Die Wirkung des ausgeübten Wahlrechts beschränke sich sodann auf diese inländischen Einkünfte. Danach habe die Klage für die Zeiträume Januar 2005 bis Februar 2005, Juli 2005 bis Dezember 2005 und Mai 2006 bis Dezember 2006 keinen Erfolg.
Für die Zeiträume der bestehenden Anspruchsberechtigung (März 2005 bis Juni 2005 und Januar 2006 bis April 2006) sei die Konkurrenz zwischen den Ansprüchen auf deutsches Kindergeld und polnische Familienleistungen nach Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 574/72), aufzulösen. Da der Anspruch auf Familienleistungen im Wohnland der Kinder (Polen) nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhänge, sei Deutschland nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 vorrangig zur Leistung verpflichtet. Anhaltspunkte dafür, dass Polen nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der VO Nr. 574/72 vorrangig zur Zahlung verpflichtet sei, bestünden nicht.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, das FG habe § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG rechtsfehlerhaft ausgelegt. Eine Auslegung, wonach diese Vorschriften eine Kindergeldberechtigung nur für diejenigen Monate einräumen würden, in denen der Berechtigte als unbeschränkt Einkommensteuerpflichtiger nach § 1 Abs. 3 EStG inländische Einkünfte i.S des § 49 EStG erziele, verstoße gegen nationales Recht. Aus dem in § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG gebrauchten Wort "soweit" lasse sich keine zeitliche Einschränkung der Kindergeldberechtigung ableiten. Vielmehr sei für die Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG die einkommensteuerrechtliche Behandlung maßgeblich. Bei der Einkommensteuer handele es sich nach § 2 Abs. 7 EStG um eine Jahressteuer. Hieraus folge, dass sich die Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG auf das gesamte Kalenderjahr beziehe. Eine abschnittsweise Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei nicht möglich. Hiervon gehe auch einhellig das Fachschrifttum aus. Ebenso bestätige das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Januar 2001 VI R 64/98 (BFH/NV 2001, 1231) diese Auffassung. Im Übrigen sei es nicht praktikabel, auf die Monate der Erzielung inländischer Einkünfte abzustellen. Denn die nach § 1 Abs. 3 EStG ergehenden Einkommensteuerbescheide führten diese Zeiträume nicht explizit an. Ebenso würden in den Vordrucken ‑‑insbesondere in dem Vordruck EU/EWR‑‑ solche monatlichen Informationen nicht zur Verfügung gestellt. Die Familienkassen müssten daher diese Informationen vom Finanzamt (FA) anfordern. Hierdurch werde ein vom Gesetzgeber nicht gewollter Verwaltungsmehraufwand ausgelöst.
Daneben verstoße eine solche Auslegung des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG gegen unionsrechtliche Vorgaben, die der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in den Urteilen vom 14. Februar 1995 C-279/93, Schumacker (Slg. 1995, I-225), vom 12. Dezember 2002 C-385/00, De Groot (Slg. 2002, I-11819) und vom 12. Juni 2003 C-234/01, Gerritse (Slg. 2003, I-5933) aufgestellt habe. Danach sei es dem Beschäftigungsstaat ‑‑hier Deutschland‑‑ versagt, einem Gebietsfremden, der (fast) ausschließlich seine gesamten Einkünfte im Beschäftigungsstaat erziele, die steuerlichen Vergünstigungen nur anteilig zu gewähren. Sie seien vollständig zu gewähren, um eine unionsrechtliche Diskriminierung des Gebietsfremden gegenüber einem Gebietsansässigen zu vermeiden. Schließlich würde die Gruppe der Saisonarbeitnehmer gegenüber der Gruppe der sog. echten Grenzpendler benachteiligt werden.
Daneben rügt der Kläger eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch das FG.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil, den Ablehnungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung der Familienkasse insoweit aufzuheben, als die Familienkasse verpflichtet wird, Kindergeld für die beiden Kinder A und B für die Zeiträume Januar 2005 bis Februar 2005, Juli 2005 bis Dezember 2005 und Mai 2006 bis Dezember 2006 in Höhe von insgesamt 4.928 € (= 154 € x 16 Monate x 2 Kinder) festzusetzen.
Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑), soweit die noch streitigen Zeiträume (Januar 2005 bis Februar 2005, Juli 2005 bis Dezember 2005 und Mai 2006 bis Dezember 2006) betroffen sind. Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass der Kläger nur für diejenigen Kalendermonate nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG kindergeldberechtigt ist, in denen er als fiktiv unbeschränkt Einkommensteuerpflichtiger nach § 1 Abs. 3 EStG inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt hat. Die Feststellungen des FG reichen aber nicht aus, um dies abschließend beurteilen zu können.
1. Die Familienkasse ... der Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit ‑‑Familienkasse ...‑‑ eingetreten (s. BFH-Urteil vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2008, 109, unter II.1.).
2. Die Klage ist insgesamt zulässig, auch soweit der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 19. Juni 2009 Kindergeld für die noch verbliebenen Streitzeiträume begehrt hat.
Es liegt eine zulässige Klageänderung in Gestalt einer nachträglichen objektiven Klagehäufung vor, weil sowohl die Voraussetzungen des § 67 FGO gegeben sind als auch das neue Klagebegehren die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt (s. dazu Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 67 Rz 10, m.w.N.). Ob die Voraussetzungen für ein Sachurteil des FG vorlagen, ist vom BFH ohne Bindung an die Auffassung des FG zu prüfen; insbesondere kann der BFH hierzu eigene Feststellungen anhand der im Revisionsverfahren vorgelegten Akten treffen (BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450).
a) Die Erweiterung der Klage auf die genannten Zeiträume stellt eine Klageänderung i.S des § 67 FGO dar, weil der Kläger hiermit ‑‑neben den beim FG bereits rechtshängigen Zeiträumen März 2005 bis Juni 2005 und Januar 2006 bis April 2006‑‑ Kindergeld für weitere Monate begehrt hat. Diese Klageänderung war jedenfalls ‑‑aus Gründen der Prozessökonomie (s. Gräber/von Groll, a.a.O., § 67 Rz 15)‑‑ sachdienlich (§ 67 Abs. 1 FGO).
b) Für die noch streitigen Zeiträume fehlte es zwar an einer außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung i.S. des § 44 Abs. 1 FGO. Es lagen aber die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO vor.
Nach § 44 Abs. 1 FGO ist in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, die Klage ‑‑vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO‑‑ nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Nach § 46 Abs. 1 FGO ist die Klage jedoch ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn die zuständige Behörde über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.
So verhält es sich im Streitfall. Der Kläger hat in dem Einspruchsschreiben vom 16. August 2008 gegen den Ablehnungsbescheid vom 22. Juli 2008 sein Rechtsschutzbegehren nicht auf einzelne Monate beschränkt. Dieser Ablehnungsbescheid, der ebenfalls keine zeitliche Einschränkung enthielt, umfasste (jedenfalls auch) die gesamten Kindergeldansprüche der Jahre 2005 und 2006. Dies ergibt sich daraus, dass die Familienkasse den Kindergeldantrag vom 29. Oktober 2007 entsprechend §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht dahingehend verstehen konnte, der Kläger beantrage lediglich die Festsetzung von Kindergeld für die Zeiträume seiner inländischen Tätigkeit als Saisonarbeiter (zur Auslegung eines Kindergeldantrags s. Senatsurteil vom 9. Februar 2012 III R 45/10, BFHE 236, 413). Gleichwohl hat die Familienkasse in ihrer Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2009 ‑‑wie sich aus Rubrum und Begründung ergibt‑‑ nur die Zeiträume überprüft, in denen der Kläger im Inland als Saisonarbeiter tätig gewesen ist. Eine Einspruchsentscheidung hinsichtlich der noch streitigen Zeiträume ist ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist nicht erfolgt.
3. Bei Anwendung des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG liegt eine Behandlung "nach § 1 Abs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig" nur für die Kalendermonate vor, in denen der Kindergeldberechtigte Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt, die nach § 1 Abs. 3 EStG der Einkommensteuer unterliegen.
Der erkennende Senat hat sich dieser ‑‑höchstrichterlich erstmals vom V. Senat des BFH mit Urteil vom 24. Oktober 2012 V R 43/11 (BFHE 239, 327, BStBl II 2013, 491) vertretenen‑‑ Rechtsauffassung bereits in seinem Urteil vom 16. Mai 2013 III R 8/11 (BFH/NV 2013, 1698) angeschlossen (so jetzt auch BFH-Urteil vom 18. April 2013 VI R 70/11, BFH/NV 2013, 1554). An dieser Beurteilung hält der erkennende Senat nach nochmaliger Prüfung fest.
a) Dabei misst der erkennende Senat der in § 66 Abs. 2 EStG getroffenen gesetzgeberischen Grundentscheidung, wonach Kindergeld monatlich vom Beginn des Monats an gezahlt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen (sog. Monatsprinzip), besondere Bedeutung hinsichtlich der Frage bei, für welchen Zeitraum eine Kindergeldberechtigung besteht. Danach ist das Bestehen einer Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 EStG grundsätzlich monatsbezogen zu beurteilen. Dementsprechend besteht gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG eine Kindergeldberechtigung nur für diejenigen Kalendermonate, in denen der Anspruchsberechtigte im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (BFH-Urteil vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564). Hiervon ausgehend ist auch die Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG monatsbezogen zu beurteilen. Der Wortlaut dieser Regelung, die auf § 1 Abs. 3 EStG verweist, steht einer solchen durch das Monatsprinzip gebotenen Auslegung nicht entgegen. So heißt es in § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG sinngemäß, dass Gebietsfremde auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, soweit sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG haben. Das "Haben" solcher Einkünfte ist ‑‑mit Blick auf § 66 Abs. 2 EStG‑‑ monatsbezogen festzustellen.
b) Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 7 EStG. Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG ist die Einkommensteuer eine Jahressteuer (sog. Jahresprinzip). Sie wird grundsätzlich nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) veranlagt (§ 25 Abs. 1 EStG). Diese Vorschrift betrifft das Verfahren zur Festsetzung der Einkommensteuer (Besteuerungsverfahren). Auch wenn § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG steuersystematisch auf die "Behandlung" bei der Einkommensteuerfestsetzung abstellt, lassen sich hieraus ‑‑unabhängig von der Frage, welche Auswirkungen sich für das Besteuerungsverfahren ergeben, wenn eine unter § 1 Abs. 3 fallende Person nicht in allen Kalendermonaten Inlandseinkünfte erzielt‑‑ keine zwingenden Rückschlüsse auf die Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ableiten. Denn für die Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG wird das einkommensteuerrechtliche Jahresprinzip des § 2 Abs. 7 EStG durch das Monatsprinzip des § 66 Abs. 2 EStG überlagert (gl.A. BFH-Urteil in BFHE 239, 327, BStBl II 2013, 491, Rz 23).
c) Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1231. In diesem Urteil hat der BFH mangels ausreichender Feststellungen nicht beurteilen können, ob dem Kläger, der zwar nicht nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG kindergeldberechtigt gewesen ist, ggf. Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG zugestanden hat. Folgerungen für den Streitfall lassen sich hieraus nicht ziehen.
d) Dem dargelegten Auslegungsergebnis steht nicht entgegen, dass die nach § 1 Abs. 3 EStG ergehenden Einkommensteuerbescheide keine Informationen darüber enthalten, wann die Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt worden sind. Die Familienkassen und Finanzgerichte haben den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 88 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑, § 76 FGO). Dabei sind die Beteiligten zur Mitwirkung verpflichtet (§ 90 AO, § 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO). Daneben stehen den Finanzbehörden und Gerichten zahlreiche weitere Ermittlungsmöglichkeiten (Beweismittel) zur Verfügung, um den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären (z.B. § 92 AO, §§ 79, 81, 86 FGO). Es ist daher auch unerheblich, ob solche Informationen in der ‑‑auf § 1 Abs. 3 Satz 4 (jetzt Satz 5) EStG zurückgehenden‑‑ bundeseinheitlichen "Bescheinigung EU/EWR" enthalten sind. Abgesehen davon wird diese Bescheinigung nicht für Zwecke der Festsetzung von Kindergeld ausgestellt. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine materielle Tatbestandsvoraussetzung für die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht i.S. des § 1 Abs. 3 EStG (BFH-Urteil vom 8. September 2010 I R 80/09, BFHE 231, 91, BStBl II 2011, 447).
4. Dieses Auslegungsergebnis steht ‑‑unabhängig davon, ob das Kindergeld in seiner steuerrechtlichen oder sozialrechtlichen Funktion betroffen ist‑‑ im Einklang mit dem Unionsrecht.
a) Es entspricht dem unionsrechtlichen Grundsatz, dass gebietsfremde Arbeitnehmer die gleichen steuerlichen Vergünstigungen wie gebietsansässige Arbeitnehmer erhalten.
aa) Der Grundsatz der Gleichbehandlung, der sowohl in Art. 39 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ‑‑EGV‑‑ (jetzt Art. 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ‑‑AEUV‑‑) als auch in Art. 7 der Verordnung (EWG) des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ‑‑VO Nr. 1612/68‑‑ (jetzt Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union) niedergelegt ist, verbietet nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen. Nach Art. 7 Abs. 2 der VO Nr. 1612/68 genießt ein EU-Arbeitnehmer die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.
In den vom Kläger zitierten EuGH-Urteilen ('Schumacker' in Slg. 1995, I-225, 'De Groot' in Slg. 2002, I-11819 und 'Gerritse' in Slg. 2003, I-5933) wurde entschieden, dass sich Gebietsansässige und Gebietsfremde grundsätzlich nicht in einer vergleichbaren Lage befinden. Daher ist im Grundsatz der Wohnsitzstaat dafür verantwortlich, dass bei der Einkommensbesteuerung die persönlichen und familiären Umstände berücksichtigt werden (EuGH-Urteile Schumacker in Slg. 1995, I-225 Rdnrn. 32 bis 35; De Groot in Slg. 2002, I-11819 Rdnr. 90; Gerritse in Slg. 2003, I-5933 Rdnrn. 43 bis 50). Ausnahmsweise muss jedoch der Beschäftigungsstaat die persönliche und familiäre Lage berücksichtigen, wenn der Gebietsfremde sein Welteinkommen ausschließlich oder nahezu ausschließlich im Beschäftigungsstaat erzielt. Andernfalls bestünde eine Diskriminierung darin, dass seiner persönlichen Lage und seinem Familienstand weder im Wohnsitzstaat noch im Beschäftigungsstaat Rechnung getragen wird (EuGH-Urteile Schumacker in Slg. 1995, I-225 Rdnrn. 37 bis 38; De Groot in Slg. 2002, I-11819 Rdnr. 89).
bb) Diesen Anforderungen entspricht § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG in der durch den Senat gefundenen Auslegung (gl.A. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 1554, Rz 17 bis 20).
Der Gesetzgeber hat zwar das Kindergeld funktional in die Besteuerung eingebunden. Es wird ‑‑auf Antrag (§ 67 EStG)‑‑ im laufenden Jahr als Steuervergütung monatlich gezahlt (§ 31 Satz 3 EStG). Das Kindergeld stellt in seiner ‑‑das Besteuerungsverfahren betreffenden‑‑ Funktion aber nur einen "Abschlag" auf das steuerlich zu verschonende Existenzminimum eines Kindes dar (Senatsurteil vom 20. Dezember 2012 III R 29/12, BFH/NV 2013, 723). Dementsprechend wird bei der Veranlagung zur Einkommensteuer unabhängig davon, ob die unbeschränkte Steuerpflicht auf § 1 Abs. 1 EStG beruht oder ob der Steuerpflichtige nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird, für jedes zu berücksichtigende Kind nach § 32 Abs. 6 EStG unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen ein Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum sowie ein Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf vom Einkommen abgezogen. Dabei gewährleistet die im Rahmen der Veranlagung von Amts wegen durchzuführende sog. Günstigerprüfung (§ 31 Satz 4 EStG), dass eine Freistellung des Einkommens mindestens in Höhe der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG erfolgt. Damit ist dem Grundsatz entsprochen, dass unter § 1 Abs. 3 EStG fallende Gebietsfremde bei der Einkommensbesteuerung die gleichen steuerlichen Vergünstigungen erhalten wie Gebietsansässige.
Abgesehen davon ist im Streitfall das Kindergeld in seiner steuerrechtlichen Funktion überhaupt nicht betroffen. Soweit das Kindergeld für die steuerentlastende Wirkung nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG). Es ist ‑‑mit seinem Förderanteil‑‑ eine Sozialleistung (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164; BFH-Urteil vom 22. November 2007 III R 60/99, BFHE 220, 39, BStBl II 2009, 910). Sind die Einkünfte des Steuerpflichtigen so niedrig, dass sich die Freibeträge nicht auswirken können, liegt insgesamt eine Sozialleistung vor (Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 31 Rz A 8).
So verhält es sich im Streitfall. Der Kläger hat ausweislich seiner Einkommensteuerbescheide für 2005 und 2006, auf welche die Vorentscheidung Bezug genommen hat, in den Jahren 2005 und 2006 so niedrige Einkünfte erzielt, dass die ihm gegenüber festgesetzte Einkommensteuer bereits nach Berücksichtigung seines Grundfreibetrags (§ 32a Abs. 1 EStG) jeweils 0 € betragen hat.
b) Auch soweit das Kindergeld eine sozialrechtliche Funktion hat, besteht keine unionsrechtliche Verpflichtung, Kindergeld für Monate zu gewähren, in denen der Kläger keine inländischen Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt hat.
aa) Eine dementsprechende Verpflichtung lässt sich nicht aus der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), ableiten. Zur Begründung verweist der Senat auf die Ausführungen in dem BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 1554, Rz 21 bis 26, denen er sich anschließt.
Ergänzend bleibt anzumerken, dass sich eine solche Verpflichtung ‑‑bei eröffnetem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71‑‑ auch nicht aus dem in Art. 3 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71 geregelten Gleichbehandlungsgebot ergibt. Diese Bestimmung verbietet eine Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit (s. dazu Fuchs/Eichenhöfer, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl., Art. 3 VO Nr. 1408/71, Rz 2 ff.). Eine solche steht im Streitfall aber nicht in Rede.
bb) Auch die Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und das Diskriminierungsverbot (s. Art. 39 EGV, jetzt Art. 45 AEUV; Art. 7 der VO Nr. 1612/68, jetzt Art. 7 der VO Nr. 492/2011) führen zu keinem anderen Ergebnis (gl.A. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 1554, Rz 24 bis 26).
(1) Bei der Prüfung der Frage, ob gebietsfremde Arbeitnehmer bei der Gewährung sozialer Vergünstigungen benachteiligt werden, wendet der EuGH besondere Maßstäbe an. Danach fällt zwar jeder Arbeitnehmer, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt ‑‑mit Ausnahme derjenigen Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einen so geringen Umfang hat, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt‑‑, unter die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und somit unter die VO Nr. 1612/68 (EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007 C-213/05, Geven, Slg. 2007, I-6347, Rdnrn. 16 ff.). Es ist einem Mitgliedstaat aber für den Fall, dass er mit einer Vergünstigung sozialpolitische Zwecke verfolgt, die eine hinreichende Bindung zur inländischen Gesellschaft voraussetzen, nicht versagt, einem EU-Arbeitnehmer die Gewährung dieser Sozialleistung mangels gesellschaftlicher Bindung zu versagen, wenn er in dem Mitgliedstaat nur geringfügig beschäftigt ist und dort weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt hat (EuGH-Urteil in Geven, Slg. 2007, I-6347, zum deutschen Elterngeld).
(2) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob der Kläger ‑‑selbst wenn man das Kindergeld in seiner sozialrechtlichen Funktion als eine soziale Vergünstigung i.S. des § 7 Abs. 2 der VO Nr. 1612/68 qualifizieren würde (so wohl Brechmann, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 45 AEUV, Rz 70)‑‑ überhaupt vom Anwendungsbereich der genannten Vorschriften erfasst wird. Erhebliche Zweifel hieran bestehen schon deshalb, weil der Kläger in den maßgeblichen Streitzeiträumen keine ‑‑auch keine geringfügige‑‑ Arbeitnehmertätigkeit in Deutschland ausgeübt hat.
Aber selbst wenn man dies und daneben eine (mittelbare) Schlechterstellung gegenüber inländischen Arbeitnehmern bejahen wollte, würde die vom Senat gefundene Auslegung des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nicht gegen die genannten unionsrechtlichen Vorschriften verstoßen. Diese Auslegung wäre jedenfalls nach unionsrechtlichen Maßstäben gerechtfertigt, weil der Kläger, sofern er in den Streitzeiträumen keine Inlandseinkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt haben sollte, keine hinreichende Bindung zur Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) aufwies. So lassen sich die vom EuGH in dem Urteil in Geven Slg. 2007, I-6347 aufgestellten Grundsätze auf den Streitfall übertragen. Das Kindergeld dient als Sozialleistung der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG). Es ist ein Instrument der nationalen Familienpolitik. Dass der Gesetzgeber hierbei das Kindergeld nur solchen Personen gewähren will, die eine hinreichend enge Bindung zu Deutschland eingegangen sind, lässt sich ohne Weiteres den in § 62 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a EStG geregelten Berechtigungstatbeständen entnehmen. Diese setzen einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder ‑‑sollten diese inländischen Anknüpfungsmerkmale fehlen‑‑ u.a. ein Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) voraus. Vor diesem Hintergrund ist es unionsrechtlich nicht zu beanstanden, im Fall des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG eine hinreichende Bindung des Gebietsfremden zu Deutschland nur für diejenigen Monate anzunehmen, in denen er Inlandseinkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt. Allein die Veranlagung zur Einkommensteuer begründet, soweit das Kindergeld in seiner sozialrechtlichen Funktion betroffen ist, keine hinreichend enge Bindung.
Soweit der Kläger eine Schlechterstellung gegenüber sog. echten Grenzpendlern behauptet, wäre eine Anwendung der genannten Vorschriften auch deshalb zweifelhaft, weil hierdurch keine Ungleichbehandlung gegenüber inländischen Arbeitnehmern geltend gemacht wird. Im Übrigen läge eine solche Ungleichbehandlung nicht vor. Insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen in dem BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 1554, Rz 24 bis 26, Bezug, denen er sich anschließt.
c) Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem von dem Kläger vorgelegten Rechtsgutachten vom 16. Juli 2013, das sich mit der Frage der unionsrechtlichen Zulässigkeit der lediglich anteiligen Gewährung von Kindergeld in einem Fall wie dem vorliegenden beschäftigt. Dieses Gutachten wiederholt im Wesentlichen die Rechtsausführungen des Klägers. Es misst § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG an europarechtlichen Vorgaben, die der EuGH für die Besteuerung von Einkommen aufgestellt hat. Bei dieser Betrachtung bleibt jedoch außer Acht, dass im Streitfall das Kindergeld ausschließlich in seiner Funktion als Sozialleistung betroffen ist.
5. Für den Senat besteht kein Anlass, den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV anzurufen.
Der Senat hat keinen Zweifel, dass das zu § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG gefundene Auslegungsergebnis mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Die entscheidungserhebliche Frage, ob Kindergeld als Sozialleistung nur für die Monate gewährt werden darf, in welchen der Gebietsfremde inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG hat, ist aufgrund der oben unter II.4.b dargestellten EuGH-Rechtsprechung geklärt.
6. Die Sache ist gleichwohl nicht spruchreif. Der Senat kann keine abschließende Aussage darüber treffen, ob eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG gegeben ist. Es sind noch weitere Feststellungen zu den Punkten zu treffen, ob der Kläger durch das FA nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wurde und in welchen Monaten er seine inländischen Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt hat.
a) Zur Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG hat der erkennende Senat entschieden, dass das Gesetz diese ‑‑anders als die nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a EStG‑‑ von der einkommensteuerrechtlichen Behandlung des Antragstellers abhängig macht (Senatsurteil vom 24. Mai 2012 III R 14/10, BFHE 237, 239, BStBl II 2012, 897).
aa) Eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG setzt daher voraus, dass das FA in dem maßgeblichen Einkommensteuerbescheid dem Antrag des Steuerpflichtigen entsprochen und ihn demnach gemäß § 1 Abs. 3 EStG veranlagt hat. Allein die Tatsache, dass beispielsweise bei einem ausländischen Saisonarbeiter im Einkommensteuerbescheid von einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ausgegangen wurde, besagt nicht notwendigerweise, dass eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG gegeben ist. Es kann auch eine ‑‑für die Familienkasse und das FG nicht bindende‑‑ unzutreffende Bejahung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 EStG erfolgt sein. Lässt sich daher eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG dem Steuerbescheid nicht eindeutig entnehmen, ist maßgebend auf seinen durch Auslegung (§§ 133, 157 des BGB analog) zu ermittelnden objektiven Erklärungsinhalt abzustellen. Ein Verwaltungsakt wird gegenüber dem Betroffenen mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekanntgegeben wird (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO). Bei der Auslegung sind der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte, entscheidend (Klein/Brockmeyer/Ratschow, AO, 11. Aufl., § 119 Rz 5, m.w.N.). Es können auch außerhalb des Bescheids liegende Umstände zu berücksichtigen sein.
Die Auslegung eines Verwaltungsakts durch das FG ist im Revisionsverfahren überprüfbar (BFH-Urteil vom 11. Juli 2006 VIII R 10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96). Im Übrigen ist das Revisionsgericht selbst zur Auslegung befugt, wenn die tatsächlichen Feststellungen des FG hierfür ausreichen (BFH-Urteil in BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96).
bb) Im Streitfall lässt sich die vom FG gezogene Schlussfolgerung, der Kläger sei nach § 1 Abs. 3 EStG behandelt worden, nicht auf nachvollziehbare ‑‑in der Vorentscheidung enthaltene‑‑ tatrichterliche Feststellungen stützen.
Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (s. § 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger zwar mit Abgabe der Einkommensteuererklärungen 2005 und 2006 die Anträge nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG gestellt. Den in der Vorentscheidung genannten und in der Gerichtsakte befindlichen Einkommensteuerbescheiden für 2005 und 2006 lässt sich allein aber nicht entnehmen, ob das FA dem Antrag des Klägers nach § 1 Abs. 3 EStG entsprochen oder ihn möglicherweise nach § 1 Abs. 1 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig veranlagt hat. Die Bescheide sind in diesem Punkt auslegungsbedürftig. In einem solchen Fall muss der Einkommensteuerbescheid unter Rückgriff auf die die Einkommensteuerveranlagung begleitenden Unterlagen ausgelegt werden, die dem Betroffenen zusammen mit dem Bescheid oder zeitlich vor dem Bescheid zugegangen sind. Für diese Zwecke sind ggf. die Einkommensteuerakten beizuziehen. Erst nach Berücksichtigung dieser Unterlagen lässt sich beurteilen, ob das FA einem nach § 1 Abs. 3 EStG gestellten Antrag des Steuerpflichtigen entsprochen hat oder hiervon für ihn erkennbar abgewichen ist.
b) Sollten die noch durchzuführenden Ermittlungen eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG ergeben, bliebe weiter festzustellen, in welchen Monaten der Jahre 2005 und 2006 der Kläger die inländischen Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt hat. Hierbei handelt es sich um diejenigen Monate, in denen die Einkünfte des Klägers nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 11 EStG zeitlich zu erfassen sind.
c) Sollte hiernach eine Kindergeldberechtigung für streitige Monate nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG bestehen, bliebe abschließend zu prüfen, ob in diesen Monaten eine Konkurrenzsituation mit polnischen Familienleistungen gegeben war. Eine sich ggf. ergebende Anspruchskumulierung wäre nach den einschlägigen Vorschriften aufzulösen.
7. Auf die Verfahrensrüge kam es wegen der Zurückverweisung an das FG nicht mehr an (Gräber/Ruban, a.a.O., § 126 Rz 16).