BFH V. Senat
UStG § 1 Nr 1, UStG § 13b, EWGRL 388/77 Art 2 Nr 1, UStG VZ 2005 , ZPO § 41 Nr 6, EWGRL 388/77 Art 11 Teil A Abs 1 Buchst a, FGO § 155, UStG § 4 Nr 8 Buchst c
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 25. Januar 2010, Az: 6 K 2933/07
Leitsätze
1. Ein Unternehmer, der ein Portfolio von zahlungsgestörten Forderungen erwirbt, erbringt an den Forderungsverkäufer grundsätzlich selbst dann keine entgeltliche Leistung, wenn er diesen von der weiteren Verwaltung und Vollstreckung der Forderungen entlastet (Anschluss an das EuGH-Urteil vom 27. Oktober 2011 C-93/10, GFKL, UR 2011, 933, DStR 2011, 2093, und BFH-Urteil vom 26. Januar 2012 V R 18/08, BFH/NV 2012, 678) .
2. Soweit wegen Rückbeziehung der übertragenen Forderungen auf einen zurückliegenden Stichtag der Forderungsverkäufer noch das Portfolio verwaltet, liegt hierin eine unselbständige Nebenleistung zum steuerfreien Forderungsverkauf, die das rechtliche Schicksal der Hauptleistung teilt .
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein im Inland ansässiges Kreditinstitut. Mit Vertrag vom 18. Februar 2005 verkaufte sie eine Zusammenfassung im Einzelnen genau bezeichneter notleidender Geldforderungen im Nennwert von insgesamt 295.600.000 € nebst zugehörigen dinglichen und schuldrechtlichen Sicherheiten samt Neben-, Vorzugs- und Gestaltungsrechten (Portfolio) an die X Ltd., eine im Vereinigten Königreich ansässige Zweckgesellschaft (Käuferin) zum Preis von 42.411.000 € (14,34 % des Nennwertes). Die dem Portfolio zu Grunde liegenden Darlehensverträge hatte die Klägerin zuvor ausnahmslos wegen Zahlungsverzugs gekündigt. Zum überwiegenden Teil handelte es sich um Darlehensrückzahlungsansprüche gegen Schuldner, über deren Vermögen bereits das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.
Der Kaufvertrag wurde aufgrund einer durch Abtretung der Forderungen und Rechte im Wege der Einzelrechtsnachfolge an die im Inland ansässige A-GmbH und durch Zahlung von 38.351.187,20 € an die Klägerin erfüllt. Die Verantwortung oder Haftung der Klägerin für die Zahlungsfähigkeit der Schuldner oder die Werthaltigkeit der Sicherheiten wurde ausdrücklich ausgeschlossen.
Nach Ziff. 4.2.2 des vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Kaufvertrages vom 18. Februar 2005 erfolgte der Verkauf mit wirtschaftlicher Wirkung zum Cut-off-Date (31. Dezember 2004). Nutzungen (insbesondere die Portfolio-Eingänge), Lasten und Risiken (insbesondere die Portfolio-Aufwendungen) der Portfolio-Forderungen und Portfolio-Sicherheiten bis zum Cut-off-Date (einschließlich) sollten der Verkäuferin zustehen, während sie nach dem Cut-off-Date (ausschließlich) der Käuferin zustanden.
Die am Vollzugstag von der Käuferin zu bezahlende Gegenleistung bestand nach § 4 Ziff. 4.2.2 des Vertrages aus:
a) dem Kaufpreis
b) abzüglich des in der Anlage Geschätzte Portfolio-Eingänge ausgewiesenen Betrages
c) zuzüglich des in der Anlage Geschätzte Portfolio-Auszahlungen ausgewiesenen Betrages
d) zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 % p.a. ab dem Cut-off-Date (ausschließlich) bis zum Vollzugstag (einschließlich) auf den sich aus Ziff. 4.2.2 (a) bis 4.2.2 (c) genannten Beträgen ergebenden Saldo
e) zuzüglich des in der Anlage Geschätzte Portfolio-Aufwendungen ausgewiesenen Betrages
f) abzüglich des zu verrechnenden Gesamtbetrages der nicht verrechneten Sicherheitenerlöse.Portfolio-Aufwendungen sind unter § 1 Ziff. 1 des Vertrages definiert als "alle in Übereinstimmung mit der vor dem Cut-off-Date bei der Verkäuferin üblichen Praxis auf die Portfolio-Forderungen oder Portfolio-Sicherungen vernünftigerweise getätigten Aufwendungen im Sinne von § 670 BGB, insbesondere im Rahmen ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes entstandene Kosten Dritter, einschließlich Kosten für Vollstreckungsmaßnahmen ... ".
In Abschn. 3.4 des Vertrages legten die Vertragsparteien weiter fest, dass übereinstimmend davon ausgegangen werde, dass die Käuferin im Zusammenhang mit der Übertragung des Portfolios keine umsatzsteuerpflichtigen Leistungen an die Klägerin erbringe. Falls die Finanzverwaltung jedoch anderer Auffassung sei, sei von einem voraussichtlich realisierbaren Wert der übertragenen Forderungen von insgesamt 50.182.000 € (= 16,97 %) auszugehen. Für diesen Fall sei vereinbart, dass die Käuferin einen Teil der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem voraussichtlich realisierbaren Wert des Portfolios als Gegenleistung für eine Kreditgewährung der Käuferin an die Klägerin erhalte, da davon ausgegangen werde, dass die Klägerin den voraussichtlich realisierbaren Teil erst über einen Zeitraum von ca. fünf Jahren hätte realisieren können. Bei einem insoweit zu Grunde zu legenden kalkulatorischen Zinssatz von 4,5 % pro Jahr ergebe sich damit ein auf die Kreditgewährung entfallender Teilbetrag von 4.771.000 €. Der nach Abzug dieses Betrages noch verbleibende Differenzbetrag von 3 Mio. € sei um die enthaltene Umsatzsteuer zu kürzen.
In der Annahme, die Käuferin habe mit dem Erwerb der zahlungsgestörten Forderungen keine Leistungen an die Verkäuferin erbracht, erklärte die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung 2005 nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung (UStG) für Leistungen anderer im Ausland ansässiger Unternehmer einen Betrag von … €.
Dagegen ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) davon aus, dass die Käuferin im Zusammenhang mit der Übertragung des Portfolios steuerbare und steuerpflichtige Leistungen gegen ein Entgelt von 6.699.237,00 € (Nettobetrag der Differenz zwischen gezahltem Kaufpreis und voraussichtlich realisierbarem Wert der Forderungen) erbracht habe und setzte im Bescheid vom 11. April 2007 für Leistungen nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 UStG einen um 1.071.861,92 € erhöhten Betrag (… €) an.
Einspruch und Klage mit dem Ziel der Minderung der Umsatzsteuer um 1.071.861,92 € hatten keinen Erfolg. Gegenstand des Klageverfahrens war nach mehreren Änderungen zuletzt der geänderte Bescheid vom 20. November 2009. Der streitige Sachverhalt blieb unberührt.
Das FG vertrat in dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 907 veröffentlichten Urteil unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 26. Juni 2003 C-305/01, MKG (Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688) die Auffassung, der Erwerber zahlungsgestörter Forderungen aus bereits gekündigten Kundenkreditverträgen (sog. non-performing loans, NPL) erbringe mit der Übernahme des Portfolios gegenüber dem inländischen Kreditinstitut eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung an den Verkäufer. Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer sei die Differenz zwischen vereinbartem Kaufpreis und dem wirtschaftlichen Restwert des Portfolios. Die Klägerin schulde die Umsatzsteuer für diese von der im Ausland ansässigen Käuferin an die Klägerin erbrachten Leistungen nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 UStG.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 27. Oktober 2011 C-93/10, GFKL (Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 2011, 933, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2011, 2093 zu Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG ‑‑Richtlinie 77/388/EWG‑‑) und das nachfolgende Senatsurteil vom 26. Januar 2012 V R 18/08 (BFH/NV 2012, 678 zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) ist sie der Auffassung, der Erwerber zahlungsgestörter Forderungen erbringe keine Factoring-Leistung an den Verkäufer. Denn er erbringe keine Leistung an die Verkäuferin aufgrund einer dauernden Geschäftsbeziehung, sondern aufgrund eines einmaligen Veräußerungsvorganges, bei dem der Forderungsverkäufer am weiteren wirtschaftlichen Schicksal der Forderungen nicht mehr interessiert sei. Unerheblich sei, dass die Vertragsparteien unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Auffassung der Finanzverwaltung eine "Differenz" (Abschlag) zwischen dem (abgezinsten) wirtschaftlichen Wert und dem Kaufpreis im Vertrag ausgewiesen hätten.
Zum Unterschied zwischen dem vereinbarten und dem gezahlten Kaufpreis trägt sie vor, dieser beruhe darauf, dass der Portfolio-Verkauf mit wirtschaftlicher Wirkung zum Cut-off-Date (31. Dezember 2004) vereinbart gewesen sei und es sich insoweit um Kaufpreisanpassungen handele. Die von der Käuferin an die Klägerin zu zahlenden Zinsen seien eine Vergütung für die spätere Vereinnahmung des auf den 31. Dezember 2004 ermittelten Kaufpreises und beträfen keine Leistung der Klägerin an die Käuferin. Bei den "Portfolio-Aufwendungen" handele es sich um Gerichts-, Anwalts- und Notarkosten, die ab dem 31. Dezember 2004 wirtschaftlich der Käuferin zuzurechnen und von ihr zu tragen seien. Selbst wenn man darin eine Leistung der Klägerin sehe, handele es sich um eine Nebenleistung zu dem nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfreien Forderungsverkauf. Sie seien durch das Grundgeschäft verursacht und damit eng verbunden und im Übrigen bei Forderungsverkäufen als ergänzende Vertragsregelung bei einem abweichenden Vollzugstag üblich und hätten keinen eigenen wirtschaftlichen Zweck.
Allerdings erklärte sie in der mündlichen Verhandlung, dass wegen einer noch erforderlichen Vorsteuerkorrektur um 16.556,72 € der Klageantrag entsprechend zu mindern sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 20. November 2009 um 1.055.265,20 € (1.071.861,92 € ./. 16.596,72 €) zu mindern und die Umsatzsteuer auf … € herabzusetzen.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.Das FA ist der Auffassung, die Forderungskäuferin habe an die Klägerin eine steuerbare Leistung in Form der Übernahme des Ausfallrisikos und der Wahrnehmung von Einziehungsmaßnahmen erbracht. Auch sei kein weiterer Abschlag vom Kaufpreis gerechtfertigt, weil bei zahlungsgestörten Forderungen die verzögerte Realisierbarkeit bereits im Kaufpreis einkalkuliert sei. Der EuGH habe im Urteil GFKL in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 ausdrücklich festgestellt, dass eine unter den Anwendungsbereich des Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG fallende wirtschaftliche Tätigkeit (nur dann) nicht vorliege, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert der Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen widerspiegele. Im Streitfall sei für ein Forderungsportfolio, welches einen gewissen wirtschaftlichen Nennwert und ein gewisses Ausfallrisiko aufweise, ein vertraglich genau bezifferter Betrag für den Einzug der Forderungen vereinbart gewesen. Dass die Gegenleistung (Einzugsleistung und Übernahme des Ausfallrisikos) nicht ausdrücklich genannt sei, sei unerheblich, denn eine andere Gegenleistung für diese Differenz sei nicht erkennbar. Die zwischen Übertragungsstichtag und Vollzugstag erfolgten Portfolio-Eingänge und die von der Klägerin vereinnahmten Sicherheitserlöse minderten nicht den Kaufpreis, vielmehr sei der tatsächlich zu zahlende Kaufpreis um diese Zahlungen im Wege der Verrechnung zu vermindern, da die von der Klägerin vereinnahmten Beträge der Käuferin bereits zugestanden hätten und diese daher einen Herausgabeanspruch gegen die Klägerin gehabt habe. Die Weiterbelastung der zwischen dem Übertragungsstichtag und Vollzugstag angefallenen Portfolio-Aufwendungen belege das Einvernehmen zwischen Klägerin und Käuferin, dass der wirtschaftliche Wert höher gewesen sei als der vereinbarte Kaufpreis; denn andernfalls hätte die Käuferin keinen Gewinn erzielen können. Die Weiterberechnung eines Betrages von 230.718,28 € für den Einzug von Forderungen belege, dass die Aufwendungen für den Forderungseinzug nicht nur marginal seien; Aufwendungen in der bezeichneten Höhe für Forderungen in Höhe von 4.556.279,42 € entsprächen rechnerisch bezogen auf das gesamte Portfolio 2.541.087,51 €.
Zumindest sei ein steuerpflichtiger Leistungsaustausch im Zwischenzeitraum zwischen Stichtag und Vertragsschluss anzunehmen. Der Differenzbetrag zwischen der vereinbarten Kaufsumme von 42.411.000 € und der tatsächlichen Zahlung in Höhe von 38.351.187,20 € sei Entgelt für eine Leistung der Forderungskäuferin an die Klägerin in Form der Entlastung der Käuferin vom Forderungseinzug im Zwischenzeitraum.
Richter am Bundesfinanzhof (RiBFH) Dr. A hat mitgeteilt, dass er am vorausgegangenen Verfahren wegen Umsatzsteuer 2005 sowie im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Umsatzsteuerbescheides für 2005 als Prozessbevollmächtigter der Klägerin aufgetreten sei. RiBFH Dr. B war als Richter beim FG über den Antrag der Klägerin auf AdV tätig.
Entscheidungsgründe
II.
A. Der Senat entscheidet in der geschäftsplanmäßigen Besetzung einschließlich des RiBFH Dr. B und anstelle des nach § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 41 Nr. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossenen RiBFH Dr. A mit dem nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesfinanzhofs (BFH) für dessen Vertretung zuständigen RiBFH Dr. C.
Nach § 51 Abs. 1 FGO gelten für die Ausschließung oder Ablehnung der Gerichtspersonen die §§ 41 bis 49 ZPO sinngemäß.
1. Nach § 41 Nr. 4 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist. Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf RiBFH Dr. A vor. An dessen Stelle tritt nach dem Geschäftsverteilungsplan für 2013 Teil A, V. Senat der zu dessen Vertretung berufene RiBFH Dr. C.
2. Nach § 41 Nr. 6 ZPO ausgeschlossen ist ein Richter in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt. Die Regelung betrifft nur die Mitwirkung beim Erlass der angefochtenen Entscheidung selbst in einer früheren (unteren) Instanz (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. Januar 2001 II R 49/00, BFH/NV 2001, 931, und vom 6. Februar 1996 X B 95/95, BFH/NV 1996, 752). Kein Fall des § 41 Nr. 6 ZPO liegt daher vor, wenn der Richter in der früheren Instanz in einem anderen Verfahren mitgewirkt hat, wie hier RiBFH Dr. B, an einem zurückweisenden Beschluss in dem im Übrigen lediglich summarischen Verfahren wegen AdV.
B. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung des Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Entgegen der Auffassung des FG erbringt ein Unternehmer, der aufgrund der Vorgaben des Schreibens des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 3. Juni 2004 IV B 7 -S 7104- 18/04, BStBl I 2004, 737 zahlungsgestörte Forderungen unter "Vereinbarung" eines vom Kaufpreis abweichenden "wirtschaftlichen Werts" erwirbt, an den Forderungsverkäufer keine entgeltliche Leistung. Soweit wegen Rückbeziehung der übertragenen Forderungen auf einen zurückliegenden Stichtag die Klägerin noch das Portfolio verwaltet hat, liegt darin lediglich eine Nebenleistung zum steuerfreien Forderungsverkauf ohne eigenständiges wirtschaftliches Gewicht. Gleichwohl führt die Revision zur Zurückverweisung, weil wegen der erforderlichen Vorsteuerkorrekturen Feststellungen des FG fehlen.
1. Das FA hat zu Unrecht Umsatzsteuer wegen einer Factoring-Leistung der Käuferin an die Verkäuferin nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 UStG festgesetzt. Nach dieser Vorschrift schuldet der Leistungsempfänger u.a. die Umsatzsteuer, wenn er ein Unternehmer ist und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers bezieht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt werden, oder mit Ausstellung der Rechnung.
a) Entgegen der Auffassung des FG hat die im Ausland ansässige Käuferin im Streitfall durch den entgeltlichen Erwerb der zahlungsgestörten Forderungen keine steuerbare Leistung an die Klägerin erbracht. Ein Unternehmer, der auf eigenes Risiko sog. zahlungsgestörte Forderungen (s. dazu BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737, IV Tz 12; Abschn. 18 Abs. 12 Sätze 5 ff. Umsatzsteuer-Richtlinien 2008; Abschn. 2.4. Abs. 7 und 8 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses ‑‑UStAE‑‑) zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, erbringt keine entgeltliche Leistung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt (vgl. EuGH-Urteil GFKL in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 Rdnr. 26; BFH-Urteile vom 26. Januar 2012 V R 18/08, BFHE 236, 250, DStR 2012, 513, und vom 15. Mai 2012 XI R 28/10, BFHE 237, 537). Vielmehr erbringt die Forderungsverkäuferin eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfreie Leistung an die Forderungskäuferin, nicht aber ‑‑umgekehrt‑‑ die Käuferin eine Factoring-Leistung an die Verkäuferin.
b) Entgegen der Auffassung des FA unterscheiden sich die vom EuGH und nachfolgend vom erkennenden Senat entschiedenen Sachverhalte in diesem Punkt nicht. Denn in beiden Fällen haben die Vertragsbeteiligten lediglich aufgrund der unterschiedlichen Beurteilung des Verkaufs zahlungsgestörter Forderungen und unter Berücksichtigung des BMF-Schreibens in BStBl I 2004, 737, das zur Umsetzung des EuGH-Urteils MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 und des Folgeurteils des BFH vom 4. September 2003 V R 34/99 (BFHE 203, 209, BStBl II 2004, 667) ergangen war, eine vertragliche Vereinbarung zum sog. wirtschaftlichen Nennwert der verkauften Forderungen getroffen und für beide Vertragspartner verbindlich die Kalkulation des Kaufpreises für die zahlungsgestörten Forderungen aufgeschlüsselt, dies ausgehend vom voraussichtlich realisierbaren Teil der Forderungen, der voraussichtlichen Zeitspanne bis zur Realisierung der Forderung von ca. fünf Jahren unter Berücksichtigung eines angenommenen Zinssatzes den abgezinsten wirtschaftlichen Wert beziffert und ‑‑ebenso wie in dem vom EuGH und BFH entschiedenen Fall‑‑ einen Abschlag (hier von 3 Mio. €) berücksichtigt. Zwar steht ‑‑worauf das FA zur Begründung seiner Auffassung hinweist‑‑ nach dem Leitsatz des EuGH-Urteils MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 das Fehlen einer entgeltlichen Leistung und einer wirtschaftlichen Tätigkeit unter dem Vorbehalt, dass "die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt". Aus dem vereinbarten Abschlag von insgesamt 7.771.000 € (4.771.000 € Zinsen wegen des voraussichtlich erst binnen fünf Jahren erzielbaren geschätzten Wert von 50.182.000 € und zusätzlich Abschlag von 3 Mio. €) lässt sich nicht ableiten, dass die Parteien einen Forderungskauf zu einem unter dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert liegenden Kaufpreis vereinbaren wollten. Denn die einvernehmliche vertragliche Bezifferung eines wirtschaftlichen Wertes und des vom FA als Entgelt beurteilten Abschlags war nur durch die Vorgaben der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737, und später Abschn. 2.4 Abs. 8 UStAE) veranlasst, wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss vom 10. Dezember 2009 V R 18/08 BFHE 227, 528, BStBl II 2010, 654, unter II.3.b bb (3) ausführlich dargelegt hat. Die gegenteilige Verwaltungsauffassung ist mit dem EuGH-Urteil GFKL in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 nicht vereinbar.
c) Da die Klägerin keine steuerbaren Leistungen von der im Ausland ansässigen Käuferin der zahlungsgestörten Forderungen bezogen hat, scheidet die Inanspruchnahme der Klägerin nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 UStG aus.
2. Entgegen der Auffassung des FA hat auch die Klägerin keine steuerpflichtigen Leistungen an die Käuferin deswegen erbracht, weil die Käuferin nicht den vereinbarten Kaufpreis von 42.441.000 €, sondern nur 38.351.187,20 € bezahlt hat. Denn dieser Unterschiedsbetrag ist kein Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin an die Käuferin.
a) Am Vollzugstag (nach § 1 Ziff. 1.1 des Vertrages vom 18. Februar 2005) hatte nach § 4 Ziff. 4.2.2 die Käuferin den Kaufpreis abzüglich des in der Anlage Geschätzte Portfolio-Eingänge ausgewiesenen Betrages, zuzüglich des in der Anlage Geschätzte Portfolio-Auszahlungen ausgewiesenen Betrages sowie Zinsen und zuzüglich des in der Anlage Geschätzte Portfolioaufwendungen ausgewiesenen Betrages zu bezahlen, abzüglich des zu verrechnenden Gesamtbetrages der nicht verrechneten Sicherheitserlöse. Nach § 3 Ziff. 3.2 des Kaufvertrages vom 18. Februar 2005 erfolgte der Verkauf "mit wirtschaftlicher Wirkung zum 31. Dezember 2004 (Cut-off-Date) und stehen Nutzungen (insbesondere Portfolio-Eingänge), Lasten und Risiken (insbesondere die Portfolio-Aufwendungen) der Portfolioforderungen und Portfoliosicherheiten bis zum Cut-off-Date der Verkäuferin zu, während sie je nach dem Cut-off-Date (ausschließlich) der Käuferin zustehen".
b) Offenbleiben kann, ob die Voraussetzungen für eine steuerbare Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt sind, soweit für die Zeit zwischen dem Cut-off-Date und dem am 18. Februar 2005 geschlossenen Forderungsverkauf Zinsen und Aufwendungsersatz für die Verwaltung und Einziehung der Forderungen (z.B. für Rechtsanwalts- und Notarkosten) vereinbart waren. Denn auch wenn dies zu bejahen wäre, handelt es sich insoweit jedenfalls um Teile einer als einheitlich zu beurteilenden Leistung, die als Forderungsverkauf nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei ist.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH ist bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 19. Juli 2012 C-44/11, Deutsche Bank, BStBl II 2012, 945 Rdnrn. 18 ff.; BFH-Urteil vom 15. September 2011 V R 36/09, BFHE 235, 507, BStBl II 2012, 365). Zum einen liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (z.B. EuGH-Urteil Deutsche Bank AG in BStBl II 2012, 945 Rdnr. 21).
bb) Zwar rechtfertigt ‑‑entgegen der Auffassung der Klägerin‑‑ der Umstand, dass eine Leistung erst durch eine andere Leistung ‑‑hier durch den Forderungsverkauf‑‑ veranlasst ist, nicht schon die Beurteilung als Nebenleistung. Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ist jedoch die aufgrund der schuldrechtlich zulässigen wirtschaftlichen Rückbeziehung der Forderungsübertragung zu berücksichtigen, dass eine Anpassung der Gegenleistung bezogen auf den zu dem vereinbarten Cut-off-Date vereinbarten Kaufpreis und dem Zeitpunkt des Vollzugs des Kaufvertrages erforderlich war. Insoweit ist hinsichtlich der Zinsen das EuGH–Urteil vom 27. Oktober 1993 C-281/91, Muys'en De Winter's Bouw en Aannemingsbedrijf BV, (Slg. 1993, I-5405 Rdnr. 18), vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 237, 537 zu beachten, wonach, wenn ein Lieferer oder Erbringer von Dienstleistungen einem Kunden bis zur Erbringung der Leistung einen Zahlungsaufschub gegen Zahlung von Zinsen einräumt, diese Zinsen kein Entgelt für einen Kredit, sondern ein Bestandteil der für die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung empfangenen Gegenleistung i.S. von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG ist. Vergleichbares gilt für die Aufwendungen, die zwischen dem vereinbarten Stichtag für die Ermittlung des Werts des übertragenen Portfolios und dem Tag der Abtretung der Forderungen erforderlich waren.
cc) Die vereinbarten Zu- und Abschläge vom Kaufpreis in Bezug auf Portfolio-Eingänge, Auszahlungen und nicht verrechnete Sicherheitserlöse im Zeitraum zwischen Cut-off-Date und Vollzugszeitpunkt stellen schon deshalb keine Leistungen der Klägerin an die Käuferin dar, weil sie Veränderungen im Forderungsbestand gegenüber dem zum 31. Dezember 2004 angenommenen Bestand betreffen, die bei der Ermittlung des Kaufpreises am 18. Februar 2005 nicht berücksichtigt werden konnten.
dd) Da die Klägerin weder Umsatzsteuer für Leistungen der im Ausland ansässigen Käuferin nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 UStG i.V.m. Abs. 2 UStG noch Umsatzsteuer für bisher nicht berücksichtigte steuerpflichtige Leistungen an die Käuferin schuldet, führt die Revision zur Aufhebung des FG-Urteils. Die Sache ist nicht spruchreif. Da noch Feststellungen zur erforderlichen Vorsteuerkorrektur, die die Klägerin erst in der mündlichen Verhandlung mit 16.596,72 € angegeben hat, fehlen, geht die Sache zur Nachholung der fehlenden Feststellungen an das FG zurück.