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Urteil vom 21. März 2013, VI R 5/12

Gleichartiger Bezug i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG

BFH VI. Senat

EStG § 19 Abs 2 S 2 Nr 1 Buchst a, EStG VZ 2009

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 25. Juli 2011, Az: 8 K 81/11

Leitsätze

1. Gleichartig i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG ist ein Bezug, der nach seinem Zuwendungsgrund mit einem Ruhegehalt, Witwen- und Waisengeld oder Unterhaltsbeitrag vergleichbar ist. Maßstab ist die öffentlich-rechtliche Einordnung durch das insoweit vorgreifliche Dienstrecht.

2. Ein dem Ruhegehalt gleichartiger Bezug setzt voraus, dass er einem Versorgungszweck dient, dem Bezug also die Funktion eines (vorgezogenen) Ruhegehalts zukommt.

3. Einkünfte, die in der Freistellungsphase im Rahmen der Altersteilzeit nach dem sog. Blockmodell erzielt werden, sind regelmäßig keine Versorgungsbezüge.

Tatbestand

  1. I. Streitig ist, ob im Rahmen der Altersteilzeit geleistete Zahlungen steuerbegünstigte Versorgungsbezüge sind.

  2. Der im Jahr 1948 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr (2009) als Beamter nichtselbständig tätig. Die zuständige Behörde hatte ihm schon 2002 für den Zeitraum vom 1. August 2004 bis zum 30. November 2013 Altersteilzeit nach dem Blockmodell gemäß § 80b des Niedersächsischen Beamtengesetzes in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (NBG) durch Bescheid bewilligt. Der Kläger verrichtete danach bis zum 31. März 2009 den Dienst mit der regelmäßigen Arbeitszeit; seine Freistellungsphase begann am 1. April 2009. Ab diesem Zeitpunkt war der Kläger bis zum Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des 30. November 2013 von der Dienstleistung vollständig freigestellt.

  3. Der Kläger gab mit der Einkommensteuererklärung einen Bruttoarbeitslohn von 30.301 € an. Den auf den Zeitraum vom 1. April bis 31. Dezember 2009 entfallenden Teil der Bezüge (25.190 €) erklärte er als Versorgungsbezüge.

  4. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) qualifizierte die Einnahmen im hier streitigen Einkommensteuerbescheid allerdings nicht als Versorgungsbezüge und gewährte dementsprechend keinen Versorgungsfreibetrag.

  5. Die dagegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.

  6. Mit der dagegen vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

  7. Er habe zwar im Streitjahr kein Ruhegehalt i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) bezogen, allerdings habe er einen Versorgungsbezug nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG in Gestalt eines gleichartigen Bezugs aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften erlangt.

  8. Der Kläger beantragt,
    das Urteil des Niedersächsischen FG vom 26. Juli 2011 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 22. November 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. März 2011 dahingehend zu ändern, dass der Versorgungsfreibetrag in Höhe von 1.890 € und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag in Höhe von 567 € berücksichtigt werden.

  9. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom Kläger bezogenen Einkünfte keine Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 1 EStG darstellen und deshalb nicht im Umfang des Versorgungsfreibetrags sowie des Zuschlags dazu steuerfrei sind.

  2. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 EStG bleiben von den Versorgungsbezügen ein nach einem Prozentsatz ermittelter, auf einen Höchstbetrag begrenzter Betrag (Versorgungsfreibetrag) und ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei. Versorgungsbezüge sind nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG das Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, der Unterhaltsbeitrag oder ein gleichartiger Bezug aufgrund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften.

  3. a) Die vom Kläger bezogenen und hier in ihrer Qualifikation streitigen Zahlungen waren ---das wird von den Beteiligten insoweit auch nicht bezweifelt‑‑ ersichtlich weder Ruhegehalt noch Witwen- oder Waisengeld und auch kein Unterhaltsbeitrag. Zutreffend hat das FG aber weiter entschieden, dass die während der Freistellungsphase an den Kläger gezahlten Bezüge auch keinen dem Ruhegehalt gleichartigen Bezug i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellen.

  4. aa) Ein gleichartiger Bezug i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG ist ein Bezug, der nach seinem Zuwendungsgrund mit einem Ruhegehalt, Witwen- und Waisengeld oder Unterhaltsbeitrag vergleichbar ist. Der Tatbestand des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG folgt der öffentlich-rechtlichen Einordnung der Zuwendung durch das insoweit vorgreifliche Dienstrecht. Ein dem Ruhegehalt gleichartiger Bezug erfordert deshalb, dass dieser Bezug ‑‑wie das Ruhegehalt‑‑ ebenfalls einem Versorgungszweck dient, ihm also die Funktion eines (vorgezogenen) Ruhegehalts zukommt (Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 1. März 1974 VI R 47/71, BFHE 111, 516, BStBl II 1974, 490; vom 12. Februar 2009 VI R 50/07, BFHE 224, 310, BStBl II 2009, 460; Breinersdorfer in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 19 Rz C 27, C 30).

  5. bb) Die während der Altersteilzeit im Wege des Blockmodells in der Freistellungsphase gezahlten Bezüge des Klägers haben diese Funktion nicht. Die Bezüge dienen keinem Versorgungszweck. In der Altersteilzeit erbrachte Bezüge sind vielmehr Entlohnung für die aktive Tätigkeit des Teilzeitbeschäftigten, also laufende Dienstbezüge; danach sind sie letztlich auch bemessen. Diese Funktion der Altersteilzeitbezüge wird offenbar, wenn die Altersteilzeit statt durch Blockmodell durch Teilzeitbeschäftigung nach § 80b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 80b Abs. 1 Satz 1 NBG praktiziert wird, der in Altersteilzeit tätige Beamte also bei den nämlichen Dienstbezügen während der gesamten Altersteilzeitphase durchgängig die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erbringt. Nichts anderes gilt für die Bezüge, wenn die Altersteilzeit im Blockmodell statt im Teilzeitmodell durchgeführt wird. Die in der Altersteilzeit erbrachten Bezüge sind laufende Dienstbezüge, unabhängig davon, ob die Altersteilzeit in Form des Blockmodells oder in Form des Teilzeitmodells durchgeführt wird. Deshalb ist dem FG auch darin zu folgen, dass sich die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der vom Dienstherrn im Blockmodell erbrachten Bezüge auch nicht durch den Übergang von der Dienst– in die Freistellungsphase ändert.

  6. Leistung und Gegenleistung im Rahmen der Altersteilzeit betreffen in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht lediglich die Frage, in welchen Zeiträumen die Dienstleistung durch den Beamten einerseits und die Dienstbezüge andererseits erbracht werden, regeln also Fälligkeit und Zuflusszeitpunkt, nicht aber die grundlegende Qualifikation der beiderseitig geschuldeten Leistungen. Wenn der Kläger also seine Dienste entsprechend dem Blockmodell der Altersteilzeit nach § 80b Abs. 2 Satz 1 NBG in der Weise erbrachte, dass er sie in der ersten Hälfte der Altersteilzeit vollständig vorab leistete und anschließend vom Dienst freigestellt war, waren gleichermaßen die in der Dienstleistungsphase wie in der Freistellungsphase erhaltenen Dienstbezüge keine Versorgungsbezüge.

  7. b) Entgegen der Auffassung des Klägers gelten vom Dienstherrn gezahlte Bezüge nicht stets schon dann als ruhegehaltsgleichartig, wenn der Beamte keine Dienstverpflichtung mehr hat und vollständig und unwiderruflich von der Dienstleistung freigestellt wird. Deshalb hat der Senat gleichartige Bezüge etwa bei Übergangsgebührnissen eines Zeitsoldaten verneint (BFH-Urteil in BFHE 111, 516, BStBl II 1974, 490), sie dagegen bei Dienstbezügen, die emeritierten Professoren wegen Erreichens der Altersgrenze geleistet wurden, bejaht; Letztere waren als dem Ruhegehalt gleichartige Bezüge anzusehen (BFH-Urteil vom 19. Juni 1974 VI R 37/70, BFHE 113, 281, BStBl II 1975, 23). Entscheidend ist nicht die Entbindung von den amtlichen Verpflichtungen an sich, sondern der Rechtsgrund der Entbindung, beim Ruhegehalt eine Entbindung wegen Erreichens der Altersgrenze. Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus dem Urteil des erkennenden Senats in BFHE 224, 310, BStBl II 2009, 460. Der Senat hatte dort zwar für den Sonderfall der "58er-Regelung" entscheidend darauf abgestellt, dass die davon begünstigten Beamten auf Dauer von ihren Verpflichtungen entbunden, also zur Erbringung von Dienstleistungen nicht mehr verpflichtet gewesen seien und das wesentliche Merkmal der Bezüge i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG fehle, nämlich Gegenleistung für im gleichen Zeitraum geschuldete und erbrachte Dienstleistungen zu sein. Die Gleichartigkeit der Bezüge ergab sich aber auch im dort entschiedenen Fall erst daraus, dass auch ansonsten die Unterschiede zum beamtenrechtlichen Ruhegehalt nach Einschätzung des Senats nicht so entscheidend waren, dass ein dem Ruhegehalt gleichartiger Bezug verneint werden konnte; denn auch dort war maßgeblich, dass die Bezüge die Funktion eines vorgezogenen Ruhegehalts hatten.

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