BFH II. Senat
ErbStG § 7 Abs 1 Nr 1, BewG § 9
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 24. Mai 2011, Az: 7 K 1475/09
Leitsätze
Verzichtet ein Gesellschafter einer GmbH auf ein ihm persönlich zustehendes Mehrstimmrecht, liegt darin auch dann keine freigebige Zuwendung an die anderen Gesellschafter der GmbH, wenn sich der Wert von deren Anteilen an der GmbH dadurch erhöht .
Tatbestand
I.
Der Vater (V) der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) gründete im Jahr 1984 zusammen mit einem Dritten (D) eine GmbH und beteiligte sich mit 97 % an deren Stammkapital. Im März 1993 wurde das Stammkapital bei unverändertem Beteiligungsverhältnis auf 5.000.000 DM erhöht. Zugleich wurde der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert, dass die von V gehaltenen Geschäftsanteile unabhängig von ihrem Nennbetrag so viele Stimmen gewähren, dass die ihm zu Gebote stehenden Stimmen mindestens 51 %, die den anderen Gesellschaftern insgesamt zu Gebote stehenden Stimmen höchstens 49 % der Gesamtstimmenzahl ausmachen. Diese Regelung sollte solange gelten, wie V Gesellschafter der Gesellschaft ist.
Im Januar 1994 übertrug V den Klägern unentgeltlich jeweils 24 % der Geschäftsanteile an der GmbH im Nominalwert von je 1.200.000 DM. Da die Anteile keinen Einfluss auf die Geschäftsführung vermittelten, wurde bei der Festsetzung der Schenkungsteuer der nach R 97 bis 100 der Erbschaftsteuer-Richtlinien in der damals geltenden Fassung (ErbStR) ermittelte gemeine Wert der Anteile gemäß R 101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 8 ErbStR um einen Abschlag von 10 % gekürzt.
Im Oktober 2000 erwarben die Kläger von den Erben des D je ein Prozent der Geschäftsanteile der GmbH hinzu, so dass sie nunmehr ebenso wie V jeweils zu 25 % an deren Stammkapital beteiligt waren.
Im Dezember 2000 wurde das Stammkapital der GmbH auf 2.600.000 € erhöht. Zugleich wurden durch eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrags die Gesellschafter hinsichtlich des Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung gleichgestellt. Das Mehrstimmrecht des V entfiel. Dadurch sollten die Voraussetzungen einer bestehenden Betriebsaufspaltung zwischen der GmbH und der Besitz-KG aufrechterhalten werden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) sah in dem Verzicht des V auf das Mehrstimmrecht eine freigebige Zuwendung des V an die Kläger. Der Wert der Anteile der Kläger am Stammkapital der GmbH habe sich dadurch erhöht, dass kein Abschlag wegen fehlenden Einflusses auf die Geschäftsführung mehr vorzunehmen sei. Die sich daraus ergebende Werterhöhung betrage jeweils 43 % vom Nominalwert der einzelnen Anteile von 650.000 €, also 279.500 €. Das FA setzte demgemäß gegen die Kläger Schenkungsteuer fest. Die Einsprüche blieben erfolglos.
Das FA erließ während des Klageverfahrens am 18. Juni 2009 geänderte Schenkungsteuerbescheide, mit denen es die Werterhöhung jeweils mit 43 % vom gegenwärtigen Nominalwert der von V im Januar 1994 auf die Kläger übertragenen Anteile von 624.000 €, also mit 268.320 € ansetzte. Die Erhöhung des Werts der Anteile am Stammkapital der GmbH, die die Kläger von den Erben des D erworben hatten, bezog das FA nicht mehr in die Bemessungsgrundlage der Steuer ein.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 2178 veröffentlichte Urteil mit der Begründung statt, es lägen keine freigebigen Zuwendungen des V an die Kläger vor. Es fehle an der erforderlichen substantiellen Vermögensübertragung zwischen V und den Klägern. Das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der GmbH sei ein aus der Mitgliedschaft in der GmbH folgendes und hiervon nicht abspaltbares Verwaltungsrecht und kein Vermögensrecht. Die aufgrund des Verzichts des V auf das Mehrstimmrecht eingetretene Erhöhung des Werts der Anteile der Kläger an der GmbH begründe keine freigebige Zuwendung.
Mit der Revision wendet sich das FA gegen diese Ansicht. In dem Verzicht des V auf das Mehrstimmrecht liege eine substantielle Vermögensverschiebung von V auf die Kläger. Der Verzicht könne schenkungsteuerrechtlich nicht anders als der Verzicht auf eine Darlehensforderung oder einen bei einer Schenkung vorbehaltenen Nießbrauch gewertet werden. Der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert sei, müsse sich nicht vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben. Der Schenker brauche daher keinen eigenständig bewertbaren Vermögensgegenstand im Sinne eines selbständigen Wirtschaftsguts zu übertragen. Es genüge vielmehr, wenn der Beschenkte als Folge der Schenkungshandlung um die Erhöhung des Werts seiner Beteiligung an einer GmbH bereichert werde. Der bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für die im Jahr 1994 erfolgte Übertragung der Anteile an der GmbH auf die Kläger wegen des fehlenden Einflusses auf die Geschäftsführung der GmbH vorgenommene Abschlag vom gemeinen Wert der Anteile müsse aufgrund des Wegfalls des Mehrstimmrechts des V im Jahr 2000 schenkungsteuerrechtlich ausgeglichen werden. Sähe man dies anders, könnte bei der freigebigen Zuwendung von Anteilen an Kapitalgesellschaften die Bemessungsgrundlage der Schenkungsteuer allein dadurch um 10 % gemindert werden, dass die Anteile, die bei Anwendung der gesetzlichen Regelung der Stimmrechte einen Einfluss auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft vermittelten, zunächst unter Vorbehalt eines Mehrstimmrechts des Schenkers übertragen würden und dieser am nächsten Tag darauf verzichte.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens berechnete das FA die gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) für die Vorerwerbe abzuziehenden Steuerbeträge unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ (Urteile vom 2. März 2005 II R 43/03, BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728; vom 31. Mai 2006 II R 20/05, BFH/NV 2006, 2260, und vom 18. Mai 2011 II R 10/10, BFH/NV 2011, 2063, Rz 26) neu und setzte demgemäß die Schenkungsteuer durch Änderungsbescheide vom 13. Dezember 2012 gegenüber der Klägerin zu 1. und dem Kläger zu 3. auf jeweils 22.081,16 € und gegenüber der Klägerin zu 2. auf 23.781,21 € herab.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist aus verfahrensrechtlichen Gründen begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens die Verfahrensgegenstände, über deren Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert haben (§ 127 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). An die Stelle der Schenkungsteuerbescheide vom 18. Juni 2009, über die das FG entschieden hat, sind während des Revisionsverfahrens die Änderungsbescheide vom 13. Dezember 2012 getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (BFH-Urteile vom 2. März 2011 II R 5/09, BFH/NV 2011, 1147, Rz 23, und vom 28. Juni 2012 III R 86/09, BFHE 238, 68, Rz 8, je m.w.N.).
Dies ändert aber nichts daran, dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Grundlage für die Entscheidung des BFH bilden; da das finanzgerichtliche Verfahren nicht an einem Verfahrensmangel leidet, fallen die Feststellungen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nämlich nicht weg (BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1147, Rz 23, und in BFHE 238, 68, Rz 9, je m.w.N.).
III.
Die Sache ist spruchreif. Die Klagen sind begründet. Die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide und die Einspruchsentscheidungen sind rechtswidrig und aufzuheben. Freigebige Zuwendungen des V an die Kläger liegen entgegen der Ansicht des FA nicht vor.
1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑).
a) Erforderlich hierfür ist eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Bedachten (BFH-Urteile vom 7. November 2007 II R 28/06, BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258; vom 9. Juli 2009 II R 47/07, BFHE 226, 399, BStBl II 2010, 74; vom 28. Oktober 2009 II R 32/08, BFH/NV 2010, 893, Rz 11; vom 9. Dezember 2009 II R 28/08, BFHE 228, 169, BStBl II 2010, 566, Rz 9; vom 27. Oktober 2010 II R 37/09, BFHE 231, 223, BStBl II 2011, 134, Rz 17, und vom 15. Dezember 2010 II R 41/08, BFHE 232, 210, BStBl II 2011, 363, Rz 9). In subjektiver Hinsicht erfordert der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit (BFH-Urteile in BFHE 231, 223, BStBl II 2011, 134, Rz 17, und in BFHE 232, 210, BStBl II 2011, 363, Rz 9).
b) Die Vermögensverschiebung zwischen dem Schenker und dem Bedachten muss sich auf die Vermögenssubstanz (einschließlich der Überlassung eines Vermögensgegenstands zum Gebrauch oder zur Nutzung; vgl. dazu Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rz 28 bis 34, 61) beziehen. Die Vermehrung der Vermögenssubstanz des Bedachten kann dabei nicht nur durch den Zugang aktiver Vermögensgegenstände, sondern auch durch den Wegfall negativer Vermögensgegenstände (insbesondere Schulden und andere geldwerte Verpflichtungen) und durch das Erhalten von Gebrauchs- oder anderen Nutzungsmöglichkeiten geschehen (Gebel, a.a.O., § 7 Rz 43 ff., 57, 71 f., 187, 199, 414; Weinmann in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz 14 bis 18a).
c) Eine bloße Verminderung des Werts des Vermögens des "Schenkers" genügt demgegenüber nicht (Gebel, a.a.O., § 7 Rz 22, 28). Erhöht sich lediglich der Wert des Vermögens des "Bedachten" wie etwa der Wert ihm gehörender Anteile an einer Kapitalgesellschaft, so reicht dies ebenfalls nicht zur Verwirklichung des Tatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aus (BFH-Urteile vom 25. Oktober 1995 II R 67/93, BFHE 179, 157, BStBl II 1996, 160; vom 19. Juni 1996 II R 83/92, BFHE 181, 88, BStBl II 1996, 616, und in BFHE 228, 169, BStBl II 2010, 566, Rz 10; Gebel, a.a.O., § 7 Rz 43, 57, 187, 199, 414; Fischer, in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 4. Aufl., § 7 Rz 73; Viskorf, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 1998, 150; a.A. Weinmann, a.a.O., § 7 Rz 178; Hucke, Betriebs-Berater 2001, 1932; Gottschalk, DStR 2002, 377, 385 ff.; Hübner, DStR 2008, 1357; Birnbaum, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2009, 125; Schulte/Petschulat, Disquotale Einlagen und verdeckte Gewinnausschüttungen im Schenkungsteuerrecht, Institut Finanzen und Steuern e.V., Schrift Nr. 484, 2013, S. 37).
Der Gesetzgeber geht nunmehr ebenfalls davon aus, dass die bloße Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nicht unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG fällt. Er hat daher in dem durch das Gesetz vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592) eingefügten § 7 Abs. 8 ErbStG die Voraussetzungen, unter denen die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft als Schenkung gilt, gesondert geregelt. Von dieser Vorschrift erfasst werden zum einen die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt (Satz 1), sowie bestimmte Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften (Satz 2). Die Vorschrift findet nach § 37 Abs. 7 Satz 1 ErbStG auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 13. Dezember 2011 entsteht.
d) Aus der Rechtsprechung des BFH zur mittelbaren Schenkung ergibt sich entgegen der Ansicht des FA nichts anderes.
Nach dieser Rechtsprechung (z.B. BFH-Urteile vom 22. Juni 2010 II R 40/08, BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843, und vom 28. März 2012 II R 39/10, BFHE 238, 208, BStBl II 2012, 712, Rz 25, je m.w.N.) ist es nicht erforderlich, dass der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden hat und wesensgleich übergeht. "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein. Danach kann in der Hingabe von Vermögensgegenständen mittelbar die Schenkung eines anderen Vermögensgegenstandes gesehen werden. Dies setzt voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm unmittelbar Zugewendete, sondern (erst) über das Surrogat desselben, z.B. über den Verkaufserlös, verfügen kann; denn in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um das unmittelbar Hingegebene, sondern erst um den Verkaufserlös bereichert. Dies gilt nicht nur für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung, sondern generell bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekte in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte.
Eine mittelbare Schenkung setzt somit ebenso wie eine unmittelbare Schenkung voraus, dass der Schenker einen ihm gehörenden Vermögensgegenstand hingibt. So hatte die Schenkerin in dem Fall, der dem vom FA angeführten BFH-Urteil vom 13. März 1996 II R 51/95 (BFHE 180, 174, BStBl II 1996, 548) zu Grunde lag, der Bedachten einen Geldbetrag zur Errichtung eines Anbaus auf einem Grundstück überlassen.
e) Dem vom FA ebenfalls zitierten BFH-Urteil vom 6. März 2002 II R 85/99 (BFH/NV 2002, 1030) lässt sich nichts anderes entnehmen. Diese Entscheidung betraf die Werterhöhung eines Kommanditanteils und nicht die Erhöhung des Werts einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Der BFH hat in der Entscheidung ausdrücklich auf die schenkungsteuerrechtlich erheblichen zivilrechtlichen Unterschiede zwischen Kapital- und Personengesellschaften hingewiesen. Zuführungen in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft wirken sich im gesamthänderischen Vermögen der Gesellschafter, in ihrem Gesellschaftsanteil aus, da anders als bei Kapitalgesellschaften bei einer Personengesellschaft das (Gesamthands-)Vermögen den Gesamthändern (Gesellschaftern) und nicht der Gesellschaft zusteht.
2. Der Verzicht des V auf das Mehrstimmrecht erfüllt nicht die Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung. Es fehlt an der erforderlichen substantiellen Vermögensverschiebung zwischen V und den Klägern.
a) Die Substanz des Vermögens des V hat sich durch den Wegfall des Mehrstimmrechts nicht vermindert. Das Mehrstimmrecht war kein Vermögensgegenstand, sondern lediglich eine an die Person des V gebundene, unselbständige Ausgestaltung seines Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung der GmbH ohne konkreten Bezug auf das Vermögen des V. Dadurch unterscheidet sich das Mehrstimmrecht von selbständigen Rechtspositionen wie etwa Geldforderungen oder Nießbrauchsrechten (§§ 1030 ff. BGB), die Ansprüche auf die Zahlung von Geld oder auf bestimmte, in Geld bewertbare Leistungen begründen und die abgetreten werden können (§ 398 BGB) oder deren Ausübung einem anderen überlassen werden kann (§ 1059 Satz 2 BGB). Wird eine Geldforderung erlassen (§ 397 Abs. 1 BGB) oder auf einen Nießbrauch verzichtet (§§ 875, 1064 ggf. i.V.m. § 1068 Abs. 2 BGB), so wirkt sich dies unmittelbar auf das Vermögen des Gläubigers und des Schuldners oder des Nießbrauchers und des Nießbrauchsverpflichteten aus; denn sowohl die Berechtigung als auch die dieser gegenüberstehende Verpflichtung oder Belastung erlöschen. Betroffen ist somit in solchen Fällen die Vermögenssubstanz.
b) Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist auch deshalb nicht erfüllt, weil es an der erforderlichen substantiellen Mehrung des Vermögens der Kläger fehlt. Das Gewicht ihrer Stimmen in der Gesellschafterversammlung hat sich zwar durch den Wegfall des Mehrstimmrechts des V erhöht. Selbständige Vermögensgegenstände haben sie dadurch aber nicht erhalten. Dass die Anteile der Kläger an der GmbH seit dem Wegfall des Mehrstimmrechts des V einen Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH vermitteln und deshalb der Bewertungsabschlag nach R 101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 8 ErbStR nicht mehr zu berücksichtigen ist, genügt als bloße Werterhöhung nicht den Anforderungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die Quote, mit der die Kläger an der GmbH beteiligt sind, hat sich durch den Verzicht des V auf das Mehrstimmrecht nicht verändert. Das ist entscheidend.
3. Selbst wenn man annähme, dass auch bloße Änderungen des Werts des Vermögens des "Schenkers" und des "Bedachten" zur Verwirklichung des Tatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ausreichen können, bliebe das Ergebnis im Streitfall unberührt. Der Verkehrswert oder gemeine Wert des Vermögens des V hat sich nämlich durch den Verzicht auf das Mehrstimmrecht nicht vermindert.
a) Der Verkehrswert entspricht dem gemeinen Wert i.S. des § 9 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) und wird somit gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG durch den bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis bestimmt (BFH-Urteil vom 24. November 2005 II R 11/04, BFH/NV 2006, 744). Bei der Ermittlung des Verkehrswerts haben ebenso wie gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG bei der Bestimmung des gemeinen Werts ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse unberücksichtigt zu bleiben (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2007 II R 22/06, BFH/NV 2008, 962).
Ungewöhnliche oder persönliche Umstände sind solche, mit denen der Verkehr bei der Abschätzung des Werts eines Wirtschaftsguts nicht zu rechnen pflegt. Persönliche Umstände weisen darüber hinaus die Besonderheit auf, dass sie in der Person des Käufers oder Verkäufers liegen (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 962).
b) Das dem V früher zustehende Mehrstimmrecht erhöhte nach diesen Grundsätzen den Wert seiner Beteiligung an der GmbH nicht. Es handelte sich dabei um einen persönlichen Umstand, der bei der Bewertung seiner Beteiligung nicht berücksichtigt werden konnte. Hätte V die Beteiligung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr veräußert, hätte sich das Mehrstimmrecht bei der Preisbildung nicht ausgewirkt. Es war in der Person des V begründet; denn es stand nach den im Gesellschaftsvertrag getroffenen Regelungen nur ihm persönlich zu und hätte nicht mit seiner Beteiligung an der GmbH auf einen Erwerber übertragen werden können. Bei einem Ausscheiden des V aus der GmbH wäre es vielmehr erloschen.
4. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Schenkungsteuerbescheide kann entgegen der Ansicht des FA auch nicht damit begründet werden, dass die im Januar 1994 vorgenommene Übertragung der Anteile an der GmbH auf die Kläger erst mit dem Wegfall des Mehrstimmrechts des V abgeschlossen worden sei und die wegen des fehlenden Einflusses der Anteile auf die Geschäftsführung der GmbH seinerzeit niedrigere Besteuerung nunmehr nachgeholt werden müsse.
Die freigebige Zuwendung der Anteile verwirklichte im Jahr 1994 den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; denn sie wurde mit der Übertragung der Anteile i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt. Davon ist auch das FA ausgegangen und hat deshalb für die seinerzeitigen freigebigen Zuwendungen Schenkungsteuer festgesetzt. Ob der Wegfall des Mehrstimmrechts nunmehr erneut den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG verwirklicht hat, ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen und zu verneinen.
Wie Fälle zu beurteilen sind, bei denen der Verzicht auf ein Mehrstimmrecht bereits kurze Zeit nach der Übertragung von Gesellschaftsanteilen erfolgt, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. V hat nämlich erst mehr als sechs Jahre nach der Übertragung der Anteile an der GmbH auf die Kläger auf das Mehrstimmrecht verzichtet.