BFH VIII. Senat
GG Art 3, EStG § 4, EStG § 16, EStG § 18, EStG § 24, EStG § 34, UmwStG § 24, AO § 175 Abs 1 S 1 Nr 2, FGO § 11 Abs 2, FGO § 11 Abs 3
vorgehend FG Münster, 22. Juni 2009, Az: 1 K 4263/06 F
Leitsätze
1. Honorarforderungen eines Steuerberaters können als unwesentliche Betriebsgrundlagen bei einer Einbringung nach § 24 UmwStG zurückbehalten werden .
2. Entnimmt der Steuerpflichtige die zurückbehaltenen Forderungen nicht ausdrücklich in sein Privatvermögen, verbleiben sie in seinem Restbetriebsvermögen .
3. Die zur Ermittlung des Einbringungsgewinns erforderliche Übergangsgewinnermittlung erstreckt sich nur auf tatsächlich eingebrachte Wirtschaftsgüter .
4. Ermittelte der Steuerpflichtige vor der Einbringung seiner Praxis den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, so sind die zurückbehaltenen Forderungen als nachträgliche Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG im Zuflusszeitpunkt zu erfassen .
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die bei der Einbringung einer freiberuflichen Einzelpraxis in eine Sozietät zurückbehaltenen Honorarforderungen bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfolgswirksam schon im Zeitpunkt der Einbringung oder erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses zu erfassen sind.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Steuerberater. Er führte zunächst eine Einzelpraxis, deren Gewinn er nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte.
Im Jahr 1996 vereinbarte er mit weiteren Steuerberatern die Gründung einer Sozietät in Form einer GbR. Der Kläger verpflichtete sich zum 2. Januar 1997 seine bisherige Praxis unter Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven in die Sozietät einzubringen. Forderungen und Verbindlichkeiten, die bis zum 2. Januar 1997 entstanden waren, waren nach dem Sozietätsvertrag von der Einbringungsverpflichtung des Klägers ausgenommen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) schätzte den Gewinn des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit im Streitjahr 1997 auf 300.000 DM. Der entsprechende Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns 1997 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Nach einer Außenprüfung bei dem Kläger kam der Außenprüfer zu dem Ergebnis, dass der Gewinn des Klägers für 1997 3.663.650 DM inklusive eines Veräußerungsgewinns in Höhe von 1.373.398 DM betrage. In dem Gesamtbetrag hatte der Außenprüfer Zahlungseingänge auf die vor dem 2. Januar 1997 bestehenden Forderungen des Klägers in den Jahren 1997 bis 1999 ebenso gewinnerhöhend berücksichtigt wie die am 31. Dezember 1999 noch ausstehenden Forderungsbeträge.
Das FA übernahm den von der Außenprüfung ermittelten Gewinn und änderte den Feststellungsbescheid des Klägers für 1997 entsprechend gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Der vom Kläger gegen diesen Änderungsbescheid eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückgewiesen.
Die dagegen gerichtete Klage war teilweise erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) änderte den Gewinn des Klägers für 1997 aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1915 veröffentlichten Gründen auf 2.679.905 DM.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Nach Auffassung des FA kommt es im Fall der Einbringung für die Ermittlung des Überleitungsgewinns nicht darauf an, ob der Einbringende seine Forderungen miteinzubringen hat, diese im Restbetriebsvermögen belässt oder sie ins Privatvermögen übernimmt. Der Gewinn aus diesen Forderungen realisiere sich in allen Fallgestaltungen spätestens im Zeitpunkt der Einbringung. Alle bisherigen betrieblichen Vermögenswerte seien in der Übergangsbilanz zu erfassen. Anderenfalls könne hierdurch die Entstehung eines Übergangsgewinns vermieden werden. Ließe man die Erfassung der Forderungseingänge zeitlich unbegrenzt zu, verstoße dies gegen den Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG Münster vom 23. Juni 2009 1 K 4263/06 F aufzuheben und die Klage abzuweisen.Der Kläger beantragt,
die Revision des FA zurückzuweisen.Mit Beschluss vom 26. Juni 2012 VIII R 41/09 (BFH/NV 2012, 1648) hat der Senat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Das BMF ist dem Verfahren beigetreten und hat schriftlich sowie in der mündlichen Verhandlung zu den aufgeworfenen Fragen Stellung genommen. Es unterstützt und vertieft die Auffassung des FA.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Zu Recht hat das FG die vom Kläger zurückbehaltenen Forderungen nur insoweit gewinnerhöhend erfasst, als er diese im Streitjahr tatsächlich eingezogen hat.
Der Kläger war nicht verpflichtet, seine zurückbehaltenen Honorarforderungen im Zuge der Einbringung seiner Einzelpraxis in die Sozietät als Ertrag in seiner Gewinnermittlung zu erfassen.
a) Die Voraussetzungen einer Einbringung i.S. des § 24 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) und damit einer möglichen Begünstigung des Einbringungsgewinns nach §§ 16, 34 EStG lagen im Streitfall trotz Zurückbehaltung der Honorarforderungen vor.
aa) § 24 UmwStG setzt voraus, dass ein Betrieb oder Teilbetrieb in eine Personengesellschaft eingebracht und der Einbringende Mitunternehmer dieser Gesellschaft wird. Ein Betrieb ist dann i.S. des § 24 UmwStG eingebracht, wenn seine wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die Personengesellschaft übergehen (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 29. November 1988 VIII R 316/82, BFHE 156, 408, BStBl II 1989, 602, unter 6.). Werden einzelne nicht wesentliche Wirtschaftsgüter des Betriebs zurückbehalten und auch nicht Sonderbetriebsvermögen bei der übernehmenden Personengesellschaft, so ist dies unschädlich für die Anwendung von § 24 UmwStG (Fuhrmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz 245). Ob eine Betriebsgrundlage wesentlich ist, beurteilt sich im Rahmen des § 24 UmwStG nach der funktionalen Betrachtungsweise (BFH-Urteil vom 25. November 2009 I R 72/08, BFHE 227, 445, BStBl II 2010, 471, unter II.3.a bb aaa). Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens gehören unabhängig vom Umfang nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 X R 39/04, BFHE 219, 144, BStBl II 2008, 220, unter II.4.c). Bei der Einbringung einer freiberuflichen Praxis sind der Mandantenstamm, der Praxiswert und unter Umständen die Praxiseinrichtung wesentlich, nicht jedoch bereits vorhandene Forderungen (BFH-Urteil vom 13. September 2001 IV R 13/01, BFHE 196, 546, BStBl II 2002, 287; vgl. auch BFH-Urteil vom 18. Mai 1994 I R 109/93, BFHE 175, 249, BStBl II 1994, 92).
bb) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich im Streitfall um eine Einbringung einer ganzen Praxis. Sowohl der Mandantenstamm, der Praxiswert als auch die Einrichtungsgegenstände wurden in die GbR eingebracht. Die zurückbehaltenen Forderungen sind unabhängig von ihrer Höhe nicht funktional wesentlich und stehen damit den Rechtsfolgen des § 24 Abs. 3 UmwStG nicht entgegen.
cc) Um die Rechtsfolgen des § 24 Abs. 3 UmwStG i.V.m. §§ 16, 34 EStG in Gestalt des begünstigten Veräußerungsgewinns auszulösen, ist weiter erforderlich, dass die Praxis zum Teilwert eingebracht wird. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt. Nach den Feststellungen des FG war der Kläger verpflichtet, eine Einbringungsbilanz aufzustellen und seine Praxis mit den gemeinen Werten einzubringen.
b) Die zurückbehaltenen Forderungen gehörten nach der Einbringung weiterhin zu einem Betriebsvermögen, nämlich zum Restbetriebsvermögen des Klägers. Anders als das FA und das beigetretene BMF meinen, ist ein Betriebsvermögen ohne aktiven Betrieb möglich. Denn der einkommensteuerrechtliche Begriff des Gewerbebetriebs umfasst auch die auf Abwicklung eines Unternehmens gerichtete Tätigkeit (BFH-Urteile vom 9. November 1999 II R 45/97, BFH/NV 2000, 686; vom 24. April 1980 IV R 68/77, BFHE 131, 70, BStBl II 1980, 658). Auch bei der Betriebsveräußerung i.S. des § 16 EStG können nicht mitveräußerte unwesentliche Wirtschaftsgüter im Restbetriebsvermögen verbleiben (BFH-Urteile in BFH/NV 2000, 686; vom 1. August 2007 XI R 47/06, BFHE 218, 509, BStBl II 2008, 106). Nichts anderes gilt für die Abwicklung von zurückbehaltenen Forderungen bei einer Einbringung einer freiberuflichen Einzelpraxis in eine freiberufliche Sozietät. Die Vorschrift des § 24 EStG setzt voraus, dass auch nach Beendigung der aktiven freiberuflichen Tätigkeit freiberufliche Einkünfte entstehen können.
Die Anerkennung eines Restbetriebsvermögens verbunden mit der Erfassung der Erträge zum Zeitpunkt des Zuflusses verhindert zudem Streitigkeiten im Hinblick auf die Bewertung der Forderungen zum fiktiven Entnahmezeitpunkt. Diesem Wert käme im Falle einer Zwangsentnahme entscheidende Bedeutung zu. Denn dann wären sämtliche späteren Vorgänge, wie tatsächlicher Einnahmenausfall, vom angesetzten Entnahmebetrag abweichende Mehr- oder Mindereinnahmen, in Zusammenhang mit den zwangsweise entnommenen Forderungen dem nichtsteuerbaren Privatbereich zuzuordnen. Ob in diesen Fällen eine Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich wäre, erscheint zumindest bei unbestrittenen Forderungen zweifelhaft (BFH-Urteil vom 10. Februar 1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564, unter 4.d).
c) Die vom Kläger zurückbehaltenen Honorarforderungen waren auch nicht als (Zwangs-)Entnahme mit dem Teilwert in der Gewinnermittlung zu erfassen.
aa) Entgegen der Auffassung des BMF gehen anlässlich einer Einbringung i.S. des § 24 UmwStG zurückbehaltene Forderungen nicht zwangsläufig in das Privatvermögen des Einbringenden über (BFH-Urteil vom 14. November 2007 XI R 32/06, BFH/NV 2008, 385). Erklärt der Steuerpflichtige nicht ausdrücklich eine Übernahme der zurückbehaltenen betrieblich begründeten Forderungen ins Privatvermögen, kann er diese auch ohne Betrieb als Restbetriebsvermögen behandeln und schrittweise einziehen (BFH-Urteile in BFH/NV 2008, 385; in BFH/NV 2000, 686). Dauert aber die freiberufliche Einkünfteerzielung ‑‑wenn auch nicht mehr aus werbender Tätigkeit‑‑ an, besteht kein Zwang, Forderungen dem Privatvermögen zuzuordnen (BFH-Urteil vom 25. Februar 1975 VIII R 84/69, BFHE 115, 429, BStBl II 1975, 571). Nach zutreffender Auffassung des FG muss der Einbringende seine Forderungen dabei nicht in einem bestimmten Abwicklungszeitraum einziehen (offengelassen im BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 385). Die Erfassung als Betriebseinnahme ist wegen der betrieblichen Verstrickung im Restbetriebsvermögen sichergestellt. Denn im Zeitpunkt des Zuflusses der Honorareinnahmen hat der Einbringende nachträgliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit vor der Einbringung (§ 24 Nr. 2 EStG; BFH-Urteil vom 25. März 1976 IV R 174/73, BFHE 118, 572, BStBl II 1976, 487). Zudem besteht insbesondere bei Forderungen nicht die Gefahr von "ewigem" Betriebsvermögen. Entweder der Steuerpflichtige macht seine Forderungen gerichtlich geltend und setzt damit den Einziehungsprozess in Gang oder nach zwei ‑‑jetzt nach drei‑‑ Jahren tritt regelmäßig Verjährung von Honorarforderungen ein (§ 196 Abs. 1 Nr. 15, § 198 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑ a.F., heute § 195 BGB; vgl. Oberlandesgericht ‑‑OLG‑‑ Köln, Urteil vom 22. Januar 2004 8 U 67/03, OLG-Report Hamm Düsseldorf Köln 2005, 32 zur Verjährung im Jahr 1999). Dies führt in der Regel zu einer Entwertung der Forderungen. Aufgrund dessen besteht für die Fiktion einer Entnahme ins Privatvermögen im Zeitpunkt der Einbringung keine Notwendigkeit (so aber BMF-Schreiben zur Anwendung des Umwandlungssteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 11. November 2011 IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl I 2011, 1314).
Der vom FA vertretene automatische Übergang der Forderungen ins Privatvermögen kann auch nicht mit einer entsprechenden Anwendung des im Streitjahr geltenden Satzes 4 (heute Satz 7) des § 16 Abs. 3 EStG begründet werden. Gemäß dieser Vorschrift sind die im Zuge einer Betriebsaufgabe nicht veräußerten Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Aufgabe des Gewerbebetriebs anzusetzen. Allerdings setzt bereits die direkte Anwendung dieser Norm voraus, dass die Wirtschaftsgüter gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG ins Privatvermögen überführt worden sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 686).
bb) Im Streitfall verblieben die Honorarforderungen des Klägers in dessen Restbetriebsvermögen. Denn der Kläger hat sie nach den Feststellungen des FG nicht durch eine Entnahme ins Privatvermögen überführt.
d) Die Honorarforderungen des Klägers waren auch nicht im Rahmen der Übergangsgewinnermittlung anlässlich der Einbringung zu erfassen.
aa) Das FA geht zwar zu Recht davon aus, dass der Kläger anlässlich der Einbringung seiner Praxis in die Sozietät von der bisherigen Einnahmenüberschussrechnung i.S. des § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich i.S. des § 4 Abs. 1 EStG übergehen musste. Denn die Aufdeckung aller stillen Reserven der wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Ermittlung eines Einbringungsgewinns auf der Grundlage einer Einbringungsbilanz und einer Eröffnungsbilanz der Gesellschaft sind Voraussetzung für die Begünstigungen der §§ 16, 34 EStG (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98, BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123, unter C.I.1.; BFH-Urteile in BFH/NV 2008, 385; vom 5. April 1984 IV R 88/80, BFHE 141, 27, BStBl II 1984, 518).
bb) Allerdings musste der Kläger die zurückbehaltenen Honorarforderungen nicht in die Einbringungsbilanz der Sozietät einstellen. § 24 Abs. 1 UmwStG bezieht sich auf das "eingebrachte Betriebsvermögen". Infolge dessen sind in der Übergangsgewinnermittlung nur die tatsächlich eingebrachten Wirtschaftsgüter zu erfassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 141, 27, BStBl II 1984, 518). Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Begünstigungen der §§ 16, 18 Abs. 3 und 34 EStG. Denn ein Einbringungsgewinn soll nur dann steuerbegünstigt sein, wenn sämtliche stillen Reserven der wesentlichen Betriebsgrundlagen ‑‑aber eben auch nur dieser‑‑ aufgedeckt werden (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123, unter C.V.1.c). Daher findet in Bezug auf die zurückbehaltenen Forderungen kein Wechsel der Gewinnermittlungsart statt (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 385; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 196, 546, BStBl II 2002, 287; Korn, Finanz-Rundschau ‑‑FR‑‑ 2005, 1236, unter IV.). Dies ist auch nicht erforderlich, weil die Forderungen durch die Zugehörigkeit zu einem Restbetriebsvermögen weiterhin betrieblich verstrickt bleiben und eine Erfassung der Zahlungseingänge als nachträgliche Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG sichergestellt ist.
cc) Dadurch wird ‑‑entgegen der Auffassung des FA‑‑ auch nicht der aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes abgeleitete Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit verletzt. Diesem ist bereits dann genügt, wenn der aufgrund einer Überschussrechnung und der aufgrund eines Bestandsvergleichs ermittelte Totalgewinn, der jeweils alle Geschäftsvorfälle erfasst, identisch sind (BFH-Urteil vom 10. Juni 2008 VIII R 101/04, BFH/NV 2008, 1824; Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz D 10 sowie D 203). Dabei sind auch Geschäftsvorfälle zu berücksichtigen, die sich nach Beendigung, Veräußerung oder Einbringung eines Betriebes ereignen. Insofern muss die Gesamtgewinngleichheit im Streitfall erst mit dem letzten Geldeingang beim Kläger erreicht sein. Aufgrund dessen ist auch kein bestimmter zeitlicher Zusammenhang zwischen der Einbringung und der zu erwartenden Einziehung der Forderungen erforderlich. Soweit der XI. Senat des BFH in seinem Urteil in BFH/NV 2008, 385 den Grundsatz der Totalgewinnidentität nur dann als gewahrt angesehen haben sollte, wenn die zurückbehaltenen Forderungen in einem überschaubaren Zeitraum nach der Einbringung der Praxis eingezogen werden, könnte ihm der erkennende Senat nicht folgen. Für eine derartige Einschränkung des zu betrachtenden Gesamtgewinnzeitraums bestehen keine Rechtfertigungsgründe. Insofern kommt es im Streitfall nicht darauf an, wann der Kläger seine Honorarforderungen eingezogen hat. Darin liegt schon deshalb keine Abweichung gemäß § 11 Abs. 2 und 3 FGO, weil der XI. Senat für Rechtsfragen der hier zu entscheidenden Art nicht mehr zuständig ist.
dd) Der Einwand des FA, dass im Falle einer Gewerbesteuerpflicht des eingebrachten Betriebes der Grundsatz der Totalgewinnidentität deswegen verletzt sei, weil die nachträglichen Einkünfte i.S. des § 24 Nr. 2 EStG nicht gewerbesteuerpflichtig seien, verfängt nicht. Denn der Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit verlangt nur die Identität des nach verschiedenen Methoden ermittelten Gewinns als Bemessungsgrundlage für Ertragsteuern, jedoch nicht eine Gleichheit der gesamten steuerlichen Belastung (Weber-Grellet, a.a.O., § 4 Rz D 10; Drüen, FR 1999, 1097, 1105).
e) Der Kläger hatte die Zahlungen, die auf seine zurückbehaltenen Honorarforderungen geleistet werden, erst mit dem tatsächlichen Zufluss i.S. des § 11 EStG als nachträgliche Betriebseinnahmen zu erfassen. Denn er hat die Höhe der nachträglichen Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach den Grundsätzen der Einnahmenüberschussrechnung i.S. des § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Der Kläger hat nach den Feststellungen des FG für das Streitjahr keine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG durchgeführt und auch keine einer Buchführung entsprechenden Unterlagen vorgelegt. Bei dieser Sachlage ist für einen Steuerpflichtigen nur die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zulässig (BFH-Urteil vom 6. März 1997 IV R 47/95, BFHE 183, 78, BStBl II 1997, 509). Der Senat kann daher offenlassen, ob dem Kläger zur Ermittlung des Gewinns des Restbetriebsvermögens anderenfalls ein Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlungsart zugestanden hätte (Schießl, FR 2007, 136) oder ob dies nur nach § 4 Abs. 3 EStG möglich gewesen wäre (BFH-Urteil vom 22. Februar 1978 I R 137/74, BFHE 125, 42, BStBl II 1978, 430).