Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs

Entscheidungen online

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Beschluss vom 16. Oktober 2012, VIII B 42/12

Gewinnfeststellungsbescheid als teilbarer Verwaltungsakt - Keine Klageänderung nach Fristablauf - Sachaufklärungspflicht des FG

BFH VIII. Senat

FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 116 Abs 3 S 3, EStG § 18 Abs 3, EStG § 16, EStG § 34, AO § 118 S 1, AO § 179 Abs 1, AO § 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a, FGO § 67, FGO § 76 Abs 2

vorgehend FG Münster, 16. Februar 2012, Az: 14 K 4449/07 F

Leitsätze

1. NV: Es ist geklärt, dass ein Gewinnfeststellungsbescheid ein teilbarer Verwaltungsakt ist; insbesondere das Bestehen einer Mitunternehmerschaft sowie die Höhe des laufenden Gewinns, eines Veräußerungsgewinns oder eines Sondergewinns sind selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlagen .

2. NV: Ist zunächst nur die Höhe eines Veräußerungsgewinns im Streit, wird aber nach Ablauf der Klagefrist der gesamte Feststellungsbescheid angefochten, handelt es sich um eine Klageänderung im Sinne des § 67 FGO, die nur innerhalb der Klagefrist zulässig ist .

3. NV: § 76 FGO verpflichtet das FG nicht, die Beteiligten zu einer Substantiierung ihres Sachvortrags zu veranlassen, wenn die rechtliche Bedeutung der vorzutragenden Tatsachen für den Ausgang des Klageverfahrens auf der Hand liegt .

Gründe

  1. Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor.

  2. 1. Die Rüge, das angefochtene finanzgerichtliche Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel, weil das Finanzgericht (FG) die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen habe, als diese sich nicht nur gegen die Feststellung eines Veräußerungsgewinns in Höhe von 180.000 DM richten solle, ist unbegründet. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 8. Juni 2000 IV R 65/99, BFHE 192, 207, BStBl II 2001, 89; vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544, und VIII R 334/82, BFH/NV 1988, 791; vom 4. November 2003 VIII R 38/01, BFH/NV 2004, 1372; BFH-Beschluss vom 21. August 2002 VIII B 116/01, BFH/NV 2002, 1609) ist ein Gewinnfeststellungsbescheid ein teilbarer Verwaltungsakt. Insbesondere das Bestehen einer Mitunternehmerschaft sowie die Höhe des laufenden Gewinns, eines Veräußerungsgewinns oder eines Sondergewinns sind selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlagen (Senatsurteil in BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544, unter I.2. der Gründe; BFH-Urteil vom 21. Januar 1999 IV R 40/98, BFHE 188, 523, BStBl II 1999, 563, unter 1. der Gründe); sie erwachsen eigenständig in Bestandskraft und können für die in dem nämlichen Bescheid getroffenen und rechtlichen nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung entfalten (Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 48 FGO Rz 48, m.w.N.). Zutreffend ist das FG deshalb davon ausgegangen, dass eine Erweiterung der Klage nach Ablauf der Klagefrist unzulässig war, soweit nunmehr der Kläger den gesamten Feststellungsbescheid angefochten hatte und nicht nur den Veräußerungsgewinn von 180.000 DM.

  3. Im Streitfall hatte der anwaltlich vertretene Kläger ausweislich der Klageschrift lediglich beantragt, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1996 dahingehend zu ändern, dass bei Ermittlung der Einkünfte der Veräußerungsgewinn von 180.000 DM außer Ansatz bleibt. Diesen Antrag hat der Klägervertreter gestellt, obwohl dem Kläger und den Beigeladenen daneben noch laufende Einnahmen aus der Nutzungsüberlassung des Gebrauchsmusters zugerechnet wurden. Dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) neben einem Veräußerungsgewinn auch laufende Einkünfte angesetzt hatte, war dem Feststellungsbescheid 1996 ohne Weiteres zu entnehmen. Zudem ist der damalige Klägervertreter unstreitig auch in dem dem Klageverfahren vorhergehenden Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (FG Münster 14 V 3525/07 F; Schriftsatz vom 12. November 2007) vom Bestehen einer Mitunternehmerschaft ausgegangen. Dass sich das Klagebegehren nicht nur gegen die Feststellung des Veräußerungsgewinns, sondern gegen den gesamten Feststellungsbescheid richten sollte, hat der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2011 vorgetragen. Die Klagefrist war zu diesem Zeitpunkt seit Langem abgelaufen.

  4. Der Senat sieht auch keine Möglichkeit, dem Begehren des Klägers im Wege rechtsschutzgewährender Auslegung zum Erfolg zu verhelfen. Dem steht die Eindeutigkeit des mit der Klageschrift gestellten Antrags entgegen. Denn es ist ein Gebot der Rechtssicherheit, Rechtskundige wie Angehörige der steuerberatenden Berufe oder Rechtsanwälte mit ihren Prozesserklärungen beim Wort zu nehmen (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. April 2002 VIII B 122/01, BFH/NV 2002, 1309, m.w.N.; vom 21. Juli 2005 VIII B 77/05, BFH/NV 2005, 1861).

  5. 2. Unbegründet ist auch die Rüge, das FG habe die ihm obliegende Hinweispflicht verletzt. Der Senat nimmt insoweit auf die ständige Rechtsprechung des BFH Bezug, nach der § 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das FG nicht verpflichtet, die Beteiligten zu einer Substantiierung ihres Sachvortrags zu veranlassen, wenn die rechtliche Bedeutung der vorzutragenden Tatsachen für den Ausgang des Klageverfahrens auf der Hand liegt (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 4. August 1999 VIII B 51/98, BFH/NV 2000, 204). Ebenso wenig ist es gehalten, die maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkte mit den Verfahrensbeteiligten vorher umfassend zu erörtern oder ihnen die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten (z.B. BFH-Urteil vom 28. Februar 1989 VIII R 303/84, BFHE 157, 51, BStBl II 1989, 711; BFH-Beschluss vom 12. Juli 2002 VII B 257/01, BFH/NV 2002, 1498, jeweils m.w.N.). Das gilt insbesondere dann, wenn ein Beteiligter ‑‑wie hier der Kläger‑‑ steuerlich beraten und im Prozess entsprechend vertreten war (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 204).

  6. 3. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Vorentscheidung von den in der Beschwerdeschrift genannten Entscheidungen des BFH abweicht. Es ist nicht erkennbar, dass das FG einen von den genannten BFH-Entscheidungen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hätte (vgl. zu den Anforderungen an die Darlegung der Divergenz Gräber/Ruban, Finanzgerichtsgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 54, m.w.N.).

  7. 4. Im Übrigen wendet sich die Beschwerde im Ergebnis gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Die Zulassung der Revision kann darauf nicht gestützt werden, denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. April 2003 VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom 23. Juni 2003 IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289; vom 15. Januar 2008 VIII B 222/06, BFH/NV 2008, 753).

Seite drucken