BFH III. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1, EStG § 3 Nr 44, EStG § 9, EStG § 10 Abs 1 Nr 7, AO § 52 Abs 2 S 1 Nr 1
vorgehend FG Köln, 25. Mai 2011, Az: 12 K 3508/10
Leitsätze
1. NV: Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig und hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in dem angefochtenen Urteil dargetan hat .
2. NV: Nach den maßgeblichen Richtlinien des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie besteht der Zweck des EXIST-Gründerstipendiums darin, eine Existenzgründung vorzubereiten und zu begleiten sowie zur unternehmerischen Selbständigkeit hinzuführen. Diese Zwecke fallen nicht unter die in § 3 Nr. 44 EStG genannten Förderungszwecke .
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Diplom-Informatiker. Er erhielt im Kalenderjahr 2008 (Streitjahr) ein sog. EXIST-Gründerstipendium in Höhe von monatlich 2.000 € (insgesamt 24.000 €). Dieses Stipendium wurde ihm zur Durchführung eines Gründungsvorhabens gewährt. Der Kläger schloss mit seiner Hochschule einen Stipendienvertrag ab. In der Präambel dieses Vertrags heißt es u.a.: "Die Maßnahme EXIST-Gründerstipendium ist Teil des Programms 'Existenzgründungen aus der Wissenschaft (EXIST)', das zur Verbesserung des Gründungsklimas an wissenschaftlichen Einrichtungen beiträgt. Mit dem EXIST-Gründerstipendium wird die Vorbereitung innovativer wissensbasierter Existenzgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und der Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert." Die öffentlichen Mittel für die EXIST-Gründerstipendien werden auf der Basis der hierzu erlassenen Richtlinien des BMWi ‑‑RL-BMWi‑‑ (Bundesanzeiger Nr. 88 vom 11. Mai 2007, S. 4875) vergeben.
Der Kläger ging im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr davon aus, dass sein Stipendium nach § 3 Nr. 44 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (EStG) steuerfrei sei. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) beurteilte das Stipendium hingegen als steuerpflichtig und setzte die Einkommensteuer entsprechend fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch war zwar der Höhe nach teilweise erfolgreich. Er hatte aber keinen Erfolg, soweit die Steuerfreiheit des Stipendiums betroffen war.
Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, § 3 Nr. 44 EStG setze für die Steuerfreiheit des Stipendiums u.a. voraus, dass das Stipendium zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werde. Nach den maßgeblichen RL-BMWi bestehe die Zweckbestimmung des Stipendiums jedoch darin, eine Existenzgründung vorzubereiten und zu begleiten sowie zur unternehmerischen Selbständigkeit hinzuführen. Eine andere Zielrichtung ließe sich auch nicht dem Stipendienvertrag entnehmen.
Der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) sowie wegen Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss der Kläger eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage formulieren und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingehen, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (z.B. BFH-Beschluss vom 16. Mai 2008 VII B 118/07, BFH/NV 2008, 1440). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu entscheiden ist, wie es das FG getan hat (Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 106, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung). So verhält es sich im Streitfall.
b) Der Kläger erachtet die Fragen als grundsätzlich bedeutsam, ob die in den RL-BMWi geregelte Zweckbestimmung ein nach § 3 Nr. 44 EStG begünstigter Förderungszweck sei, und ob für den Fall, dass dies zu verneinen sein sollte, zur Prüfung eines begünstigten Förderungszwecks der möglicherweise abweichende Inhalt des Stipendienvertrags heranzuziehen sei.
aa) Das FG hat bei der Prüfung der Frage, ob ein begünstigter Förderungszweck i.S. des § 3 Nr. 44 EStG vorliegt, zutreffend auf die in den RL-BMWi geregelte Zweckbestimmung abgestellt. Dies ergibt sich jedenfalls für den Streitfall daraus, dass nach den RL-BMWi die die Fördermittel unmittelbar an den Stipendiaten auszahlende Stelle ‑‑hier die Hochschule‑‑ an den in den RL-BMWi bestimmten Zweck und Gegenstand der Fördermittel gebunden ist. So verpflichten sich die Hochschulen als Zuwendungsempfänger (s. dazu Nr. 3 RL-BMWi) gegenüber dem Fördermittelgeber, die Fördermittel zweckentsprechend zu verwalten und mit den für die Förderung vorgesehenen Gründern einen Stipendienvertrag abzuschließen (s. Anlage 5 RL-BMWi). Der Förderungszweck wird daher abschließend in den RL-BMWi festgelegt. Im Übrigen hat auch der Gesetzgeber ‑‑wie die Regelung in § 3 Nr. 44 Satz 3 EStG zeigt‑‑ die Steuerfreiheit an die Beachtung der Richtlinien des (Fördermittel-)Gebers gekoppelt. Danach setzt die Steuerfreiheit u.a. voraus, dass die Stipendien nach den von dem Geber erlassenen Richtlinien vergeben werden. Hierdurch wollte der Gesetzgeber eine möglichst weitgehende Bindung der vergebenden Stelle an die Richtlinien des Gebers erreichen (BTDrucks IV/2400, S. 62).
bb) Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass mit dem EXIST-Gründerstipendium nach der Zweckbestimmung des BMWi keine begünstigten Förderungszwecke i.S. des § 3 Nr. 44 EStG verfolgt werden. Diese Vorschrift setzt voraus, dass die "Stipendien ... zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden". Da der Gesetzeswortlaut final ("zur") formuliert ist, müssen die Stipendien zielgerichtet und vorrangig die genannten Zwecke fördern. Hierfür ist jedenfalls eine entsprechende subjektive Zweckbestimmung durch den Geber der Mittel erforderlich (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 3 Nr. 44 EStG Rz 2).
Das FG hat in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die (subjektive) Zweckbestimmung des EXIST-Gründerstipendiums darin bestehe, eine Existenzgründung vorzubereiten und zu begleiten sowie zur unternehmerischen Selbständigkeit hinzuführen (s. dazu Nrn. 1.1 und 2 RL-BMWi). Diese Zwecke fallen nicht unter die in § 3 Nr. 44 EStG genannten Förderungszwecke.
Der Begriff der Forschung ist in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung geregelt. Hierunter versteht man die planmäßige (systematisch-methodische) Suche nach neuen Erkenntnissen (z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 52 AO Rz 19; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 44 Rz B 44/65; Jachmann in Beermann/Gosch, AO § 52 Rz 48). Die RL-BMWi sehen zwar durchaus auch vor, dass der Gründer im Rahmen seines Vorhabens forschend tätig werden kann, zumal die zu fördernde Gründungsidee hauptsächlich eine technische Produkt- oder Prozessinnovation oder eine neuartige innovative Dienstleistung zum Gegenstand haben muss (s. Nr. 2 RL-BMWi). Gleichwohl verfolgt das Stipendium nicht vorrangig das Ziel, die planmäßige Suche nach neuen Erkenntnissen zu fördern. Sollte die Gründungsidee eine forschende Tätigkeit erforderlich machen, ist sie nicht primärer Zweck, sondern notwendiges Durchgangsstadium, um das angestrebte Ziel ‑‑die Vorbereitung einer innovativen Existenzgründung‑‑ zu fördern.
Für die Bestimmung der Begriffe "Ausbildung" und "Fortbildung" sind die Kriterien heranzuziehen, wie sie von der früheren Rechtsprechung zur Abgrenzung von Werbungskosten (§ 9 EStG) und Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) entwickelt wurden (HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 44 EStG Rz 2; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nr. 44 Rz B 44/65). Während zur Ausbildung alle der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienenden Maßnahmen gehören, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2011 VI R 52/10, BFHE 235, 444), sind Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, um in dem ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden, der Fortbildung zuzuordnen (BFH-Urteil vom 18. Juni 2009 VI R 31/07, BFH/NV 2009, 1797). Von einem wissenschaftlichen Arbeiten kann nur gesprochen werden, wenn grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Sinnzusammenhang gebracht werden (BFH-Urteil vom 7. März 2007 I R 90/04, BFHE 217, 413, BStBl II 2007, 628).
Auch wenn die Gründer während der Gründungsphase von dritter Seite (z.B. Gründungsberater, Hochschullehrer als fachlichem Mentor, s. Nr. 4 RL-BMWi) betreut werden, bezweckt das Stipendium weder die Vermittlung der für die Ausübung eines Berufs bzw. einer Erwerbstätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten noch die Weiterbildung in einem bereits erlernten Beruf, sondern die Vorbereitung innovativer Existenzgründungen in deren Frühphase, insbesondere die Erstellung eines tragfähigen Businessplans und die Entwicklung marktfähiger Produkte und Dienstleistungen (Nr. 1.1 RL-BMWi). Damit zielt das Stipendium auf die praxistaugliche Umsetzung einer Gründungsidee aus der Wissenschaft ab. Im Übrigen ist die Realisierung eines Gründungsvorhabens, auch wenn die Gründer betreut werden, nicht mehr Teil der wissenschaftlichen Aus- oder Fortbildung. Durch eine solche Maßnahme sollen gerade nicht Fragen einer Existenzgründung methodisch untersucht und in einen Sinnzusammenhang gebracht, sondern es soll die Existenzgründung als solche vorgenommen werden.
2. Aus den gleichen Gründen scheidet eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) aus. Dieser Zulassungsgrund stellt einen Spezialfall der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO dar und setzt daher ebenfalls eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (Senatsbeschluss vom 30. Januar 2012 III B 153/11, BFH/NV 2012, 705, m.w.N.).
3. Den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) hat der Kläger bereits nicht schlüssig dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenz muss der Beschwerdeführer u.a. tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus den behaupteten, mit Datum sowie Aktenzeichen und/oder Fundstelle bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. Senatsbeschluss vom 11. März 2011 III B 76/10, BFH/NV 2011, 981). Hieran fehlt es bereits deshalb, weil der Kläger keine Divergenzentscheidung bezeichnet hat.