Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs

Entscheidungen online

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Beschluss vom 20. September 2012, IX B 174/11

NZB: Divergenz bei Ermessensentscheidung; unterlassene Amtsermittlung

BFH IX. Senat

AO § 240 Abs 1, FGO § 76 Abs 1, FGO § 102, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 116 Abs 3 S 3, FGO § 119 Nr 6

vorgehend Hessisches Finanzgericht , 25. Juli 2011, Az: 8 K 3140/09

Leitsätze

1. NV: Eine BFH-Entscheidung ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, wenn das FG eine nur eingeschränkte Überprüfung einer Ermessensentscheidung des FA vorgenommen und die maßgebenden Rechtsprechungsgrundsätze allenfalls (vermeintlich) fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalls angewendet hat. Eine solche Überprüfung betrifft die Rechtsanwendung im Einzelfall, nicht aber eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen.

2. NV: Wird der Verfahrensmangel der unzureichenden Sachaufklärung in Gestalt der unterlassenen Amtsermittlung gerügt, so ist u.a. darzulegen, weshalb sich auf der Grundlage des maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunktes des FG eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis die unterlassene Sachaufklärung nach Ansicht des Klägers erbracht hätte und wieso dieses Ergebnis ‑‑zumal bei einer nur eingeschränkt zu überprüfenden Ermessensentscheidung‑‑ zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können.

Gründe

  1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); im Übrigen liegen die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe auch nicht vor.

  2. 1. a) Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alt. FGO) ist nicht erforderlich; die gerügte Divergenz zu den BFH-Beschlüssen vom 4. Februar 1999 IX B 170/98 (BFH/NV 1999, 908), vom 18. März 2003 X B 66/02 (BFH/NV 2003, 886) sowie zum BFH-Urteil vom 20. Mai 2010 V R 42/08 (BFHE 229, 83, BStBl II 2010, 955) liegt nicht vor. Das Finanzgericht (FG) ist nach Maßgabe der Rechtsgrundsätze in den zitierten Divergenz-Entscheidungen (s.a. BFH-Urteile vom 7. Juli 1999 X R 87/96, BFH/NV 2000, 161; vom 30. März 2006 V R 2/04, BFHE 212, 23, BStBl II 2006, 612) zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Ermessensfehler bei Ablehnung des begehrten Erlasses von Säumniszuschlägen für den maßgeblichen Zeitraum durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) auch im Hinblick auf § 240 Abs. 1 Satz 4 der Abgabenordnung nicht festzustellen ist. Zudem beachtet der Kläger nicht hinreichend, dass das FG eine nach § 102 FGO nur eingeschränkte Überprüfung der Ermessensentscheidung des FA vorgenommen und die maßgebenden Rechtsprechungsgrundsätze allenfalls (vermeintlich) fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalls angewendet hat. Eine solche Überprüfung betrifft die Rechtsanwendung im Einzelfall, nicht aber eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. Mai 2012 III B 239/11, BFH/NV 2012, 1470; vom 15. April 2011 III B 140/10, BFH/NV 2011, 1377).

  3. b) Die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen eines erheblichen Rechtsfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alt. FGO) wurde nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt. Denn ein offensichtlicher (materieller oder formeller) Rechtsanwendungsfehler des FG von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung, der geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2002 IX B 124/02, BFH/NV 2003, 495; vom 10. Februar 2010 IX B 163/09, BFH/NV 2010, 887, unter 2., m.w.N.), wurde nicht aufgezeigt. Zudem reichen unterhalb dieser Schwelle liegende, auch erhebliche Rechtsfehler nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Juli 2005 IX B 13/05, BFH/NV 2005, 2031; vom 15. Februar 2012 IV B 126/10, BFH/NV 2012, 774).

  4. c) Soweit sich der Kläger gegen eine fehlerhafte Rechtsanwendung bzw. eine unzutreffende Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls durch das FG wendet, rügt er ‑‑einschließlich eines Verstoßes gegen Denkgesetze (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Dezember 2006 IX B 139/05, BFH/NV 2007, 1084; vom 1. Februar 2012 VI B 71/11, BFH/NV 2012, 767)‑‑ lediglich materielle Fehler, also die Unrichtigkeit des FG-Urteils; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. September 2009 IX B 84/09, BFH/NV 2010, 395; vom 3. Februar 2012 IX B 126/11, BFH/NV 2012, 741).

  5. 2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargetan. Soweit der Kläger eine unzureichende Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) als (verzichtbaren) Verfahrensmangel in Gestalt der unterlassenen Amtsermittlung rügt, fehlt es bereits an hinreichenden Angaben und Ausführungen (zu den Anforderungen: z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978; vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43). So ist nicht dargelegt, weshalb sich auf der Grundlage des maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunktes des FG eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis die unterlassene Sachaufklärung nach Ansicht des Klägers erbracht hätte und wieso dieses Ergebnis ‑‑zumal bei einer nur eingeschränkt zu überprüfenden Ermessensentscheidung (vgl. § 102 FGO)‑‑ zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2005, 43; vom 14. Oktober 2009 IX B 86/09, BFH/NV 2010, 222). Auch hat der fachkundig vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Sitzungsprotokolls nicht von sich aus auf eine weitere Sachaufklärung hingewirkt; vielmehr wurde insoweit rügelos verhandelt. Daher ist der Verstoß auch nicht gegeben.
    Soweit schließlich gerügt wird, das FG-Urteil sei ‑‑zumindest teilweise‑‑ nicht mit Gründen versehen (vgl. § 119 Nr. 6 FGO), fehlen streitfallbezogene Ausführungen gänzlich.

Seite drucken