BFH IX. Senat
EStG § 21 Abs 1, EStG § 21 Abs 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2, FGO § 118 Abs 2
vorgehend Sächsisches Finanzgericht , 20. Dezember 2011, Az: 2 K 1276/11
Leitsätze
1. NV: Die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht als subjektives Tatbestandsmerkmal stellt sich erst, nachdem eine auf Einkünfteerzielung gerichtete Tätigkeit (als objektiver Tatbestand) festgestellt wurde.
2. NV: Der (unentgeltliche) Verzicht auf Mieteinnahmen kann nicht als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung fingiert werden.
3. NV: Einwendungen, die nicht die Abweichung von Rechtssätzen verschiedener Entscheidungen aufzeigen, sondern lediglich die Richtigkeit der tatsächlichen Gesamtwürdigung des FG betreffen, sind ‑‑wie bloße Fehler in der Subsumtion oder der Rechtsanwendung im Einzelfall‑‑ dem materiellen Recht zuzurechnen und können deshalb die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulas-sungsgründe sind nicht gegeben.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) aufgeworfene Rechtsfrage nach dem (vermeintlichen) Vorrang der ‑‑bei dauerhafter Vermietung zu unterstellenden‑‑ Einkünfteerzielungsabsicht vor der Prüfung des zugrundeliegenden Mietverhältnisses unter nahen Angehörigen im Wege des Fremdvergleichs ist geklärt. Denn nach der Systematik des Gesetzes und ständiger Rechtsprechung stellt sich die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht als subjektives Tatbestandsmerkmal erst, nachdem eine auf Einkünfteerzielung gerichtete Tätigkeit (als objektiver Tatbestand) festgestellt wurde (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 10. Juni 2010 IX B 233/09, BFH/NV 2010, 1824). Im Übrigen hat das Finanzgericht (FG) bei der Würdigung eines Mietverhältnisses unter Beachtung des Fremdvergleichs die ‑‑regelmäßig nicht klärungsbedürftigen und damit nicht grundsätzlich bedeutsamen‑‑ Umstände des Einzelfalles als Tatfrage (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 2012 IX B 126/11, BFH/NV 2012, 741, m.w.N.).
Hat aber das FG das Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen steuerrechtlich (mangels tatsächlicher Durchführung) nicht an-erkannt und damit nicht der Besteuerung zugrunde gelegt, kommt es auf die Frage einer verbilligten Vermietung i.S. von § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes wie auch auf die Höhe dieser Einkünfte nicht an.2. Auch ist eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO nicht erforderlich. Denn die aufgeworfene Rechtsfrage, inwieweit der Verzicht auf Mieteinnahmen zu fiktiven Einnahmen führt, bezieht sich (nur) auf die Höhe der Einkünfte und stellt sich nicht, wenn diese ‑‑wie hier‑‑ schon dem Grunde nach nicht anzuerkennen sind. Überdies ist nach allgemeiner Auffassung unstreitig, dass der (unentgeltliche) Verzicht auf Mieteinnahmen ‑‑wozu regelmäßig auch die Umlagen zählen‑‑ nicht als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung fingiert werden kann (vgl. Schmidt/ Kulosa, EStG, 31. Aufl., § 21 Rz 65; Birk/Kister in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 8 EStG Rz 180; Kirchhof in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 8 Rz 6; jeweils unter dem Stichwort "Verzicht"). Dem von den Klägern in diesem Zusammenhang angeführten BFH-Urteil vom 14. März 2006 I R 38/05 (BFH/NV 2006, 1515) liegt hingegen ein entgeltlicher Verzicht und damit ein anderer Sachverhalt zugrunde.
3. Einer Entscheidung des BFH bedarf es auch nicht zur Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO. Es kann dahinstehen, ob die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung und der zitierten Divergenzentscheidungen (BFH-Urteile vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646, und IX R 32/02, BFH/NV 2003, 599; vom 24. August 2004 IX R 28/03, BFH/NV 2005, 50) so herausgearbeitet und gegenübergestellt wurden, dass eine Abweichung im Grundsätzlichen erkennbar wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Mai 2010 IX B 11/10, BFH/NV 2010, 1648, unter 2.; vom 23. August 2011 IX B 63/11, BFH/NV 2012, 53, unter 2.). Jedenfalls liegt die gerügte Divergenz nicht vor.
Das FG ist nicht von dem Grundsatz abgewichen, dass im Rahmen des Fremdvergleichs für die Beurteilung von (Miet-)Verträgen unter Angehörigen die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend ist und deshalb nicht jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt (vgl. BFH-Urteile vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106, unter 2.; vom 24. August 2006 IX R 40/05, BFH/NV 2006, 2236, unter II.2., sowie zur Abwicklung von Nebenkosten: BFH-Urteile vom 17. Dezember 2003 IX R 7/98, BFH/NV 2004, 1270; vom 21. November 2000 IX R 73/97, BFH/NV 2001, 594). Davon ausgehend ist das FG im Rahmen seiner Gesamtwürdigung unter Hinweis auf die von der (schriftlichen) Vereinbarung abweichende (zum Teil bedarfsorientierte) Handhabung der Abwicklung der Nebenkosten zu dem Ergebnis gelangt, dass das Mietverhältnis im Streitfall nicht wie unter fremden Dritten üblich vereinbart und durchgeführt worden ist.
Bei dieser Sachlage betreffen die Einwendungen der Kläger keine Abweichung von Rechtssätzen verschiedener Entscheidun-gen, sondern lediglich die Richtigkeit der tatsächlichen Ge-samtwürdigung des FG. Diese ist jedoch ‑‑wie bloße Fehler in der Subsumtion oder Rechtsanwendung im Einzelfall‑‑ dem mate-riellen Recht zuzurechnen und kann deshalb die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigen (vgl. BFH-Beschlüs-se in BFH/NV 2012, 53, unter 2.; vom 28. September 2010 IX B 65/10, BFH/NV 2011, 43, unter 3.).