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Beschluss vom 24. Juli 2012, IX B 173/11

NZB: Fremdvergleich, Vertragsauslegung, Rechtsanwendungsfehler; Gesamtergebnis des Verfahrens

BFH IX. Senat

FGO § 96 Abs 1 S 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 116 Abs 3 S 3

vorgehend FG Köln, 18. Oktober 2011, Az: 4 K 96/08

Leitsätze

1. NV: Ist für die anhand des Fremdvergleichs vorzunehmende Beurteilung die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend, so ist auf die ‑‑regelmäßig nicht klärungsbedürftigen und damit nicht grundsätzlich bedeutsamen‑‑ Umstände des Einzelfalles abzuheben.  

2. NV: Zur Durchführung des Fremdvergleichs ist zunächst der Inhalt des zu beurteilenden Vertrages festzustellen. Dazu bedarf es der Vertragsauslegung, bei der bedeutsame, ggf. auch außerhalb des Vertrages liegende Begleitumstände heranzuziehen sind.  

3. NV: Die unzutreffende Würdigung von Tatsachen, die fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles oder bloße Subsumtionsfehler des FG sind keine offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht, sondern lediglich materiell-rechtliche Fehler, die eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.  

4. NV: § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO gebietet nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern oder etwa die Rechtsansicht eines der Beteiligten zu übernehmen.

Gründe

  1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Be-gründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); zudem liegen die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.

  2. 1. a) Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; denn die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig.
    Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist für die anhand des Fremdvergleichs vorzunehmende Beurteilung die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend, wobei nicht jede Abweichung vom Üblichen die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt. Das Finanzgericht (FG) hat auf dieser Basis hinsichtlich der Frage, ob ein Darlehens-vertrag (zwischen teilidentischen Gesellschaften) einem Fremd-vergleich standhält, auf die ‑‑regelmäßig nicht klärungsbedürftigen und damit nicht grundsätzlich bedeutsamen‑‑ Umstände des Einzelfalles abgehoben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. April 2008 IX B 156/07, BFH/NV 2008, 1323; vom 30. Mai 2008 IX B 216/07, BFH/NV 2008, 1510).

  3. Auch die Frage, ob die Fremdüblichkeit auch anhand von Tatsachen zu beurteilen ist, die außerhalb des Vertragsverhältnisses liegen, ist nicht klärungsbedürftig: Denn um mit dem Fremdüblichen verglichen werden zu können, ist zunächst der konkrete Inhalt des zu beurteilenden Vertrages festzustellen. Dazu bedarf es der Vertragsauslegung, bei der bedeutsame, ggf. auch außerhalb des Vertrages liegende Begleitumstände heranzuziehen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 4. Dezember 1979 VII R 29/77, BFHE 130, 226, BStBl II 1980, 488; vom 11. Februar 1981 I R 13/77, BFHE 133, 3, BStBl II 1981, 475; vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477; vom 1. Februar 2012 I R 57/10, BFHE 236, 374, BStBl II 2012, 407; Beschluss vom 5. Dezember 2006 VIII B 4/06, BFH/NV 2007, 490, unter 2. c). Das gilt auch dann, wenn zwischen den Vertragsparteien ‑‑wie hier‑‑ weitere Vertragsbeziehungen bestehen und sich die hier zu beurteilenden Darlehensverträge auf diese anderen Verträge bzw. Ansprüche daraus beziehen.
    Danach ist auch eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alt. FGO nicht erforderlich.

  4. b) Die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alt. FGO) ist nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt. Dazu hätte ein offensichtlicher (materieller oder formeller) Rechtsanwendungsfehler des FG von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung dargetan werden müssen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. Februar 2012 IX B 126/11, BFH/NV 2012, 741; vom 10. Februar 2010 IX B 163/09, BFH/NV 2010, 887, unter 2., m.w.N.). Das ist nicht geschehen. Unterhalb dieser Schwelle liegende, auch erhebliche Rechtsfehler reichen dagegen nicht aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Juli 2005 IX B 13/05, BFH/NV 2005, 2031; vom 15. Februar 2012 IV B 126/10, BFH/NV 2012, 774), insbesondere nicht die (vermeintlich) unzutreffende Würdigung von Tatsachen, die (vorgeblich) fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles oder bloße Subsumtionsfehler des FG (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 741).

  5. c) Mit ihren Einwänden setzt die Klägerin ihre eigene Sachver-haltswürdigung (insbesondere zur Fremdüblichkeit) und ihre ‑‑auf dieser anderen Würdigung basierende‑‑ Rechtsansicht anstelle des FG und rügt damit im Kern eine (vermeintlich) unzutreffende Tatsachenwürdigung und fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler des Urteils; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. August 2007 IX B 104/07, BFH/NV 2007, 2144, und in BFH/NV 2012, 741).

  6. 2. Der gerügte Verfahrensmangel (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) der Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt nicht vor. Danach hat das FG seine Überzeugung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu bilden, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde zu legen. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO gebietet aber nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. März 2011 X B 7/11, BFH/NV 2011, 1005; vom 19. Oktober 2011 IX B 90/11, BFH/NV 2012, 234). Im Streitfall hat das FG die Fremdüblichkeit der Verzinsung ausdrücklich angesprochen, aber anders als die Klägerin beurteilt.

  7. Im Übrigen hat die fachkundig vertretene Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Sitzungsprotokolls zur Fremdüblichkeit der (unterschiedlichen) Verzinsung bei wechselseitigen Geschäftsbeziehungen keinen Beweisantrag gestellt und auch auf sonstige Aufklärungsmaßnahmen nicht hingewirkt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Mai 2010 IX B 198/09, BFH/NV 2010, 1647, und in BFH/NV 2012, 741).

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