BFH IX. Senat
AO § 367 Abs 2 S 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3
vorgehend FG Münster, 10. Januar 2012, Az: 6 K 2226/09 E
Leitsätze
1. NV: Dem FA unterläuft ein wesentlicher Verfahrensmangel, wenn es eine verbösernde Einspruchsentscheidung ohne Hinweis auf die Verböserungsmöglichkeit erlässt; die Gerichte haben den Betroffenen dann so zu stellen, dass er durch das unrechtmäßige Verhalten keinen Schaden erleidet .
2. NV: Zweck des Hinweises auf eine drohende Verböserung ist es, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Zurücknahme seines Einspruchs zu geben .
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Soweit sich die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ausdrücklich gegen die "fehlerhafte Tatsachenwürdigung" und Rechtsauffassung des Finanzgerichts (FG) wenden, haben sie schon keinen Zulassungsgrund bezeichnet. Mit einer dahin gehenden, der Revision vorbehaltenen Rüge können die Kläger im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331).
Das angefochtene Urteil leidet auch nicht unter dem von den Klägern geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen das Gerichtsverfahrensrecht (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Mai 2010 VIII B 72/09, BFH/NV 2010, 1474, m.w.N.), nicht hingegen der hier gerügte Fehler des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ‑‑FA‑‑) im außergerichtlichen Vorverfahren, der ‑‑jedenfalls nach Auffassung der Kläger‑‑ vor seiner verbösernden Einspruchsentscheidung den nach § 367 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung vorgeschriebenen Hinweis zu Unrecht unterlassen habe. Zwar unterläuft dem FA ein wesentlicher Verfahrensmangel, wenn es eine verbösernde Einspruchsentscheidung ohne Hinweis auf die Verböserungsmöglichkeit erlässt; die Gerichte haben den Betroffenen dann so zu stellen, dass er durch das unrechtmäßige Verhalten keinen Schaden erleidet. Zweck des Hinweises auf eine drohende Verböserung ist es, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Zurücknahme seines Einspruchs zu geben. Wenn indes für den Steuerpflichtigen ‑‑nach einer entsprechenden Aufforderung‑‑ eine Zurücknahme des Rechtsbehelfs nicht in Betracht kommt, er vielmehr ‑‑wie die Kläger im Streitfall‑‑ im außergerichtlichen Vorverfahren zusätzliche materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung erhebt und die Herabsetzung der Steuer beantragt, liegt der behauptete Verfahrensfehler des FA schon nicht vor. Vor diesem Hintergrund hat auch das FG im Streitfall nicht i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO verfahrensfehlerhaft entschieden.