BFH IV. Senat
EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG § 2 Abs 1
vorgehend Sächsisches Finanzgericht , 03. Juni 2008, Az: 2 K 482/07
Leitsätze
NV: Wird eine Forderung in eine atypisch stille Beteiligung umgewandelt, ist der stille Gesellschafter mangels Mitunternehmerrisikos nicht Mitunternehmer, wenn die Forderung im Zeitpunkt der Umwandlung wirtschaftlich wertlos war.
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 2. (im Folgenden GmbH) ist eine in Liquidation befindliche GmbH, deren alleiniger Anteilseigner in den Streitjahren 2002 und 2003 der Kläger und Revisionskläger zu 1. (Kläger) war. Er hielt die Anteile am Stammkapital von 1.050.000 DM über einen Treuhänder. Der Kläger war außerdem am Vermögen der X-KG (im Folgenden: KG) als Komplementär mit 95 % beteiligt; die übrigen Vermögensanteile hielt die Mutter des Klägers als Kommanditistin. Die GmbH war Vertragshändler der Y-AG.
Infolge von Verlusten war bei der GmbH Kapitalbedarf entstanden, der zunächst durch Darlehen der KG in Höhe von 500.000 DM und 885.000 € gedeckt wurde. Die Darlehen waren jeweils mit Rangrücktrittserklärungen versehen, nach denen die Forderungen nur aus laufenden Gewinnen oder einem Liquidationsüberschuss der GmbH befriedigt werden und im Fall der Insolvenzreife der GmbH insoweit erlöschen sollten, als dies zur Beseitigung der Überschuldung und Erhaltung des Stammkapitals erforderlich sei. Im Oktober 2002 entnahm der Kläger die Darlehen aus der KG und schloss mit der GmbH einen Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft. Die Einlage von 1.000.000 € sollte durch Umwandlung von Darlehen bis zur Höhe des der Einlage entsprechenden Nennbetrags geleistet werden. Dem stillen Gesellschafter standen u.a. Widerspruchs- und Zustimmungsrechte in Bezug auf über den normalen Geschäftsgang hinausgehende Geschäfte der GmbH zu. Er sollte nach den Kapitalanteilen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 30. Oktober 2002 am Gewinn und bis zur Höhe seines Kapitalkontos auch am Verlust beteiligt sein. Anteile an den offenen und stillen Reserven sowie am Geschäftswert des Außengesellschafters waren nach dem Gesellschaftsvertrag Bestandteil des Auseinandersetzungsguthabens des stillen Gesellschafters. Von dem Jahresergebnis des laufenden Geschäftsjahrs 2002 sollten dem stillen Gesellschafter 2/12 des auf das Jahr bezogenen Gewinn- bzw. Verlustanteils zustehen. Am 30. Oktober 2002 wurden alle Vereinbarungen unter Mitwirkung des Treuhandgesellschafters sowie des Geschäftsführers der GmbH vollzogen.
Bereits zuvor war ein neuer Geschäftsführer für die GmbH bestellt worden. Der Händlervertrag mit der Y-AG wurde am 5. November 2002 verlängert.
Am 22. Oktober 2002 hatte der Kläger eine selbstschuldnerische Bürgschaft für Kontokorrentverbindlichkeiten der GmbH gegenüber der Z-Bank bis zur Höhe von 972.000 € übernommen. Im Januar 2003 übernahm der Kläger selbstschuldnerische Bürgschaften in Höhe von insgesamt 403.387 € gegenüber einer Factoringgesellschaft aus der Händlerorganisation der Y-AG.
Unter dem 16. September 2003 wurde die stille Beteiligung des Klägers auf 1.750.000 € aufgestockt. Der Aufstockungsbetrag war ausweislich der Vereinbarung durch Umwandlung weiterer vom Kläger gewährter Darlehen von insgesamt 285.000 € sowie durch Zahlung von 465.000 € bis zum 31. Dezember 2003 auf das Kontokorrentkonto der GmbH bei der Z-Bank zu erbringen. Am 29. Oktober 2003 wurde den Mitarbeitern der GmbH betriebsbedingt gekündigt; zum 31. Dezember 2003 stellte die GmbH ihren Geschäftsbetrieb ein.
Ohne dass die stille Beteiligung den Finanzbehörden zuvor mitgeteilt worden war, wurde im Mai 2004 eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte 2002 für die GmbH & atypisch Still abgegeben. Die Einkünfte wurden mit ./. 1.449.271 € angegeben, wovon auf die GmbH ./. 952.797 € und den Kläger ./. 496.474 € entfielen. Die im Folgejahr abgegebene Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte 2003 für die GmbH & atypisch Still belief sich auf Einkünfte von ./. 803.879 €, von denen ./. 2.828 € der GmbH und ./. 801.051 € dem Kläger zugewiesen wurden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) erkannte die Mitunternehmerschaft des Klägers nicht an und erließ negative Feststellungsbescheide für die Jahre 2002 und 2003. Dagegen erhobene Einsprüche blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1601 abgedrucktem Urteil als unbegründet ab. Zwar sei das Gesellschaftsverhältnis formal anzuerkennen und beruhe nicht auf einem Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 der Abgabenordnung. Dem Kläger habe es jedoch an der Absicht gefehlt, aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter Einkünfte zu erzielen.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragen sinngemäß,
die Vorentscheidung und die negativen Feststellungsbescheide 2002 und 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkünfte aus der atypisch stillen Gesellschaft in den Jahren 2002 und 2003 erklärungsgemäß gesondert und einheitlich festzustellen.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Die getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um die Einkunftserzielungsabsicht des Klägers zu verneinen.
a) Eine Tätigkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) einkommensteuerlich nur relevant, wenn ihr die Absicht zu Grunde liegt, auf Dauer gesehen nachhaltig Überschüsse zu erzielen. Das ist dann der Fall, wenn ein betrieblicher Totalgewinn erstrebt wird (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3. der Gründe). Als innere Tatsache lässt sich die Gewinnerzielungsabsicht nur anhand äußerer Umstände feststellen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c der Gründe). In objektiver Hinsicht ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer geeignet ist, einen Gewinn zu erwirtschaften. Dass der Steuerpflichtige auch subjektiv die Erzielung eines Totalgewinns nicht beabsichtigte, kann aus einer objektiv negativen Gewinnprognose nicht ohne weiteres gefolgert werden. Ein solcher ‑‑widerlegbarer‑‑ Schluss ist nur dann gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen (BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 40/06, BFH/NV 2009, 1115, unter II.1.a der Gründe). Bei anderen Tätigkeiten müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 IV R 81/99, BFHE 195, 382, BStBl II 2002, 276).
Übt der Steuerpflichtige ‑‑wie hier‑‑ eine gewerbliche Tätigkeit aus, die nicht typischerweise in der Nähe des Hobbybereichs anzusiedeln ist, so können im Falle einer längeren Verlustperiode die Reaktionen des Steuerpflichtigen auf die Verluste die Bedeutung wichtiger äußerer Beweisanzeichen erlangen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 2. Juni 1999 X R 149/95, BFH/NV 2000, 23, unter II.1. der Gründe). So spricht vor allem das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, für sich genommen schon dafür, dass langjährige Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1115, unter II.2.b der Gründe, m.w.N.). An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz der Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind in einem solchen Fall keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874, unter II.2.b bb der Gründe).
b) Gemessen an diesen Voraussetzungen kann aus den bisherigen Feststellungen des FG nicht auf das Fehlen der Absicht des Klägers, aus der stillen Beteiligung einen Totalgewinn zu erzielen, geschlossen werden. Das FG hat keine Tatsachen festgestellt, die dafür sprechen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen wurden.
Es hat auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht allein aufgrund des Umstands geschlossen, dass objektiv kein Totalgewinn erzielt werden konnte. Ein solcher Schluss ist nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nicht zulässig. Vielmehr hätte es bei Verlusten aus dem fremdüblichen Handel der Feststellung von Anhaltspunkten dafür bedurft, dass die Verluste gleichwohl aus persönlichen Gründen hingenommen wurden. Aus mangelnder Reaktion auf die Verlustentstehung kann im Streitfall nicht auf solche persönlichen Motive geschlossen werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Geschäftsführung ausgewechselt und mit den Kreditgebern über Möglichkeiten der Sanierung verhandelt wurde. Anscheinend reichten die getroffenen Maßnahmen jedenfalls aus, um die Voraussetzungen für eine Verlängerung des Y-Händlervertrags zu schaffen.
2. Die Revision ist nach dem bisherigen Stand der Tatsachenfeststellungen auch nicht deshalb gemäß § 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen, weil sich die Vorentscheidung aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend erweisen würde. Es bestehen zwar Zweifel daran, ob die Voraussetzungen für eine Mitunternehmerstellung des Klägers erfüllt sind. Gewissheit hat der Senat darüber jedoch nicht.
a) Ein stiller Gesellschafter kann Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes sein. Voraussetzung für eine Mitunternehmerschaft ist nach der Rechtsprechung des BFH, dass der Beteiligte Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.V.3.c der Gründe; BFH-Urteil vom 22. August 2002 IV R 6/01, BFH/NV 2003, 36). Mitunternehmerinitiative bedeutet dabei Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen zumindest in dem Umfang der Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte eines Kommanditisten nach den Regelungen des Handelsgesetzbuchs. Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des Geschäftswerts vermittelt (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.V.3.c der Gründe). Erfüllt der stille Gesellschafter diese Voraussetzungen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse (sog. atypische stille Gesellschaft), besteht zwischen ihm und dem Inhaber des Handelsgewerbes eine Mitunternehmerschaft.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist die allseitige Beteiligung am laufenden Gewinn des Handelsgewerbes für die Annahme einer Mitunternehmerschaft obligatorisch. Eine Beschränkung der Verlustbeteiligung auf die Einlage ist dabei unschädlich, denn auch der Kommanditist nimmt nur bis zur Höhe seiner Einlage am Verlust der Gesellschaft teil. Grundsätzlich erforderlich ist außerdem eine Beteiligung an den stillen Reserven einschließlich des Firmenwerts/Geschäftswerts (BFH-Urteil vom 18. Februar 1993 IV R 132/91, BFH/NV 1993, 647). Auf sie kann nur verzichtet werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls das insoweit eingeschränkte Mitunternehmerrisiko durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen wird (BFH-Urteile vom 11. Dezember 1990 VIII R 122/86, BFHE 163, 346; in BFH/NV 2003, 36, m.w.N).
b) Im Streitfall bestehen Zweifel daran, ob der Kläger in ausreichendem Umfang Mitunternehmerrisiko zu tragen hatte. Das FA weist in seiner Revisionserwiderung unter Fortführung seiner Argumentation in der Einspruchsentscheidung und im erstinstanzlichen Klageverfahren zutreffend darauf hin, dass das Mitunternehmerrisiko wegen fehlender Werthaltigkeit der stillen Einlage in Frage stehen kann. Eine auf die Einlage beschränkte Verlustbeteiligung bedeutet keine wirtschaftliche Belastung, wenn die Einlage im Zeitpunkt ihrer Leistung keinen wirtschaftlichen Wert hat. Ungeachtet der Frage, ob eine derartige Leistung überhaupt die gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen einer stillen Einlage erfüllt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Mai 2001 VIII R 10/00, BFHE 195, 486, BStBl II 2001, 747, unter III.2.b aa), reduziert eine wirtschaftlich wertlose Einlage das Verlustrisiko jedenfalls dann auf Null, wenn die Verlustbeteiligung wie im Streitfall auf die Einlage beschränkt ist. Die fehlende wirtschaftliche Beteiligung am Verlust hat grundsätzlich zur Folge, dass es an dem erforderlichen Mitunternehmerrisiko fehlt.
Im Streitfall hat das FG vor dem Hintergrund seiner Rechtsauffassung noch keine Feststellungen dazu getroffen, welchen Inhalt die Einlageverpflichtung bei Begründung der stillen Gesellschaft hatte und ob die Umwandlung nicht voll werthaltiger Darlehen der Einlageverpflichtung entspricht. Es fehlen auch noch Feststellungen zu dem Teilwert der umgewandelten Darlehensforderungen auf den maßgeblichen Tag der Umwandlung. Nicht festgestellt ist in Bezug auf die Erhöhung der Beteiligung im Jahr 2003, inwieweit die ausdrückliche Bareinlageverpflichtung erfüllt worden ist. Der Senat kann daher nicht beurteilen, ob für den Kläger in den Streitjahren ein ‑‑wenn auch hinter dem Nennwert der Forderungen zurückbleibendes‑‑ Verlustrisiko bestand. Auf ein solches Risiko kann nicht aus der Übernahme von Bürgschaften für Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber Dritten geschlossen werden. Denn es ist keine eindeutige wirtschaftliche Verknüpfung zwischen der Übernahme der stillen Beteiligung und der Übernahme von Bürgschaften festgestellt. Der Kläger konnte die Bürgschaften auch als alleiniger Anteilsinhaber der GmbH übernommen haben.
3. Das FG erhält durch die Zurückverweisung Gelegenheit, die noch für eine abschließende Entscheidung notwendigen Tatsachenfeststellungen nachzuholen. Angesichts dieser Sachlage bedarf die Verfahrensrüge der Kläger keiner Erörterung mehr.
4. Der Senat entscheidet nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.