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Beschluss vom 31. Januar 2012, IV B 22/11

Anforderungen an Darlegung eines Verfahrensmangels bei Übergehen eines Vertagungsantrags

BFH IV. Senat

FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 116 Abs 3 S 3, FGO § 155, ZPO § 227 Abs 1 S 1

vorgehend FG München, 15. Dezember 2010, Az: 15 K 2401/08

Leitsätze

NV: Zur Darlegung eines erheblichen Vertagungsgrund i.S. des § 155 FGO i.V. mit § 227 Abs. 1 ZPO bei Wechsel des Prozessbevollmächtigten kurz vor der mündlichen Verhandlung ist ein Vortrag des Klägers zu den Gründen der Mandatsniederlegung erforderlich, weil nur so beurteilt werden kann, ob ihn ein Verschulden an der Mandatsniederlegung trifft.

Gründe

  1. 1. Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend macht, das Urteil des Finanzgerichts (FG) beruhe deshalb auf einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil das FG trotz der Mandatsniederlegung seines früheren Bevollmächtigten und der Mandatierung seines jetzigen Bevollmächtigten erst am Tag vor der mündlichen Verhandlung dessen Antrag auf Vertagung und Akteneinsicht abgelehnt habe, erfüllt dieser Vortrag schon nicht die Anforderungen, die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung eines Verfahrensfehlers zu stellen sind. Die Geltendmachung erfordert nämlich, dass Tatsachen vorgetragen werden, die ‑‑ihre Richtigkeit unterstellt‑‑ den Verfahrensmangel ergeben. Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung kann ein Termin aus erheblichen Gründen verlegt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 5. Dezember 1979 II R 56/76, BFHE 129, 297, BStBl II 1980, 208). Ein erheblicher Grund in diesem Sinne liegt vor, wenn kurz vor der mündlichen Verhandlung in einer Sache, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht einfach ist, ein Wechsel der Prozessbevollmächtigten stattfindet, den der Kläger nicht verschuldet hat (BFH-Urteil vom 26. Januar 1977 I R 163/74, BFHE 121, 286, BStBl II 1977, 348). Dazu ist es allerdings erforderlich, dass der Kläger zu den Gründen der Mandatsniederlegung durch seinen Bevollmächtigten vorträgt, weil nur so beurteilt werden kann, ob ihn ein Verschulden an der Mandatsniederlegung und dem damit verbundenen Wechsel der Prozessbevollmächtigten trifft (vgl. BFH-Beschluss vom 17. März 1992 XI B 38/91, BFH/NV 1992, 679). Bereits an einem solchen Vortrag fehlt es im Streitfall.

  2. 2. Soweit der Kläger vorträgt, das FG habe die Auffassung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt), wonach der Rechtsvorgänger der Beigeladenen Gesellschaftsanteile an der X-GmbH & Co. KG nur treuhänderisch für ihn, den Kläger, gehalten habe, mit sachfremden Erwägungen bestätigt, rügt der Kläger nur eine (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler. Damit kann aber die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. Januar 2007 VI B 98/06, BFH/NV 2007, 949; vom 15. April 2008 IX B 154/07, BFH/NV 2008, 1340).

  3. a) Das gilt zunächst, soweit der Kläger geltend macht, das FG habe seine Rechtsauffassung zu Unrecht auf in der Person des Klägers bestehende "umfangreiche Vollmachten für die KG" gestützt, während ihm lediglich für seine Steuerberatertätigkeit eine Vollmacht erteilt worden sei. Zwar ist die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO auch zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des FG zu einer "greifbar gesetzwidrigen" Entscheidung geführt hat. Voraussetzung hierfür ist aber die Darlegung, dass die Entscheidung des FG in einem solchen Maße fehlerhaft sei, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden könne (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 28. August 2007 VII B 357/06, BFH/NV 2008, 113, m.w.N.). Diese Voraussetzung kann etwa vorliegen, wenn das FG eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2003 V B 72/02, BFH/NV 2003, 1597), das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 2006 III B 128/04, BFH/NV 2006, 1116). Unterhalb dieser Schwelle liegende erhebliche Rechtsfehler ‑‑wie auch die vermeintliche Verkennung der Reichweite einer Vollmacht‑‑ reichen dagegen nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Juli 2005 IX B 13/05, BFH/NV 2005, 2031).

  4. b) Nichts anderes gilt, soweit der Kläger geltend macht, das FG habe die Spruchpraxis des BFH zur tatsächlichen Sachherrschaft über einen Gesellschaftsanteil zwar korrekt wiedergegeben, aber deshalb fehlerhaft auf den Streitfall angewendet, weil es sich auf den zwischen dem Kläger und dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen geschlossenen Darlehensvertrag gestützt habe, ohne dessen Auslegungsbedürftigkeit zu erkennen. Auch insoweit liegt ‑‑den gerügten Verstoß unterstellt‑‑ nur ein materieller Rechtsfehler bei der Vertragsauslegung vor, der nicht zu einer greifbar gesetzwidrigen Entscheidung führen kann. Das gilt auch, soweit der Kläger mit Blick auf die Vertragsauslegung des FG ausführt, diese führe ggf. zu einer nach dem bürgerlichen Recht unmöglichen Leistung oder unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages zu Lasten Dritter zu einem nichtigen Vertrag.

  5. c) Auch soweit der Kläger vorträgt, die Wertung des FG, dass der Rechtsvorgänger der Beigeladenen bei der Wahrnehmung seiner Rechte bezüglich seiner KG-Beteiligung stets seine, des Klägers, Wünsche habe berücksichtigen müssen, stehe leer im Raum, wird lediglich ein Rechtsanwendungsfehler und also kein Revisionszulassungsgrund dargelegt. Insoweit hat das FG seine Wertung auf die vorgenannte Vertragsauslegung gestützt und nur unterstützend weitere Indizien (bezogen auf die Teilnahme des Rechtsvorgängers der Beigeladenen an Gesellschafterversammlungen) angeführt, die aus seiner Sicht den Schluss auf die besondere Stellung des Klägers in Bezug auf den KG-Anteil des Rechtsvorgängers der Beigeladenen untermauern. Schließlich führt auch die Einlassung des Klägers, das FG habe zu Unrecht angenommen, er, der Kläger, habe bezogen auf den vorgenannten KG-Anteil Mitunternehmerinitiative entfaltet, zu keinem anderen Ergebnis, weil auch insoweit lediglich die materielle Richtigkeit des FG-Urteils angegriffen wird.

  6. 3. Der Kläger hat mit seinem Vortrag, das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass Einwendungen gegen die Höhe der dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen zugerechneten Gewinnanteile nicht überprüft werden könnten und die Klage insoweit unzulässig sei, auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss deshalb in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt dafür nicht. Der Beschwerdeführer muss vielmehr konkret auf die Rechtsfrage und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Daran fehlt es im Streitfall. Im Hinblick auf die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) gelten im Übrigen keine anderen Anforderungen (BFH-Beschluss vom 7. Juni 2011 X B 212/10, BFH/NV 2011, 1709).

  7. 4. Soweit der Kläger eine mögliche Divergenz des FG-Urteils "zur ständigen Rechtsprechung" des Bundesgerichtshofs (BGH) betreffend die vertraglichen Hauptpflichten eines Darlehensvertrages anspricht, fehlt bereits die Angabe, um welche BGH-Urteile es sich im Einzelnen handeln und worin die Abweichung zu ihnen liegen soll. Insoweit wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, einen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil und aus mindestens einer Divergenzentscheidung derart einander gegenüberzustellen, dass die Abweichung erkennbar wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Juli 2008 II B 47/07, BFH/NV 2008, 1846; vom 24. August 2006 V B 36/05, BFH/NV 2007, 69).

  8. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 2, 139 Abs. 4 FGO. Die Billigkeit erfordert es insoweit, dem Kläger auch die der Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, weil sie einen entsprechenden Antrag gestellt und damit das Risiko getragen hat, zu unterliegen und mit Kosten belastet zu werden (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Januar 2006 IV R 14/04, BFHE 212, 231, BStBl II 2006, 418).

  9. 6. Der Beschluss ergeht im Übrigen nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung, insbesondere ohne Wiedergabe des Tatbestandes.

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