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Beschluss vom 02. Dezember 2011, VII B 106/11

Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch Ermittlungen nach dem Wohnsitz des Zahlungspflichtigen

BFH VII. Senat

AO § 231, FGO § 96 Abs 2, FGO § 105 Abs 3

vorgehend FG Nürnberg, 04. Mai 2011, Az: 6 K 1314/10

Leitsätze

1. NV: Eine Wohnsitzanfrage des FA beim Einwohnermeldeamt führt nur dann zur Unterbrechung der Zahlungsverjährung, wenn das FA besonderen Anlass zu einer solchen Ermittlungshandlung hat, weil ihm der Wohnsitz des Steuerschuldners nicht bekannt ist .

2. NV: Nicht jeder sachliche Umstand, auf den das Gericht seine Entscheidung stützt, muss im Tatbestand des Urteils erwähnt werden. Festgestellte entscheidungserhebliche Tatsachen oder aus Tatsachen gezogene Folgerungen können auch an der insoweit in Betracht kommenden Stelle der Entscheidungsgründe aufgeführt werden .

Tatbestand

  1. I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) übersandte dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) unter dem 16. April 2007 eine Vollstreckungsankündigung wegen (u.a.) nicht beglichener Einkommensteuer 1986. Nachdem der Kläger die Steuerschuld bestritten und sich auf Verjährung berufen hatte, erließ das FA einen Abrechnungsbescheid, der die mit Einkommensteuerbescheid vom 7. September 1990 festgesetzte Einkommensteuer 1986 zuzüglich entstandener Säumniszuschläge als nicht verjährt und nicht getilgt auswies. Die Verjährungsfrist sei in der Vergangenheit durch mehrere Versuche zur Ermittlung des Wohnsitzes des Klägers unterbrochen worden.

  2. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis habe im Streitfall mit Ablauf des 31. Dezember 1990 begonnen und sei vor ihrem Ablauf durch einen von Seiten des FA im Juli 1994 im Bundeszentralregister gesetzten Suchvermerk zur Ermittlung des Aufenthalts des Klägers unterbrochen worden. Das FA habe Anlass gehabt, den Aufenthaltsort des Klägers als unbekannt anzusehen, nachdem eine Wohnsitzanfrage beim Einwohnermeldeamt F ergeben habe, dass sich der Kläger nach Frankreich abgemeldet habe, und die französischen Behörden auf ein späteres Vollstreckungsersuchen nach dem EG-Beitreibungsgesetz geantwortet hätten, der angegebene französische Wohnort sei dort nicht bekannt. Vor Ablauf der damit neu in Lauf gesetzten Verjährungsfrist habe das FA am 2. Juni 1997 beim Einwohnermeldeamt M Auskunft über den Wohnsitz des Klägers erbeten, nachdem es einen Hinweis auf einen möglichen Aufenthalt des Klägers in M gegeben habe. Dadurch sei die Verjährungsfrist erneut unterbrochen worden, so dass mit Ablauf des 31. Dezember 1997 eine weitere fünfjährige Verjährungsfrist begonnen habe, die wiederum im August 2002 durch einen nochmaligen Suchvermerk zur Aufenthaltsermittlung im Bundeszentralregister unterbrochen worden sei.

  3. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative und 3 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) stützt.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind zum Teil nicht schlüssig dargelegt, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, liegen aber jedenfalls nicht vor.

  2. 1. Anders als die Beschwerde meint, weicht das angefochtene FG-Urteil nicht von dem Senatsurteil vom 24. November 1992 VII R 63/92 (BFHE 169, 493, BStBl II 1993, 220) ab. Das FG hat sich bei seiner Entscheidung vielmehr ausdrücklich auf den Rechtssatz aus vorgenanntem Senatsurteil gestützt, dem zufolge eine Wohnsitzanfrage des FA beim Einwohnermeldeamt nur dann zur Unterbrechung der Zahlungsverjährung führt, wenn das FA besonderen Anlass zu solchen Ermittlungshandlungen hat, weil ihm der Wohnsitz des Steuerschuldners nicht bekannt ist. Das FG hat im Streitfall einen besonderen Anlass zu Ermittlungshandlungen gesehen, weil der Beitreibungsversuch in Frankreich zu der Auskunft der französischen Behörden geführt hatte, der in dem Vollstreckungsersuchen genannte Ort sei unbekannt. Wenn die Beschwerde demgegenüber meint, die Speicherung eines Suchvermerks im Zentralregister sei unnötig gewesen, weil bekannt gewesen sei, dass sich der Kläger in Frankreich aufhalte, beantwortet sie die Frage nach einem hinreichenden Anlass zur Ermittlung des Wohnsitzes des Klägers anders, als es das FG getan hat, bezeichnet jedoch keinen im FG-Urteil aufgestellten, von dem Senatsurteil in BFHE 169, 493, BStBl II 1993, 220 abweichenden Rechtssatz.

  3. 2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

  4. Im Tatbestand eines Urteils ist der Sach- und Streitstand nur seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen (§ 105 Abs. 3 Satz 1 FGO). Es muss daher nicht jeder sachliche Umstand, auf den das Gericht seine Entscheidung stützt, im Tatbestand erwähnt werden. Vielmehr ist es zulässig, festgestellte entscheidungserhebliche Tatsachen oder aus Tatsachen gezogene Folgerungen an der insoweit in Betracht kommenden Stelle der Entscheidungsgründe aufzuführen. Anders als die Beschwerde meint, ist es daher nicht verfahrensfehlerhaft, dass das FG den Hinweis auf einen möglichen Aufenthaltsort des Klägers in M, der zur entsprechenden Anfrage beim dortigen Einwohnermeldeamt geführt hatte, im Tatbestand des Urteils nicht ausdrücklich erwähnt hat.

  5. Insoweit liegt auch der seitens der Beschwerde gerügte Sachaufklärungsmangel nicht vor. Die Beschwerde will offenbar in Zweifel ziehen, dass es den im FG-Urteil erwähnten, die Anfrage beim Einwohnermeldeamt M rechtfertigenden Hinweis auf einen Aufenthalt des Klägers in M gegeben habe. Damit legt die Beschwerde jedoch keinen Sachaufklärungsmangel dar. Ein Verfahrensfehler hinsichtlich dieser Frage ließe sich nur mit einem Verstoß des FG gegen den klaren Inhalt der Akten begründen. Die Beschwerde bezeichnet jedoch keine konkreten Teile der Akten, die der Annahme des FG entgegenstehen, dem FA habe ein Hinweis auf einen möglichen Aufenthalt des Klägers in M vorgelegen.

  6. Anders als die Beschwerde meint, hat das FG klägerisches Vorbringen zur angeblichen Ungeeignetheit der Wohnsitzanfragen bei deutschen Meldebehörden oder dem Zentralregister nicht in einer den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzenden Weise unberücksichtigt gelassen. Vielmehr hat sich das FG mit dem Erfordernis eines besonderen Anlasses zu Wohnsitzanfragen ausdrücklich auseinandergesetzt, hat aber ‑‑wie ausgeführt‑‑ in Anbetracht der negativen Antwort der französischen Behörden auf das Beitreibungsersuchen einen für das FA damals hinreichend konkreten Anlass angenommen, den Aufenthaltsort des Klägers als unbekannt anzusehen.

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